Schatzbewahrer eines Geistesgutes
Rheinische Traditionen
Wappenteller für Dr. Walther Ottendorff-Simrock
VON HARRY LERCH
Zu den Schatzbewahrern rheinischen Geistesgutes einst zu gehören, ist des jungen Studenten Walther Ottendorff-Simrock Traum gewesen. Früh schon, an den traditionsreichen Hochschulen Göttingen, München, Berlin und Bonn. Die Jurisprudenz hat er belegt wie die Nationalökonomie und promoviert gleich in beiden Fächern zum Dr. iur. und Dr. rer. pol. Staatsdienst und Verwaltung führen ihn zur Amtsverwaltung im Hunsrückort Sohren, schließlich wird er Bürgermeister von Oberwesel und Bad Neuenahr, später stellvertretender Kurdirektor von Bad Neuenahr.
Foto: Jürgen Schwartzer
Dr. Walther Ottendorff-Simrock, Bad Neuenahr
Das ist der Berufsweg eines jungen Juristen preußischer Karriere, doch sind mit der Göttin Pallas Athene für die Wissenschaften auch die Musen Paten dieses Lebens. Und das mit gutem Grund, denn die Herkunft aus der Gelehrten- und Verlegerfamilie Simrock hat ihn zu den rheinischen Geistesgütern früh geführt: im Elternhaus, im Studium, in den Veröffentlichungen der Jahrzehnte. Zu den Ahnen gehören der Germanist und Bonner Universitätsprofessor Karl Simrock und Nikolaus Sim-rock, der erste Verleger für den jungen Ludwig van Beethoven.
Die hochgetragene Heiterkeit eines Gelehrtenhauses, die Atmosphäre, die Bücher und vor allem die zahllosen in Seide geschnürten Bündel von Briefen hochgeistiger Frauen und Männer des neunzehnten Jahrhunderts: das ist schwereloses Gewicht einer rheinischen Geisteswelt.
Nun, Walther Ottendorff-Simrock hat mit diesem Pfunde gewuchert. Das offenbart sich in Veröffentlichungen dieser Titel: Das Haus Simrock (1954) — Die Stimme des Rheins (1956) —Johannes Brahms (1959) — Die Grimms und die Simrocks in Briefen (1966). Das vorwiegend editorische Werk enthält auch Legenden, Sagen vom Rhein sowie Bildbände der Stromlandschaft, der Ahr und der Eifel. Daneben aber auch ein Kurgast-Struwwelpeter und eine Biographie des Dichters Ernst Thrasolt, der einst in Heimersheim Kaplan gewesen ist.
Der Schriften- und Briefschatz „Die Grimms und die Simrocks in Briefen“ umschließt die Jahre 1830 bis 1864. Briefpartner sind Karl Simrock und „die großen Väter“, die Gebrüder Grimm — die großen Väter der Sprachgeschichte, Sprachkultur und Sprachdokumentation. Da gehen die Briefe her und hin als Boten des Geistes bei den Männern, als herzgetragene Botschaften der Frauen! Der rheinische Maler Heinrich Reifferscheid hat das Haus Parzifal in Menzenberg bei Rheinbreitbach gemalt, von hier gingen die Briefe zu den Brüdern Grimm — aber nicht nur hochgelehrte, sondern auch die heiteren der Frauen, die also dafür sorgen, daß die Männer „nicht hinter dem Wörterbuch verschimmeln“. Und einmal heißt es in einem Mädchenbrief: „Viel leichter kann ich an dich denken als meine schwache Feder lenken“ — es ist der entzückende Gehalt dieses Buches, daß es Hochgelehrtes und Hochempfundenes so glücklich vereint. Eine Welt des Biedermeier wird zu Glanz, die wir nicht kennen, die wir so leicht belächeln — nach der wir aber auch uns manchmal sehnen in der Hast der Welt. Zwischen den deutschen Volksbüchern und dem gelehrten Wörterbuch schlagen doch immer Herzen!
Zur Biographie Walther Ottendorff-Simrock zurück: Die Regsamkeit im Amt des Bürgermeisters und des stellvertretenden Kurdirektors in Bad Neuenahr ergeben Anregungen, zum Beispiel in einem Ahr-Kunstkreis, der — 1939! — von Haydn „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“ zur Aufführung bringt. Das große Rheinische Dichtertreffen ist in Erinnerung wie das Heranführen rheinischer Orchester ins Badeleben von Bad Neuenahr, z. B. die Rheinische Philharmonie und das Westdeutsche Mozartorchester. Zu den Solisten dieser Wirksamkeit gehörten Elly Ney wie Ludwig Hölscher.
Bleibt zu sagen, daß Walther Ottendorff-Simrock Präsident des 1862 gegründeten Männerchors Bad Neuenahr ist, daß er den Wappenteller des Kreises Ahrweiler wie die Wappenschale des Landes Rheinland-Pfalz empfing als Dankesgabe der Öffentlichkeit zu seinem 65. Geburtstag. Beide Male war Landrat Heinz Korbach der Sprecher des Dankes. Bleibt aber auch zu bedauern, daß das von ihm einst geleitete Christliche Bildungswerk nicht mehr am Leben ist, bleibt aber auch tröstlich zu hoffen und zu sagen, daß noch manche interessante Schrift aus dem rheinischen Geistesleben von dieser Feder zu erwarten ist.