Op jidde Döppche e Deckelche «
Sprichwörter und Redensarten aus dem Hocheifelteil des Kreises Ahrweiler
Peter Richter
Wie anderswo, so geht auch bei uns der Gebrauch der Mundart immer mehr zurück. Früher bildeten eng umgrenzte Gebiete einen eigenen mehr oder weniger geschlossenen Lebenskreis, in dem sich eine besondere mundartliche Sprache hielt, die sich in einigen Besonderheiten häufig sogar von Dorf zu Dorf unterschied. Heute ist in dieser Hinsicht eine weitgehende Einebnung zu beobachten. Die Eingliederung der Vertriebenen nach dem Krieg, die allgemeine berufliche Mobilität und vor allem der Einfluß der Medien, wobei insbesondere das Fernsehen zu nennen ist, bedingen einen immer weiteren Rückgang im Gebrauch der Mundart. Was bleibt, ist vielfach ein mundartlich gefärbtes Hochdeutsch, während insbesondere Wörter, die sich stärker vom Hochdeutschen unterscheiden, in Vergessenheit zu geraten drohen.
Lebendigkeit und Anschaulichkeit einer Sprache zeigen sich nicht zuletzt in Sprichwörtern und Redensarten. Sie sind dem unmittelbaren täglichen Erleben der Menschen entnommen. Da dieses sich im letzten halben Jahrhundert auch bei uns stark gewandelt hat, werden viele alte Sprichwörter immer seltener gebraucht, weil vor allem bei jüngeren Leuten infolge gewandelter Lebensumstände der erforderliche Verständnishintergrund nicht mehr gegeben ist. Hier soll nun auf einige mundartliche Redensarten eingegangen werden, die in unserer Heimat teils noch allgemein gebräuchlich, teils aber nur noch selten zu hören sind.
Mundartliche Sprichwörter sind oft treffender und kürzer als die entsprechenden der Hochsprache. Das bekannte Wort: »Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach« lautet beim Eifeler kurz und knapp: »Besse hahn wie kreije«.
Sprichwörter werden gern aus der unmittelbaren täglichen Erfahrungswelt der Menschen entnommen. So ist es nicht zu verwundern, daß im ländlichen Bereich darin Tiere eine gewichtige Rolle spielen. Wenn man etwas verliehen hat und die Rückgabe anmahnen muß, heißt es dazu ärgerlich: »Nähstens lienen ech dir de Katz – die kütt van sellewe wie«. Heiratet eine junge Frau ins Haus der noch rüstigen Schwiegermutter, so sagen die Nachbarn ahnungsvoll: »Dat jitt Katzejebeß«. Wer eine unangenehme Arbeit zu verrichten hat, tröstet sich selbst: »Imme noch besse als wie en Hond jefluht (Flöhe gefangen)«. Von einem, der. vor lauter Betriebsamkeit kaum zur Besinnung kommt, sagt man: »Der os esu veladde wie en Maus om Meilsack«. Ein verbaler Versprecher wird großzügig entschuldigt: »En Koh hätt vier Been un vetritt sech ad ens«. Ein Lügner wird charakterisiert: »Der leuch esu siehr wie en Hass lööf«. Übermütigen Jungen droht man:
»Et jitt mieh Kette wie rohsech Hönn«. Wer vor Zorn außer sich ist, muß sich die Charakterisierung gefallen lassen: „Dat os en schnüüde (tollwütiger) Hond«. Von einem Menschen, der sich sehr freut, wird gesagt: »Der os esu früh wie e Kirmeshönnche«. Zeigt sich der Gesprächspartner von Argumenten und Vorhaltungen unbeeindruckt, so meint man in der Eifel: »Datt schütt der aaf wie en Hond de Fluh«.
Einen völligen Ignoranten charakterisiert man folgendermaßen: »Dovan vesteht der esu vill wie en Sau vam Heufräße« oder auch »wie en Koh vam Sonnech“. Wer statt hartem körperlichem Einsatz bei der Arbeit mehr auf intelligente Durchführung setzt, meint abschätzig: »Mot Jewalt kämme en Jeeß honne erömhewwe«. Einem jugendlichen Naseweis sagt man: »Vüjel, die froh flöte, holt de Katz«. Wenn es sich dabei um ein junges Mädchen handelt, heißt es sogar: „Mädche, die flöte, un Hohne, die kräje, derre soll me de Hals erömdrähe«. Hat jemand 0-Beine, so meint man boshaft: »Der hat op de Sau jeridde«. Von einem, der sich nicht sauber hält, wird gesagt: »Der hat de Sau aafjesatt«. Aus der Zeit, als es noch den »Sauet«, also den Schweinehirten gab, stammt der Satz:
»Här os Här – Jong haal de Sau öm«, womit man ausdrücken will, wer Anordnungen zu geben und wer zu gehorchen hat.
Der »Här« war früher für den Eifeler zunächst einmal der Pastor. »Häre« waren aber auch die Angehörigen der verschiedenen Behörden. Schließlich war mit »Här« der Stadtbewohner schlechthin im Gegensatz zum Bauern auf dem Land gemeint. Wenn wir als Kinder in der damaligen Kreisstadt Adenau in der Kirche oder beim Kommunionunterricht gewesen waren und nach Hause in unser Dorf gingen, kamen wir am Kindererholungsheim der Stadt Köln vorbei, das im Volksmund »Eulenburg« genannt wurde. Dann konnte .es uns passieren, daß wir von den Kölner Stadtkindern verspottet wurden: »Die Bure, wat se lure, wat se waggele met de Uhre«. Wir revanchierten uns dann mit dem groben Vers: »Wenn die Bauere net wäre, dann vreckden die Häre«. Als eigentliche Arbeit erkannte man damals in der Eitel nur die schwere körperliche Arbeit an. Der »Här« war also in den Augen der Leute ein Mensch, der nicht richtig arbeiten mußte. So sagte man, wenn man sich wohlfühlte und es einem gut ging: »Me mennt, me war en Här«. Mit den »Häre« hatte man in erster Linie zu tun, wenn man zu einer Behörde mußte. Fühlte man sich dort ungerecht behandelt, so hielt man es für aussichtslos, sich etwa bei einer höheren Instanz zu beschweren, denn man war überzeugt: »Ene Här deht dem annere neuß«.
In manchen Redensarten wird auf Ortsnamen Bezug genommen. Wenn die Arbeit gut von der Hand geht, sagt man anerkennend: »Dat fluppt jo wieze Kölle«. »Dat senn jo Wißböme Streech«, meint man, wenn jemand zu Eulenspiegeleien neigt, wobei man auf den Ort Wiesbaum bei Hillesheim anspielt, der als das Eifeler Schiida gilt. »Danzt wie de wellt, dir Pomste Sau«, sagt man verärgert, wenn man mit dem anderen nichts mehr zu tun haben will, ein Ausruf, der möglicherweise auf einen Kirmesmusikanten zurückgeht, der mit den Bewohnern von Pomster seine Differenzen hatte.
Nicht selten sind Redensarten dem kirchlichen Bereich entnommen. »De Pasdur sahnt sech ze iech« drückt in etwa dasselbe aus wie das hochdeutsche Sprichwort: »An der Quelle saß der Knabe«. »Dir os mot ene jesähnte Käez net ze hellefe«, sagt man, wenn jemand sich als Unglückswurm entpuppt hat. »Bett un sahn dech jot«, mahnt die Mutter, wenn ihr Kind aus dem Hause geht. Ein skrupelloser Mensch »kennt ke Jott un ke Jebott«. Wenn einer von einer Sache gehört hat, aber nicht genau weiß, worum es sich handelt, sagt man: »Der hat Jet logge hure, äwwe e weeß net, wo de Glock hängt«. Will man vorsichtig und andeutungsweise nach etwas fragen, so heißt es: »Ech hann em ens devan jekläpp«. Unter »klappe« versteht man das einseitige Anschlagen des Klöppels nach dem Angelusläuten.
Beim schweren Eifeler Boden fürchtet der Bauer eher zu viel als zu wenig Regen. Deshalb heißt es: „E treuch Johr brauch bei e naaß Johr neuß liene ze John«. Was der Nachbar sich leisten kann und was nicht, weiß man gut einzuschätzen, denn: »Ech sehn doch an menge Boom, wann anne Löcks Kiesche reif senn«. Daß für die Belange der eigenen Familie häufig am schlechtesten gesorgt wird, sagt das Sprichwort: »Em Schohmeche seng Frau un em Schmort se Pärd senn am schläächsde beschlohn«. Daß auch für gute Sachen überhöhte Preise gefordert werden können, drückt man folgendermaßen aus: »Botte os ad laute Fett – me kann se noch ze deue bezalle«. »Dämm hann ech äwwe jesoht, wat de Botte koß«, meint einer, der seinem Kontrahenten gründlich die Meinung gesagt hat. An der teuren Butter mußte in früheren kargen Zeiten gespart werden, unter anderem auch dadurch, daß die Hausfrau die Brotschnitten recht dick machte. Sie tröstete dann ihre Familie: »Deck Brocke jit fett Vüjel«. Manch einer wußte sich aber auch in diesem Falle zu helfen mit der Bemerkung: »Bös de ze deck, dann spahlen ech dech, bös de ze dönn, dann fahlen echdech«. Oft wußte die Mutter nicht, wie sie ihre zahlreichen Kinder satt bekommen sollte, aber dann tröstete sie sich selbst: „Vill Hänn jit huttech en Enn – on de Schottel un och om Fell (Feld)«. War aber ein Kind zu anspruchsvoll, dann wies man es zurecht: »Dau bös om völleje Johr jong jewääß«. Zu dem schweren Leben in diesen Zeiten kam noch das allgemeine Leid, das uns Menschen immer begleitet. Unsere Vorfahren verglichen es mit dem Wachsen der Bäume: „Holz un Leed wieß all Dach neu«.
Früher mußte man oft weite Wege zu Fuß machen. Da war man froh, wenn man von einem Fuhrwerk mitgenommen wurde. Auf die Entschuldigung des Fuhrmanns, daß er mit seinem Mistwagen, seiner Rübenkarre oder seinem Holzfuhrwerk keinen Komfort bieten könne, erwiderte man: »Besse schlääch jefarre wie jot jange«. Andererseits wußte man bei den damaligen Wegeverhältnissen eine gute Straße zu schätzen und war Abkürzungen gegenüber vorsichtig, denn: »Jode Wach jeht net ömm«.
Manche Leute haben eine vorgefaßte Meinung, hätten diese aber gern von anderen bestätigt.
In einer solchen Situation sagt der Eifeler spöttisch: »Root me erop un root me eraaf, äwwe root me net aaf«. Das gilt besonders bei der Frage eines jungen Mannes, ob er das Mädchen heiraten solle, auf das er ein Auge geworfen hat. Wenn er dann viele Jahre verheiratet ist, zieht es ihn nicht immer gleich nach Hause, wenn er auswärts zu tun hatte. Die Frau ist sich aber seines Kommens sicher, denn »der os Bruut jewennt«. Wehe aber, wenn er zu spät zum Essen kommt, denn dann »kreit e de Wösch onnt Döppe«. Seine Art aber hat der Eifeler nie verleugnet. Das will er wohl auch mit dem Sprichwort ausdrücken: »En Bauer bleift en Bauer – un wenn me en mot em Zylinde onnt Bett lieh«.
Mit dieser Auswahl aus dem reichen Schatz der heimischen Mundart sollte gezeigt werden, daß die Bewohner der Eifel nicht die primitiven und unbeweglichen Menschen waren, als die man sie lange Zeit hingestellt hat. Sie wußten sich anschaulich und bildhaft, mit philosophischem Witz und hintergründigem Humor auszudrücken. Sie hatten eben »op jidde Döppche e Deckelche«.