Streuobstwiesen – Glanzlichter der Kulturlandschaft
Streuobstwiesen – Glanzlichter der Kulturlandschaft
Dr. Bruno P. Kremer
Wälder sind mit ihren hochreichenden Baumkronen derjenige Lebensraum, der wohl am wirksamsten die dritte Dimension einbezieht und durchstrukturiert. Eine Mäh- und Futterwiese langt mit ihren Blühstauden meist nur knapp über die Ein-Meter-Marke hinaus. Die Baumoder Obstwiese erscheint dagegen fast wie eine Mischung aus beidem: Sie bietet in der Tiefe und in der Höhe ein reich gestaffeltes Gefüge. welches offensichtlich vielerlei ökologische Ansprüche zufriedenstellen kann. In der traditionellen Kulturlandschaft des Rheinlandes grenzt die beackerte Feldflur meist nicht bis unmittelbar an die Dörfer. Gerade in den unteren Mittelgebirgslagen beispielsweise der Eifel umgab sich die eigentliche dörfliche Siedlung zunächst einmal mit einem breiteren Kranz von bunten Bauerngärten, von denen jeder für sich bereits ein Muster an Vielfalt auf kleinstem Raum darstellt. An diesen Gürtel der Gemüse-, Gewürz-, Arznei- und Blumengärten in enger Nachbarschaft zu Haus und Hof schloß sich vielerorts ein breites Band von Obstgärten an. In einigen Ortschaften der rheinseitigen Eifel ist bis heute ein weitgehend geschlossener Kreis mit Obstbaumbeständen erhalten. Auch im Landkreis Ahrweiler gibt es stellenweise bemerkenswerte Streuobstbestände. Geradezu beispielhaft in Ausdehnung und Landschaftswirksamkeit sind sie etwa im mittleren Vinxtbachtal im Bereich der Ortschaft Waldorf. Hier haben private Grundstüchseigentümer zudem in den letzten Jahren über tausend neue hochstämmige Obstbäume gepflanzt, wobei die Bäume im Rahmen der Flurbereinigung durch das Kulturamt beschafft worden sind. Die letzte Pflanzaktion fand im Herbst 1992 statt. Die Gemeinde Waldorf ist zudem selbst im Bereich „Walpurgis“ im Besitz einer großen Streuobstwiese.
Bedrohte Biotope
Weil Obstbäume bei etwas vordergründiger Bewertung viel nützlicher erscheinen als wegsäumende Feld- und Flurgehölze, bleiben die Baumwiesen selbst in der modernen Agrarlandschaft relativ lange erhalten. Erst vor rund zwei Jahrzehnten hat man die alten Obstbaum-Grüngürtel um die Dörfer, die bis dahin zum typischen Erscheinungsbild vor allem der Mittelgebirgs-dörfer gehörten, zunehmend und gleich sehr beträchtlich gelichtet: Fast eine Million Obstbäume wurden allein in der (alten) Bundesrepublik mit ausdrücklicher Unterstützung durch EG-Subventionen regelrecht gerodet, um das angeblich in zu großer Menge anfallende und als minderwertig eingestufte Obst aus dem Markt zu halten. Viele andere dorfnahe Obstwiesen verschwanden dagegen erst in jüngerer Zeit durch Nutzungsaufgabe, Flurbereinigung, Umwandlung in Kleingartengelände oder Ausweisung zum Neubaugebiet. Kurz: Die schönen, alten Obstwiesen gelten heute bereits als gefährdeter, aber unbedingt schützenswerter Lebensraumtyp.
Obstbau als Sonderkultur ist im Rheinland natürlich immer noch ein Thema. Die modernen Niederstammdichtpflanzungen in geschlossenen, geradlinigen Zeilen und Blöcken, wie man sie beispielsweise in der Gemeinde Grafschaft oder weiter nördlich im Meckenheim-Rheinbacher Bördenland sehen kann, haben mit der traditionellen Obstwiese allerdings keine Ähnlichkeit und dürfen auch in ökologischer Hinsicht nicht als deren Ersatz verstanden werden. Im Gegensatz zum früheren Obstbau, wie er damals um die Mitte des vorigen Jahrhunderts auf größerer Fläche praktiziert wurde, verwendet man heute fast ausschließlich schwach-wüchsige Veredelungsunterlagen, die nicht einmal eine nur mittelmäßig entwickelte Krone tragen können. Dertraditionelle Obstbau bevorzugte dagegen hochstämmige, großkronige Gehölze von mindestens 160 Zentimeter Stammhöhe, für welche die Bezeichnung Baum auch tatsächlich zutrifft. Solche Obstbäume wurden zwar ebenfalls in Gruppen oder Reihen mit größerem Abstand untereinander gepflanzt, oft aber nur recht locker über das Kulturland (meist eine Futter- oder Weidewiese) verteilt und umfaßten bunt gemischte Hochstämme verschiedener Obstarten und Obstsorten, dazu auch Bäume unterschiedlicher Alters- und Größenklassen. Die Bezeichnung „Streuobstwiese“ für Bestände dieser Obstgehölze erklärt sich also daher, daß ihre unregelmäßige Anordnung und Zusammensetzung den Eindruck erweckt, als seien sie mehr oder weniger zufällig über das Kulturland verstreut worden.
Jeder einzelne Hochstammbaum dieser über die Dort- oder Hofumgebung gestreuten und daher als Streuobstpflanzungen bezeichneten Anlagen konnte sich als Individuum entwickeln – mit arttypischer, großer, rundlicher und vor allem markanter Krone. Als solcher war er draußen auch als landschaftlicher Blickpunkt unverkennbar. Gerade das dorfnahe Umland erhielt durch seine dichten Obstbaumgruppen einige auch in landschaftsästhetischer Hinsicht bemerkenswerte Züge – abwechslungsreich in der Gestaltung, wohltuend in der durchgliedernden Gesamtwirkung und zu allen Jahreszeiten in einem anderen farblichen Gewände.
Im Rheinland pflanzte man Obstbäume vor allem in Hanglagen, fallweise auch entlang von Äckern und Flurwegen oder auf die Ackerflächen selbst. Weil die Geländeeigenschaften und der Bewuchs mit Bäumen die ackerbauliche Nutzung bestimmter Parzellen erschwerte, stellte man die baumbestandenen Flächen allmählich immer mehr auf die Grünlandnutzung (Viehweide und/oder Futterwiese) um, zumal die Milchviehhaltung wirtschaftlich immer interessanter zu werden begann. Unter dem Druck moderner Produktionsverfahren und der Konkurrenz ausländischer (im Fall des Tafelobstes sogar überseeischer) Angebote wurde der traditionelle Streuobstbau wirtschaftlich schließlich völlig unergiebig. Etwa ab Mitte der fünfziger Jahre setzten sich daher in den größeren Obstbaugebieten überall dort die leichter zu handhabenden Niederstamm-Dichtpflanzungen durch, wo Boden und Relief eine Intensivnutzung ermöglichten. In Gebieten mit ausgedehnten Hanglagen, die man mit vertretbarem Aufwand keiner anderen Nutzung zuführen konnte, blieben die alten Streuobstbestände jedoch erhalten.
Der Unterschied einer obstbaumdurchsetzten Kulturlandschaft zur öden Einheitlichkeit landbaulicher Intensivkulturen könnte gar nicht größer sein. Die wechselnden Akzente vom ersten Ergrünen über die spektakuläre Baumblüte im Frühjahr oder das sommerliche Schattengrün bis hin zum herbstlichen Fruchtschmuck lassen die Jahreszeiten naturnäher und vor allem viel unmittelbarer miterleben. Unterstützt werden diese ansprechenden Wirkungen durch die laufenden Aspektwechsel in den Wiesen unter den Bäumen mit ihren Blühwellen vom Frühjahr bis zum letzten Schnitt im Herbst. Wo immer man die genauere Betrachtung oder Bewertung ansetzt – Streuobstbestände weisen in ökologischer Hinsicht gegenüber einer Obstplantage mit ihren heftig begifteten Niederstammkulturen zahlreiche entscheidende Vorzüge auf. Nur Gruppen von Hochstamm-Obstbäumen schützen nämlich Höfe und Dörfer ähnlich wie andere Flurgehölze vor Wind und Wetter oder binden Gebäudegruppen optisch vorteilhaft in die Landschaft ein. Hochstamm-Obstbäume erweisen sich im Sommerais ausgesprochen willkommene und sehr wirksame Schattenspender für Mensch und Weidetiere; sie erlauben zudem sehr lange Produktionszeiten (meist mehr als 50 Jahre) und bieten (im Unterschied zu den Niederstämmen) eine ungleich größere Sortenvielfalt. Schließlich verringern sie dadurch gegenüber der flächendeckenden Monokultur gleichzeitig auch das Risiko von Schädlingsbefall. Nachteilig sind sie allerdings nur beim Anlegen sehr harter wirtschaftlicher Maßstäbe: Eine Niederstammpflanzung liefert bei hoher Ertragsbildung auf kleinerer Fläche viel früher marktfähiges Obst, ist insgesamt auch ertragssicherer, läßt integrierten Pflanzenschutz und alle weiteren fälligen Pflegearbeiten einfacher durchführen.
Jeder Baum ein Lebensraum
Die Stockwerkfolge einer Obstwiese vom Wurzelhorizont der Gräser und Krauter über die verschiedenen Teilbereiche der Bäume mit Rinden, Ästen, Zweigen, Knospen, Blättern, Blüten und Früchten bis hinauf in die Kronenspitzen der Kern- und Steinobstgehölze bietet erwartungsgemäß vielerlei Unterschlupfmöglichkeiten und kommt somit den unterschiedlichen Biotopansprüchen der Lebewesen erwartungsgemäß sehr entgegen. In einer etablierten Streuobstwiese wird man daher immer mit einer überraschenden Fülle tierischer Bewohner und Besucher rechnen können. Eine vollständige Auflistung aller Arten, die diesen kulturlandschaftlichen Lebensraumtyp aufsuchen oder besiedeln, würde mit Sicherheit einige Seiten des Jahrbuches füllen. Um dennoch ein erstes Bild der überraschenden und unter naturschützerischem Aspekt so sympathischen Reichhaltigkeit zu gewinnen, sollen hier aus einer rund 3000 verschiedene Arten umfassende Faunenliste nur wenige Einzelformen oder Gruppen benannt werden, die irgendwo im Boden, im Unterwuchs, an den von Flechten und Moosen bewachsenen Stämmen, auf Ästen und Zweigen, im Totholz oder in zurückgefaulten Baumhöhlen, auf den Blättern und natürlich überall im Zweiggewirr des Kronenraumes eine artspezifisch zusagende ökologische Nische gefunden und besetzt haben.
Nist- und Nahrungsfunktion eines Hochstamm-Obstbaums in der Kulturlandschaft: 1 Freibrüter Boden (Baumpieper), 2 Nischenbrüter (Gartenrotschwanz), 3 Höhlenbrüter Stammbereich (Grünspecht), 4 Höhlenbrüter Astbereich (Blaumeise), 5 Freibrüter auf starkem Ast (Singdrossel), 6 Freibrüter auf schwächerem Ast (Girlitz), 7 Freibrüter im äußerem Kronenraum (Buchfink); a Insektennahrung am Boden (Amsel), b Krautsamen (Distelfink), c Insekten in der Rinde (Baumläufer), d Insekten am Blattwerk (Zilpzalp), e Raupen am Blattwerk (Kohlmeise), f Insekten im Luftraum (Mehlschwalbe, Fledermäuse).
Die Schmetterlinge sind hier mit Dutzenden Arten von Tag- und Nachtfaltern vertreten, beispielsweise mit Flechteneule, Flechtenrindenspanner, Winkelspanner, Schlehenspinner, Ringelspinner:-‚Apfelbaumglasflügler, Pflaumenglucke, Blausieb, Apfelblattmotte, Abendpfauenauge, Schlehenzipfelfalter oder Forstspanner. Die Raupe des Baumweißlings, eines fast schon ausgestorbenen Tagfalters, lebt besonders gern an Kirsch- oder Pflaumenbäumen -ganz im Gegensatz zu den meisten ihrer Verwandten, die sich überwiegend auf Kreuzblütengewächse spezialisiert haben. Auch der Große Fuchs aus der Familie Edelfalter entwickelt seine Nachkommenschaft gern an Obstgehölzen. Früher galt er einmal als Schädling von Obstkulturen. Heute gehört er zu den am meisten gefährdeten Arten der heimischen Falterfauna. Dieses Schicksal teilt er mit dem hübschen Nierenfleck, der Pappelglucke und vielen anderen potentiellen, gelegentlichen oder regelmäßigen Besiedlern der Streubobstbestän-de. Die Käfer sind ebenfalls sehr bunt und artenreich in diesem besonderen Lebensraum vertreten. Sie zeigen sich beispielsweise mit Pflaumenbock, Purpurbock, Junikäfer, Zierbock, Grünrüßler, Widderbock, Augenfleckbock, Wespenbock, Holzbohrer, Birnbaumprachtkäfer, Apfelblütenstecher, Birnenknospenstecher, Marienkäfer, Puppenräuber und einer ganzen Garnison leuchtend bunter, metallisch schillernder oder auch nur einfach gemusterten Blatthorn-und Rüsselkäfer. In alten Obstbäumen richten sich auch sehr gerne Hornissen ein – sie sind weit weniger aggressiv und gefährlich, als ihr schlechter Ruf völlig zu Unrecht immer wieder betont.
Leben vom Überfluß
Schon bei den verschiedenen Insektengruppen der Streuobstwiese sind sehr unterschiedliche Ernährungstypen vertreten: Es gibt natürlich Pflanzenfresser, die Blattwerk, Holz, Rinde oder sogar die Wurzeln der Bäume benagen, aber auch räuberische Arten, die wiederum die Legion der Pflanzenfresser kontrollieren und deren Bestände in Grenzen halten. Oft ernähren sich die Larvenstadien und die erwachsenen Insekten der gleichen Art völlig unterschiedlich. Die Raupen der Schmetterlinge bevorzugen erwiesenermaßen Grünzeug, während sich die Falter nur noch auf den Blüten befinden. Bienen und Hummeln leben dagegen während sämtlicher Entwicklungsstadien von Blütenprodukten. Nur Wespen und Hornissen sind überwiegend geschickte Jäger, die andere Insekten überfallen und verzehren. Auch ihre Larven erhalten bereits tierische Kost. Dies schließt jedoch nicht aus, daß sie als erwachsene und flugfähige Tiere zumindest zeitweise auch einmal Süßspeisen annehmen und sich dazu über gärendes Fallobst hermachen. Zahlreiche Kleintierarten kommen somit in der Streuobstwiese auf ihre Kosten. Von der Raubmilbe bis zum Flechtling, von der Schwebfliege bis zum Zweigstecher, vom Weberknecht bis zur Apfelbaumgespinstmotte ist die Obstwiese eine ungemein vielgliedrige Lebensgemeinschaft von Konsumenten unterschiedlichster Art, deren komplexe Beziehungsgefüge mitunter nur schwer zu durchschauen sind. Wenn der Mensch mit der Giftspritze anrückt und gewaltsam in das vielteilige Netz der Abhängigkeiten eingreift, gibt es regelmäßig schwere Störungen, in deren Folge ganze Lebensgemeinschaften zusammenbrechen. Paradoxerweise eröffnen solche Eingriffe unbeabsichtigt, aber unausweichlich einzelnen Schädlingsarten optimale Besiedlungsmöglichkeiten.
Neben den sogenannten Niederen Tieren, den scharenweise und artenreich auftretenden Würmern, Schnecken, Spinnen, Asseln, Milben oder Insekten, kommen in einer extensiv genutzten Obstwiese selbstverständlich auch die Wirbeltiere zu ihrem Recht, darunter vor allem die Vögel. Die Arteninventare größerer dorfferner Streuobstwiesen weisen gelegentliche Besu-cherwie Rebhuhn, Fasan, Ringeltaube, Rabenkrähe, Sperber oder Bussard auf, aber ebenso auch eine ganze Anzahl ortstreuer Brutvögel:
Etliche Meisen-Arten, dazu auch Kleiber, Gar-tenbaumläufer, Gartenrotschwanz oder Grauschnäpper richten in ausgefaulten Astlöchern oder anderen Baumhöhlen ihre Niststätten ein, soweit sie nicht leerstehende Spechtwohnungen übernehmen. Frei im Geäst befinden sich die Nester von Buchfink, Grünling, Gelbspötter, Stieglitz oder Schwanzmeise. Sehr nahe am Boden, geschützt zwischen zwischen Hochstauden, Gestrüpp oder Grashorsten, brüten Rotkehlchen. Alle diese Singvogelarten, die auch in Waldorf als Brutvögel vorkommen, sind eifrige Insektenfresser und helfen durch ihren enormen Nahrungsbedarf, die komplexen Lebensgemeinschaften in der Balance zu halten, weil sie Befallswellen einzelner Schadarten unterdrücken. Nicht zu verkennen sind auch die in alten Obstbäumen nistenden oder schlafenden Steinkäuze, die in den Abend- und Nachtstunden eifrig auf Mäusejagd gehen.
Was wäre eine richtige Streuobstwiese ohne ihre Kleinsäuger. Nicht nur Eichhörnchen und Igel, Iltis, Hermelin und Steinmarder finden sich hier ein. Auch eine Reihe anderer und zum Teil schon ziemlich selten gewordener Tiere betrachten die Streuobstwiese als ideales Revier für ihre überwiegend nächtlichen Aktivitäten:
Garten- und Feldspitzmaus, Zwergfledermaus und Rauhhaut-Fledermaus, Abendsegler und Bechstein-Fledermaus, sind auf diesen Lebensraum mit seinem ausgeprägten Insektenreichtum besonders angewiesen. Gartenschläfer, Siebenschläfer und Haselmäuse vertreten dagegen die Gemischtköstler, die sich während des Sommers von allen möglichen Kleintieren ernähren und erst gegen Herbst auch an der Fruchternte des Ostgartens teilhaben.
Paradies aus zweiter Hand
Schon immer haben die Landschaftsökologen betont, daß Streuobstwiesen zu den wenigen vom Menschen geschaffenen Lebensräumen gehören, die den bedrohlichen Artenrückgang in der intensiv bewirtschafteten Agrarsteppe nach Kräften entgegenwirken können. Eine Wiese mit extensiv genutztem Baumbestand ist sozusagen eine ökologische Insel, ein wichtiger Trittstein im Gefüge der wenigen verbliebenen, naturnahen Landschaftsbestandteile, in denen sich folgerichtig auch manche seltene, gefährdete oder gar bestandsbedrohte Rote-Listen-Art einfindet. Sie ist aber nicht nur Lebensraum, sondern stabilisiert die Kulturlandschaft gerade in den Hanglagen, weil sie dem fast immer drohenden Materialverlust durch erosiven Bodenabtrag entgegenwirkt und damit auch die unerwünschte Verlagerung von Nährstoffen unterbindet. Weil der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und anderer harter Agrikulturchemie unnötig ist, werden in ausgedehnten Streuobstbe-“ ständen auch die Böden und Gewässer nicht belastet.
Bedauerlicherweise ist der aktuelle Bestand an sympathischen alten Streuobstwiesen im Rheinland ebenso wie in vielen anderen Teilregionen der Bundesrepublik stark rückläufig; nur vereinzelt wurden in den ländlichen Gemeinden (darunter auch in Wachtberg) gezielte Streuobstwiesenkartierungen speziell unter landschafts-pflegerischem Aspekt durchgeführt. Wenn die schönen Obstwiesen auch weiterhin ortsbildprägend sein sollen, ist es dringend erforderlich, mit neuen Generationen von Streuobstpflanzungen den Bestand überalteter, weitgehend abgängiger oder schon vor geraumer Zeit unnötig abgeholzter Anlagen aufzustocken. Zu einer ökologisch besonders wirksamen Streuobstpflanzung gehören nicht nur die traditionellen und landschaftstypischen Sorten von Kern- oder Steinobstarten, sondern zur ökologischen Abrundung auch noch das eine oder andere Wildobstgehölz. Neben dem als Obstlieferant früher sehr beliebten Schwarzen Holunder (auch in Kultursorten) wären hier beispielsweise die Vogelbeere oder der nahe verwandte Speierling zu nennen, dessen Früchte man früher auch im Ahrtal sehr gerne bei der Mostbereitung mitverwendete.
Handeln statt Abwarten
Der beträchtliche ökologische Wert von Streuobstwiesen für das Landschaftsbild, als viel-gliedriger Lebensraum und auch für die Erhaltung traditioneller Obstsorten liegt also auf der Hand. Daher wurde in Rheinland-Pfalz ein besonderes Biotopsicherungsprogramm Streuobstwiesen mit aufwendigen ökologischen Begleituntersuchungen aufgelegt, das der Richtlinienoptimierung dienen soll. Inwieweit diese behördliche Vorgabe bereits Erfolge vor Ort zeigen kann, läßt sich im Augenblick noch nicht bewerten. Hervorhebenswert ist, daß Streuobstwiesenbestände auch Bestandteil des Vorhabens Planung vernetzter Biotopsysteme ist, wie die 1994 eigens für den Landkreis Ahrweiler herausgegebene Dokumentation betont. Im benachbarten Nordrhein-Westfalen wurde seit 1988 ein Landesprogramm zur Erhaltung und Wiederbegründung der Streuobstwiesen organisiert, dessen Fördermittel Besitzer und Pächter von Streuobstwiesen anregen sollen, die oft längst aufgegebene Pflege der alten Obstbäume erneut aufzunehmen, junge Hochstämme nachzupflanzen und das Grünland unter den Bäumen extensiv zu bewirtschafterr: In Rheinland-Pfalz. Aus verschiedenen Gründen haben solche Landesprogramme bisher nicht genügend gegriffen. Und um die Aufgaben vor Ort wirksamer und gezielter anzupacken, hat sich in der Grafschafter Nachbargemeinde Wachtberg kürzlich eigens ein Verein zur Pflege und Förderung der Streuobstwiesen gegründet. Zu den erklärten und bislang auch schon mit vorzeigbarem Erfolg durchgeführten Aktivitäten dieses Vereins, der sicherlich eine gewisse Vorbildfunktion hat, gehören die Ernte von Streuobst (mit Einverständnis der Flächenbesitzer bzw. Pächter), die Vermostung des Erntegutes sowie die Durchführung von Pflege- und Nachpflanzarbeiten. Wie man die Streuobstwiesenpflege betreibt, gehört zum Spezialwissen, das mit dem Verschwinden der Obstwiesen ebenfalls in Vergessenheit zu geraten droht. Die Vereinsmitglieder bilden sich in diesen Techniken fort und geben ihre Erfahrungen sehr gerne an Garten- oder Streuobstwiesenbesitzer weiter.
Sollte dieses Beispiel Schule machen, besteht immerhin die Hoffnung, daß die landschaftsprägend schönen Streuobstwiesen als bereichernde Elemente unserer Eifeler Kulturlandschaft auch im Umkreis des Ahrtals noch lange Bestand haben.
Streuobstwiesen mit Hochstammbepflanzung sind äußerst vielgliedrige und wertvolle Lebensräume. Anlage bei Waldorf (1995).
Literatur:
Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Begleituntersuchungen zum Biotopsicherungsprogramm „Streuobstwiesen- Beitr. Landespfl. Rheinland-Pfalz 15. 1-719 |1992] Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz (Hrsg.) Planung vernetzter Biotopsysteme Bereich Landkreis Ahrweiler Mainz 1994
Lorenzen, H.: Unser Dorigrun – gestern und heute Herford 1988 Mader. H. Die Tierwelt der Obstwiesen und intensiv bewirtschafteter Obstplantagen im quantitativen Vergleich, Natur und Landschaft 57. 371-386 (1982)
Nowak E., Zsivanovits K.P. Gestaltender Biotopscnutzfür gefährdete Tierarten und deren Gemeinschaften. Schriftenreihe für Landespflege und Naturschutz. Heft 28, Bonn-Bad Godesberg 1987 Reichhotf, J . Feld und Flur Ökologie des Kulturlandes. München 1989 Witt, R.. Rissler. A,: Natur in Not Stuttgart 1988