Landschaftsveränderungen im Brohltal. dargestellt am Herchenberg

Landschaftsveränderungen im Brohltal, dargestellt am Herchenberg

Guido Kaspari

Die zunehmende Landschaftsveränderung im Brohltal wird durch verschiedenste Faktoren beeinflußt. Zu ihnen gehören u. a. der Straßenausbau und -neubau sowie die Ausweisung immer größerer Gewerbe- und Industriegebiete. In den letzten Jahren hat zudem die Bautätigkeit privater Bauherren stark zugenommen. Die günstige Lage des Brohltals zwischen Köln/ Bonner- und Koblenzer-Raum und die noch erschwinglichen Grundstückspreise stellen einen großen Anreiz für den Eigenheimbau dar.

Es sind aber vor allem die Eingriffe der Steine-und-Erden-lndustrie, die sich maßgeblich auf die Veränderung des Landschaftsbildes auswirken. Exemplarisch soll die Landschaftsveränderung am Herchenberg nordwestlich von Burgbrohl dargestellt werden.

Der quartäre Vulkanismus hat die Landschaft der Eifel und des Neuwieder Beckens sprichwörtlich in ein „Rohstoffparadies“ für die Baustoffindustrie verwandelt. Die Förderprodukte der Vulkane sind seit Jahrhunderten Grundlage

von Handwerksbetrieben und Industrieunternehmen. Gerade die Erden- und Natursteinindustrie erfuhr seit dem Ende des 19. Jahrhunderts einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. Zu nennen sind hier der Weiberner Tuffsteinhandel, der Phonolithabbau in Brenk sowie die Traßzement- und Tonziegelproduktion in Burgbrohl.

Um den enormen Baustoffbedarf der Nachkriegszeit zu decken, wurde in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts mit dem intensiven Abbau der basaltischen Schlackenkegel begonnen. In der Folgezeit blieben so nur wenige Vulkane vor dem Abbau verschont. Die zunehmende Technisierung, die Anschaffung von Großgeräten, (Raupen, Förderbänder, Brecheranlagen) vereinfachten und beschleunigten die sonst doch recht mühselige Lavaausbeute. Es ist heute binnen weniger Jahre oder Jahrzehnte problemlos möglich, ganze Vulkankegel abzutragen und zu entsprechenden Baustorfen zu verarbeiten.

In der Gegenwart zeigt sich deutlich ein Strukturwandel innerhalb der Abbaubetriebe. Wurde bisher von den Unternehmen „nur“ Lavasand oder Basalt abgebaut, kommt es heute zur „intelligenten Nutzung“, d.h. zur Veredelung der Abbauprodukte. Aufgrund der hervorragenden bauphysikalischen Eigenschaften ist das abgebaute Material vielseitig verwendbar. Die Produkte zeichnen sich u. a. durch hohe Beständigkeit gegen Witterungseinflüsse, Verrottung, Chemikalien (saurer Regen), Feuer und mechanische Beanspruchung aus. Die unterschiedliche Porenstruktur wirkt sich positiv auf die Frost- und Tausalzbeständigkeit aus.

Für die lieferbare Produktpalette müssen jährlich gewaltige Mengen an Lavamaterial abgebaut werden. Die fortschreitende Zerstörung der Vulkankegel im Laacher See-Gebiet und im Neuwieder Becken ist somit nicht mehr aufzuhalten.

Lavaausbeute am Herchenberg

Der Herchenberg war einer der schönsten und landschaftsprägenden Vulkankegel im „Kegelspiel“ des Laacher See-Vulkangebietes. Er war ohne jeglichen Baum- oder Heckenbewuchs und nur von einem Trockenrasen bedeckt, in dem botanische Raritäten wuchsen. Als Besonderheit wird schon 1884 der Gelbe Günsel (Ajuga chamaepitys) genannt, der in der Osteifel nur noch am Plaidter Hummerich vorkam, dort aber durch den Abbau der vulkanischen Schlacken verschwunden ist.

Zurückgeblieben ist heute eine Grube, die gewaltige Dimensionen aufweist. Durch den Schlackenabbau und den Abtransport des Materials ist die Grube in südliche und südöstliche Richtung geöffnet. Aus dieser Richtung ist der angeschnittene Hang deutlich einzusehen. Von Norden und Nordosten dagegen erscheint der Herchenberg als flache Kuppe, die sich sanft über die umgebene Terrassenfläche erhebt. Abbauflächen, Halden und Betriebsanlagen sind aus dieser Richtung nicht einzusehen. Am Herchenberg wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts Abbau betrieben. Ausgebeutet wurden aber zunächst nicht die vulkanischen Förderprodukt sondern die im südöstlichen Bereich abgelagerten tertiären Tone. Die 1899 gegründete „Stein- und Tongesellschaft“ beschäftigte nach den wechselhaften zwanziger Jahren fast 1.000 Angestellte und Arbeiter. Produziert wurden zunächst Dachziegel und andere keramische Bauelemente, später auch anspruchsvollere Produkte. Bei der Tongewinnung am Herchenberg ergaben sich aber erhebliche Probleme durch große Mengen immer wieder nachrutschender vulkanischer Sande. Mit dem großflächigen Abbau von Lavasand begann man erst um 1950. Die Ausbeute wurde in den darauffolgenden Jahren gesteigert. Zu dieser Thematik ist folgende Eintragung in der Oberlützinger Dorfchronik zu finden, die auszugsweise bei SCHÄFER (1993) nachzulesen ist:

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Herchenberg 1960, Aufnahme von Süden.Herchenberg 1993, Luftaufnahme von Süden.

„Die weitere Erschließung der Lavakrotzenvor-kommen am Herchenberg hatte sich im Laufe des Frühjahrs bedenklich dem Gipfel genähert und schon beträchtliche, von weitem ins Auge fallende Strukturveränderungen hervorgerufen. Die sich bedrohlich für den Fortbestand des Herchenberges überhaupt anbahnende Entwicklung rief die zuständigen Kommunal- und Naturschutzbehörden auf den Plan. In einer Ortsbesichtigung am 8. Juni 1956 wurden die Grenzen des Lavaabbau festgelegt, wonach der eigentliche Gipfel erhalten bleiben soll, während die bereits bestehenden Grubenfelder am Südosthang zur Ausbeutung freigegeben wurden.“

Die Bemühungen, Teile des Herchenberges zu erhalten, schlugen aber fehl. Die letzte Eintragung in der Dorfchronik vom Juni 1964 über den Herchenberg stellt drastisch fest:

„Der Herchenberg verschwindet! Der einst stolz sich über Oberlützingen erhebende […] Herchenberg, ein Wahrzeichen des Dorfes und des Brohltales, fällt mehr und mehr Baggern, Raupen und Lastzügen zum Opfer. Der einstige Vulkankegel birgt Lavalith, das scheinbar überall gebraucht wird …“

Da auch weiterhin eine stete Nachfrage nach den vulkanischen Förderprodukten besteht, werden sich in den kommenden Jahren die Veränderungen am Herchenberg und in der unmittelbaren Umgebung ständig fortsetzen; die Landschaft wird lokal eingetieft. Die Kartenausschnitte (s. Abbildung) beschreiben die in den letzten’fünfzig Jahren erfolgte Landschaftsveränderung am Herchenberg. In der Ausgabe der Topographischen Karte im Maßstab 1 : 25.000 (TK 25) von 1940 sind die Tongruben der „Stein- und Tongesellschaft“ eingezeichnet. Der Abbaubetrieb wurde um 1956 verkauft. Der Beginn der Lavaausbeute ist in der Karte von 1953 dargestellt. Er begann am ehemaligen Sportplatz von Oberlützingen. Die Abbaufläche vergrößerte sich bis 1964 ständig. Die ersten Grabungen in Richtung des noch bestehenden Gipfels sind dabei schon zu erkennen. Die zuvor beschriebenen Bemühungen, zumindest ein Teil des Herchenberges bzw. seines Gipfels zu retten, waren zwecklos. Schon in der 1972er Ausgabe derTK 25 ist die Abbaufläche beträchtlich vergrößert, der Gipfel verschwunden. In den nachfolgenden Jahren greift der Abbau immer weiter nach Norden bzw. nach Nordwesten (Ausgabe 1985 der TK 25) aus. Auch die letzte aktualisierte Kartenausgabe (1992) gibt nur einen momentanen Ausbauzustand wieder. Der Abbaubetrieb hat sich zwischenzeitlich weiter in nordwestliche Richtung vergrößert, die Grenzen sind begradigt worden. Zur Zeit erfolgt eine Erweiterung der Grube nach Südosten.

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Landschaftsveränderungen am Herchenberg 1940 -1992, Kartenausschnitt aus TK25, Blatt Burgbrohl, stark verkleinert.

Natur- und Landschaftsschutz

Die starke Belastung der vergangenen Jahrzehnte und ihre Aus- bzw. Nachwirkungen werden aus diesem „traurigen“ Beispiel deutlich. Der Herchenberg ist aber leider kein Einzelfall. In unmittelbarer Nähe erlitten der Leilenkopf und der Kunkskopf das gleiche Schicksal. Soweit die einmalige Vulkanlandschaft im Laa-cher See-Gebiet noch nicht zerstört wurde, ist nun die Erhaltung der übriggebliebenen Vulkane die Hauptaufgabe des Natur- und Landschaftsschutzes. Obgleich es die Steinindustrie nicht erst seit der Neuzeit gibt, schuf der Mensch jedoch mit der Entwicklung neuer Maschinen eine Situation, die den Schlackenkegeln, besonders des Laacher Vulkangebietes, gefährlich wurde. Der nach wie vor große Bedarf an vulkanischen Produkten wird dazu führen, daß bestimmte Vulkane, wie z. B. der Herchenberg und der Kunkskopf, über kurz oder lang als natürliche Reliefformen der Landschaft fast vollständig verschwinden oder ihre ursprüngliche Form bis zur Unkenntlichkeit zerstört wird. An dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, daß es nicht Sinn dieses Aufsatzes ist, die Steine-und-Erden-lndustrie anzuklagen. Die Baustoffindustrie war und wird immer standortgebunden sein. Die vulkanischen Förderprodukte können nur dort abgebaut werden, wo sie auch vorkommen – in Vulkangebieten.

Rekultivierung

Nach dem vollständigen Abbau vieler Vulkankegel gilt es nun, vernünftige Konzepte für eine Folgenutzung zu finden. Dabei spielen ästhetische, ökologische und kulturelle Aspekte bzw. Ansätze eine große Rolle. Festzustellen bleibt:

selbst nach einer aufwendigen Rekultivierung -ganz gleich, wie diese letztendlich aussieht – ist das ursprüngliche Landschaftsbild nicht mehr herzustellen. Die charakteristischen Vulkanberge sind für immer verloren.

Die nur teilweise oder überhaupt nicht durchgeführte Rekultivierung alter Gruben hat viele ökologische Vorteile. Aufgelassene Steinbrüche entwickeln sich in relativ kurzer Zeit zu überaus bemerkenswerten „Sekundärlebensräumen“. In wenigen Jahren ist die Floren- und Faunenvielfalt ungleich größer als in vollständig rekultivierten Steinbrüchen. Auch kulturelle, d. h. historische, künstlerische und vor allem wissenschaftliche Interessen profitieren von nicht vollständig rekultivierten Tagebauen und Steinbrüchen. Hier kommt der immer häufiger verwandte Begriff des „Geotops“ zur Geltung: Geotope sind Zeugnisse der Entwicklungsgeschichte der Erde. Der Abbau der vulkanischen Produkte hat an vielen Stellen die teritiären und quartären Vulkanbauten geöffnet. Sie geben somit in unserer zunehmend verbauten und stark versiegelten Landschaft einen genauen Einblick in das „Innenleben“ des Vulkans, in das Ausbruchsgeschehen sowie in den Aufbau und die Entwicklung der gesamten Landschaft. Der 1994 neu eröffnete Vulkanpark Brohltal /Laacher See versucht dieser Thematik gerecht zu werden, um so auch ein Interesse bei „Nichtgeowissenschaftlern“ zu wecken.

Es zeigt sich somit, daß es bedeutend sinnvoller sein kann, die vorgeschriebene und meist sehr kostspielige Rekultivierung nur im Sinne der Absicherung und des Erhaltens alter, aufgelassener Steinbrüche durchzuführen. Die dadurch erzielten Ergebnisse haben einen erheblich höheren Wert, als die totale Verkippung und Einebnung der stillgelegten Abbauflächen, die -je nach eingebrachtem Material – auch Umweltrisiken beinhalten können. Im Falle des Her-chenberges bleibt nur zu hoffen, daß bei der zur Zeit beantragten Verfüllung von Abbauflächen mit „unbelastetem“ Bodenaushub diesem Aspekt Rechnung getragen wird, d. h. Flächen von der Verkippung ausgespart werden. Anzustreben ist daher von vornherein die Beachtung touristischer und wissenschaftlicher Interessen, indem zum einen ausgewählte Bereiche des Herchenberges im jetzigen Zustand (z. B. Abbauwände) erhalten bleiben, zum anderen bei der Verfüllung die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (Vegetation) unbedingt berücksichtigt werden muß.

Literatur:

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