»Mit Tatkraft ans Werk«
Elf Landrats-Jahre im Rück- und Ausblick
Wolfgang Pechtold
»Wir wollen an der Vielfalt der Aufgaben nicht verzagen. Negative Erfahrungen hemmen Mut und Optimismus, Phantasie und Einfallsreichtum, das immer noch Machbare auch zu verwirklichen. Lassen Sie uns deshalb mit Optimismus und Tatkraft ans Werk gehen.«
Das sagte Dr. Egon Plümer, als er sein Amt antrat. Er selbst werde sich mit Herz, Kopf und Hand dieser Aufgabe stellen, versprach er. Und hielt sich daran. So durfte er, durften alle, die ihn würdigten, bei seinem Abschied, am 28. September 1988, eine bemerkenswert positive Bilanz seiner 4 232 Tage im Sessel des Landrats von Ahrweiler ziehen.
Eigentlich hinkt schon dieses Bild vom Landrat im Sessel, und zwar tatsächlich und in übertragenem Sinne. Dafür sprechen allein die 500 000 Kilometer, die er während seiner Amtszeit im Dienst-BMW zurücklegte. Dafür spricht aber erst recht sein politisches Temperament, das ein Aussitzen von Problemen nicht zuließ. In den Abschiedsreden wurde auch das ausgesprochen: Wenn es um den besten Weg zum Ziel ging, war dieser Landrat sogar den eigenen Parteifreunden oft zu ungeduldig, den politischen Gegnern erst recht zu unduldsam.
Er zeigte Flagge — auch im Wortsinn. Daß der Kreis seit 1983 eine eigene Fahne hat und seit 1988 zusätzlich mit graphisch gestalteten Signets ein eigenes Erscheinungsbild pflegt, ist sein Werk. Und es war sicher mehr als nur ein optischer Gag oder eine selbstgefällige Pose, wenn er für die 13,2 Millionen Mark teure Erweiterung des Kreishauses als Kunstwerk am Bau ausgerechnet einen fröhlich wiehernden Amtsschimmel durchsetzte. Daß er kein bequemer Verwaltungschef war, sondern seinen Mitarbeitern Erhebliches abverlangte, daß er selbst diszipliniert seine Pflicht erfüllte, die ihm in der Doppelfunktion als Vertreter unmittelbarer staatlicher und kommunaler Selbstverwaltung auferlegt war, wurde in den Abschiedsreden ohne Wenn und Aber bescheinigt. Aber der Jurist Egon Plümer sah Gesetze und Verwaltung für den Bürger gemacht, nicht umgekehrt. Daß er eine Gemeinde- und Geschäftsordnung in der politischen Debatte auch einmal als taktische Waffe benutzte, erlebten Zuhörer von Kreistagssitzungen immer wieder. Er steckte ein, aber er teilte auch aus. Bürgerproteste gegen ein Projekt des Kreises mündeten nicht selten wegen der Hartnäckigkeit, mit der er es nach außen vertrat, in Angriffe gegen die Person Plümer.
Er blieb unbeirrt bei seinem Ziel, das Machbare zu machen. Und er schaffte viel. An vorderster Stelle steht für seinen Einsatz und als sein Erfolg der Bau des neuen Nürburgrings, den er immer auch als Erfolg parteiübergreifenden Engagements der Abgeordneten gewertet hat. Wenn sich der Realist Egon Plümer Visionen erlaubte, dann gerade für diesen Teil des Kreises: Er sieht die Möglichkeiten mit Rennbetrieb, Museum und neuem Hotel noch längst nicht erschöpft; die Zukunft des Nürburgrings als Instrument der Wirtschaftsförderung wurde bezeichnenderweise auf den Reißbrettern einer Traumfabrik, in den Bavaria-Filmstudios, gezeichnet. Daß Dr. Plümer auch ein Gutachten der Steigenberger Consulting zur Fremdenverkehrsentwicklung im »Ring«-Umfeld initiierte, erscheint nur logisch.
Sein besonderes Interesse gerade an Fragen des Wirtschaftslebens oder an privatwirtschaftlichen Lösungen kommunaler Probleme wurde mit jedem Jahr seiner Amtszeit deutlicher. Das zieht sich durch sein Wirken wie ein roter Faden, wenn auch am Ende nicht immer der Erfolg steht. Bezeichnend, daß er die Fremdenverkehrswerbung aus seiner Verwaltung ausgegliedert und die kreisweite Touristik-Organisation tatkräftig zu schaffen half. Bezeichnend. daß er sich — unter anderem per Standortkatalog — so stark für die Gewerbeansiedlung einsetzte, insbesondere in Gelsdorf und Nieder-zissen. Bezeichnend auch die erfolgreichen Initiativen für die private Hotel-Berufsfachschule im staatlichen Berufsbildungszentrum. Bezeichnend der Kampf um den wirtschaftlichen Bestand der Brohltal-Eisenbahn.
Bezeichnend vor allem das Bemühen, die Trinkwasserprobleme im Kreis nicht nur weiträumig und zukunftssicher, sondern auch wirtschaftlich tragbar zu lösen. Daß ausgerechnet in Rheinland-Pfalz eine privatwirtschafitiche Trägerschaft, auf die er für den Osten des Kreises zielstrebig hingearbeitet hatte, gesetzlich ausgeschlossen wurde, kritisierte er unverhohlen.
Ihm war klar, daß der gesetzlich vorgegebene Ausgleich zwischen Stadt und Land bei den wichtigsten Aufgaben kommunaler Daseinsvorsorge nur in Partnerschaft mit »Elefanten« zu lösen sei, also Unternehmen mit ausreichender Kapitalausstattung, auf jeden Fall aber im Verbund zwischen dichter und dünn besiedelten Gebieten. Als Positivbeispiel pflegte er die flächenhaft betriebene Elektrifizierung im ersten Drittel des Jahrhunderts zu nennen, als Negativexempel die selektive Verkabelungsstrategie der Bundespost.
»Verbundlösungen« entstanden in der Amtszeit Egon Plümers auch im kulturellen Bereich. Dazu zählt die Gründung der Kreisvolkshochschule, zu der allerdings die Vorgaben des Landesparlaments maßgeblich beitrugen, dazu zählen aber auch die Kulturtage des Kreises selbst, die im Zwei-Jahres-Turnus stattfinden und von der Mundart-Lesung bis zum Gala-Konzert mit heimischen Kräften, von der örtlichen Präsentation bildender Kunst bis zur Ausstellung sakraler Schätze aus dem ganzen Kreis reichten.
Die Verbundlösung ist nach Dr. Plümers Auffassung auch im Bereich der Müllentsorgung nicht zu umgehen. Aber nicht die Grundsatzentscheidung für oder wider die große kreisübergreifende, zentrale Verbrennungsanlage, sondern die Interimslösung einer weiteren hochmodernen Hausmülldeponie bestimmte die Diskussionen seiner letzten Wochen und Monate als Landrat. Der Gesamtvorgang spricht für die Gründlichkeit, aber auch für die juristisch gebotene Vorsicht, mit der Dr. Plümer das Problem anging; Auf Informationsfahrten von Oberhausen bis Schwandorf konnte sich der Kreistag über Stand und Grenzen moderner Müllverbrennungs- und Müllverschwefelungstechnik informieren, bis in die Schweiz führten Exkursionen zum Stadium zeitgemäßer Deponietechnik. Freilich wurde dem Landrat mit Sicherheit gerade in diesem Bereich bewußt, wie eng der Spielraum für Sachentscheidungen ist, wenn Egoismen und Ideologien sich mit Argumenten vermischen.
Staatsminister Rudi Geil verabschiedete Landrat Dr. Egon Plümer aus dem Dienst des Landes Rheinland-Pfalz.
Wenn ein staatliches Programm dem Gebot des Ausgleichs zwischen Stadt und Land gerecht wird, dann ist es die hochdotierte Dorferneuerung. Es gehört zu den aktuellen Verdiensten von Dr. Plümer, daß er diese Chance frühzeitig erkannte und darauf reagierte: Fachleute seines Hauses halfen mit Rat und Plan, die Fördermöglichkeit wirklich sinnvoll zu nutzen. Die regelmäßigen Dotationen, mit denen der Kreis den Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« honoriert, gehören in diesen Rahmen.
Elf Jahre Amtszeit — eine lange, eine kurze Spanne, vielleicht nur eine Episode? Man kann sie tabellarisch in einer Auflistung der großen Vorhaben spiegeln, etwa so:
— Erweiterung des Dienstgebäudes der Kreisverwaltung;
— Einführung einer Flagge und eines neuen Signets;
— Gründung des Wasserversorgungszweck-verbands »Eifel-Ahr«;
— Einführung von Hausmüll-Großbehältern in der Abfallbeseitigung:
— Beteiligung des Landkreises an der Müllverwertungsgesellschaft Großraum Koblenz GmbH;
— Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Umweltfragen;
— Bau des neuen Nürburgrings;
— Förderung kommunaler Investitionsvorhaben zur Stärkung des Fremdenverkehrs:
— Ausbau eines Radwegenetzes:
— Gründung einer privaten Fremdenverkehrsorganisation (Bäder-, Wein-, Wanderland Rhein-Ahr e. V.);
— Einrichtung von Gewerbegebieten in Nie-derzissen und Grafschaft-Gelsdorf;
— Förderung der Dorferneuerung;
— Einführung von Ruftaxen:
— Neubau der Berufsbildenden Schule Bad Neuenahr-Ahrweiler:
— Erweiterungsbauten für das Erich-Klause-ner-Gymnasium Adenau und die Realschule Ahrweiler;
— Einrichtung einer privaten Hotel- und Berufsfachschule;
— Gründung der Kreisvolkshochschule Ahrweiler e. V.;
— Kulturtage des Landkreises Ahrweiler;
— Forschungsvorhaben zur jüngeren Geschichte (NS-Zeit):
— Herausgabe eines ersten »Studienbuchs« als Ergänzung zum Heimatjahrbuch;
— Patenschaft zur Gemeinde Kivu/Ruanda;
— Bau der Behindertenwerkstätte Sinzig;
— Einrichtung der Naturschutz-Jugendherberge Altenahr.
Man muß trotz dieser fast erdrückenden Erfolgsbilanz nicht darum besorgt sein, daß der nächste Landrat arbeitslos wäre. Dr. Egon Plü-mer selbst hat ihm, teils mit weitgehender Vorarbeit, die Probleme aufgezeigt: Wasserversorgung Ost mit der umstrittenen Rheinuferfiltrat-versorgung, Wasserversorgung West mit dem finanziell todkranken Zweckverband. Abschluß neuer Konzessionsverträge mit dem RWE, Motorsportpark und Spielbank am Nürburgring, Dach für die Silberbergvilla Ahrweiler, Haus des Wassers in Heppingen, Altenheime im Rheintal. Standort der Hausmülldeponie, Radwege, vor allem Walporzheim-Altenahr. Lückenschluß A 1 …
Dr. Plümer mahnte bei seinem Abschied dazu, die wirtschaftlichen und natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten oder zu schaffen, um die Herausforderung zu bestehen, die eine immer schneller anrückende Zukunft stellt. Und er warnte eindringlich vor der Klagelied-Mentalität: »Leute, die auf Rosen gebettet sind, verraten sich dadurch, daß sie immerzu über Dornen jammern.“