Tätigkeits-, Stimmungs- und Lageberichte aus dem Kreis Ahrweiler während der NS-Zeit
Leonhard Janta
Für die Erforschung der NS-Zeit sind Lage-, Tätigkeits- und Stimmungsberichte eine Ge-schichtsquelle ersten Ranges.‘ Sie gewähren Einblick in die Reaktionen der Bevölkerung auf Geschehnisse im Reich, aber auch auf Maßnahmen der Behörden, der NSDAP und ihrer Gliederungen vor Ort. Diese Berichte dienten dem NS-Regime auf seinen verschiedenen Ebenen gleichsam als »Meinungsbarometer«.2 Trotz der geforderten Offenheit lieferten sie den damaligen Machthabern kein ungeschminktes Bild der politischen Lage, der Stimmungen und Gefühle in der Bevölkerung.
In verschiedenen Fällen kam wohl doch Schönfärberei vor. Die Berichte wurden z. T. nicht mit der nötigen Sorgfalt abgefaßt und der Berichterstatter gab bewußt oder unbewußt Falschinformationen weiter oder stellte seine eigenen Leistungen heraus.
Trotzdem geben sie ein anschauliches Bild der Zeit.
Aus dem Kreis Ahrweiler sind diese aufschlußreichen Meldungen nur äußerst lückenhaft überliefert. Lediglich Lageberichte des Amtes Niederbreisig von 1933 – 1942, monatliche Tätigkeitsberichte der Amtsfachberater von 1936 – 1938 und Tätigkeitsberichte des Kreisleiters von 1934 – 1938 sind im Kreisarchiv Ahrweiler erhalten.3
Lageberichte aus den Ämtern
In den Lageberichten aus den Ämtern sollte jeweils monatlich »zu allen aktuellen politischen Dingen ausführlich Stellung genommen werden. Auf eine erschöpfende Darstellung ohne Weitschweifigkeit, auf Klarheit und Vermeidung jeglicher Schönfärberei. . . (war dabei) besonderer Wert zu legen«. Ebenfalls sollte darin die Stimmung in der Bevölkerung charakterisiert werden.
Folgende Themenbereiche waren bei den Ausführungen zu berücksichtigen:
- Allgemeine Übersicht über die innenpolitische Entwicklung
- Stand und Tätigkeit der staatsfeindlichen Bestrebungen
- Kirchenpolitik
- Wirtschafts- und Agrarpolitik
- Kulturpolitik (insbesondere Presse)
- NSDAP und ihre Gliederungen
- Juden und Freimaurer
- Ausländer, Spionage, Landesverrat Die als »Geheim« eingestuften Lageberichte aus den Ämtern waren an den Landrat zu richten und wurden dort in einem Kreisbericht zusammengefaßt und an die Staatspolizeistelle in Koblenz weitergereicht.
Tätigkeitsberichte der Amtsfachberater
Die monatlichen Tätigkeitsberichte der Amtsfachberater der NSDAP in den Ämtern im Kreis Ahrweiler gingen an die Kreisleitung der NSDAP, Amt für Kommunalpolitik. Dort wurde dann ein zusammenfassender Bericht für die Gauamtsleitung in Koblenz verfaßt. In der Regel hatten die Amtsfachberater Auskunft zu geben über:
- Wichtige Vorkommnisse in den Gemeinden
- Die Aufnahme von Maßnahmen und Anordnungen der Behörden in der Bevölkerung
- Mißstände in Partei und Gliederungen
- Mißstände in Staat und Verwaltung
- Allgemeine Stimmung Verschiedenen Amtsfachberatern, die diese Aufgabe ehrenamtlich als Ratsmitglieder oder Beigeordnete versahen, war das monatliche Verfassen der Berichte wohl lästig, weshalb sie oft nur Fehlanzeige meldeten und dies mit mangelndem Berichtsstoff oder Arbeitsüberlastung begründeten. Von der Kreisleitung mußten deshalb wiederholt Berichte angemahnt werden.
Die Berichterstattung ist, was den Umfang und die Qualität anbelangt, sehr unterschiedlich. Sie reicht von der bloßen Fehlanzeige bis zur detaillierten Darstellung der Lage mit einer Fülle an Einzelinformationen und kann deshalb hier nicht ausführlich gewürdigt werden.
In nahezu allen Berichten aus den Ämtern wird immer wieder die grundsätzliche Zustimmung der Bevölkerung zum NS-Regime betont. Fehler und Mißstände werden auf das Versagen einzelner Personen und unterer Instanzen zurückgeführt und mit mangelnder Einsatzbereitschaft politischer Leiter und der Bevölkerung insgesamt entschuldigt. Als typisch in diesem Zusammenhang kann die Meldung aus Remagen vom 21.1. 1936 zu dem Punkt »Mißstände in Staat und Verwaltung« angesehen werden. Darin heißt es: »Wenn auch das gewaltige Aufbauwerk des Führers nicht ohne Fehler, die in den Unterführungen gemacht werden, fortgeführt und vollendet werden kann, so zwingen doch die umwälzenden weltgeschichtlichen Taten und Erfolge jeden Einsichtigen, darüber hinwegzusehen. Die Fehler werden systematisch, wie jeder sehen kann, ausgemerzt, was noch eine gewisse Zeit erfordert«. Die Stimmung in der Bevölkerung wird im allgemeinen als »ruhig« charakterisiert, jedoch erhitzten behördliche Einzelmaßnahmen gelegentlich die Gemüter.
Innerhalb verschiedener Orte wird mehrfach das Fehlen fähiger politischer Leiter für den Gemeinderat und die mangelnde Schulung von Mitgliedern der NSDAP beklagt.
Hinzu kam noch, daß sich gerade die Jugend auf dem Lande wenig für Politik interessierte:
»Unsere Landjugend, von der Schulentlassung ab, schließt sich nicht allein von allen Vorgängen des täglichen Lebens, soweit sie politischer Art sind, völlig ab, sondern verbleibt in ihren Anschauungen im ewigen Gleichklang der alten Zeit«. (Antweiler, 18. 2. 1936) Damit ist vor allem die Verbundenheit mit der katholischen Kirche und ihren Vereinen gemeint.
Von der gesamten Bevölkerung stürmisch begrüßt wurde der Einmarsch der deutschen Truppen am 7. 3. 1936 in das entmilitarisierte Rheinland. »Diese große geschichtliche Tat wirkt seelisch erlösend auf alle Volksgenossen. da damit der Weg frei für eine gesunde Entwicklung der Westmark, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, geebnet wird«. (Remagen, 18. 3. 1936).
Im gleichen Jahr schlagen ebenfalls die Olympischen Spiele in Berlin weite Kreise der Bevölkerung in ihren Bann. Zwei Jahre später sind die Eingliederung Österreichs ins Deutsche Reich und die Zerschlagung der Tschechoslowakei die bewegenden Themen.
Vereinzelt kommen im Umfeld dieser Ereignisse Kriegsgerüchte auf, die aber bald wieder verstummen. Für die Mehrheit der Bevölkerung galt laut Stimmungsberichten: „Das Vertrauen auf den Führer nimmt alle Unruhe fort«. (Nie-derzissen. 18. 9. 1938).
An anderer Stelle heißt es dazu: »Politisch gesehen, vertraut die Bevölkerung vollkommen der zielbewußten Führung unseres Führers.« (Ahrweiler, 27, 9. 1938).
Anlaß zu steten Klagen gaben Preissteigerungen. Versorgungsengpässe bei verschiedenen Lebensmitteln wie Fetten. Ölen, Fleisch und Frischgemüse und die häufigen Sammlungen fürs Winterhilfswerk (WHW). Die von vielen als zu hoch eingeschätzten Beamtengehälter auf der einen Seite und die niedrigen Löhne und die noch immer bestehende Arbeitslosigkeit auf der anderen führten ebenfalls zu Verärgerungen.
Bis zur Jahresmitte 1938 ist aber die Arbeitslosigkeit auch im strukturschwachen Kreis Ahrweiler aufgrund der Arbeitsdienstpflicht, der allgemeinen Wehrpflicht und durch die Inbetriebnahme stillgelegter Fabriken – im April/Mai 1938 nahm die Rhein-Ahr-Glasfabrik wieder die Produktion auf- weitgehend beseitigt (Sin-zig, 21. 4. und 20. 5. 1938).
Der ländlichen Struktur des Kreises entsprechend nehmen Meldungen über das Klima, die jeweilige Witterung und deren Einfluß auf die Ernte sowie Sorgen und Klagen der Landwirte einen breiten Raum ein,
Da von der überwiegend katholischen Bevölkerung im Kreis auf alle Maßnahmen, von denen die katholische Kirche betroffen war, direkt reagiert wurde, schenkte man der »Kirchenfrage« auch in den Berichten besondere Aufmerksamkeit.
So erfahren wir, daß die reißerischen NS-Pres-seberichte über die Sittlichkeitsprozesse in Koblenz gegen Ordensbrüder der Franziskaner in der Öffentlichkeit keine günstige Aufnahme fanden (Sinzig, 19. 6. 1936)
Argwöhnisch wurde von der NSDAP die zunehmende oppositionelle Haltung zahlreicher Geistlicher und praktizierender Katholiken beobachtet. Im Bericht aus Sinzig vom 20. Oktober 1936 wird gemeldet:»Eine stille Opposition seitens verschiedener Ortspfarrer kann wohl nicht mehr in Abrede gestellt werden«.
Als dann 1937 bei Fronleichnamsprozessionen nicht mehr geflaggt werden durfte, und u. a. der Feuerwehr eine Teilnahme in Uniform verboten wurde, führte dies z. B. in Niederzissen zu großer Mißstimmung, so daß der dortige Berichterstatter am 18. Juni meldete: „Vielfach hatte man Mühe die Leute bei der Stange zu halten«.
Auf erheblichen Widerstand stieß Mitte 1937 die geplante Einführung der Gemeinschaftsschule und die Herausnahme des Religionsunterrichts aus der Schule. »Die Stimmung bei der Landbevölkerung steht auf Sturm, da man offen davon spricht, daß der Religionsunterricht in Zukunft fortfallen wird. Das Thema Gemeinschaftsschule wird vom kath. Klerus weidlich ausgenutzt, um gegen das dritte Reich zu ar-
beiten. Da s. Zt. angesetzte Versammlungen bewußt gemieden wurden, muß evtl. mit anderen Mitteln (Presse) versucht werden, die Bevölkerung über Sinn und Zweck der Gem. Schule richtig und wahrheitsgetreu aufzuklären.« (Kreuzberg, 19. 8. 1937)
Im letzten noch erhaltenen Bericht aus Ringen vom 21. Oktober 1938 bemerkt der dortige Ortsgruppenleiter: »Die Kirchenfrage ist die schwierigste auf der Grafschaft.«
Zu diesem Zeitpunkt wurde die »Judenfrage« im gleichen Amtsbezirk bereits als erledigt angesehen. Bereits ein Jahr zuvor war am 20. November 1937 von dort die Meldung gekommen: »Judenfrage. Sie kommt praktisch nicht mehr in Frage, da den Juden in der hiesigen Gegend die Geschäfte geschlossen wurden und es auch kaum ein Bauer mehr wagt ein Geschäft mit Juden einzugehen. Außer dem Pferdehandel kommt überhaupt kein Jude mehr infrage.«
Tätigkeitsberichte des Kreisleiters
Den monatlichen Tätigkeitsberichten des Kreisleiters Dr. Simmer von November 1934 -Februar 1938 ist jeweils ein persönlicher Tätigkeitsbericht vorangestellt. Der S, 44 wiedergegebene Terminplan für den Monat Dezember 1936 vermittelt einen Eindruck von den politischen Aktivitäten des Kreisleiters.
Abgefaßt wurde dieser Bericht für die Organisationsleitung bei der Gauleitung in Koblenz. Den Ausführungen des Kreisleiters lagen, neben eigenen Beobachtungen und Erfahrungen, alle Meldungen zugrunde, die in der Kreisleitung zusammenliefen. Der Bericht selbst wurde nach einem 42-Punkte-Plan erstellt, der zur Orientierung diente, jedoch nicht jeden Monat Punkt für Punkt berücksichtigt werden mußte. Der »Plan für die Ausarbeitung der monatlichen Tätigkeits- und Stimmungsberichte« umfaßte folgende Punkte:1. Organisationsfrage/2. Politische Leiter/3. Parteigenossen (allgemein)/ 4. SA. / 5. SS. / 6. HJ. / 7. B. d. M./ 8. Frauenschaft / 9. Arbeitsdienst / 10. Stimmung der Volksgenossen im Verhältnis zur Partei. (Tätigkeit der Beratungsstellen, Gerüchte usw.) / 11. Stimmung der Volksgenossen im Verhältnis zum Staat (Behörden, Gesetze, Gerüchte) / 12. Schulung in der Partei / 13. Schul fragen (Lehrer und Jugend, Erziehung usw.) / 14. Hochschulfragen (Studentenschaft. NSDSTB., Lehrer usw.)/15. Propaganda (Rundfunk, Film, Versammlungen. Flugschriften) /16. Presse / 17. Kulturelle Fragen / 18. Arbeitsfront (NS-Gemeinschaft KdF.) / 19. Arbeiterfragen (Lohn, Arbeitsrecht usw.)/20. Volkswohlfahrt und Volksgesundheil (N S V, Rentnerfragen. Sozialversicherung, Wohnungsfragen, Sonstiges) / 21. Heichsauto-bahnen/22. Winterhilfswerk / 23. Mittelstandsfrage / 24. Kommunalpolitik / 25. Kriegsopfer / 26. Staat und Partei (Verhältnis von Trägem des Staates zur Partei) / 27. Beamtenfrage / 28. Luftfahrt / 29. Polizei / 30. Reichswehr/31. Wirtschaftsfrage / 32. Agrarpolitische Frage (Verhältnis Reichsnährstand zur Partei, organisatorisch und weltanschaulich, wirtschaftliche Fragen, Getreidewirtschaft. Marktregeln usw., Bauern- und Landarbeiterfragen, Siedlung, Sonstiges) / 33. Kirchliche Fragen (Evangelische Kirche, Katholische Kirche, Sonstige Richtungen) / 34. Illegale Tätigkeit (Allgemein, Emigranten usw.) / 35. Marxismus / 36. Schwarze Front / 37. Tannenbergbund / 38. Monarchistische Bestrebungen (Deutschnationale und reaktionäre Umtriebe) / 39. NSDAFB/ 40. Judentum/41. Freimaurer/42. Besondere Ereignisse, Vorkommnisse. Sonstiges, Verschiedenes.
Um einen Eindruck zu vermitteln, wie aus der Sicht des Kreisleiters die Lage und Stimmung während eines Monats in der NS-Zeit beurteilt wurde, soll nachfolgend ein Monatsbericht mittlerer Länge herausgegriffen und in seinen wesentlichen Punkten vorgestellt werden.
Bericht des Kreisleiters für Oktober 1937
Im Monat Oktober 1937 wurden im Kreis Ahr-weiler Vorbereitungen für das Winterhilfswerk und die Gaukulturwoche getroffen. In Oberwinter wurde das Parteiheim der NSDAP-Ortsgruppe eingeweiht.
Für die Aufnahme in die NSDAP gab es in diesem Monat 900 Anwärter, die sich bereits als Blockhelfer und sonstige Funktionsträger in der NSDAP und deren Gliederungen betätigt hatten. Trotz gestiegener Mitgliedszahlen innerhalb der NSDAP fehlten in verschiedenen Ortsgruppen dennoch geeignete politische Leiter.
Von der Hitlerjugend im Kreis Ahrweiler wurde berichtet, daß sie durch einen neuen Bannführer einen wesentlichen Aufschwung verzeichnen konnte. »Die Arbeit innerhalb der HJ ist viel lebendiger und aktiver geworden, man möchte fast sagen, so gut, wie sie bisher noch nie war.« Ebenfalls wurde beim Bund deutscher Mädel (BdM) eine Steigerung verzeichnet. Zu bemängeln war aber dort, „daß die Führerinnen innerhalb des BdM zu viel zu Kursen und dergl. herausgeholt werden und dadurch notwendig die Bindung mit den Unterführerinnen verlieren müssen.«
Das Vertrauen der »Volksgenossen zur Parteidienststelle« war nach Meinung des Kreisleiters ebenso wie in den Vormonaten noch gestiegen.
Diese Entwicklung wurde auf die Arbeit des Parteigerichts zurückgeführt, durch das »Elemente, die ihrem ganzen Wesen nach nicht würdig sind, Pg. zu sein, immer mehr und mehr aus der Partei ausgeschlossen werden.«
Zu den Propagandaveranstaltungen im Oktober 1937 gehörte u. a. der Gemeinschaftsempfang der »Führerrede« vom Bückeberg anläßlich des Erntedankfestes.
Auf 14 Großveranstaltungen wurde im Kreis das Erntedankfest gefeiert. Zusätzlich fanden noch 24 Mitgliederversammlungen der NSDAP statt. Insgesamt sprachen auf allen Veranstaltungen 8 Kreisredner, 2 Gauredner und 1 Reichsredner. Aus taktischen Erwägungen wurden Schulungen der Deutschen Arbeitsfront (DAF) zusammen mit der NSDAP durchgeführt, um das Verständnis der politischen Leiter der NSDAP für die Belange der DAF zu erweitern und gleichzeitig den Funktionsträgern der Deutschen Arbeitsfront das »Wesen des Nationalsozialismus« näher zu bringen. Das Ergebnis der Straßensammlung für die DAF übertraf das vom Vorjahr. Was die Gebefreudigkeit anbetraf, so stellte man fest, »daß wieder die schaffenden Menschen in den Betrieben die weitaus größte Opferbereitschaft zeigten, die Behördendienststellen dagegen verhältnismäßig noch schlecht waren, obwohl sie sich gegen das Vorjahr wesentlich gebessert haben.«
Von den Vorbereitungen für das Winterhilfs-werk wurde besonders die Einkochaktion der NS-Frauenschaft gelobt. In diesem Zusammenhang fand auch ein Vorfall bei der »Pfundspende« – einer Lebensmittelsammlung für das WHW – Erwähnung.
Dieser Fall verdeutlicht das Vorgehen bei der Verfolgung von sog. »Volksschädlingen«; denn es ist davon auszugehen, daß es sich hier um eine geplante Aktion gegen den »Spender« handelte. Der Kreisleiter berichtete folgendes darüber: »In Bad Neuenahr hat ein Volksgenosse, der sehr wohlhabend ist, ein Pfund faule Erbsen gespendet. Einige Tage darauf hatten sich über 200 erregte Volksgenossen vor dem Haus desselben angesammelt, um ihn für seine Gemeinheit zur Rechenschaft zu ziehen. Fortgesetzt wurden erregte Rufe laut und Steine flogen in die Fenster dieses Volksschädlings. Es dürfte dies eine Warnung sein für alle diejenigen, die noch eine ähnliche Haltung ihr eigen nennen. Zu bemerken ist, daß der Erbsenspender ein Mensch ist, der ganz strenge klerikale (katholische) Bindungen hat«.
Das »Verhältnis von Trägern des Staates zur Partei« wurde zu diesem Zeitpunkt als durchweg positiv eingestuft. Von den Vertretern des »Reichsnährstandes«, den Ortsbauernführern, konnte dies jedoch nicht gerade behauptet werden, denn die »weltanschauliche Einstellung des Reichsnährstandes in den Ortschaften« ließ nach Beurteilung des Kreisleiters zu wünschen übrig. Während sich die Ortsbauernführer nämlich weiterhin in der Kirche engagierten, hielten sie sich bei NS-Veranstaltungen abseits. »So ist es häufig vorgekommen, daß Bauernführer in der Prozession und dergleichen die Fahne vornweg tragen, aber am Erntedankfest sich nicht beteiligen. Es muß unbedingt von Seiten des Reichsnährstandes wesentlich stärker auf die weltanschauliche Einstellung der Bauernführer gesehen werden.« Innerhalb der Katholischen Kirche wurde aufgrund der Überwachung der Priester und Ka-pläne zwar ganz allgemein eine ablehnende Haltung gegenüber der »Bewegung« festgestellt, jedoch differenzierte man die Intensität der »hetzerischen Tätigkeit« – so der NS-Jargon.
In der Meldung heißt es: »Wenn auch der eine oder andere seine hetzerische Tätigkeit etwas hintenan gestellt hat, so treten wiederum andere um so stärker auf. Einer der aktivsten ist der Kaplan Schulte in Ahrweiler, der es vor 14 Tagen wagte, zu behaupten, die größte Gefahr für die deutsche Jugend sei der Arbeitsdienst und die Wehrmacht«. Den Abschluß des Oktoberberichts 1937 bilden Ausführungen zum »Judentum«, in denen dargetan wird, daß von den 20 im Kreis zugelassenen jüdischen Viehhändlern fünf die Handelserlaubnis entzogen wurde. Den drei noch verbliebenen jüdischen Metzgern hatte man die Fleischzuteilung so drastisch gekürzt, „daß sie nur noch auf dem Papier mit ihrem Geschäft stehen“. Dennoch unterhielten zum Ärger der Kreisleitung weiterhin verschiedene Bauern Geschäftsbeziehungen mit Juden. Laut Bericht »sind dies immer dieselben, aber ihre Zahl wird von Monat zu Monat geringer.«
Anmerkungen:
- vgl.: Boberach. Heinz (Hrsg.;: Meldungen aus dem Reich, Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 193S – 1945 Band 1. Berlin 1984. Vorwort S. 5 und Einführung S, 11 – 40
- ebda S. f
- Die nachfolgenden Ausführungen stutzen sich auf die im Kreisarchiv Ahrweiler archivierten Berichte. Alle Angaben und Zitate stammen aus diesen.