SCHLOSS UND HERRLICHKEIT KREUZBERG
Jedem Ahrbesucher fällt das bewohnte Schloß Kreuzberg auf, das sich auf einem kegelförmigen Berge bei dem gleichnamigen Orte erhebt. Hier errichteten schon im 8. Jahrhundert die Prümer Benediktinermönche, die von Kesseling aus, wo sie seit 762 ein Kloster und eine Kapelle besaßen, das Ahrtal missionierten, ein Kreuz, das dem Berg, dem Ort und der späteren Burg den Namen Cruceberg verlieh.
Aus dem Prümer Urbar von 893 ersieht man, daß das Kloster Prüm in Kreuzberg 35 Morgen Ackerland besaß. Die Wiesen erbrachten 15 Fuder Heu, der Weinberg 1 Fuder Wein.
Das Kloster besaß in Kreuzberg aber keinen Wald und keine Mühle. Mit weiteren 5 1/2 Diensthufen waren hörige Bauern belehnt.
Ein erbuntertäniger höriger Bauer mit wenigstens 30 Morgen Land mußte als Lehnszins jährlich dem Kloster abgeben: 1 Schwein, 2 Hühner, 10 Eier und 1 Pfund Flachs. Jedoch war schon 893 das Schwein mit einem Jahreszins von 20 Pfg. und das Pfund Flachs mit 8 Pfg. abgegolten. An Frondiensten mußten geleistet werden: 3 Jugera; d. h. der Hofbauer mußte 3 Morgen Herrenland pflügen und eggen, was drei Tagewerken entspricht. 2 Carvada, d. h. er mußte 2 Morgen herrschaftliches Land, das durchweg durch Neurodungen entstanden war, pflügen und eggen.
1 Angaria, das war eine eintägige Fahrt im Dienste des Klosters.
2 noctes; er mußte jährlich zwei Nachtwachen zum Schütze des klösterlichen Erntegutes halten.
Ursprünglich war er auch zum „hostilicium“ verpflichtet, was besagt, daß er im Kriegsfalle einen Troßwagen mit Ochsengespann zu stellen hatte. Als höriger Bauer war er persönlich nicht kriegsdienstpflichtig.
Aber auch dies „hostilicum“ war schon 893 durch einen Jahreszins von 12 Pfg. abgelöst. So brauchte unser höriger Bauer dem Kloster Prüm jährlich nur sechs Tagewerke und zwei Nachtwachen zu leisten. Im g. Jahrlrundert tauscht Prüm diese BeSitzungen an den Edlen Sigebod. Dessen Erben waren die Grafen von Are, die um 1100 auch die Landesherren der mittleren Ahr wurden. Kloster Prüm trat alle seine Güter in Kreuzberg an die Grafen von Are gegen Tausch ab. So waren die Grafen von Are nicht nur die politischen Landesherren, sondern auch die Grundherren, so daß die Bauern von Kreuzberg zu dem Grafen als ihrem Grundherrn in einem Hörigkeitsverhältnis standen. Auf dem Kreuzberge ließen die Grafen ein Wohnhaus für einen ihrer ritterlichen Burgmannen errichten.
Im Jahre 1246 starben die Grafen von Are im Mannesstamme aus. Der Erzbischof Konrad von Are=Hochstaden erbte als Onkel des verstorbenen Neffen Theoderichs IV. die Grafschaft Are, die dadurch zum Erzstift Köln kam. Auf der Burg Are wohnten nun keine Grafen mehr, sondern nur kurkölnische Amtmänner, welche die ehemalige Grafschaft regierten. Das Amtsgebäude auf dem Kreuzberg zerfiel. Auch verlangte der Erzbischof als Eandesherr, daß die Burg Ecke, nördlich von Reimershofen, geschleift wurde, damit der Burg Are von dieser Seite keine Gefahr drohe. Umso erstaunlicher ist es, daß der Erzbischof dem Edelherrn von Fischenich Kreuzberg mit Gebäuden, mit Grund und Boden und allen hörigen Bauern als Lehen gibt und ihm gestattet, auf dem Berge ein feste Burg zu bauen.
Das ritterliche Geschlecht von Fischenich stammt aus dem Dorfe Fischenich im Landkreise Köln. Das Wappen war ein schwarzer Balken im silbernen Felde; über dem Balken war ein nach rechts schwimmender Fisch. Schon im 13. Jahrhundert saßen die Freiherren von Fischenich in der gerade gegründeten Stadt Ahrweiler, und sie bewohnten den heutigen Blankarts Hof in der Ahrhut, den sie von dem Kloster Prüm mit der Marktmühle zu Lehen trugen. Bis 1517 ist der Hof im Besitz derer von Fischenich. Seit 1517 ist die verwandte Familie Blankart mit dem Hof belehnt. Seit 1918 ist er im Besitz der Familie H. Jarre.
Wie bekommt nun die Familie Fischenich das Recht, auf dem Kreuzberg eine Burg zu bauen? Ja, diese Familie stand in einem besonderen Vertrauensverhältnis zum Erzbischof von Köln. Schon 1309 übertrug Kono von Fischenich, der Ahrweiler Bürger war, seine Burg Fischenich im Landkreis Köln samt dem dazu gehörigen Gut dem Erzbischof Heinrich II. als Lehen auf. Diese Burg Fischenich war wie die neuerbaute benachbarte erzbischöfliche Burg in Brühl dem Erzbischof besonders wertvoll, um im Kampfe mit den Bürgern Kölns einen weiteren festen Platz vor den Toren Kölns in Händen zu haben.
Für weitere treue Dienste belehnte der Erz bischof die Herren von Fischenich mit dem „Runden Turm“ vor dem Obertor in Ahrweiler, mit dem das kölnische Schenkenamt verbunden war, und somit zählten sie zu den i. kölnischen Hofbeamten.
Kono erhielt auch als kurkölnisches Lehen das Dorf Kreuzberg. Mit Erlaubnis des Erzbischofs Walram errichtete er auf dem Berge eine neue Burg, wozu er vom Erzbischof eine Geldsumme erhielt. Im Jahre 1343 war der stattliche Bau vollendet. Am 26. April 1343 übertrugen Kono und seine Gemahlin Goda die Burg Kreuzberg samt ihrer Befestigung und dem Umkreis, Beifang genannt, dem Erzstift als Lehen an; als Burglehen von Altenahr wurde es dein Herrn von Fischenich dann wieder verliehen. Die Urkunde von 1343 betont ausdrücklich, daß die Burg Kreuzberg dem Erzbischof immer als „Offenhaus“ zu Gebote stehen müsse. Zur Burg Kreuzberg gehörten achtzehn Mansen = 18 Höfe zu Kreuzberg und Sahr sowie 22 Morgen Weingärten. Das Rittergut vermehrte sich so, daß die von Fischenich als Großgrundbesitzer einen Rittersitz und Stimme im kurkölnischen Landtag in Bonn besaßen.
Zur Herrschaft Kreuzberg gehörte auch eine Mahl=, Loh= und Ölmühle u. das Fischrecht in der Ahr. Auch verfügte der Burgherr über die niedere Gerichtsbarkeit. Sämtliche Bewohner der Herrschaft waren zins= und frondienstpflichtige Leute. Dreimal im Jahre mußten sie zum Hof ding in Altenahr, das unter dem Vorsitz des Kölnischen Amtmannes stand, erscheinen. Die Kreuzberger stellten dazu aber die Schöffen, und ihr Schultheiß saß als „schweigender Schultheiß“, als Beisitzer, neben dem Amtmanne. Kono von Fischenich starb bald nach der Erbauung der Burg; denn schon 1546 vermahlte sich seine Witwe Guda mit dem Ritter Konrad von Schöneck. Im Anfange des 15. Jahrhunderts ist das Lehen zweigeteilt unter die Erben Johann von Bachem und Nikolaus von Are. Es wurde auf dem Burgberg deshalb ein zweites Schloß erbaut, das im 17. Jahrhundert aber wieder zerfallen war. Der Nachfolger des Ritters Johann von Bachern war Adam von Oitgenbach, Herr von Ehrenstein a. d. Wied. Dieser verpfändete zunächst auf acht Jahre seinen Anteil von Kreuzberg an den Ritter von Gymnich und verkaufte das Erbe 1449 an seinen Schwager Wilhelm von Nesselrode. Sein Sohn Bertram von Nesselrode vererbte seinen Anteil am Kreuzberg 1495 an seine Schwestersöhne Wilhelm und Heinrich Nagel!. Heinrichs Tochter vererbte ihren Anteil an ihren Gatten Wilhelm von Flodorf. Im Jahre 1545 erhält Baltassar von Flodorf durch Erbteilung diesen Anteil.
Da die spätere Erbin Anna von Flodorf Johann Quadt von Wickeroth heiratete, kam dieses Adelsgeschlecht, das auch auf der Landskrone saß, in den Besitz der halben Herrschaft. Im Jahre 1659 erwarb Johann Arnold von Quadt=Wickerath durch Kauf auch die andere Hälfte.
Die 2. Hälfte von Kreuzberg vererbte sich im 15. Jahrhundert von Nikolaus von Are auf dessen Sohn gleichen Namens. Das Kölner Schenkenamt mit dem Turm von Ahrweiler war inzwischen in den Besitz der Grafen von Arenberg gelangt. 1499 finden wir Johann von Königsdorf, der Ritter und Amtmann zu Altenahr war, als Inhaber dieser zweiten Hälfte. 1518 wird sein Sohn Johann, 1561 sein Enkel Georg von Königsdorf als Inhaber des Lehens genannt. Georgs Sohn belastete das Erbe mit Schulden und sah sich 1598 gezwungen, seinen Anteil an seinen Hauptgläubigen, an Johann Friedrich von der Leyen, der Herr von Adendorf und Saffig war, für 687 Taler zu verkaufen. Im Jahre 1659 verkauften aber Hugo Ernst Freiherr von der Leyen seinen Anteil für 4444 Taler an den Besitzer der anderen Hälfte. Dies war Johann Arnold von Wickerath; somit besaß Johann Arnold von Quad Kreuzberg allein und ungeteilt. Da aber sein Sohn Stephan Vincenz 1697 kinderlos starb, wurde das erledigte Lehen vom Erzbischof dem Philibert von Chabot, Grafen von St. Maurice und Gouverneur der erzbsichöflichen Residenz Bonn verliehen. Doch dieser Herr von Chabot verkaufte schon 1699 Kreuzberg an den kurkölnischen Amtmann zu Brühl Wilhelm Wierich Dietrich Freiherrn von Bernsau zu Schweinheim. Als dieser 1709 ohne männlichen Nachkommen starb, wurde Kreuzberg vom Erzbischof als erledigtes Mannlehen eingezogen. Aber die Witwe, eine geborene von Waldenburg=Schenkern, erhielt durch das Reichskammergericht die Herrschaft Kreuzberg wieder zugesprochen. Die Witwe vererbte die Herrschaft Kreuzberg an ihre älteste Tochter Maria Anna von Bernsau, vermählt mit dem Grafen von Satzenhoven. Deren Tochter Amalie wurde 1769 mit Kreuzberg belehnt; diese wurde nachher Äbtissin in Schwarzrheindorf. Sie belastete aber das Lehen derart mit Schulden, daß der kurkölnische Lehnsfiskus Kreuzberg auf Drängen der Gläubiger meistbietend verkaufen ließ. Am 1.Juli 1780 erstand der kurfürstliche Staatsminister Graf Kaspar Anton von der Heiden, genannt Belderbusch, Schloß und Herrlichkeit Kreuzberg für 13900 Taler. Mit Genehmigung des Erzbischofs vermachte Graf Kaspar Anton 1784 seinem Vetter, dem Grafen Anton von Belderbusch, die Herrschaft. 1792 erhielt er ein Darlehen von 20 ooo Taler auf das Lehen, dessen Gesamtwert damals mit 39 ooo Taler geschätzt wurde. Im Jahre 1820 kamen die Burg und die dazu gehörigen Ländereien in den Besitz des berühmten deutschen Adelsgeschlechtes von Boeselager. Der erste urkundlich sichere Angehörige des Geschlechtes von Boeselager oder Böselager erscheint unter dem Namen Boseleger in einer Landfriedensurkunde des Fürsterzbischofs Dietrich von Magdeburg aus dem Jahre 1363.
Wahrscheinlich stammt die Familie aus Boseleben, später Bösleben, bei Halberstadt, und wahrscheinlich ist dieser Ort auch die namengebende Heimat der Familie. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wandelte sich dann der Name in Boeselager oder Böselager ab.
Der erste Boseleger tritt also in der Magdeburger Börde auf. Seine Nachkommen saßen als „duchtige“, wie eine Standesbezeichnung des 15. Jahrhunderts besagt, das heißt als rittermäßige Leute, im Bodetal. Von dort aus dehnte sich die Familie in die Grafschaft Mansfeld aus und erwarb hier zwei Rittergüter. Im Anfang des 17. Jahrhunderts lichteten der 3ojährige Krieg und die Pest die Familie so stark, daß der Fortbestand derselben sich nur auf ein Mitglied gründete. Der Vater dieses einzigen überlebenden Familienmitgliedes, Joachim von Böselager, war 1559 als Jeverscher Drost nach Jever in Friesland gegangen. Er heiratete die Tochter eines alten jeverschen Häuptlingsgeschlechtes, Maria von Middoge.
Der Sohn dieses Joachim von Böselager, Wolf, wurde gegen 1596 durch Heirat mit Anna von Kerssenbrock auf dem Rittergut Honeburg bei Osnabrück ansässig. Er ist der Stammvater der in der Folge in Westfalen, Hannover und schließlich auch im Rheinlande noch heute ansässigen Familie. Der Honeburger Linie, die im Mannesstamm erloschen ist, entstammt auch der Fürstabt von Corvey, Caspar von Böselager, geb. 1687, gest. 1758. Ein jüngerer Sohn des oben erwähnten Wolf Böselager erwarb im Jahre 1654 das Rittergut Eggermühlen bei Osnabrück, das späterhin der Stammsitz der Familie wurde, die es auch heute noch besitzt. Eine Nebenliste der in Eggermühlen ansässigen Böselager erwarb dann im 18. Jahrhundert Besitz in Westfalen (Höllinghoven u. Heeßen), und von dieser westfälischen Linie spaltete sich im 19.Jahrhundert die rheinische Linie ab (Heimerzheim bei Bonn und Kreuzberg an der Ahr). Dieser Linie gehörte auch der baukünstlerisch bekannte Boeselager=Hof in Bonn, der im letzten Weltkriege völlig zerstört wurde. Von der Familie Böselager waren im letzten Kriege elf Mitglieder an der Front eingesetzt. Von diesen fielen acht, darunter der aus der rheinischen Linie stammende Oberst Georg Freiherr von Boeselager (geb. 1915, gef. 1944), der Träger des Ritterkreuzes zum Eisernen Kreuz mit Eichenlaub und Schwertern war. Heute ist Philipp Freiherr von Böselager Besitzer der Burg Kreuzberg und der zugehörigen Ländereien. Da er auch mit seiner Familie die Burg Kreuzberg bewohnt, so ist diese Burg die einzige bewohnte Burg des Ahrtales.
Im Jahre 1686 zerstörten die Franzosen die Burg. Der Turm wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder aufgebaut. Auch die Burg erstand 1760 wieder aus den Trümmern. Dichter haben die Burg Kreuzberg besungen, und viele Maler haben diesen Edelstein in der Ahrlandschaft dargestellt.