WAR GELSDORF EINE STADT?
VON JAKOB RAUSCH
Dem Bürgermeisteramte von Ringen wurde von der Stodt Bensheim a. d. Bergstraße im Frühjahr dieses Jahres eine Originalurkunde über die Verleihung der Stadtrechte durch den Kaiser Karl IV. aus dem Jahre 1359 überreicht. Seit dem 13. Jahrhundert hatten die Landesherren das früher königliche Privileg, Stadtrechte zu verleihen. Wenn Karl IV. als Kaiser nun im 14. Jahrhundert die Stadtrechte verleiht, so ist dies aus dorn Grunde zu erklären, daß das reiche Gelsdorf öfters seinen Lehns- und Landesherrn wechselte. Auch im Jahre 1359 war ein Streit zwischen Jülich und Kurköln wegen der Herrschaft Gelsdorf. Da greift der Kaiser selber ein; e r gibt Gelsdorf die Stadtrechte und nennt als Stadtherrn den Grafen Johann von Neuenahr-Saffenburg. Damit gibt der Kaiser aber auch eine Entscheidung im Erbschaftsstreit zwischen Johann von Neuenahr-Saffenburg und Johann von Neuenahr-Rösberg und nennt ersteren als rechtmäßigen Erben von der Grafschaft Neuenahr. Leider ist an der Urkunde das kaiserliche Siegel, das in einer Kapsel anhing, entfernt worden. Form und Inhalt der Urkunde sowie die notarielle Beglaubigung sprechen für die Echtheit der Urkunde. Der Umstand, daß die Urkunde gleichsam in ein „schwebendes Verfahren“ eingreift, nötigt zur kritischen Vorsicht, zumal später Gelsdorf im Gegensatz zu Königsfeld immer als Dorf bezeichnet wird.
Die Urkunde hat folgenden Wortlaut: „Wir Karl von govs gnaden Römischer Keiser ze allen Zeiten merer des Reichs und Kuning ze Behem bekennen und tun kunt öffentlich mit diesem Briefe allen den die in sehen oder hören lesen daß wir durch luterkeit, steter trüwe und fleißigr dienste die uns der edel von Saffenberg offt unverdrießlich zu ere und würde des Römischen Reichs hat getan und truwelich bewiset und derselbe von Saffenberg und Johan sein San Graf zu Nüwenar unser lieben getrüwen fürbas tun sollen und bewisen in künftigen Zeiten solich gnad haben getan mit rechter Wizze und Vollkommenheit keiserlicher macht und tun in daß mit crafft des Briefes, daß der borgen grefe Johan von Nüwenar und sein Erben das Dorf zu Geltzdorp b! Tomburg im Cölner Bistum zu einer gemuerten Stat mit grafen, Türmen, porten, muren und andere bestimunge ufrichten mögen und machen als in nützlich und fügelich ist und daß sie doselbes zu Geltzdorp einen Wochenmarkt uff den mondag und einen fryhen Jarmarkt uff Sant Walburge tag in angebin des meyes eynen tag vor und eynen tag nach mit recht freyheit und lobelichen gewonheit als ander unser und des reichs Stete hont eweclich und stetec-lich haben sollen und dieselbe market und Jahrmarket rufen tun und kündigen in den Landen als wit und wie ferre, daß sie wullen und wollen auch, daß alle die den market und Jarmarket suchen die freyheit haben als in ändern Steten und markten, die darbi und darumb gelegen sein gewonlich und recht zu haben und darzu erlauben und verhengen wir dem borgen Johan Grefen zu Nüwenar und seinen Erben von besondern gnaden, daß sie Burgere von welichen landen sie komen in die Stat zu Geltzdorp mögen emphaen und zu Bürger nemen mit sulchen rechten, fryheit und gnaden als ander unser und des reiches State vlegent zu tun. Auch geben und verlyen wir von besunderen gnaden solich fryheit zu der obigen Stat zu Geltzdorp als ander unser und des Reiches Stete vlegent zu haben und gebieten darum allen Fürsten, Grafen, Fryhen, Herren, Steten, Gemeinden, Ruteren und knechten unsern und des Reiches lieben getrüwen, daß sie den borgen Grafen von Nüwenar und sein Erben an diesen unsern gnaden fryheit und fürgabe in keinr weis hindern, leugen oder beschweren sollen als liep sie unser und des heiligen Römischen Reichs Ungnad wullen vermiten. Mit Orkund dies Briefes versiegelt mit unser keiserlichen meest. er Ingesiegel geben zu Menz nach Christs Geburt dreizehnhundert Jar dernach an den neun und fünfzigsten Jar an dem Fridag vor palme tag unser Reichs in dem dreizehenden und des Kaisertums in dem verden Jahre.“
Inhaltsangabe
Wir, Karl von Gottes Gnaden, Römischer Kaiser und zu allen Zeiten Mehrer des Reiches und König von Böhmen, bekennen und bekunden öffentlich durch diesen Brief allen, die denselben sehen und lesen oder denen er vorgelesen wird, daß der Burggraf Johann von Neuenahr und seine Erben das Dorf Gelsdorf bei Tomburg im Kölner Bistum zu einer gemauerten Stadt mit Gräben, Türmen, Toren und Mauern u. a. her- und aufrichten dürfen. Wir beweisen dem Grafen von Neuenahr diese Huld, weil sein Vater, der edle Johann von Saffenburg, sich durch Lauterkeit, stete Treue und fleißige Dienste unverdrießlich zur Ehre und Würde des Römischen Reiches ausgezeichnet hat. So möge auch sein Sohn, der Graf von Neuenahr, in künftigen Zeiten treu zu Kaiser und Reich stehen.
Auch erhält Gelsdorf das Recht, jeden Montag einen Wochenmarkt abzuhalten. Auch das Recht eines Jahrmarktes erhält Gelsdorf. Dieser dreitägige Jahrmarkt ist auf Walburgistag (1. Mai) und am vorher- und nachfolgenden Tage. Dieser Jahrmarkt soll dieselben Rechte und Freiheiten ewig und stets besitzen wie auch die Märkte anderer Städte des Reiches. Dieser Jahrmarkt soll weit und breit verkündet werden.
Die Besucher des Wochen- und Jahrmarktes sollen die in anderen Städten üblichen Rechte und Freiheiten genießen. Auch haben Johann von Neuenahr und seine Erben durch besondere kaiserliche Gnade das Recht, Leute, aus welchen Landen sie auch kommen mögen, als neue Bürger von Gelsdorf mit den üblichen städtischen Rechten und Freiheiten aufzunehmen. Ferner geben und verleihen wir der Stadt Gelsdorf aus besonderer Gnade die übrigen Rechte und Freiheiten, wie sie unsere und des Reiches Städte besitzen. Insbesondere gebieten wir auch allen Fürsten, Grafen, Freien, Herren, Städten, Gemeinden, Halbfreien und Knechten, daß sie unsern und des Reiches getreuen Burggrafen von Neuenahr und seine Erben in diesen von uns verliehenen Freiheiten nicht hindern, betrügen oder beschweren sollen, andernfalls würden sie in des Heiligen Römischen Reiches Ungnade verfallen.
Dieser Brief wird beurkundet und mit kaiserlichem Siegel versehen zu Mainz im Jahre 1359 am Freitag vor Palmsonntag, im 13. Jahre unserer Regierung, im 4. Jahre unseres Kaisertums.