Von der Grafschaft und ihre Geschichte
Von J. Rausch
In unserer Heimat versteht man unter „Grafschaft“ das fruchtbare, hügelige Gelände, das sich nördlich der unteren Ahr bis zum Kottenforste erstreckt. Sie bildet den nördlichen Teil der Rheineifel, während südlich der Ahr noch das Königsfelder Ländchen, die Pellenz und das Maifeld zur Rheineifel zählen. Erdgeschichtlich gehört das Maifeld nicht zur Eifel, sondern zum Neuwieder Becken, da beide an der Hebung der mittelrheinischen Gebirsscholle in der Tertiärzeit nicht teilnahmen und daher Becken bilden. Auch bei der Rheineifel, besonders aber bei der Grafschaft, geschah die Hebung nur in mäßiger Form, so daß die höchste Erhebung der Grafschaft, der Scheid mit der Fritzdorfer Windmühle, sich mit 259 m nur über 150 m über das untere Ahrtal erhebt. Daher gewahren wir auch nur schwer eine Bruchlinie, die die „Grafschaft“ von der Kölner Bucht trennt. Diese Bruchlinie ist dagegen westlich der Grafschaft zwischen der Mün-stereifeler Waldeifel und dem Erftbecken mit der Zülpicher Börde so deutlich ausgeprägt.
Die Tertiärzeit (= Braunkohlenzeit) schenkte der Grafschaft drei geologische Produkte: die Braunkohle, den Ton und den Löß.
Die Braunkohlenschichten sind wenig mächtig, lagern tief und sind sehr wasserreich, so daß Quantität und Qualität einen weiteren Abbau nicht ratsam erscheinen lassen. Wohl wurde einst bei Gedingen durch Schachtanlage die Braunkohle gefördert.
Wichtiger sind die Tonlager in Lantershofen und Ringen. Sie werden in diesem Jahrbuch an andere Stelle besonders gewürdigt.
Das wertvollste Geschenk aber, das die Natur der Grafschaft in der Tertiärzeit und im späteren Diluvium dem Lande gab, ist der fruchtbare Löß; diese sammetartige, kalkreiche, mit Lößschnecken versehene Ackererde verleiht der „Grafschaft“ ihre Fruchtbarkeit. Zwar ist durch die lange kulturelle Bebauung des Bodens und durch die auslaugende Tätigkeit des Wassers der Löß kalkärmer geworden, so daß sich an vielen Stellen ein schwerer, lehmiger Boden ergibt.
Stehen wir auf dem Scheid oder bei der Fritzdorfer Windmühle, so sehen wir, daß eine Wasserscheide zwischen Ahr und Swistbach, die bei Bölingen anhebt und über den Scheid nach Norden verläuft, die Grafschaft in ein kleineres südöstliches und in ein größeres nordwestliches Gebiet teilt. Der kleinere südöstliche Teil sendet sein Wasser durch den Leimersdorfer Bach, der rechts den Ringener Bach aufnimmt, zur Ahr. Das größere Nordwestbecken schickt seine Gewässer m den Swistbach, der bei Esch entspringt und an Holzweiler, Vettelhoven und Eckendorf vorbeifließt und bei Weilerswist in die Erft mündet.
Heute liegt die Grafschaft mit dem Amte Ringen im Kreise Ahrweiler und mit dem Amte Meckenheim im Landkreise Bonn.
Woher stammt nun der so geläufige Name „Grafschaft“?
Als im 11. Jahrhundert der Ahrgau sich in mehrere Gebiete zersplitterte, wurden die Grafen von Are Herren des Landes von der Landskrone ausschließlich bis zur Nürburg einschließlich. Als erster Graf von Are und als unser Landesherr wird nach 1100 der Graf Theoderich (= Dietrich) genannt. Sein Sohn Ulrich erbaut und erbt oder verwaltet die Nürburg und nennt sich Graf von Are-Nürburg. Er erbt mit seinem Neffen die Grafschaft Are und Hochstaden. Auch sein Sohn Gerhard von Are-Nürburg bleibt noch Mitbesitzer der ganzen Grafschaft Are.
Nach 1200 aber zerfällt die Grafschaft Are in zwei Teile: in die Grafschaft Are mit Burg Are und die Grafschaft Nürburg. Zu dieser gehört das Amt Adenau. Damit die Eifelgrafschaft aber auch ein Wein- und Weizengebiet besitzen sollte, kam der östliche Teil der Grafschaft Are zur Nürburg. Dieser östliche Teil erstreckte sich von Ramersbach südlich der Ahr bis über Meckenheim nördlich der Ahr. So war die Grafschaft eigentlich in drei Teile geteilt, wohl so, daß der westliche und östliche Teil einem gemeinsamen Herrn, dem Grafen von Nürburg, gehörten. Die Grafen von Nürburg führten im Gegensatz zu den Grafen von Are statt des Aars den Löwen im Wappen.
Gerhard von Are-Nürburg, der um das Jahr 1221 starb, gab seinem Sohne Theoderich die Grafschaft Nürburg mit dem Amte Adenau; sein jüngerer Sohn Otto erhielt das östliche Gebiet an der unteren Ahr. Er baute sich auf der 340 m hohen Basaltkuppe bei Wadenheim-Beul eine Burg, der er den Namen „Burg Neuenahr“ gab. Er selbst legte sich den Namen eines Grafen von Neuenahr bei. Auch der Berg wurde nun Berg Neuenahr und das kleine, aber fruchtbare Ländchen „Grafschaft Neuenahr“ genannt. Nun erst, etwa um 1230, hatten wir also drei Grafschaften mit je einem Grafen, die unter sich wohl zunächst Brüder und nachher Vettern waren. Die Grafen von Neuenahr führten den Adler im Wappen.
Das Grafengeschlecht auf der Burg Are starb aber schon mit Theoderich IV. 1246 im Mannesstamme aus. Erben der Grafschaft wurden die beiden geistlichen Onkel des verstorbenen Grafen: Domherr Friedrich und Erzbischof Konrad von Are-Hochstaden. Diese schenkten dieses Erbe dem Erzstift Köln. Seit dieser Zeit (1246) besteht keine Grafschaft Are (Altenar) mehr. Altenahr mit Umgebung war nur ein kölnisches Amt, und auch Ahrweiler, das 1248 Stadtrechte erhielt, war nur eine Vogtei.
Als um das Jahr 1270 mit dem Grafen Johann auch die Nürburger Grafenlinie erlosch, kam auch dieses Land trotz der heftigen Erbansprüche, welche die verwandten Grafen von Neuenahr und Virneburg stellten, die Grafschaft Nürburg zum Erzstift Köln. Nürburg war nun nur wie Altenahr ein kölnisches Amt. Auf den Burgen Are und Nürburg saßen nur kölnische Amtmänner.
Ganz anders war es in der Grafschaft Neuenahr. Hier blühte das Grafengeschlecht weiter, und ihr Land führte mit Stolz allein den Namen „Grafschaft“; des Beinamens „Neuenahr“ bedurfte es nun in der Umgangssprache nicht mehr. Wenn man sagte: „Ich war auf der Grafschaft“, dann konnte nur die Grafschaft Neuenahr gemeint sein. Nur diesem Gebiet blieb nun der Name „Grafschaft“ allein vorbehalten.
An den Erbauer und ersten Besitzer der Burg Neuenahr erinnert uns der schöne Graf-Otto-Weg, der zum Burgberge führt. Ottos Geschlecht blühte noch in fünf Generationen weiter. Seine Nachfolger sind: 1. Gerhard, 2. Theoderich, 3. Wilhelm I, 4. Wilhelm II., 5. Wilhelm III. Mit ihm starb die Linie um 1350 im Mannesstamme aus. Die verwaiste Grafschaft wurde von dem Onkel des Verstorbenen, dem Dom- und Stiftsherrn Kraft, verwaltet. Als Erbe wurde die Tochter Wilhelms III. eingesetzt.
Diese Gräfin Katharina von Neuenahr heiratete aus politisch-dynastischen Gründen Johann von Saffenburg schon mit zwölf Jahren. Daß eine weibliche Erbfolge eintrat, empörte die verwandten Seitenlinien der Grafen von Neuenahr. Besonders Johann IV. von Rösberg, der sich auch Graf von Neuenahr nannte, beanspruchte für sich das Erbe. In diesem Neuenahrer Erbschaftsstreit, der auch blutige Fehden im Gefolge hatte, wechselte in der Zeit von 1350—1370 die Burg oft ihren Besitzer. Zuletzt aber behauptete sich auf ihr Johann IV. von Rösberg-Neuenahr, während die rechtmäßige Erbin Katharina mit ihrem Gemahl auf der Saffenburg wohnte und das Land regierte.
Fritzdorfer Windmühle
Foto: Kreisbildstelle
Die Bewohner der Grafschaft brachten ihre Zehnten zur rechtmäßigen Herrin, so daß Johann leer ausging. Da ließ dieser Gewalt vor Recht ergehen; er zwang die Untertanen, ihm den Zehnten zu bringen. Dies Unrecht erzeugte neues Unrecht: Er beraubte die Untertanen und plünderte sie aus. Aber nicht nur seinen vermeintlichen Untertanen fügte er Unrecht zu, er plünderte als gemeiner Wegelagerer auch die dem Erzstift Köln zugehörigen Ahrweiler Winzer und Kaufleute, wenn diese ihren Wein, ihr Leder und ihre Tuche zum Rhein brachten.
Manchen Ahrweiler Bürger ließ dieser Raubritter ins Gefängnis auf der Burg Neuenahr schleppen und dort schmachten, bis ein hohes Lösegeld ihm wieder die Freiheit verschaffte. Diese Untaten ließen sich die freien Bürger des aufblühenden Städtchens Ahrweiler nicht gefallen. Im Verein mit kurkölnischen Truppen zogen sie 1372 vor das Raubnest, belagerten es vier Monate lang, worauf die Burg sich ergab. Raubritter Graf Johann mußte Urfehde schwören, nie mehr in die Grafschaft zurückzukehren. Für sich und seine Nachkommen mußte er die schriftliche Zusage geben, auf dem Neuenahrer Berg nie mehr eine Burg zu erbauen. Die bisherige Burg wurde von den Eroberern gründlich zerstört. Nur die Fundamente und Gräben zeugen bis auf den heutigen Tag von der einstigen Größe der Burg.
Die Waffenhilfe, die aber Kurköln nicht nur den Ahrweiler Bürgern, sondern auch dem rechtmäßigen Besitzer, dem Grafenpaar Johann und Katharina von Neuenahr, die auf der Saffenburg lebten, geleistet hatte, ließ es sich gut bezahlen. Kurköln sah hier eine günstige Gelegenheit, auch den letzten Teil der alten Grafschaft Are dem Erzstift einzuverleiben. Jedoch mußte es sich wegen des Einspruchs von Kurpfalz und Jülich damit begnügen, daß es die Mitherrschaft über die ungeteilte Grafschaft erhielt. Diese Kölner Mitherrschaft über die Grafschaft Neuenahr dauerte von 1382 bis 1546.
Das Geschlecht der Grafen von Neuenahr-Saffenburg starb mit Wilhelm IV. im Mannesstamme schon um 1424 aus. Wilhelm hatte nur zwei Kinder. Wieder hieß die Erbtochter Katharina, die den Junggrafen von Virneburg heiratete. So gelangte 1424 das Mannlehen in weiblicher Erbfolge wieder durch eine Katharina an ein fremdes Haus.
Wie zur Zeit der Saffenburger Herrschaft, so blieb auch unter den Virneburger Grafen die Grafschaft Neuenahr als selbständige Grafschaft erhalten. Das berühmte Virneburger Grafengeschlecht nannte sich nun auch „Graf von Neuenahr“, und es fügte in seinem Wappen den Virneburger Rauten den Neuenahrer Adler hinzu.
Als die Grafen von Virneburg und Neuenahr 1545 ausstarben, zog Jülich, da es als Lehnsherr und die Kurpfalz als Oberlehnsherr galt, die Grafschaft Neuenahr als erledigtes Lehen ein. In kluger Weise sicherte sich Jülich die Zuneigung der Bewohner, indem es die Richter, Schultheißen, Schöffen, Bürgermeister und die freien Bauern der Grafschaft in einer großen Volksversammlung auf dem Scheid bei Eckendorf versammelte.
Hier auf dem Scheid tagten in der Frankenzeit die freien Bauern des Ahrgaues; hier fanden auch im Mittelalter Volksversammlungen und Gerichtstagungen statt. An diese Tradition geschickt anknüpfend, wurde auch am 10. April 1546 auf dem Scheid ein öffentliches Ding gehalten, und die Bewohner der Grafschaft versprachen ihrem neuen Landesherrn unverbrüchliche Treue; der Herzog aber versprach, des Volkes Rechte zu wahren und zu schützen. Der Einspruch von Kurköln und die Erbansprüche von Wied konnten die Jülichsche Besitzergreifung nicht hindern. Auch Jülich ließ dies Gebiet als selbständige Grafschaft Neuenahr bestehen; die Herzöge nannten sich Grafen von Neuenahr, wenn auch jülichsche Amtsleute die Grafschaft verwalteten, da der Herzog ja in Jülich regierte.
Nun gehörte die Grafschaft dem größten Territorium der Rheinlande an. Keine der vier rheinischen Kurfürsten besaß ein solch großes Gebiet wie Wilhelm der Reiche von Jülich, der nicht nur Herzog von Jülich und Graf von Neuenahr, sondern auch Herzog von Berg, von Kleve, von Mark (im Sauerland), von Ravensburg (Teutoburger Wald) und Ravenstein war.
Wilhelm der Reiche starb kinderlos, und auf sein reiches Erbe stürzten sich viele verwandte Bewerber; so kam es zu dem berühmten Jülich-Klevischen Erbfolgestreit, der schon vor dem Dreißigjährigen Krieg anfing, aber erst 1666 endgültig geschlichtet wurde. Nur zwei Erben wurden bedacht:
Der Kurfürst von Brandenburg erhielt Kleve, Mark Ravensburg und Ravenstein. Jülich mit der Grafschaft Neuenahr und Berg kamen zu Pfalz-Neuburg an der Donau, das in Wirklichkeit schon seit 1609 das Land verwaltete. Auch die Pfalz-Neuburger betrachteten die Grafschaft Neuenahr als selbständiges Gebiet, und auch sie nannten sich deshalb Grafen von Neuenahr. Im Jahre 1685 erbten diese Pfalzgrafen auch die Rheinpfalz mit der Kurwürde. Als dies Geschlecht 1772 ausstarb, erbte Karl Theodor von Pfalz-Sulzbach die Kurpfalz, das Herzogtum Jülich mit Grafschaft Neuenahr und das Herzogtum Berg. Und dieser glückliche Erbe erbte 1777 auch noch das Kurfürstentum Bayern, so daß nun diese Wittelsbacher, die seit dem 13. Jahrhundert die Pfalz besaßen, zwei Kurfürstentümer: Kurpfalz und Kurbayern, und zwei Herzogtümer: Jülich und Berg, besaßen. Sie waren damit nach den Habsburgern und Hohenzollern das mächtigste Geschlecht im Reiche.
Residenzstädte der „Grafen von Neuenahr“ waren also von 1546 bis 1794 Jülich, Neuburg a. d. Donau, Düsseldorf, Heidelberg, München. Aber alle diese reichen Herren, ob Herzöge oder Kurfürsten, sie nannten sich auch Grafen von Neuenahr, und die Grafschaft bestand weiter bis zur Franzosenzeit.
Während die Stadt Ahrweiler von 1100 bis 1800 nur zwei Landesherren hatte, die Grafen von Are 1100 bis 1426, und die Kurfürsten von Köln 1246 bis 1794, hatte die heutige Grafschaft in den 700 Jahren
1. die Grafen von Are,
2. die Grafen von Nürburg,
3. die Grafen von Neuenahr,
4. die Grafen von Saffenburg-Neuenahr,
5. die Grafen von Virneburg-Neuenahr,
6. die Herzöge von Jülich,
7. die Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg,
8. die Kurfürsten von der Pfalz, die
1777 auch Bayern als Kurfürstentum erhielten.
In der Franzosenzeit 1794 bis 1814 gehörte die Grafschaft zum Kanton Ahrweiler, zum Arrondissement Bonn und zum Departement Rhein und Mosel.
In der preußischen Zeit gehörte die Grafschaft größtenteils mit dem Kreise Ahrweiler zum Regierungsbezirk Koblenz und zur Rheinprovinz, während der nördliche Teil zum Kreise Rheinbach, zuletzt zu Bonn-Land, also zum Regierungsbezirk Köln, gehörte.
Wie also in preußischer Zeit die Grafschaft nicht nur zwei Kreisen, sondern auch zwei verschiedenen Regierungsbezirken, aber derselben Provinz (Rheinprovinz) und demselben Staate (Preußen) angehörte, so gehört die Grafschaft nach der Neuordnung nach dem zweiten Weltkriege sogar zwei Ländern an: Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.
Die Grafschaft Neuenahr gliederte sich wieder in zehn Gerichtsbezirke, wovon sechs im Kreise Ahrweiler lagen: Bengen, Holzweiler, Karweiler, Leimersdorf, Ramersbach und Ringen. Vier Dingstätte lagen im heutigen Landkreis Bonn: Ersdorf, Fritzdorf, Ramershoven und Wormersdorf.
Nehmen wir die Karte zur Hand, so sehen wir, daß mit dem Worte „Grafschaft“ ein Bedeutungswandel stattgefunden hat: Keiner wird heute Ramersbach oder sogar Neuenahr (Wadenheim, Beuel) als Orte der Grafschaft bezeichnen. Jeder bezeichnet aber Vettelhoven, das stets zu Ahrweiler, also nie zur Grafschaft gehörte, als auf . der Grafschaft liegend.
Aus der „geschichtlichen Grafschaft“, die sich von Ramersbach über Neuenahr bis Ramershoven und bis zum Kottenforst erstreckte, ist ein geographischer Begriff geworden: Das fruchtbare, hügelige Lößgebiet zwischen Unterahr und Kottenforst ist gemeint.
Zum Schluß noch eine Frage: Welches ist der geschichtlich merkwürdigste Punkt der Grafschaft? Ist es der Neuenahrer Berg, wo doch die Herren der Grafschaft wohnten und woher ja auch der Name stammt?
Nein, er ist es nicht, denn seit 1372 ist die Burg zerstört, und keine Landesherren der Grafschaft haben mehr dort gewohnt, auch liegt er nicht „auf“ der heutigen Grafschaft.
Der geschichtlich merkwürdigste Punkt der Grafschaft ist der Scheid. Früher stand hier ein stolzer Eichenwald; und auf der Kuppe war ein großer freier Platz, der von Eichen umsäumt war. In der Mitte aber stand eine gewaltige Eiche. Unter ihr saß in der Frankenzeit der Gaugraf mit seinen Schöffen, und die freien Bauern des Ahrgaues bildeten den Umstand des Volksdings. Hier war noch im Mittelalter der Versammlungsplatz der freien Bauern, wo Gericht gehalten wurde. Wenn man bei den zehn Dingstühlen die Sache nicht entscheiden konnte oder wenn eine Partei Einspruch erhob, dann kam es zur höheren Gerichtsinstanz, das war das Landgeding auf dem Scheid. Hier ließ sich 1546 der Herzog von Jülich von einem stolzen Bauerngeschlecht huldigen. Hier ging die Sinzig-Aachener Straße vorbei, worüber im frühen Mittelalter die Kaiser zur Krönung nach Aachen zogen. Hier wallfahrten nicht nur Deutsche, sondern auch Ungarn zu den Heiligtümern nach Aachen und hielten hier Rast, wovon das Ungarkreuz auf dem Scheid zeugt. Der Wald und die Gerichtseiche sind verschwunden. Nur das Ungarkreuz gibt Kunde von der ehrwürdigen Stätte.
Eine Bitte an die Jugend der Grafschaft: Pflanzt am Tage des Baumes im Jahre 1955 an dieser historischen Stätte Linden oder Eichen, die einstigen Gerichtsbäume unserer Vorfahren, an jener Stätte, wo man die ganze Grafschaft als fruchtbares Hügelland mit einem stolzen Bauerngeschlecht überschauen kann; hier wohnt ein Bauerngeschlecht als Nachkommen des Neuenahrer Erben, der den Pflug über das Schwert stellte und das bewußte Wort geprägt hat:
„Das schönste Wappen in der Welt, das ist der Pflug im Ackerfeld.“