Verstorbene als Heiratsengel
Von Alfons Hayduck
Kuriose Testamente sind im Mittelalter keine Seltenheit gewesen. Oft waren gar merkwürdige Bedingungen mit ihnen verknüpft. Aus dem Schlesien des 16. Jahrhunderts sind uns zwei Nachlaßregelungen überliefert, die heutzutage jedem Sozial= und Familienminister zur Ehre gereichen dürften, obendrein dem mit Herz begabten „gemütlichen Schläsinger“ ein schönes Zeugnis ausstellen, das wert ist, nicht vergessen zu werden.
So bestimmte anno domini 1526 die Breslauerin Hedwig Dominica Wunderlich, die wohl auch noch nach ihrem Heimgang ihre löbliche Gepflogenheit fortsetzen wollte, den Heiratsengel bei den vom Schicksal weniger begünstigten Breslauern zu spielen, daß ein Teil ihres Vermögens also zu verwenden sei: „Zwölf Mark soll die Testamentarie austheilen, armen Hausleuten dy in den ehelichen Stand treten.“ Eine ähnliche Hilfsbereitschaft offenbarte ein geistlicher Herr rund dreißig Jahre später. Es war der Abt Vinzenz vom Zisterzienserkloster Heinrichau, südlich der mittelschlesischen Kreisstadt Strehlen gelegen. Es war eines der angesehensten und ehrwürdigsten Klöster Schlesiens, bereits 1222 von Herzog Heinrich I. dem Bärtigen gegründet, als „Fürstliches Zisterzienserstift“ seinen Namen tragend und später als Juwel des schlesischen Barock weitberühmt. Der mildtätige und großherzige Geist seines Gründers lebte durch die Jahrhunderte fort, und Abt Vinzenz tätigte obendrein noch eine wohltätige Stiftung, die viel von sich reden machte. Weniger wegen der tausend dafür ausgesetzten Gulden als wegen der daran geknüpften Bedingungen. Daß der Abt diese tausend Gulden seiner Vaterstadt Strehlen vermachte, als er anno domini 1555 nach vierundvierzigjähriger Regierungszeit starb, war wohl ebenso in Ordnung wie der Verwendungszweck für arme Mädchen. Aber darüber hinaus sollten diese auch von anmutiger Gestalt sein. Denn ausdrücklich hatte der Erblasser hinsichtlich der tausend Gulden an seine Verwalter der Hinterlassenschaft für Strehlen verfügt: „Zur Aussteuer und Mitgift armer, doch wohlgestalteter strehlischer Mägdlein . . .“
Wer sich hier wundern will, dem sei verraten, daß die strehlischen Mägdlein seit eh und je sich guten Rufes und besonderer Schönheit erfreuten.