Und so waren DIE TÜRKEN . . .
„Haus Rolandshöhe“ nannte der erste türkische Botschafter seine Residenz im Haus „Lebensquell“ in Rolandseck. Hier trank auch er an den Quellen rheinischer Fröhlichkeit. „Möge die Welt an dem friedlichen und frohen Regierungsbeispiel eines Karnevalsprinzen und seiner Minister lernen, wie man mit Frieden und in Freude das er bereits als Gymnasiast kennenlernte, dessen Kultur er aus tiefster Seele bewunderte und in dessen Museen und Galerien er schon als junger Mensch zu Hause war. Buenos Aires, Tokio und Stockholm weiteten seinen Blick. Dann rief man ihn nach Ankara zurück, weil besondere Aufgaben seiner warteten. Tel Aviv, Wien, regiert!“
Prinz Karneval mit Gefolge zur Begrüßung beim türkischen Botschafter
Foto: Arenz
Wer so sprach, der kannte Deutschland, liebte Deutschland und verstand Deutschland. In Botschafter E s i n hatte der Kreis Ahrweiler einen fähigen Diplomaten in seinem Kreisgebiet. Als Schüler von Professor Theodor Heuß an der Hochschule für Politik in den Jahren 1927—29 empfand er es als eine Bestätigung der hohen Verehrung für seinen früheren Lehrer, daß er dem Bundespräsidenten Theodor Heuß viele Jahre später sein Beglaubigungsschreiben überreichen durfte. Während er in Berlin studierte, war er bereits im türkischen Außendienst. Er kam von Athen und Palermo nach Deutschland, Moskau waren die Stationen, die vor seiner Aufgabe in Bonn lagen. Im Diplomatischen Kurier Heft 12 6. Jahrg. vom 19. 7. 1957 S. 437 lesen wir zum Abschied folgende Worte des Gedenkens:
„Der elegante und geschickte Diplomat, dessen Kunstsinn ihn auch zu einem verständnisvollen Anwalt der türkischen Kunst in Deutschland machte, wurde von seiner klugen und liebenswürdigen Gattin, die ebenso wie ihr Gatte die deutsche Sprache vollende: beherrscht, stets in vollkommener Weise unterstützt. Ihre Residenz an einem der schönsten Punkte der rheinischen Landschaft, auf einer Höhe über Rolandseck, war stets gastlich den vielen Freunden geöffnet, die das beliebte Botschafterehepaar in Deutschland erworben hat.“
Zu diesen Freunden zählten auch die Menschen unserer Heimat besonders in den Tagen, wenn das Herz auf der Zunge liegt und der tiefe Ernst ein heiteres Gewand trägt. Der Botschafter war besonders von der sozialen Seite des fröhlichen Treibens angesprochen, das den im Schatten Lebenden neuen Mut zu spenden versteht. Doch seine Zeit in Rolandseck war bald vorbei. „Als sich an einem strahlend schönen Maitag die vielen ausländischen und deutschen Freunde von Botschafter Esin und seiner Gattin auf der Rolandshöhe verabschiedeten, wurde die Beliebtheit des scheidenden Botschafterehepaares, das wir sehr gerne noch bei uns gesehen hätten, ganz und gar deutlich. Und die Glückwünsche, die dem türkischen Diplomatenehepaar für ihren neuen, verantwortlichen Posten in New York und für ihre weitere Zukunft mitgegeben wurden, kamen von Herzen. Ebenso, wie wir wissen, daß Botschafter Esin und seine Gattin wirklich Freunde unseres Landes sind und daß es nicht nur Worte sind, wenn Botschafter Seyfullah Esin uns zum Abschied versicherte, wie sehr er und seine Frau bedauern, sich von dem liebgewordenen Posten in Bonn schon nach so kurzer Zeit trennen zu müssen. Noch einmal sprach uns der türkische Diplomat von seiner Bewunderung für das deutsche Volk, den Wiederaufbau und den Mut, mit dem es den Schock des vergangenen furchtbaren Krieges zu überwinden bemüht ist. Wir danken Botschafter Seyfullah Esin und seiner Gattin dafür und werden ihrer in Freundschaft gedenken.“ (Dipl. Kurier Heft 12 1957).
Ein Jahr ist verflossen. Botschafter Settar Iksel überreichte am 2. Juli 1957 dem Bundespräsidenten sein Beglaubigungsschreiben. Ein neuer Mensch ist in Rolandseck eingezogen, aber der alte Geist der Freundschaft ist geblieben. Die Begegnung im Februar des Jahres 1958 war von besonderem Reiz. Der Hausherr selbst war dienstlich in Paris, der erste Botschaftssekretär vertrat ihn, und die Herrin des Hauses gab mit entzückender Charme diesem Tag eine besondere Note. Doch hier möge einer sprechen, dem die Stunde zum Erlebnis wurde:
„Hell erklangen die Fanfaren und weit öffneten sich die Türen, weiter noch die Her= zen. Von den Ufern des Rheins brachten rheinische Menschen Freude und Frohsinn auf die Höhen des Berges. Schnell verband das Gespräch die Menschen verschiedener Zungen. Da man diesmal weder kölsch noch deutsch sprach, versuchten wir es mit englisch oder französisch (soweit das noch ging!). Doch da, wo ein Bogen zum Brückenbau fehlte, spann ihn die Vielfalt der menschlichen Gebärde. Und in der Zeichensprache waren gerade unsere ]üngsten, die 12jährigen des Tambourkorps, besonders groß. Mit den Kaviarpastetchen wußten sie nicht Rechtes anzufangen, aber mit den kleinen Türken schlössen die große Freundschaft. Diesen hatte es die dicke Trommel besonders angetan, und der gewaltige Krach im Hause machte ihnen höllischen Spaß. Aber auch die Großen waren voll kindlicher Freude. Der türkische Chefkoch inmitten des Prinzen und seiner Hof= damen fühlte sich mit in dem närrischen Treiben gefangen. Er wird mit dem Bilde auch die Erinnerung in seine Heimat tragen. Der Abschied mit klingendem Spiel wurde zu einer Ovation für die diplomatische Vertretung der türkischen Nation.“
Eine politische Aktion? Gewiß nicht! Eine Begegnung auf höchster Ebene? Vielleicht! Wenn die höchste Ebene der Gipfel wahrer Menschlichkeit ist.
Es waren nur ganz kleine Mosaiksteine im großen Gebäude des Weltgeschehens, was wir hier im Kreise Ahrweiler erleben durften. Aber diese Steinchen mögen in eine glücklichere Zukunft hineinleuchten, wenn die Menschen endlich zueinander gefunden haben, wenn einmal die „Höchste Ebene“ wie ein „Höchster Gipfel“ gen Himmel ragt.