Räuber in Bad Breisig

Eine wahre Begebenheit aus napoleonischen Tagen 

Peter Kirwel jun.

Die Jahre der französichen Revolution und der nachfolgenden kriegerischen Auseinandersetzungen mit der zur Rheingrenze strebenden jungen französischen Republik brachten dem gesamten Rheinland eine Zeit der Unordnung und fehlender staatlicher Organisation. Da die Revolutionsarmeen früh siegreich blieben, wurde das Rheinland schon 1794/95 zu Frankreich geschlagen, wo es auch bis zum Abschluß des Wiener Kongresses 1815 verblieb. Die seit dem Mittelalter bestehenden feudalen Autoritäten waren vertrieben (und verständlicherweise war kaum jemand, der sie zurückwünschte), die neue französische Verwaltung festigte sich erst in den Jahren nach der Jahrhundertwende. Diese knapp 10 Jahre ( von 1794 – 1803/04) aber waren die große Zeit der weithin bekannten rheinischen Räuberbanden (u. a. auch der Bande des Schinderhannes). Die Polizei war noch schwach, das rechte Ufer des Rheins war Ausland und somit sicherer Zufluchtsort für allerlei lichtscheues Gesindel. So raubte man vorzugsweise links des Rheins (wo ebenfalls Schlupfwinkel der Räuber bestanden) und »verjubelte« die Beute auf der rechten Seite (wo Deutz, Neuwied und die Umgebung von Frankfurt die größten Diebesnester beherbergten). Von einem für die damaligen Verhältnisse typischen Überfall, der in den Grenzen unseres Kreisgebietes, nämlich am 20. November 1800 in »Niederbreisich« stattfand, soll im Folgenden die Rede sein. Der nach Unterlagen der Polizei verfaßte Bericht dieses Raubes fand sich in dem Buch: »Actenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beyden Ufern des Rheins; Zweyter Theil; aus Criminal=Protokollen und geheimen Notitzen des Br. [= Bürger, offizielle Anrede im Frankreich der Revolution] Keil, ehemaligen öffentlichen Ankläger im Ruhr=Departemente [- der gesamte Niederrhein mit Aachen und Köln], zusammengetragen von einem Mitarbeiter Keils]. Cöln, 1804«.

Die Schilderung der Vorgänge in dieser Nacht des 20. November 1800 nun im Wortlaut des Originals (S. 316 ff.):

Hermann Munter kam eines Tages zu den in Neuwied versammelten Räubern und erzählte ihnen, ein gewisser Pleid in Nieder-Breisich stehe im Rufe viele Juwelen, vieles Silberwerk und Geld zu besitzen. Das veranlaßte sogleich einen Vorsatz bei den Räubern, Pleid heimzusuchen.

Sie schickten den Elsaßer Picard und Afrom May zu einem Juden nach Breisich um dort das Nähere zu erfahren. Es währte nicht lange, so kamen beyde Spionen zurücke, und hinterbrachten, daß alles wahr seye, was Hermann Munter erzählt habe, daß aber das Haus des Pleid schwer anzugreifen sey, indem es mitten im Orte liege.

Dieses war der Bande kein Abhaltungsgrund, sondern trieb sie nur an sich in wehrhaften Stand zu setzen, Patronen zu machen und Pistolen in Bereitschaft zu bringen. Zur bestimmten Zeit ließ sie sich vom schelen Friedrich zu Niederhammerstein über den Rhein setzen, und hieß ihn auf dem rechten Ufer verweilen, bis sie zurückkommen würde. Zu aller Vorsicht beorderte sie den P. Tieland im Nachen zurücke zu bleiben. Fetzer hatte das Commando. In einem Weinberg bey Breisich wurde Halt gemacht. Nun schlichen sich Fetzer, Hermann Munter und Picard der Elsaßer in den Ort, suchten ein Holz um die inneren Thüren des Hauses zu stürmen, kehrten zu den Uebrigen zurücke, nahmen sie zum Diebstahl mit, und rückten so gegen Pleids Wohnung. Fetzer commandirte den Afrom May, Picard den Elsaßer, den Monsam und Heckmann Schildwache zu stehn, setzte hierauf eine Leiter an das Haus, stieg hinauf, erbrach im obern Stocke eine Glasscheibe und kam so in die inneren Zimmer. Ihm folgte die Bande auf dem Fuße nach. Unter Fetzers Anführung flog sie nun die Treppe hinab, und rennte mit dem ausgesuchten Holze die Stubenthüre ein. Durch den Lärmen wurde Pleid erweckt, ergriff zwey Gewehre und trat vor, aber die Räuber fielen über ihn her, entwaffneten ihn, und warfen ihn zur Erde nieder. Hierauf wurde er mit allen Uebrigen geknebelt. Fetzer nahm das Brecheisen und öffnete Commoden und Schränke.

Da Pleid den Golddurst der Räuber nicht stillen, ihnen nicht verborgene Schätze angeben konnte, mißhandelten sie ihn. Einer von der Rotte war so grausam, sich auf den Kopf des gefesselt zur Erde liegenden unglücklichen Mannes zu stellen.

Während der Plünderung erschien der Nachtwächter vor Pleids Haus, aber der Schildwach-stehende Afrom May wußte sich seiner zu bemächtigen, und brachte ihn gefangen in die Stube, worin die Räuber ihr Wesen trieben. Er wurde geknebelt. Afrom May trieb seine Kühnheit so weit, das Hörn des Nachtwächters zu nehmen, durch den Ort zu gehen und ganz ruhig die Stunden abzurufen. Die Räuber packten zusammen, was sie finden

konnten, und giengen auf den Rhein zu. Fetzer, der das Commando gehabt hatte, that wie fast alle Räuber, die bey irgend einer Expedition an der Spitze standen; er steckte den besten Theil der Beute eine goldene Uhr heimlich zu sich. Um aber nicht entdeckt zu werden, zog er den Adolph Weyers in sein Vertrauen, steckte diesem die goldene Uhr heimlich zu; der sie dem scheelen Friederich dem Schiffer gab um sie zu verwahren und am dritten Tag nach Neuwied zu bringen. Unter der Beute befanden sich Juwelen, aber wie sie die Räuber verhandeln wollten, sagte man ihnen, daß sie nicht acht wären. – Fetzer, Heckmann, Wey-ers und Tillenberg reisten nach Frankfurt«. Auch dieser Breisiger Raub ordnete sich in das allgemeine Schema der Raubüberfälle dieser Zeit ein:

  • Ein »Angeber« oder »Baldowerer« genannter schlägt (gegen einen Anteil der Beute) ein lohnendes Opfer vor;
  • Mitglieder der Bande überprüfen die Angaben des Baldowerers;
  • man rüstet sich für den Überfall aus (d. h. die Bande versorgt sich mit Pistolen, Leuchten, Knebelstricken usw.) ;
  • ein Mitglied der Bande wird ( nun für die Dauer des Überfalls) zum »Commandanten« erklärt. Nur der »Commandant« hat ( quasi als Zeichen seiner Würde) ein Brecheisen und nur ihm obliegt es auch, nachher die Verteilung der Beute zu überwachen;
  • falls der Überfall schwierig scheint, werden noch Helfer, sog. »Jungens« angeworben, die sonst nicht zur Bande gehören; 

Auch der Überfall selbst läuft nach einem festgelegten Schema ab:

  • man rückt gegen den Ort vor;
  • sucht einen Rammbock;
  • schickt ein oder zwei Räuber aus, welche die Kirchentür versperren, um Sturmläuten unmöglich zu machen;
  • stellt (bewaffnete) Schildwachen auf;
  • stürmt das betreffende Haus. 

Im Haus nun werden zunächst alle Bewohner geknebelt und überall Lichter angesteckt; dann wird das Haus durchsucht. Sind die Räuber mit dem Vorgefundenen unzufrieden, werden die Bewohner mißhandelt, um eventuelle Verstecke zu bekennen.

Wieder zu ihrem Stützpunkt zurückgekehrt, verkauft die Bande das gestohlene Gut so schnell als möglich an einen Hehler ( der oft genug mit dem »Baldowerer« identisch ist und also »auf Bestellung« rauben ließ) und zerstreut sich, bis Geldknappheit die Räuber zu neuen (Un-) Taten zusammenbringt. Interessant erscheint noch, daß gut anderthalb Jahre nach diesem Überfall (im Sommer 1802) der »Commissaire« Keil den Versuch unternahm, eine Gruppe von Räubern in der Nähe von Bad Breisig, auf den »berüchtigten Knopshöfe« (zwischen Brohl, Kell und Namedy gelegen), die er als »gefährlich gewordenen Schlupfwinkel« bezeichnet, zu ergreifen. Diese Unternehmung nun wieder im Wortlaut des Buches (S. 390 f.): Die Knopshöfe liegen auf hohen Klippen an dem Ufer des Rheines etwa eine Stunde von Andernach. Sie bestehen aus mehreren kleinen voneinander entfernt liegenden Häusern, zu denen man nur über Felsenwege kommen kann. Sie besetzen, an der Zahl ihrer 9, einen Umkreis von mehrern Stunden Wegs. Ein niedriges verworrenes Gebüsch bedeckt diese Strecke und kaum sieht man ein bebautes Stück Feld, so daß man sich gleich die Frage aufwerfen muß: von was mögen diese Menschen alle leben?

Es wäre frylich sehr lieblos und unrichtig geschlossen, sie haben keine andere Nahrungsquelle, als den Abfall der Beute, denn ohne Zweifel gibt es mehrere sehr ehrliche Familien auf diesen Höfen.

Die Visitation wurde in der Nacht angestellt. Bey aller Vorsicht, die man brauchte, waren doch die Nester alle leer. Es fanden sich zwar einige Leute, die nicht dort zu Hause waren, aber die nicht, die man suchte. — Die Ursache dieses Fehlzuges lag vielleicht darin: die an der Spitze der Bergkette liegenden Höfe halten große Wachthunde, ihr Gebell mochte die Nacht, wo die Haussuchung angestellt wurde, die Räuber gewarnt und verscheucht haben. Zur Rettung diente ihnen der nahe liegende große Wald. Nur ein einziger Bursche, der verdächtig war, wurde verhaftet. Da auf der anderen Rheinseite in Hammerstein und Leidesdorf mehrere Häuser waren, die den Räubern zum Schlupfwinkel dienten, und mit den Knopshöfen gewissermaßen in Verbindung standen, da ein dortiger Schiffer mehrmals die Bande auf dem Rheine hin und her geführt (der schele Friedrich), so machte der Commissaire Keil die Behörde darauf aufmerksam«.

Fast alle Räuber endeten schließlich doch in Justitias Armen, verurteilt zu 12, 16 oder 24 Jahren Galeerenstrafe, immerwährender Kerkerhaft oder der stets gegenwärtigen Guillotine.

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