Rudolf Edler von Groote
Lebensbild eines Ahrweiler Landrats
VON CHRISTIAN ULRICH
Landrat von Groote wurde geboren am 9. Juni 1828 zu Köln als Sohn des Erzbischöflichen Kanzlers Joseph Cornelius von Groote und dessen Ehefrau Auguste Margaretha Schaaffhausen. Der Vater der Ehefrau war der Gründer und Besitzer der bekannten Schaaffhausenschen Bank. Die Gymnasialstudien absolvierte von Groote in Köln; dann studierte er Rechtswissenschaft an den Universitäten in Bonn, Berlin und Heidelberg. Von Groote genügte seiner Wehrpflicht als Einjährig-Freiwilliger in einem Ulanen-Regiment. Er avancierte später zum Leutnant der Reserve.
Nach Bestehen der großen Staatsprüfung und Ernennung zum Regierungsassessor wurde ‚von Groote dem Landratsamt in Bonn zur Hilfeleistung des Landrats zugeteilt. Von dieser Stelle wurde er nach dem Tode des Landrats Freiherrn von Hövel im Juli 1859 mit der kommissarischen Verwaltung des Landratsamtes in Ahrweiler betraut und unter dem 4. Oktober 1859 vom König von Preußen endgültig zum Landrat des Kreises Ahrweiler ernannt.
Die Diensträume des Landratsamtes befanden sich in der Privatwohnung des Landrats von Hövel, dem Hause Wilhelmstraße 6, das von einem Ahrweiler Bürger namens Rosenbaum als Hotel gebaut worden, dann aber vom Landrat von Hövel als Privathaus erworben wurde. Die Familie des verstorbenen Landrats von Hövel bewohnte das Haus zunächst weiter, doch blieben die Büros des Landratsamtes – damals zwei Räume – in dem Privathaus bestehen.
Obere Reihe: Kinder erster Ehe. Mittlere Reihe: Landrat von Groote mit seinen beiden Frauen.
Untere Reihe: Kinder zweiter Ehe. Bild: Foto-Dorn
Der neue Landrat von Groote fand in Ahrweiler keine Wohnung. Er mietete sich daher in Bad Neuenahr ein und und legte den täglichen Weg zum Landratsamt in Ahrweiler zu Pferd über die meist durchweichten Uferwege der Ahr „in Kanonenstiefeln“, wie von Groote sich selbst auszudrücken pflegte, zurück. Einige Jahre später konnte Landrat von Groote das Haus Wilhelmstraße 6 von den Angehörigen seines Vorgängers privat erwerben. Das Landratsamt blieb in diesem Hause auch nach dem Tode des Landrats von Groote noch bis zum 17. Juni 1894, dem Tage der Einweihung des neuen Landratsamtes, des heutigen Kreishauses (westlicher Flügel). Heute ist das Haus Wilhelmstraße 6 noch Privateigentum der Kinder des Landrats von Groote und wird teilweise noch von diesen bewohnt.
Landrat von Groote heiratete im Jahre 1856 die Tochter des Landrats aus Köln, Maria Simons aus dem Hause Vogelsang. Aus dieser Ehe stammten acht Kinder. Frau von Groote zog sich bei der freiwilligen Pflege armer Typhuskranker in Ahrweiler selbst diese Krankheit zu und starb daran. Landrat von Groote schloß 1868 eine zweite Ehe mit der Tochter Anna Katharina des Landrats und Polizeipräsidenten von Aachen Karl Haßlacher. Aus der zweiten Ehe entsprossen weitere sieben Kinder.
Am 4. Oktober -1884 konnte Landrat von Groote sein 15jähriges Dienstjubiläum als Landrat des Kreises Ahrweiler begehen. Dieser Tag war ein Freudenfest für alle Kreisbewohner. Für die Musik dieses Festes war eigens die Kapelle des 6. Rheinischen Infanterie-Regiments Nr. 68 verpflichtet worden. Der Kreistag ließ eine besondere Festschrift drucken, die von Joseph Steinbach aus Sinzig verfaßt war. Aus dieser Festschrift ist ein humoristisches Lied „Die große Huldigung‘, gesungen nach der heute noch bekannten Melodie „Mein Lebenslauf ist Lieb‘ und Lust“ von besonderem Interesse:
Ihr Freunde, die Ihr all nach hier
Gekommen, alt und jung,
Aus unseres Landrats Kreisrevier,
Nun auf, zur Huldigung!
Vertreten sind ja Dorf und Stadt
Durch ihren besten Mann,
Nun bringe jeder, was er hat,
:,: Und zeige, was er kann. :,: Heidi, Heida.
Da kommt schon Altenahr voll Hast
Mit einer Lachsforell‘,
Ein Rümpchenpaar in Weidenbast
Bringt Meyschoß her zur Stell‘.
Ahrweiler uns kredenzt den Wein,
Das beste der vier W.-,
Und einen alten Mauerstein
:,: Bringt es als Kanapee. :,: Heidi, Heida.
Die Grafschaft spendet Käs‘ und Brot
Und auch Kartoffeln gar,
Und tut uns Sprudelwasser not,
So hilft uns Neuenahr. –
Remagen zeigt sein Römertor,
Schickt Aal und blauen Hecht;
Der ist fürwahr ein großer Tor,
Der sagt, die schmecken schlecht
Heidi, Heida.
Stadt Sinzig bringt uns Blum‘
Zu Plattenstein erstarkt,
Und Niederbreisig schickt uns
Den ganzen Zwiebelmarkt.
Nicht minder freudig zeigt sich Brohl,
Fehlt auch der Wein im Faß,
So sendet es als Dorfsymbol
:,: Den größten Wagen Traß. :,: Heidi, Heida.
Ein Wildschwein sendet Königsfeld
Aus seinem Waldespark,
So einen borst’gen Eifelheld, –
Mit Hauern eisenstark. –
Gern brächt‘ noch manche Ortschaft dar
Ihr Bestes weit und breit,
Doch fürcht‘ ich, unser Jubilar
:,: Dankt für die Höflichkeit. :,: Heidi, Heida.
Die große Beliebtheit des Landrats von Groote erhellt aber auch aus dem nachstehenden kleinen Auszug aus dem Festtagsbericht des Amtlichen Kreisblattes:
„Zur Vorfeier des Festes donnerten gestern Abend Böllerschüsse durch unser Tal; die Schüler der hiesigen höheren Bürgerschule brachten ihre Ovation durch Liedvorträge dar. Um 8 Uhr durchzog‘ ein imposanter Fackelzug unter Begleitung einer Musikkapelle unsere Straßen; vor der Wohnung des Jubilars angelangt, wechselten Liedervorträge des hiesigen Männergesangvereins mit Ansprachen der Herren Bürgermeister Trapet und Hauptlehrer Weiller. Prächtiges Feuerwerk sowie Beleuchtung durch bengalische Flammen wirkten recht günstig ein auf den Akt dieser glänzenden Huldigung. Am Nachmittag des 4. Oktober fand im „Deutschen Hof“ ein Festessen und am Abend ein Ball statt.“
Zu dem Festtage wurde nachstehende Familienbild, das eine Seltenheit bedeuten dürfte, hergestellt.
Das Gehalt des Landrats betrug jährlich ca. 4000 Mark. Davon mußten auch die Betriebskosten der eigenen Kutsche nebst Begleitmann bezahlt werden. Ein größeres Privatvermögen war unerläßliche Voraussetzung für die Übernahme des Amtes eines Landrats.
Landrat von Groote war Ritter des Roten Adlerordens III. Klasse mit Schleife, ferner wurde ihm zu Kaisers Geburtstag des Jahres -1889 der Ehrentitel „Geheimer Regierungsrat“ verliehen. Noch im gleichen Jahre, am 22. November, verstarb Geheimrat von Groote nach kaum dreitägiger Krankheit an den Folgen einer Erkältung, die er sich bei Ausübung der Jagd zugezogen hatte. Er war ein passionierter Jäger, der das ganze Jahr dem Weidwerk oblag, dafür aber nie Urlaub nahm, weil er die Erholung in der regelmäßigen Jagdausübung suchte und fand. Landrat von Groote hatte bei seinem Tode das 62. Lebensjahr erst kurz begonnen. Er hinterließ die Witwe mit 14 Kindern. Die Beisetzung fand in der Familiengruft in Bodendorf (Ahr) statt. Der zweitälteste Sohn des Verstorbenen war jahrelang Landrat in Rheinbach und anschließend von 1915 bis zu seinem Tode im Jahre 1921 Oberpräsident der Rheinprovinz.
Die rund dreißigjährige Amtszeit fällt in ein patriarchalisches Zeitalter, in dem es noch kein Radio, Telefon und Auto gab und selbst Eisenbahnverbindungen spärlich waren, wo die Postkutsche als öffentliches Verkehrsmittel dominierte, das ganze Landratsamt, nur als staatlicher Verwaltungszweig bekannt, in zwei Büroräumen untergebracht war, die ganze Besetzung aus Landrat, Kreissekretär, Kreisschreiber und Kreisbote bestand, wo der Staat dem Landrat zur Ermöglichung der persönlichen Beratung der Landbevölkerung eine besondere Kutsche zur dauernden Verfügung stellte, der Dienst des Landrats somit zu einem wesentlichen Teil in mühevollem Außendienst bestand. Erst am Schluß der Amtszeit begannen die Bestrebungen zur Errichtung einer besonderen Kreiskommunalverwaltung nach Maßgabe der Rheinischen Kreisordnung vom 30. 5. 2887.
In die Amtszeit fallen die langwierigen Verhandlungen zur Errichtung der Kreissparkasse, Bemühungen, die bereits unter dem Amtsvorgänger begannen, aber erst nach zehnjährigem Lauf zu einem glücklichen Ende kamen, ferner die Errichtung der Ahrtalbahn, zunächst von Remagen bis Ahrweiler, dann bis Altenahr und zuletzt bis Adenau. Neubauten von Volksschulen und einige Wasserleitungen wurden durchgeführt. Sparsamste Wirtschaft herrschte auf allen Gebieten. Der Kreishaushalt erreichte als Höchstbetrag jährlich die Summe von 37 832 Mark, im Jahre, 1963 dagegen 20 459 960 DM.
Die Adelsfamilie von Groote blüht heute noch reichverzweigt in den rheinischen Landen. Im von Grooteschen Hause in Ahrweiler, Wilhelmstraße 6, lebt die 91jährige Tochter Maria unseres ehemaligen Landrates. Maria von Groote war die Gattin des Reichsgerichtspräsidenten Heyer in Leipzig. Als Witwe wohnt sie mit ihrer Tochter im Elternhause. Rechtsanwalt Karl von Groote in Ahrweiler, Büllesheimer Straße, ist ein Enkel des Landrates von Groote.