Um Kreise Ahrweiler auf diplomatischem Parkett,

VON HERMANN BAUER

Für den Historiker ist der Ahrkreis bis in die graue Vorzeit hinein eine unerschöpfliche Fundgrube. Schon oft sind hier Entscheidungen von großer Tragweite gefallen. Zu der Vielfalt der geschichtlichen Ereignisse ist nun in letzter Zeit etwas Neues gekommen, das reizvoll genug ist, der Gegenwart erzählt zu werden, um es der Nachwelt zu erhalten.

Seit etlichen Jahren werden auch im Kreise Ahrweiler die zarten Fäden der Diplomatie gesponnen.

Bei ihrem kühnsten Flug hätten die Musen nie geträumt, daß Bonn jemals die Hauptstadt des Landes werden würde. Doch diesmal war die Wirklichkeit phantasiereicher als die kühnste Phantasie. Seit einiger Zeit zeigen die weißumrandeten hellblauen Schilder an, daß wir uns im Kreise Ahrweiler schon im Bereich der Bundeshauptstadt bewegen.

Haus Ernich mit Blick auf den Rhein
Foto : Hansa Luftbild

DIE FRANZÖSISCHE BOTSCHAFTSRESIDENZ

Als erster Diplomat nahm hier der frühere französische Botschafter bei der Reichsregierung in Berlin Andre Francois Poncet als „Hoher Kommissar“ auf Schloß Ernich bei Remagen Wohnung. Deutschland war damals kein souveräner Staat mehr. Zwar schwiegen die Waffen, aber der Geist der Sieger von 1945 glaubte, das geschlagene deutsche Volk durch Kontrollen und Schikanen endgültig am Boden halten zu können. — Der Bahnhof Remagen wurde zum Schreckensruf für reisende Menschen, die trotz allem leben wollten.

Da kam nach Schloß Ernich ein Mann mit weitem Blick und verstehendem Herzen. Im Jahre 1950 suchte der Hohe Kommissar erstmalig bewußt eine Begegnung mit der Stadt Remagen. Die Vertreter der Stadt gaben ihm ein düsteres Bild von Leid und Verwüstung. Als man den Menschen ansprach, überreichte der Diplomat als erste Hilfe einen Betrag von 50 ooo DM. Noch heute erscheint er im Etat der Stadt. Unter dem Kennwort „Poncetgelder“ fließen hier zinslose Darlehen für Wohnungsaufbauten in der stark angeschlagenen Stadt.

Mit dieser großherzigen Geste bahnte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Stadt, Kirche und Schloß Ernich an. Bei allen offiziellen Festen und bei vielen privaten Gelegenheiten war Amtsbürgermeister Dr. Kemming ein gern gesehener Gast der Botschafterfamilie. Selbst am französischen Nationalfeiertag, den die Mitglieder der Botschaft als Familienfest zu begehen pflegten, war auch der Bürgermeister der Stadt Remagen geladen. Der Botschafter wollte damit betonen, wie sehr er sich als Bürger dieser Stadt fühle. Alle Remagener kannten ihn, wenn er mit seiner Familie z.ur Kirche kam. Mit dem ehrwürdigen Pfarrherrn, dem Geistl. Rat und Ehrendomherrn Dechant Dr. Peters pflegte er gute Freundschaft, und es war selbstverständlich, daß auch sein Pfarrer bei festlichen Gelegenheiten in der französischen Botschaftsresidenz weilte, wie auch beim Besuch des Erzbischofs von Paris, Feltin, und des ehemaligen Außenministers Robert Schuman die Gäste des Botschafters auch Gäste des Pfarrherrn wurden. Die Stadt Remagen dankte für diese Gesinnung. Im Mai 1951 erklangen in den Räumen des Schlosses die Chöre des Männergesangvereins bei dem traditionellen Ostersingen. Tief ergriffen vom deutschen Lied dankte der Herr des Schlosses und würdigte im gepflegten Deutsch den veredelnden Wert des deutschen Männerchores.

MGV Remagen zu Gast bei dem Franz. Botschafter Francois Poncet
Foto : Stang

War diese Begegnung von besonderer Wärme, so wurde eine andere von erlesenem Reiz.

Es war im Anfang des Jahres 1955. Der Botschafter wußte, daß er seines Alters wegen bald aus dem Staatsdienst scheiden müsse. Er wollte nun ein ganz eigenes Stück rheinischer Art mit in seine französische Heimat nehmen, den rheinischen Karneval. Zu dieser Feier wurde das Schloß einfallsreich und geschmackvoll verwandelt, was durch die Beleuchtung noch sinnvoll unterstrichen wurde, so daß dem Kameramann alle Voraussetzungen eines guten Films gegeben waren. Dieser Film sollte ihn immer an Remagen erinnern, wenn seine Gedanken im Reiche der Vergangenheit weilten. Gebührend empfing der hohe Gastgeber mit dem Bürgermeister der Stadt auch den Prinzen Karneval von Remagen. Der Humor, der beste Ton gesunder Politik, beherrschte die Stunde, der Esprit gallo’s war die spritzige Antwort, und der Ordenssegen aller karnevalistischen Gruppen der sichtbare Ausdruck wirklichen Verstehens. Wie sehr Botschafter Francois Poncet von diesem Fest und seinem Geiste beeindruckt war, zeigt der Abschiedsbrief an Bürgermeister Dr. Kemming.

Schloß Ernich A. 5ten Okt. 55

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Erlauben Sie, daß ich Ihnen mittelst dieses Blattes Papier Lebewohl sage, und Ihnen die Hand drücke.

Ich wollte Ihnen vorigen Sonntag einen Besuch machen. Aber Sie waren nicht da. Ihnen und Ihren Mitbürgern bleibe ich dankbar für die Sympathien, die Sie mir erwiesen haben. Ich vergesse nicht den Besuch, den mir und meiner Frau Prinz Karneval mit Gefolge abgestattet hat.

Ihnen allen, und Ihnen insbesondere, Herr Oberbürgermeister, der Stadt Remagen und ihren Bewohnern, wünsche ich alles Gute.

Franz. Botschafter Francois Poncot mit Amtsbürgermeister Dr. Kemming

Dieses Schloß ist zur Feiergestaltung wie geschaffen. In ihm verkörpert sich aber auch die wechselvolle Geschichte der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Der Großindustrielle Arnold von Gilliaume erbaute es auf steiler Bergeshöhe. Außen bot es ihm eine weite Sicht in die rheinische Landschaft, im Innern erlebte man die Vielfalt einer Raumkultur, wie sie der französische Wohngeschmack im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat. Jeder Raum erhielt den Namen der Zeitepoche, aus deren Geist er gestaltet wurde. Dies blieb auch so in den Jahren zwischen 1933 und 1945, als Ernich Schloßhotel war. Hier war der Gast keine Hotelnummer, sondern er erholte sich in der „guten alten Zeit“, es lebte der Mensch des 20. Jahrhunderts in der Renaissance, im Barock, im Biedermeier. Welche Weisheit und Menschenkenntnis lag in dieser Einrichtung!

In der Schlußphase des Krieges nahmen hier die Amerikaner Quartier, später kam eine techn. Abteilung des englischen Heeres. Als am 15. Juli 1945 die Franzosen einrückten, wurde Schloß Ernich französische Schule für die Kinder der Besatzungsmacht. Später richtete die internationale Filmunion hier ein Hotel mit Restaurant ein. Seit 1947 nun liegt das Schloß in der Sicht der großen Politik, und gerade in diesem Jahre mögen auch dort wieder große Entscheidungen gefallen sein. Der neue französische Außenminister in der Regierung des Generals de Gaulle, Maurice Couve de Murville, war zuletzt Botschafter bei der Bundesrepublik und Schloßherr von Ernich. Dank der Vermittlung des Leiters der Presseabteilung und des Informationsdienstes bei der französischen Botschaft in Bonn, M. Jaques Morizet in Oberwinter, ist es mir gelungen, ein Wort des Außenministers zu erhalten, das von Ernich weit nach Europa weist.