Spätsommernacht in Berlar
Content-Type: text/html
Spätsommernacht in Berlar
Wie feierlich durch letzte laue Lüfte
kommt Lima; Barke dort heraufgeschwommen!
Noch segnen uns des Sommers Abschiedsdüfte,
noch sind die Georginen nicht verglommen.
Vom Hügelreich der ernsten Todesgrüfte
ist alle Schwere schon hinweggenommen,
und aus vergeßnen Strahlenparadiesen
schwebt eine Brücke über sel’ge Wiesen.
Weit wogt ringsher das Land in tausend Bergen,
von dämmerhaften Hauchen überweht.
Ich fühle andachtsvoll den ew’gen Fergen,
der mich zu väterlichen Himmeln hebt.
Tief weiß ich auch von Eiben und von Zwergen,
vom Heer der Geister, das in allem lebt.
Es liegt die Welt geheimnisvoll gekrönt
von Lebenshauch, der göttlich sie durchtönt.
Der Wind rauscht anders ah zur Sonnenstunde,
des Waldes Harfen klingen anders drein.
Der Bergbach singt mit silberhellem Munde
sich selbst das Träumelied vom Mondenschein.
Jetzt macht das Einhorn seine Märchenrunde,
in Frommheit wandert es durch Feld und Hain.
Horch ? Ward ein Ton des Glöckleins hergeführt,
wer hat im kleinen Turm es angerührt?
Das liebe Dorf ruht schon in tiefem Schlummer,
nur hier und dort glänzt noch ein Fenster licht.
Auch um die Ställe weht der Stunde Schlummer,
drin Gottes Engel mit den Tieren spricht.
Er streift von jeglichem Geschöpf den Kummer,
wenn auch am Tag das Herz vor Gram schier bricht.
Was in der Helle uns gequält, verdrossen, —
o, nächtlich sind wir hoher Weh Genossen!
Es weben in dem Götterhaus der Sterne,
die alten, heil’gen Bilder wunderbar.
Die Höhen spenden ihre Gaben gerne,
nahst du als Priester dich dem Welt-Altar.
Zur Geistes-Nähe wird die. ew’ge Ferne,
erstrahlt Orions, Berenikens Haar.
Bist kein Verstoßner in dem hohen Kreise:
Des Geistes Ohr erlauscht Ur-Weltweise.
Früh suchte ich wie Fans! den Strom der Klarheit,
im eignen Selbst und in Natur das Licht,
des Menschenwesens ew’ge Götterwahrheit,
daraus der Sphären goldner Jubel bricht.
Zerbrochen ist schon manche Lebensnarrheit,
der Kühne wird sich selber zum Gericht,
Am Ende täuscht den Sucher kein Idol,
dort am Polarstern glänzt der Himmel Pol.
Schräg über mir schau ich den Himmelsdrachen,
gewalt’ger Kämpfe hoheitsvolles Zeichen;
doch bändigt Perseus vor ihm seinen Rachen,
dem Sternenschwerte muß der Grimme weichen.
Und wieder zieht voll Friede Isis Nachen
im Ätherstrorn aus ewigen Bereichen.
Smaragden fließt die Kuppel und azur,
in Farbenschönheit atmet Gott-Natur.
Im Allerinnersten bin ich erschlossen,
das Weltall selbst, es ivard zum Heiligtume.
Mild kommen sel’ge Blicke hergeßossen,
Gott spricht im Stein und spricht aus jeder Blume.
Und in den Nachtwind, weich um mich ergossen,
sprech. ich das „Vater unser“ ihm zum Ruhme.
Es lauscht kein Mensch, es lauschen viele Geister,
es lauscht zuhöchst der alte Weltenmeister.
Vom Berge steig ich still ins Dorf hernieder,
die heil’ge Weihestunde, ist vollbracht.
Mir ist das Herz, die Nacht ist voller Lieder,
zu höher’m Tage ist die Nacht erwacht.
Es rauscht um mich ätherisches Gefieder,
entriegelt schimmert aller Himmel Pracht.
Laßt nur den Kauz vom hohen Baum dort rufen,
er sehnt sich klagend nach der Gottheit Stufen.
E. K. Plachner
(Aus „Reisenotizen in Versen“‚:
Deutschland, Westf. Sauerland)