»Zum Gedächtnisse des Großen Heldenkaisers«
Der Kaiser-Wilhelm-Turm auf der Hohen Acht feiert 80. Geburtstag
Wolfgang Pechtold
Der Weg führt leicht bergan. Der Lärm der Bundesstraße bleibt zurück. Blätter rascheln im Wind, eine Amsel kecken:. Sonst Stille. Wirklich? Erst hat das Ohr das fremde Geräusch kaum eingefangen, das nun mit jedem Schritt anschwillt vom Zischeln zum Zischen, vom Zischen zum Fauchen. Hinter der nächsten Biegung löst sich das Rätsel: mitten im Wald Bauwagen, Betonmischer. Kompressoren. Und Schläuche, die sich hinaufwinden zur Kuppe der Hohen Acht. »Baustelle — Betreten verboten!« warnt ein Schild. Wer trotzdem die letzten Meter auf dem schmalen Asphaltweg wagt, büßt es mit schmerzhaft brennenden Augen. Feinster Kieselstaub weht umher. Sandstrahlarbeiten! Herbst 1988: der Kaiser-Wilhelm-Turm macht eine Verjüngungskur und legt rechtzeitig ein Festgewand an. 1989 wird er 80 Jahre alt. Die Vivats auf das Kaiserpaar sind verklungen. Das Bauwerk und seine Geschichte leben fort — im Basaltstein der Eifel und in den Verwaltungsberichten des Kreises Adenau. »Die Bewohnerschaft des Kreises Adenau stiftet mit Unterstützung des Kreises und der Gemeinden als Festesgabe zur Feier der Silbernen Hochzeit Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Ihre Majestät der Kaiserin und Königin sowie zum Andenken an diesen Freudentag die Errichtung eines Denkmals auf der Hohen Acht zum Gedächtnisse des Großen Heldenkaisers und zur Erinnerung an die ruhmreiche Zeit der Wiedergeburt des deutschen Vaterlandes.
Gerüste am Turm auf der Hohen Acht weisen auf die Sanierungsarbeiten hin.
Mit der Stiftung dieses Denkmals soll dem Gefühle des unauslöschlichen Dankes Ausdruck gegeben werden, den die Eifel, namentlich auch der Kreis Adenau der landesväterlichen Fürsorge seiner Könige schuldet.« So verkündete und kommentierte im Verwaltungsbericht für 1905, herausgegeben am 8. März 1906, Landrat Scherer die löbliche Absicht. Die umfaßte auch den Vorsatz, der Bau des Turmdenkmals auf der Hohen Acht solle »noch in diesem Jahr begonnen und wenn möglich vollendet werden«.
Aber so schnell schössen — und bauten — die Preußen auch in der Eifel nicht. Daß für die Ehrung der Allerhöchsten Herrschaften nur die allerhöchste Eifelerhebung angemessen sei, war unstreitig. Aber ebenso unstreitig mußten die allerwürdigsten Baupläne her — und die Gelder, sie zu bezahlen. Wie es darum stand, ist dem Verwaltungsbericht für 1906, datiert auf dem 21. Februar 1907, zu entnehmen. »Für die Errichtung eines Kaiser-Wilhelm-Turmes auf der Hohen Acht bei Adenau«, heißt es da leicht verkürzt, »wurde anläßlich der Silbernen Hochzeit des Kaiserpaares unter Beteiligung des Kreises, der Gemeinden des Kreises und der Kreisbevölkerung ein namhafter Fonds gebildet, welcher durch Sammlungen und weitere Stiftungen nunmehr derart angewachsen ist, daß der Verwirklichung des Planes nunmehr näher getreten werden kann.«
500 Mark wurden abgezweigt; für den Sieger eines engeren Wettbewerbs, an dem sich 14 namhafte Architekten beteiligten. »Das Preisrichterkollegium bestehend aus den Herren Kgl. Baurat Heimann = Köln, Architekt Ludwig Hofmann = Herborn, Guts- und Fabrikbesitzer Dr. Langen = Laufenbacherhof, Kgl. Landrat Scherer und Kgl. Kreisbauinspektor Stiehl = Wetzlar erkannte den ausgesetzten Preis einstimmig dem vom Architekten Freiherr Wilhelm von Tettau in Berlin eingelieferten Entwurf zu, welcher sowohl in Bezug auf die künstlerische Durchbildung als auch mit Rücksicht auf die Anpassung an die landschaftliche Umgebung als eine hervorragende Lösung anerkannt wurde«, heißt es im Verwaltungsbericht.
Die preisgekrönte Entwurfzeichnung für den Kaiser- Wilhelm-Turm.
Tatsächlich hatte der Architekt, Regierungsbaumeister a. D. und im Jahre 1903 immerhin mit dem Schinkel-Preis ausgezeichnet, an der Natur des vulkanischen Domberges Maß genommen. »Standort des Denkmals«, erläuterte der Verwaltungsbericht, »ist die Kuppe der Hohen Acht, des höchsten Berges der Eitel, eines sehr bemerkenswerten Naturdenkmals, auf welchem gewaltige Basaltsäulen wirr durcheinander geschoben zu Tage treten, Es hat die Gestalt eines Turmes, der sich in einfachen und wuchtigen Formen dem wildromantischen Landschaftsbild anpaßt. . . Aus diesem Grunde wurden Formen und eine Bauart gewählt, deren Wucht und Derbheit sich aus dem an Ort und Stelle gewonnenen Matehai herleitete, einem höchst unregelmäßig gewachsenen, ungewöhnlich starken Säulenbasalt.«
Konkreter ausgedrückt: Der Turm ruht auf einem schlichten, zwei Meter hohen Sockel von 7,50 mal 6 Meter Grundfläche, den die zwölf Stufen zum Eingang durchbrechen. Der Turmschaft, Grundmaß 5,50 mal 5,50 Meter, ragt 14 Meter auf. Schmale aufstrebende Nischen und kleine Fenster nehmen ihm kaum etwas von seiner Wuchtigkeit. Den Abschluß bildet ein achteckiger Aufbau: ursprünglich zeigte er eine Zinnenbrüstung. Alles in allem ist der Turm 16 Meter hoch. Auch in seinen Mauerstärken entspricht er dem Eindruck von einer „zyklopischen Bauart«, den das Eifelvereins-blatt, 10. Jahrgang, Nr. 9, im Herbst 1909 rühmt.
»Einzig und allein dem günstigen Umstande, daß der Transport des Materials nur wenige Meter betrug und die Kuppe das Material aus einem vom Kreise erworbenen Bruche selbst lieferte, ist es zu danken, daß es mit den verhältnismäßig geringen Mitteln von rund 16 000 Mk. möglich war, unter den durch die Höhe des Berges und seine Entfernung von den umliegenden Ortschaften geschaffenen Schwierigkeiten, ein Bauwerk von solchen Größenordnungen zustande zu bringen«, merkt Landrat Scherer an. Allerdings belegen Voranschläge und Abrechnungen — so eine Dissertation von 1985 über »Rheinische Aussichtstürme im 19. und 20. Jahrhundert« — daß der Turm 15 000 Markt kosten sollte und tatsächlich 18000 Mark kostete. Privatleute, Vereine, namentlich Kriegervereine, wie der Verwaltungsbericht anmerkt, trugen ihre Scherflein dazu bei. Die waldbesitzenden Gemeinden stifteten den Erlös von Holzverkäufen. Auch das reichte noch nicht. Für den Rest stand der Kreis Adenau ein. Außerdem hatte der Minister des Innern und der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-An-gelegenheiten mit seinem Erlaß vom Juli 1907 nicht nur die Stiftung des Turms genehmigt, sondern dem Kreis auch die Folgekosten aufgebürdet . . .
Baubeginn war im Frühjahr 1908. Da war der festgesetzte Übergabetermin, der 1. August desselben Jahres, natürlich nicht zu halten. Vielleicht lag es daran, daß der Architekt zwar mit der Bauleitung beauftragt war und sie teilweise auch wahrnahm, aber im fernen Berlin lebte. Als eigentlicher Bauleiter gilt denn auch der Adenauer Kreisbaumeister Wald. Ausgeführt wurden die Arbeiten von den Gebrüdern Karl und Johannes Leidinger, Maurermeister in Adenau. Am 23. Juni 1909 hatte alle Plackerei mit dem eisenharten Basalt und dem Transport von Zement, Kalk und Wasser ein Ende: »Der vaterländische Geist, dem der Gedanke der Errichtung des Denkmals entsprungen, hallte wider in der Festesfreude, von der die Einweihungsfeier getragen war«, heißt es im Festbericht. Der beschreibt erst einmal in leuchtenden Farben, wie vom frühen Morgen an die Scharen festesfroher Menschen die flaggengeschmückten Straßen zum Denkmal hinanzogen, wie die Ehrengäste unter dem Krachen der Böller durch die Ehrenpforte Einzug hielten, angeführt von Sr. Exzellenz dem Herrn Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Dr. Freiherr von Schorlemer, wie ihm Landrat Scherer den Ehrentrunk reichte und ein herzliches Willkommen entbot, wie Se. Exzellenz der Herr Oberpräsident gebührend dankte und den Aufstieg zum Denkmalplatze begann, wie schließlich der Herr Amtsrichter Gronover wirkungsvoll den Festspruch der bekannten westfälischen Dichterin Johanna Baitz, elf Strophen zu je acht Zeilen lang, zum Vortrag brachte und damit überleitete zur Weiherede des Landrats.
Freiherr von Schorlemer rief dann dazu auf, »als ersten Gruß unserm königlichen und kaiserlichen Herrn die Gesinnung der Treue, Verehrung und Liebe zum Ausdruck zu bringen in dem Rufe: Se. Majestät, unser Allergnädigster Kaiser und König Wilhelm II., er lebe hoch, hoch, hoch!« Der große Augenblick war gekommen: »Während die von frischem Laub gebildete Hülle von dem Bildnis des Kaisers fiel, scholl ein brausendes Hoch in die Lüfte, Fanfaren schmetterten, von den Höhen und Hängen hallte wider der Donner der Böller“. jubelte der Festbericht.
Als einziger Schmuck des Turmes das Bronzerelief.
Dieser Jubel samt Fanfaren und Böllern galt dem einzigen Schmuck des Turmes: In der Nische über dem Eingang ist ein Bronzerelief angebracht. Die zeitgenössische Würdigung dazu: „Den strengen Formen des Turmes entspricht das schlichte hochgezogene Rechteck der Platte. Wurde durch seine zyklopische Bauart, durch den regellosen Verband der schweren Blöcke und tiefen Fugen für ihn die Verwandtschaft der umgebenen Natur gesucht, so geschah dies bei der Bronze außer durch kraftvolle technische Behandlung des fast rundplastischen Hochreliefs noch speziell durch die Darstellung eines für die wilde Szenerie besonders geeigneten Motivs. Am unteren Teil der Bronze, dem Auge des Beschauers am nächsten, befindet sich in anderthalbfacher Lebensgröße das feuervergoldete, mit dem Eichenkranz geschmückte Reliefbildnis des Großen Kaisers nebst der Inschrift: Dem großen Kaiser der Kreis Adenau. Darüber erinnert an die Bekämpfung und Überwindung der Uneinigkeit und Zwietracht und die Einigung des Reiches unter den Fittichen des preußischen Aars der Kampf einer Siegfried ähnlichen Gestalt mit einer Schlange, wobei ein Eichenzweig im Haar des Jünglings äußerlich die Ideenverbindung mit dem eichenlaubgeschmückten Kaiserbildnis herstellt. Die Verpflanzung dieser Szene mit dem ganzen ihr anhaftenden Gedankenkreis auf jene einsame Höhe dürfte wohl am besten geeignet sein, das Andenken des Großen Kaisers zu feiern, der für das Volk immer mehr in den Kreis der Heldensage entrückt wird.«
Als die Tafel enthüllt und eine zweite im Turminneren mit der Inschrift »Gestiftet im Jahre der Silbernen Hochzeit des Kaiserpaares 1906″ gewürdigt war, bestieg man den Turm. Danach war für die Honoratioren im Eifeler Hof zu Adenau die Festtafel gedeckt. Der Jubel erreichte dabei seinen Höhepunkt, als Landrat Scherer »das inzwischen eingetroffene Kaisertelegramm« verkündete. »Seine Majestät der Kaiser und König haben die Meldung von der Enthüllung des anläßlich Allerhöchst Ihrer silbernen Hochzeit vom Kreis Adenau gestifteten Denkmals auf der Hohen Acht und den freundlichen Gruß der Festversammlung gern entgegen genommen und lassen allen Beteiligten für den Ausdruck ihrer patriotischen Gesinnung bestens danken«, ließ der Geheime Kabinettsrat von Valenti als Antwort auf eine Huldigungsdepesche Scherers wissen. Das gemeine Volk feierte unterdessen im Festzelt am Turm.
Eine ältere Blockhütte war wegen des Turmbaus abgebrochen worden, nun wurde eine neue erbaut, bewirtschaftet und viel besucht. bis der Erste Weltkrieg auch hier eine Zäsur schuf. Später war der Zugang zum Turm nur noch gegen Eintrittsgeld möglich: den Schlüssel verwahrte der Wirt des Hotels Hohe Acht, der auch einen Erfrischungsstand betrieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg legten die Alliierten ihre Hand auf Bergkuppe und Bergtum, zunächst die Franzosen im Wege der Requisition, später die Amerikaner, die dort einen Flugsicherungspunkt einrichteten und sogar für Stromanschluß sorgten. Erst 1959 wurden die Schilder mit der Aufschrift »Militärisches Sperrgebiet« demontiert, und zwei Jahre später meldete das Organ des Eifelvereins: Der Kaiser-Wilhelm-Turm auf der Hohen Acht ist nach zweimonatigen Renovierungsarbeiten jetzt wieder für die Wanderer freigegeben . . . Über neue Treppenstufen führt der Aufstieg zum Turm. Innen wurden die alten Steintreppen herausgerissen und durch Betonstufen ersetzt. Das Eisengeländer ließ sich zum Teil noch verwenden. Die Krone des Turmes wurde er neuert. Basaltinplatten bilden den Abschluß über den Geländerspalten, die ebenfalls ausgebessert wurden . . .«
Gründliche Sanierungsarbeiten wurden auch Mitte der achtziger Jahre notwendig. Das Ge-samtgefüge des Turmes erwies sich längst nicht mehr so dauerhaft, wie seine Schöpfer es sich von einem patriotischen Symbol erhofft haften. Mehr als 100 000 Mark mußte der Kreis Ahrweiler, Rechtsnachfolger des Kreises Adenau, dafür aufwenden, Mörtel zu erneuern, Hohlräume zu torkretieren. Aber danach wird der Turm auf der Hohen Acht nicht nur seinen 80., sondern sicher auch seinen 100. Geburtstag feiern können — wenn auch ohne Hochs auf einen Helden.