„Vom munteren Gefecht in das himmlische Vaterland“. Hurrapatriotismus und Realität des Krieges im Kaiserreich
Seine Durchlaucht beehrte die Krieger
„Gestern Abend bewegte sich ein imposanter Fackeltanz zum Concordia-Hotel. Der Kriegerverein 1866, dem sich die alten Veteranen angeschlossen hatten, brachte diese Ovation Sr. Durchlaucht dem Prinzen Adolf Sayn-Wittgenstein-Hohenstein zur Anerkennung der freundlichen Teilnahme, die derselbe dem Verein gezeigt.“ (AZ 6/1869)
Eine von vielen Meldungen der Ahrweiler-Zeitung (Kürzel AZ) über Aktivitäten von Krieger- und Veteranenvereinen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es gab sie im gesamten Kreisgebiet und nicht nur im Heilbad Neuenahr, aus dem die Meldung stammt. Kaiserbegeisterung und Primat des Militärischen waren überall alltägliche Gegenwart und schlugen oftmals seltsame Kapriolen. Zu den Kaisermanövern des 8. Korps (Rheinisches) strömten alljährlich Tausende und berauschten sich im Dunstkreis von Adel und Militär an der „schimmernden Wehr“, deren Einheiten sich in prächtigen Bildern entfalteten. Und dennoch schallten in Neuenahr „donnernde Hochrufe“ und „brausende Hurras“ immer eine Nuance stärker. Inbrünstiger erklang hier der Gesang, wenn die „Wacht am Rhein“ oder „Heil dir im Siegerkranz“ geschmettert wurde. Hier gab es viel mehr Möglichkeiten, sich vaterlands- und kaisertreu darzustellen. Das Ambiente eines internationalen Heilbades verführte einfach dazu, wenn Militärkapellen aufspielten, wenn Gedenktage gefeiert wurden. Hohe und höchste Kreise aus Adel und Militär waren ständig gegenwärtig. In- und ausländische Potentaten, Mitglieder fürstlicher Hofhaltungen und Regierungen promenierten durch den Ort.
„Die Gedächtnißfeier der Schlacht bei Königgrätz wurde in brillantester Weise hier gefeiert.
Beim Banquet im Kurgarten beehrte Se. Durchlaucht Adolph Prinz Wittgenstein-Hohenstein, welcher als Kurgast in Neuenahr wohnt, so wie eine große Anzahl von anderen Kurgästen die Krieger mit ihrer Gegenwart.“ (AZ 6/1869)
Es wundert nicht, wenn der Leutnant a.D. und Bergwerksbesitzer Bayer sich exakt so in die Anmeldeliste des Hotels einträgt. Der gestandene Unternehmer setzt stolz seinen in jungen Jahren erworbenen Dienstgrad an erster Stelle! Es wundert auch nicht, wenn wir in folgender Meldung erfahren, was der Kommerzienrat, der Gerichtspräsident, der Kanzleivorsteher oder der Oberlokomotivführer in ihrem Reisegepäck haben, um bei passender Gelegenheit zu glänzen:
„Mit großer Befriedigung darf unser Kriegerverein auf den Verlauf seines gestrigen schönen Festes, dem Gedenken an den glorreichen Feldzug von 1870/71 gewidmet, zurückblicken. Mit großer Freude wurde es begrüßt, daß viele Kurgäste ihre Ehrenzeichen angelegt hatten.“ (AZ 8/1895)
An Gelegenheiten, Orden und Ehrenzeichen anzulegen, mangelte es im Kurort nicht.
„Der hiesige Kriegerverein veranstaltete am 26. d. Mts. eine Vorfeier zu Ehren des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers und Königs im großen Saale des ,Goldenen Pflug’, welche sich eines äußerst zahlreichen Besuches zu erfreuen hatte. Eingeleitet wurde das Fest durch den von dem Ehrenpräsidenten des Kriegervereins, Vorsitzenden des Kreis-Krieger-Verbandes, Major
a.D. und Bürgermeister Faulhaber im Anschluss an eine kurze Ansprache ausgebrachten und begeistert aufgenommenen Toast auf Se. Majestät den Kaiser und König.“ (AZ 1/1897)
Kaisers Geburtstag am 27. Januar brachte den ganzen Ort auf die Beine. Eine wahre „Kaiseritis“ brach jedes Jahr aus. Nicht nur militärisch geprägte Zusammenschlüsse, auch Schulen, Töchterinstitute, diverse Vereine und honorige Herrenzirkel setzten sich in Szene. Es war der höchste Feiertag im Jahr. Der höchste neben vielen hohen.
„Der Hauptmann d(er) L(andwehr) a.D. Kurdirektor Rütten wies in markigen Worten auf die hohe Bedeutung des Festes und brachte nach Verlesung des Aufrufes Friedrich Wilhelms III. „An mein Volk!“ ein kräftiges Hurra auf den obersten Kriegsherrn aus. Nachdem die Volkshymne verklungen, erfolgte der Parademarsch.“ (AZ 3/1913 – Kriegerverein und Artillerieverein gedenken der Erhebung Preußens 1813 gegen Napoleon.)
Der Leser wird bemerkt haben, dass die beiden Repräsentanten des Badeortes Neuenahr ihren militärischen Rang mit aufführen ließen, und zwar auch an erster Stelle! Mit einem weiteren Beispiel möchte ich meine These abschließend unterstützen, dass der Kurort Neuenahr einen idealen Nährboden für ausufernden Patriotismus bildete:
„Galt es doch, unseres erlauchten Kaiserpaares, welches am 27. Februar ds. Js. die silberne Hochzeit in voller Gesundheit und Frische begehen wird, aus diesem Anlaß in treuer Anhänglichkeit, Ehrfurcht und Liebe zu gedenken, wie es einem alten Krieger und ehemaligen Soldaten, dem noch der Fahneneid heilig ist, geziemt.“ (AZ 2/1906)
Wie freute sich da der Landbriefträger Weber, als ihm „aus Anlaß der Silbernen Hochzeit unseres Kaiserpaares für langjährige, treu geleistete Dienstzeit durch die Oberpostdirektion in Coblenz ein Gemälde, die kaiserliche Familie darstellend, überreicht (wurde).“
So bedankte sich das Kaiserhaus eben bei seinen Untertanen, die mit ihrem militärischen Fahneneid gleich der ganzen Familie des Kaisers Treue geschworen hatten.
Das Schwert geschliffen, das Pulver trocken
Mit diesen kernigen Worten schloss der Redner bei einem Festessen anlässlich des Geburtstages Sr. Majestät im Hotel-Restaurant „Zum Stern“. Damit drückte er aus, dass sich die anderen Mächte daran gewöhnen müssen, dass Deutschland auch ein Wort mitzusprechen hat, wenn es um weltpolitische Fragen geht. Man stand immer „Gewehr bei Fuß“ und hielt wachsam Ausschau, ob der Feind wohl nahe. In unzähligen Stuben des Reiches hingen Reservistenbilder und erinnerten den ehemals aktiven Soldaten an seine Pflichten: „Ruft einst das Vaterland uns wieder, als Reservist, als Landwehrmann, so legen wir die Arbeit nieder und folgen treu der Fahne dann.“
Er war allzeit bereit, dem Ruf der Fahne zu folgen. Er trat einem Krieger- oder Waffengattungsverein bei und pflegte hier die alten kameradschaftlichen Bande. Hier führte er neben seinem Alltagsleben ein zweites Leben auf gänzlich anderer Ebene. Hier griffen die gewohnten militärischen Strukturen – Befehl und Gehorsam, Vorgesetzter und Untergebener. Welcher Geist hier herrschte, mögen einige Zitate aus der Ahrweiler Zeitung zeigen:
„Kriegerverein und Artillerieverein zogen am Morgen mit klingendem Spiel zur Kirche, um zunächst Gott, dem Lenker aller Schlachten, Dank zu sagen für das gnädige Geschick.“ „Nachdem die Volkshymne verklungen, erfolgte der Parademarsch. Es war eine Freude, zu sehen, wie die alten und jungen Kameraden, alle ohne Unterschied, mit gutem militärischem Schneid vorüberzogen.“ „Besonders den Veteranen konnte man den berechtigten Stolz und die Freude ansehen, welche sie in Erinnerung an die vor 25 Jahren mit erfochtenen herrlichen Siege beseelte.“ „Die Begeisterung erreichte ihren Höhepunkt, als spontan und unvorbereitet von Kurgästen eine begeisterte Rede auf unseren allergnädigsten Herrn, Kaiser Wilhelm II, gehalten und ein Hoch auf Se. Durchlaucht den Fürsten Bismarck ausgebracht wurde. Heil dir im Siegerkranz, die Wacht am Rhein, Deutschland, Deutschland über alles, mußten auf stürmisches Verlangen wiederholt von der Kurkapelle gespielt werden.“
Eingangs sprach ich von den seltsamen Kapriolen, die Kaiser- und Kriegsbegeisterung schlugen. Eine davon ist mit Sicherheit die Gott zugedachte Aufgabe, alle Schlachten zu lenken, praktisch Chef des Generalstabs zu sein. Aber auch dem Kaiser sprach man ungeahnte Befähigungen zu. Anlässlich des 40-jährigen Dienstjubiläums des Bahnmeisters Werner 1912 – Mitkämpfer von 1866, 70 und 71 und Vorsitzender der ehemaligen Artilleristen –„ergriff Herr Faulhaber das Wort zu einer kurzen, kernigen Ansprache auf Se. Majestät den 1. Bahnmeister, den 1. Lokomotivführer des Deutschen Reiches, die in einem kräftigen Hurra ihren Ausklang fand.“ (AZ 9/1912)
Von Helden und Siegern
Im Dezember 1912 saßen sie wieder einmal zusammen. Der Kriegerverein Neuenahr hielt seine Monatsversammlung ab. Nach Erledigung einer umfangreichen Tagesordnung ging man zum gemütlichen Teil über. Jetzt kamen die Veteranen zu Wort:
„Kamerad Herr Jakob Pohl gab den Inhalt seines Kriegstagebuches zum besten: Den Abmarsch aus der Garnison, die lange Eisenbahnfahrt, das Betreten von Feindesland, das Immernäherrücken an den Feind, endlich der erste Zusammenstoß mit diesem. Sein Tagebuch war bis zu Beginn der großen Schlachten und Gefechte gut geführt und entrollte ein anschaulisches Bild von dem stillen Dienst in der Kompanie, der nach Kamerad Pohl auch im Kriege nicht vernachlässigt, allerdings auch zuweilen unterbrochen wird von einem munteren Gefecht. Aus dem weiteren Verlauf des Krieges hob der Vortragende einzelne besondere Begebenheiten hervor, wobei er zuweilen dem Humor die Zügel schießen ließ. Reicher Beifall belohnte den Vortragenden. Unser, mit dem Eisernen Kreuz und dem Allgemeinen Ehrenzeichen geschmücktes Mitglied, Herr Johann Sieger, gab dann aus dem Gedächtnis den Verlauf des Feldzuges 1870/71 zum besten. Kamerad Sieger hat bekanntlich bei der reitenden Abteilung des Feld-Artillerie-Regiments Nr. 8 gekämpft und als Richtkanonier manchen guten Schuß abgegeben. Durch seine Tüchtigkeit konnte manches feindliche Geschütz zum Schweigen gebracht werden. … Es war eine Freude, seinen anschaulichen Worten zu folgen, und man konnte es ihm nachfühlen, wie stolz ihn seine Dekorierung mit dem Eisernen Kreuz auf dem Schlachtfeld noch heute macht, wie später die Teilnahme an dem Einzug der Sieger in der Hauptstadt Berlin.“ (AZ 12/1912)
Todesanzeige für einen Gefallenen im ErstenWeltkrieg. Folgt man der zeittypischen Anzeige,
so starb auch dieser den „Heldentod“ auf dem Feld der Ehre. Die Realität des Krieges sah anders aus.
Ein munteres Gefecht, mit humorvollen Worten beschrieben? Ein anderer, der auch dabei gewesen war, der auch das Eiserne Kreuz erhalten hatte, mag es wohl mit anderen Augen gesehen haben:
„Derselbe machte als Füsilier des Hannoverschen Infanterie-Regiments Nr. 74 den Sturm auf die Spicherer Höhen am 6. August c. mit und erhielt dabei als einer der vordersten einen Schuß ins linke Knie. Hilflos und unverbunden mußte er auf dem Schlachtfelde inmitten der tobenden Schlacht bis des anderen Tages liegen bleiben; ein Unteroffizier, welcher ihn verbinden wollte, wurde an seiner Seite erschossen.“ (AZ 11/1870)
Diesem Ritter des Eisernen Kreuzes musste das Bein oberhalb des Knies amputiert werden. Aus der Erinnerung verdrängte Realität, unreflektiertes Schwadronieren, Verklärung nach langer Zeit, Heldengefühle, all das mag als Erklärung herangezogen werden, warum ein überstandener Krieg glorifiziert werden kann. Rational begründen wird man es kaum können. Ich möchte den Leser zu eigenem Reflektieren über die Absurdität im Spannungsfeld der beiden Pole Kriegsbegeisterung und grausame Realität ermuntern. Auch hierfür verwende ich sinnerhaltend gekürzte Zitate aus der Ahrweiler Zeitung aus dem Jahre 1866. Sie betreffen die Schlacht von Königgrätz (Böhmen) zwischen Preußen und Österreich im Juli des Jahres.
Warum liegen wir hier todt?
„…das ganze Schauspiel wurde grausig von drei brennenden Dörfern beleuchtet. Als ich in der Nacht mit meinen Pferden über die Ebene in das nahe gelegene Dorf zur Tränke ritt, strauchelte ich mehrmals über die umherliegenden Leichen, deren Gesichter feurig beleuchtet, mich anstarrten, als wenn sie sagen wollten, warum liegen wir hier todt, was haben wir Armen gethan…“ „…Als die zweite Granate zischend dicht an mir vorbeifliegt. Sie trifft das linke Bein meines Stangenreiters, geht durch die Brust des Stangenpferdes, reißt dem Sattelreiter die linke Wade fort und durchbohrt noch die Brust des Mittel-Sattelpferdes. …Mein Mittelreiter stürzte gleich darauf, schwer von einem Sprengstück im Genick getroffen…“ „Im Thalgrunde von Doalitsch arbeitete der Leutnant von Blomberg mit einem Kommando Soldaten an der Beerdigung der letzten Preußen; 88 lagen todt in Reih und Glied; ein furchtbarer Anblick; bei jedem die Wunde und die Verstümmelung anders, hier die Brust offen gerissen von einer Granate, dass man ganz hinein sah, dort der Leib, anderswo das Gesicht und der Kopf; die entstellendsten Wunden waren von den Kameraden zugedeckt; dazwischen einzelne Beine, Arme, Rümpfe…“ „Diese (Anm.: die Preußen), um sich vor dem Feuer zu schützen, suchten die herumliegenden Leichname zusammen und häuften sie übereinander zu einem Walle, auch mich, der ich leblos mit einer Brustwunde dalag, nahmen sie ebenfalls und warfen mich auf den Leichenhaufen, hinter welchem sie verschanzt das Feuer der Batterien erwiderten.“ Anmerkung: Der Mann machte sich bemerkbar und wurde gerettet.
„Die meisten Dörfer und Städte, durch welche wir gekommen, sind zerstört und niedergebrannt und von den Einwohnern verlassen, die Reste sind von Soldaten besetzt und mit Verwundeten überfüllt. In manchen Orten liegen noch Hunderte und Hunderte von Schwerverwundeten, meistens Österreicher, ohne jeglichen Arzt … Die meisten Wunden waren schon brandig…“ „In der Grabenecke der einen Schanze sind die dort gefallenen Todten in einem riesigen Grabe bestattet worden, doch der von dem Wall niedergeflossenen Regen hat sich in dasselbe ergossen, und der ganze Graben findet sich mit einer blutigen Flüssigkeit ausgefüllt, die ringsum einen unerträglichen Geruch verbreitet.“ „Kaum waren wir wieder 50 Schritt marschiert, da kam eine Granate in unsere Kompagnie hinein und schlug zwei Sectionen vor mir nieder; ich fiel mit um, war aber doch unverletzt geblieben; ich stand wieder auf und da kam eine Granate an mir vorbeigeflogen; … Drei Mann von meiner vorderen Section waren auf der Stelle todt; einem Unteroffizier war der Kopf abgeschossen, einer in der Mitte durch, der andere von den dreien war in die Brust geschossen, einem waren beide Beine abgeschossen, welcher auch nach einer halben Stunde starb; zweien war der rechte Arm weggeschossen, einem das Knie, einem das Kreuz durchgeschossen und so noch mehrere Verwundete …“
Es stockt der Atem beim Gedanken an dieses Grauen, das hier aus unmittelbarem Erleben niedergeschrieben wurde. Unvorstellbar, dass diese Blutbäder zum munteren Gefecht mutieren, das sich in verblasster Erinnerung wie ein sportlicher Wettkampf darstellt. Auch wenn der Sieg von Königgrätz Anlass zu Siegesfeiern bot, so kann festgestellt werden, dass diese trotz des vom Militärischen bestimmten Ambiente „friedvoller“ und verhaltener verliefen. Im November 1866 feierte man, angekündigt durch Böllerschüsse, Glockengeläute, großen Zapfenstreich und Freudenfeuer am Berg Neuenahr „die glückliche Rückkehr der Männer unserer Gemeinde, welche zu dem jüngst stattgehabten Kampfe einberufen gewesen.“
Der Ort war geschmückt wie noch nie. Beim Festakt selber erinnerte der Hauptmann des Veteranen-Vereins daran, „daß das heutige Fest aber nicht nur durch Festessen zu feiern sei, sondern auch durch Dankgebet zu unserem himmlischen Vater, welcher uns gnädigst vor einem neuen Kriege und den dann unvermeidlichen Schrecknissen bewahren möge.“ (AZ 11/1866)
Wir spüren förmlich die friedvolle Atmosphäre dieser Feier. Kriegerisch werden die Töne erst nach dem Kriege 1870/71 und vor allem nach der Thronbesteigung Wilhelms II. 1888. Jetzt werden die Schwerter geschliffen! Und auch Gottvater hatte 1866 die militärische Rangleiter bis zum „Lenker aller Schlachten“ noch nicht erklommen.
„Jeder Stoß ein Franzos, jeder Schuß ein Ruß“
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nehmen Kriegsverherrlichung und Denken in militärischen Kategorien fast groteske Züge an. Der Glaube in die eigene Unbesiegbarkeit mit einem großen Kaiser an der Spitze wuchs in dieser Atmosphäre unerschüttlich. Und so zog man 1914 wieder in ein „munteres Gefecht“. Die Schwerter waren geschliffen und das Pulver war trocken. Die beiden obersten Kriegsherrn – der Kaiser und Gott – würden ihre Helden siegreich führen. Auch Gott hatte nach der damaligen Ansicht von vielen seine eigenen Bataillone – Heerscharen von Engeln. Die benötigte er bald. Im Kriegsjahr 1915 empfiehlt nämlich eine ortsansässige Druckerei ihre Totenzettel für gefallene Krieger mit dem Hinweis:
„Der für diesen Zweck eigens hergestellte Totenzettel trägt auf der Rückseite die Darstellung eines sterbenden Kriegers, dem ein Engel den Weg zum himmlischen Vaterland weist.“
Wenn man diesen heute geradezu makaber erscheinenden Gedankengängen folgt, so benötigte Gott unzählige Engel verschiedener Nationalität, um alle toten Krieger in ihr eigenes himmlisches Vaterland zu führen. Nennen wir sie euphemistisch „die Gefallenen“, wohl wissend, dass sie zu Abertausenden elendiglich krepiert sind. Unzählige so in Stücke gerissen, dass die „Engel Mühe hatten, sie vollständig ins himmlische Vaterland zu bringen.“
Feldpostkarte vom Juli 1916. Krieg wird hier als kindliches Spiel dargestellt.Anmerkung: Um den Leser nicht zu ermüden, habe ich auf wissenschaftlich genaue Quellenangaben verzichtet. Alle Zitate sind der Ahrweiler Zeitung entnommen und sinnerhaltend gekürzt. Die Erlebnisse aus der Schlacht bei Königgrätz sind teils Briefen der Beteiligten entnommen, teils sind es redaktionelle Berichte, die auf Nachrichten von Beteiligten basieren. Sie alle zu nennen, würde den Rahmen sprengen. Meine Absicht war es, dem Leser möglichst prägnante Erscheinungsformen des Militarismus und Kaiserismus im ausgehenden 19. Jahrhundert vorzustellen und ihm die Gelegenheit geben, sie mit der Realität zu vergleichen. Auf diesem knappen Raum kann es keine wissenschaftlich fundierte Abhandlung sein, die alle Facetten der Thematik umfasst. Insbesondere muss eine Analyse und tiefenpsychologische Untersuchung der Phänomena hier unterbleiben. Der an der Thematik interessierte Leser wird hier ansetzen müssen.