Warum ARE – Gymnasium?

VON JAKOB RAUSCH

Als Freund der Heimatgeschichte begrüße ich den Namen

„Are-Gymnasium“

für das Staatliche Aufbau-Gymnasium Bad Neuenahr aus nachstehenden geschichtlichen Gründen:

1) Das keltische Wort Ära, Are ( = fließendes Gewässer) erinnert uns daran, daß die Kelten im Ahrgebiet siedelten. Ihnen folgten die Germanen, Römer und Franken.

2) In der Frankenzeit hatte der Aregau, auch Bonngau genannt, eine besondere Bedeutung. Dank der Forschungen von Dr. Jörfes (Der Ahrgau) und Dr. Wirtz (Der Ahrgau im Wandel der Zeiten) kennen wir die Grenzen, die zehn Hundertschaften mit ihren Thingstätten und die Agrar- und Lehnsverhältnisse des Gaues. Außer der Königspfalz in Sinzig spielt die Tomburg (12 km nordwestlich von Bad Neuenahr) eine besondere Rolle. Hier regierten die Pfalzgrafen fast 200 Jahre. Diese Pfalzgrafen waren gleichzeitig auch Gaugrafen des Are-, Eifel- und Mayengaues, so daß sich hierselbst die Gauverfassung bis ins 12. Jahrhundert erhielt. Um das Jahr 1000 regierte der berühmte Pfalzgraf Ezzo, der Schwager des Kaisers Otto III., über 50 Jahre auf der Tomburg. Einer seiner Nachfahren, Pfalzgraf Heinrich, gründete 1093 das Kloster Maria Laach; deshalb waren die verwandten Grafen von Are-Nürburg auch Schutzvögte dieses Klosters.

3) Der letzte Gaugraf Theoderich nannte sich um 1106 Graf von Are. Als Wappentier wählte er sich als „redendes“ Wappen den Aar, an den Gleichklang mit dem Fluß Are, der die Grafschaft von Westen nach Osten durchfließt, denkend. Dieses Wappen erscheint noch heute als Teil des Stadtwappens von Bad Neuenahr, Ahrweiler, des Amtes Altenahr und des Kreises Ahrweiler. Im Anfang des 13. Jahrhunderts (um 1220) teilte sich die Grafschaft Are in drei Teile:

a) Grafschaft Are,
b) Grafschaft Are-Nürburg,
c) Grafschaft Nouwenare (Neuenahr). 

Graf Gerhard, Sohn von Theoderich I., war als Propst des Cassiusstiftes Mitschöpfer des Bonner Münsters, dessen Baugeschichte sich auf diese Weise eng mit Neuenahr verbindet. Der berühmteste Sproß des gesamten Are-Grafengeschlechtes ist Konrad von Are-Hoch-staden, Sohn des auf der Burg Are regierenden Theoderichs III., der von seiner Mutter auch die Grafschaft Hochstraden (bei Grevenbroich) geerbt hatte.

Als Erzbischof von Köln (1238 bis 1261) legte Konrad von Are-Hochstraden 1148 den Grundstein zum Kölner Dom und verlieh im gleichen Jahre Ahrweiler die Stadtrechte. Er wurde als der berühmteste Politiker des 13. Jahrhunderts bezeichnet. Seine eigene Grafschaft Are schenkte er als Erzbischof von Köln dem Erzstift Köln; da die Grafen von Nür-burg 30 Jahre später ausstarben, kam auch ihre Herrschaft 1276 an Köln.

Genannt sei aber auch noch Hedwig von Are-Nürburg, die Tochter Ulrichs von Are; sie heiratete den Edlen von Lippe i. W. und schenkte von ihren elf Kindern acht der Kirche; ihr Sohn Otto wurde Bischof von Utrecht und Gerhard Erzbischof von Bremen; ihr Gemahl wurde zuletzt Abt in Duraberg und Bischof von Semgallen in Kurland. So wurde Hedwig die Stammutter der Herren von Lippe, die bis 1918 in Schaumburg-Lippe und Lippe-Detmold regierten und heute noch leben; u. a. ist der Prinzgemahl der Königin von Holland, Bernhard, ein Herr von Lippe-Biesterfeld.

4) Das Geschlecht der Grafen von Neuenahr indessen blühte noch 300 Jahre weiter. In dieser Zeit wurden durch Heirat die Herrschaft Saffenburg und die Grafschaft Virne-burg mit der Grafschaft Neuenahr verbunden. Erst im Jahre 1546 starb dieses Geschlecht aus, und die Grafschaft Neuenahr fiel als erledigtes Lehen an das Herzogtum Jülich, weshalb die Neuenahrer auch heute noch im Volksmunde „die Jeuischen“ genannt werden und weshalb das Land nördlich von Neuenahr bis heute als „die Grafschaft“ bezeichnet wird.

Durch den Jülich-Cleveschen Erbfolgestreit kam die Grafschaft Neuenahr mit Jülich und Berg 1600/14 an die Pfalzgrafen von Neuburg an der Donau, die 1685 auch die Rheinpfalz mit der Kurwürde erbten. Als diese Linie 1742 ausstarb, war Karl Theodor von Pfalz-Sulzbach der glückliche Erbe, der 1777 auch noch das Kurfürstentum Bayern erhielt. Auf diese Weise war dieser Wittelsbacher Graf von Neuenahr, Herzog von Jülich und Berg sowie Kurfürst von der Rheinpfalz und von Bayern. Eine Bildsäule am Neuenahrer Kurpark und die Karl-Theodor-Hall im Salinental zwischen Kreuznach und Münster am Stein erinnern noch heute an diesen mächtigen Monarchen.

5) Eine Nebenlinie der Grafen von Neuenahr wohnte auf der Burg Rösberg bei Bonn, Ihre Glieder nannten sich Grafen von Neuenahr-Rösberg. 1518 heiratete Graf Wilhelm von Neuenahr-Rösberg die Gräfin Anna von Wied und gelangte dadurch in den Besitz der Stadt Bedburg an der Erft und der Grafschaft Moers am Niederrhein. Erzbischof Hermann von Wied begeisterte seinen Neffen, den Grafen Wilhelm von Neuenahr, für das reformierte Bekenntnis, das Wilhelm in seiner Grafschaft Moers einführte. Er hinterließ zwei Kinder, Hermann und Walpürgis. Graf Hermann von Neuenahr-Moers war ein feinsinniger Humanist, selbst gelehrt und ein Freund der Gelehrten. Er verheiratete 1560 seine Schwester Walpürgis mit dem niederländischen Grafen von Hoorn, der mit seinem Freund Egmont (vergl. Goethes „Egmont“) den Henkern Herzog Albas 1569 zum Opfer fiel.

Hernach heiratete die Witwe Walpürgis ihren eigenen Vetter, den Grafen Adolf von Neuenahr, der im Gebhard-Truchsessischen Religionskrieg als tapferer Haudegen, allerdings vergebens, für Gebhard Truchseß kämpfte. Als Opfer dieses Krieges starb er 1589 als letzter Graf von Neuenahr.

Gottfried Kinkel singt ihm in seinem Ah buch (1845) folgendes Lied: In ihm war noch einmal die Kraft jenes AhrgesMechtes aufgelodert, das in seinen verschiedenen Linien von den Gaugrafen der Ottonenzeit an durch Namen, wie Gerhard und Konrad hindurch, bis zu diesen Kämpfen für die Reformation länger als ein halbes Jahrtausend an dem Teppich der Rheinischen Geschichte im Guten wie im Bösen, aber immer ruhmvoll, mitgewoben hatte. Adolf scheiterte, wie so mancher der letzten Ritter dieses 16, Jahrhunderts, nicht an der Ohnmacht der Persönlichkeit, sondern an dem gewaltigen Übergewicht der Dinge; sein Glück hat nie sein Verdienst erreicht.“ Die Witwe des Grafen Adolf, Walpurgis, setzt nun durch Testament 1594 den Prinzen Moritz von Oranien als Erben der Grafschaft Moers ein und nennt sich dabei „Gräfin von Neuenahr, Moers und Limburg, Frau zu Bed-burg, Werth und Alpen“. Mit ihrem Witwengut stiftete sie Krankenhäuser, Hospitäler und Altersheime. Sie pflegte die Seuchenkranken und wurde selbst ein Opfer der Pest im Dienste werktätiger Nächstenliebe. Das war die letzte Gräfin von Neuenahr, deren Namen und Andenken das Walpurgisstift in Bad Neuenahr festhält. Es dient heute als Internat für die Schülerinnen des Aufbau-Gymnasiums.

6) Vorstehende geschichtlichen Gründe befürworten daher den Namen

„Are-Gymnasium“.

Dazu treten noch wichtige pädagogische und didaktische Belange. Der Name „Are-Gymnasium“ ist Anreiz und Aufgabe für Lehrer und Schüler, die Heimatgeschichte als anschauliches, belebendes und grundlegendes Element in die vaterländische Geschichte einzubauen. Durch den anschaulichen Geschichtsspiegel der Heimat wird die vaterländische Geschichte erhellt und verstanden. Jeder Lehrer sollte das Wort Karl Lamprechts bedenken: „Wem ginge nicht bei einer geschichtlichen Wanderung durch das Rhein-, Mosel- und Ahrtal der Sinn für unsere vaterländische Geschichte überhaupt auf? Wer sähe nicht hier wie in einem Spiegel die Züge der deutschen Cesamtentwicklung!“ Sinnvoll und bedeutungsreich ist der lateinische Spruch des Grundsteines des Are-Gymnasiums, der in der Obersetzung lautet:

ICH BIN, UM ZU WERDEN,
DER GRUNDSTEIN DES GEBÄUDES,
AUS DEM DIE NEUE SCHULE ERWACHSEN SOLL:
EIN HEILIGER ORT DER WISSENSCHAFTEN,
EINE ÜBUNGSSTÄTTE ALLER FERTIGKEITEN UND KÜNSTE;
FÜR JUNGEN UND MÄDCHEN GEMEINSAM EIN HAUS VOLLER FROHSINN,
BESTIMMT FÜR WIRKLICHE BILDUNG DES GEISTES UND DER SEELE
ZUR HÖHEREN EHRE GOTTES.
MEINE GRÜNDER WAREN BESEELT VON DEN TUGENDEN:
GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG,
ÜBERZEUGT DAVON,
DASS DAS JETZT NOCH ZERRISSENE DEUTSCHLAND
ALS TEIL EINES GRÖSSEREN EUROPA
EINST WIEDER VEREINIGT WERDE.