Es klappert die Mühle . . .
VON JAKOB RAUSCH
Schon in der Germanenzeit bestanden als die einfachste und älteste Mühlenart die Handmühlen. Mit der Hand wurde ein walzenförmiger Stein über einen größeren flachen Stein, auf dem zu mahlendes Getreide lag, hin- und hergerieben. Später wurde der Mühlstein mit einer Kurbel bewegt.
An die Stelle der menschlichen Kraft traten nachher Pferde oder Esel, die durch ein Göpelwerk den oberen Mahlstein in kreisende Bewegung setzten.
Der obere Mahlstein war nun keine Walze mehr, sondern auch ein flacher gerillter Stein, der mit seiner gesamten Unterfläche das Getreide mahlte. Im Jahre 1861 gab es in der Rheinprovinz noch 73 Tiermühlen, die meist in der niederrheinischen Tiefebene beheimatet waren.
Die Wassermühlen werden an Ruwer und Kyll schon im 4. Jahrhundert erwähnt. Vom fränkischen Rheinlande her verbreitete sich diese Mühlenart allmählich auch über das übrige Deutschland, weshalb sie dort auch Frankenmühlen genannt wurden.
In Dorsel, Kreis Ahrweiler, befand sich die einzige rheinische Wassermühle mit drei Rädern.
Im Mittelalter kämen in der Ebene die Windmühlen auf. Die älteste europäische Windmühle würde im Jahre 1222 in Köln auf der Burgmauer errichtet. Seit 1392 stand auch eine städtische Windmühle auf dem Neumarkt in Köln.
Auch am kurfürstlichen Schlosse in Bonn stand am heutigen Hofgarten eine Windmühle. Die südlichste rheinische Windmühle befand sich auf dem „Scheid“ zwischen Eckendorf und Fritzdorf, die bis 1910 betrieben wurde. (Siehe Jahrbuch 1958.)
Dampfmühlen wurden nach der Erfindung der Dampfmaschine gebaut. Die erste rheinische Dampfmühle wurde 1825 in Köln errichtet. Im Jahre 1909 zählte man in der Rheinprovinz 323 Dampfmühlen. Heute ersetzt meist der elektrische Motor die Dampfmaschine. Dampf und Elektrizität werden heute auch zeitweise von Wasser- und Windmühlen als Treibkräfte, wenn Wasser und Wind zu schwach sind, von kleineren Mühlen benützt.
Eine grundlegende Umgestaltung des Mahlverfahrens wurde seit 1834 allmählich durch den Gebrauch der stählernen Walzen erreicht, die die Mühlsteine verdrängten.
Welche Getreidearten mahlten nun diese Mühlen?
Die germanischen Handmühlen mahlten ausschließlich Hafer und Gerste. Die Hauptrolle aber spielte der Hafer, auch „Even“ genannt. So berichtet der römische Schriftsteller Plinius: „Die Völker Germaniens säen Hafer und leben ausschließlich von einem daraus bereiteten Brei.“
Es wurde in der Germanenzeit auch schon Haferbrot gebacken. Dieses Haferbrot wurde in den rheinischen Gebirgsdörfern noch bis 18oo hergestellt. Eine größere Bedeutung hatte der Haferbrei. Die mit Milch gekochte Hafergrütze diente vor Aufkommen des Kaffees als Morgenbrot. Der Haferbrei wurde so dick gekocht, daß der Holzlöffel darin aufrecht stehen blieb. Vor dem Aufkommen der Kartoffel im 18. Jahrhundert spielte der Haferbrei auch bei dem Mittag- und Abendessen die Hauptrolle. Deshalb waren manche Mühlen verpflichtet, an zwei Wochentagen „Breimehl“ herzustellen.
GERSTE WIRD BROTFRUCHT
Die älteste Brotfrucht bei den Indogermanen, zumal im Morgenlande, war die Gerste. So werden bei der wunderbaren Brotvermehrung fünf Gerstenbrote genannt.
Alte Handmühle
Die Germanen brauchten die Gerste in erster Hinsicht zur Bierbereitung. Das Mittelalter kennt auch das Gerstenbrot. Für die Volksnahrung spielten ‚die Gerstengraupen eine größere Rolle.
In den Schälmühlen wurde das Gerstenkorn nicht gemahlen, sondern durch Reiben und Polieren seiner Schale entkleidet. Das ganze geschälte Korn war Roll- oder Kochgerste. Durch Zerbrechen der Körner entstanden die Perlgerste oder Perlgraupen.
WEIZEN VEREDELT DIE MENSCHLICHE ERNÄHRUNG
Im Rheinlande wurde der Weizen schon durch die Römer eingeführt. In der Völkerwanderung lernten die Franken im eroberten Gallien die Weizenkultur kennen und brachten sie auch in das Rheinland. Jedoch wurde im Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert in der Eifel meist eine besondere Weizenart angepflanzt, Spelz, Spelt und im Oberdeutsch auch Dinkel genannt. Vom echten Weizen unterscheidet sich der Spelz durch seine langen, borstenartigen Grannen und durch die dickere Hülle. Diese macht den Spelz weiter fest und schützt ihn mit den langen Grannen auch vor den gefräßigen Sperlingen. Da aber beim Dreschen die Körner in den Spelzen stecken bleiben, muß die Schale in der Mühle durch einen besonderen Arbeitsgang von den Spelzen befreit werden. Weizen- und Spelzmehl dienten zur Herstellung des Weißbrotes, der Brötchen und der Kuchen. Weizengrieß dient zur menschlichen Nahrung. Durch den reichen Eiweißstoffgehalt des Klebers eignet sich der Weizen zur Stärkefabrikation.
In Weißbierbrennereien wird Weizen neben Gerste zur Herstellung von Malz verwandt. Das Berliner und bayerische Weißbier werden vorwiegend aus Weizenmalz gewonnen.
DER SEGEN DES ROGGENS
Der Roggen ist die in Deutschland zuletzt eingeführte Halmfrucht. Er kam mit den Slaven aus dem Osten und fand rasch eine starke Verbreitung.
Im Rheinland setzte sich der Roggenanbau erst nach 18oo durch; er hielt im 19. Jahrhundert namentlich in Gebirgsgegenden seinen Siegeszug, so daß er seit hundert Jahren die meist angebaute Getreidefrucht ist und deshalb auch kurz als „Korn“ bezeichnet wird. Roggenbrot ist heute noch die Hauptnahrung der Landbewohner.
ÖLMÜHLEN
IM DIENSTE DER FETTGEWINNUNG
Außer den eben genannten Getreidemühlen gab es auch Ölmühlen, die durch Stampfen und Pressen aus Raps, Rübsen, Senf, Lein (Flachs), Leindotter, Bucheckern, Traubenkernen, Nüssen und Sonnenblumenkernen das wertvolle Öl gewannen. Dieses Pflanzenöl diente als Küchenfett, zur Herstellung von Salben, als Brennstoff für die Öllampen, als Anstreichmittel, zum Einfetten von Wolle und Leder, zum Löten, Härten von Stahl und zur Seifenherstellung.
Die Rückstände bei der Ölbereitung bilden als Ölkuchen ein überaus wertvolles Futtermittel.
Die MÜHLEN IM DIENSTE DER TECHNIK
Während die bisher genannten Mühlen im Dienste der menschlichen Ernährung standen, erleichterten andere Mühlen die mechanische Arbeit. In der Lohmühle wurde zumeist Eichenlohe zu Lohmehl gemahlen, das zur Gerberei diente. In der Sägemühle zerschnitt man Holzstämme zu Balken, Brettern und Latten. In der Pulvermühle wurden besonders Faulbaumrinde und Faulbaumholz gemahlen, die zur Pulverbereitung benötigt wurden. In den Knochenmühlen wurde aus tierischen Knochen Knochenmehl gewonnen. Die Walkmühlen dienten dem Textilgewerbe. Durch Walken unter Zusatz von Seife und toniger Walkerde wurden die Kett- und Schußfäden der Gewebe verfilzt.
WER WAR NUN EIGENTÜMER DER MÜHLEN? Neben Privatmühlen gab es Gemeinschaftsmühlen, auch Bauernmühlen genannt, wie sie heute noch in Moseltälern und im Hunsrück bestehen. Zur Zeit der Grundherrschaft war der Landesherr oder auch der Grundherr Erbauer und Eigentümer der Mühlen. Diese Mühlen waren meist Bannmühlen, d. h. die Bewohner ihres Umkreises waren gebannt, nur in dieser herrschaftlichen Mühle ihr Getreide mahlen zu lassen. So war die Landmühle in Hemmessen eine Bannmühle, in der die Bewohner der Grafschaft von Ringen bis Ramersbach ihr Getreide mahlen lassen mußten, Als die Ramersbacher ihr Getreide zu der näherliegenden Blasweiler Mühle fuhren, wurde ihnen dies vom Landesherrn verboten, aber unter der Bedingung gestattet, daß der halbe „Molter“ (Mahllohn) der Landmühle in Hemmessen abgeliefert wurde. – Die Nachbarschaft von Bengen bezahlte zur Befreiung vom Mahlzwang dem Bannmüller der Landmühle ‚jährlich z Mühlengulden, um die benachbarte „Grasmühle“ benutzen zu dürfen. Im Gegensatz zur Landmühle waren die sieben herrschaftlichen Mühlen in Ahrweiler Freimühlen.
Aus vorliegenden Mühlenweistümern ersehen wir die Höhe des Mahllohnes, der mit dem Molter als Naturalgabe entrichtet wurde. Der Molter schwankte zwischen 5 und 8 Prozent des Mahlgutes. Brachten die Bauern ihr Getreide selber zur Mühle, galt der Grundsatz: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“
Das Mühlenweistum von Kempenich ordnete an, daß der Müller mit seinem Karren das Getreide auf dem Bauernhofe abholt und das Mahlgut auch wieder abliefert. War der Bauer mit der Menge und der Güte des Mahlgutes unzufrieden, so steckte er dem Müllers Pferd einen Strohwisch an den „Zagel“ (Schwanz), so daß jedermann sah, daß .hier ein Mangel vorliege.
In welch hohem Ansehen eine Mühle stand, geht daraus hervor, daß ein Mühlenbauer auch Mühlenarzt und sogar Mühlendoktor genannt wurde. So zählte der Kreis Simmern -1864 38 Mühlenbauern oder Mühlenärzte. Einige Mühlen waren sogar auch Freistätten, in die sich „Missetäter“ sechs Wochen und drei Tage flüchten konnten, ohne verhaftet werden zu dürfen.