Vom Tod des Thomas von Aquino
Vom Tod des Thomas von Aquino
Die Bauern von Terracina erschraken,
denn überm Zisterzienserkloster Fossanuova stand eine Feuersäule in der Nacht,
und doch verbrannte weder Dach noch Haus.
„Der Bruder Thomas ist sehr krank!“
vertraute ihnen Bruder Pförtner an,
„Er ist gewiß ein Heiliger“, meinte der alte Pietro da, …
„denn eine Feuersäule über eurem Kloster ist ein Himmelszeichen!“
„Er ist ein großer Mann!“ sagte der Pförtner,
„So habe ichs in unserem Konvent gehört!“
Die Feuersäule lohte wieder auf.
Da knieten sie rings auf den Feldern nieder.
Der Bruder Thomas hatte krank bei den Zisterziensern angeklopft.
Er wollte nach Lyon, wie es der Papst befahl,
wo sie im heiligen Consilium die Kirchenspaltung zwischen Ost und West zu heilen hofften.
Der Bruder Thomas ging zu Fuß, wie es der Orden Sanct Dominici bestimmte.
Das war nicht, was ihn zwang, die Reise abzubrechen, denn er war vielgereist in seinem Leben.
Er hatte die italienischen Gebirge überwandert,
Frankreich und Deutschland hatte er durchschritten. Stets zu Fuß.
Das war es nicht, was ihn bezwang, —‘: sein Leben kam zum Ende.
Er wußte es.
Die Feuersäule über Fossanuova war sein eigenes Feuer:
die Geistesflamme seiner Seele löste sich aus dem veraschenden Leib.
Den Brüdern, die ihm letzte, heilige Wegestärkung reichten,
sagte er: „Legt mich dort auf die Asche vorm Kamin!“
So legten sie ihn auch. Er dankte ihnen.
Er hatte aus der Asche seiner Zeit erstickend-letzte Glut des Christentums
zu neuer Flammenmacht entfacht. Er hatte
mit der sonnenhaften Kraß durchleuchtender Gedanken
der Christustat auf dieser Erde neuen Grund erkämpft,
er hätte ungeheuren Irrtum, der die Heilestat
im Keim bedrohte, verbrannt zu Asche.
Und so im Dienst des höchsten Herrn und seiner Engelwelten
verbrannte er auch selbst. Und so wie eine Flamme
aufflammt vom Scheit, wie sich befreiend von des Holzes Härte,
wie sie zurück in Rauch und Qualm fällt, wieder
frei wird, bis ‚die Nahrung aufgezehrt ist:
so steigt die Geistesflamme dieses Großen
über Haus und Dach des Klosters aus der Asche
seines Leibes, der auf Asche liegt…
Die Erdenseelenwelt erbebte, als sich die ,
Feuergeisteskraft des Thomas von der Leibesasche löste.
Sein Freund Albertus — einundachtzigjährig —
erfuhr in sinnender Versenkung seines Liebsten
Schülers Erdenabschied fern in Köln.
Und in Paris weinend aus dem Morgentraum ein junger Mönch;
die Thomasseele hatte abschiednehmend ihn berührt.
Des Himmels Gloria erstrahlte
vom Farbenschönheitsglanz der Thomasseele;
denn solche Taten wie die seinen
erglänzen selbst in Himmelsherrlichkeiten.
E. K. Plachner
Aus dem Gedichtzyklus „Italia“