KREUZE auf den Ahrbergen
VON JAKOB RAUSCH
Holzweiler Kreuz
Foto: Käufer
Der Wanderweg Ahrweiler-Altenahr, der links der Ahr als Höhenweg durch die nördliche Ahreifel führt, weist auf Bergeshöhen drei volkstümliche Kreuze auf: das Holzweiler Kreuz, das Judenkreuz und das Weiße Kreuz.
Das Holzweiler Kreuz
ist ein Grenzkreuz. Es liegt auf der Grenze der Ringener und Lantershofener Gemarkung. Im Westen nähern sich die Vettelhofener und die Holzweiler und im Süden die Ahrweiler Gemarkung dem Kreuze. Hier fanden sich die Bewohner der benachbarten Dörfer in der fränkischen und frühmittelalterlichen Zeit zum Volksding ein. Im späteren Mittelalter trafen sich dort die Markgenossen in den ersten Maitagen zum Flurgang, bei dem die Grenzen zwischen den Gemarkungen immer wieder festgestellt wurden. Grenzbäume, Grenzsteine und Wegkreuze bezeichneten die Grenze. Hier wurden gemeinsame Fragen der Waldpflege und der Markgenossenschaft erörtert. Grenzstreitigkeiten wurden beigelegt. Aus den Ahrweiler Weistümern hören wir, daß die Flurbegänge oft auch einen sakralen, prozessionsartigen Charakter hatten. Das Allerheiligste wurde bei guter Witterung mitgeführt, und während die Leute am Holzweiler Kreuze rasteten, wurde das Hochwürdigste Gut in die Nische des Kreuzes gestellt. Zum Schütze der Prozession und zu Ehren des Königs der Könige gaben die Ahrweiler Schützen das Geleit, was in den unruhigen Kriegs- und Fehdezeiten ja auch notwendig war. Wenn auch die Flurbegänge schon vor 1800 aufhörten, so steckt im Volke noch immer der Zug zum Holzweiler Kreuz. Familien wandern sinnvoll auf alten Wegen der Ahnen, sie schmücken das Kreuz mit Blumen; sie rasten dort auf der Holzbank, sie stärken sich und gehen mit dem Segen des Kreuzes wieder in ihr Dorf zurück.
Das Judenkreuz
steht auf der Bockshardt nordwestlich von Mayschoß, umgeben von Tannen und knorrigen Eichen. Vom Bergrücken schaut man in den Mayschosser Talkessel, in dessen Mitte sich die Saffenburg erhebt, die von den höheren Ahrbergen kranzförmig umgeben wird. Das massive Steinkreuz zeigt im oberen Teile das Kreuz mit dem Christuskörper und den beiden Getreuen, Maria und Johannes. Unter dieser Kreuzesgruppe stellt der mittlere Teil eine Nische dar, in der ein zweites kleineres Kreuz reliefartig sich hervorhebt.
Judenkreuz bei Altenahr Foto: Kreisbildstelle
Am Fuß des Steinmals findet sich folgende Inschrift: „Zur Ehren der hochwerten Pardickel des heiligen Creutzes, welche im Jahr 1700 aus der Aldenacher Pfarrkirchen gestohlen; allhie aber durch einen Juden wegen schweren Last niedergelegt und durch des Juden Bekantnus, Ahnweisung – und darauf erfolgt dessen Bekehrung. Gott sei Dank! Glücklich wieder gefunden worden! Anno 1728 Aufgericht.“ Ein Ritter von der Burg Are brachte aus dem Kreuzzuge eine Partikel vom Kreuze des Heilandes mit. In der Heimat ließ er ein kostbares silbernes Kreuz anfertigen. In der Mitte dieses Kreuzes wurde die teure Reliquie unter einer Glashülle eingefügt. Er schenkte diesen kostbaren Schatz der Pfarrkirche zu Altenahr. Viele Gläubigen wallfahrten besonders am Karfreitag, am Feste Kreuzauffindung und am Feste Kreuz Erhöhung zu der Gnadenstätte der Altenahrer Pfarrkirche. Im Jahre 1700 stahl ein Jude das Kleinod. Mit seiner Beute zog er schon über den Burgberg, am Weißen Kreuz vorbei, immer höher in den nächtlichen Wald der Weidenhardt. Hier überfielen ihn plötzlich Angst und Schrecken, zumal der Schatz ihm zentnerschwer deuchte. Da bekam er bittere Reue über seine Untat. Zunächst vergrub er den Schatz unter einer Eiche. Am nächsten Morgen erschien er im Pfarrhaus zu Altenahr und bekannte seine Missetat. In feierlicher Prozession wurde das kostbare Kleinod wieder in die Pfarrkirche zurückgebracht. Der Jude aber bekehrte sich und ließ sich taufen. An der Stelle, wo der Jude das Kreuz vergrub, wurde 1728 das noch heute stehende Steinkreuz errichtet, und das in der Nische eingemeißelte Kreuz ist die Nachbildung des silbernen Kreuzes mit der Partikel. Noch heute zieht an jedem Karfreitagmorgen eine Prozession von der Pfarrkirche zu Altenahr nach dem Judenkreuz. Und die bußfertigen Wallfahrer beten zum Lamme, das hinwegnimmt die Sünden der Welt, es möge ihnen verzeihen, wie er auch dem Schacher am Kreuze und dem Juden verzieh.
Das Weiße Kreuz
Auf der vom Altenahrer Burgberg ausgehenden, nach Norden sich erstreckenden Felsrippe, steht das Weiße Kreuz, vom Ahrtale oberhalb und unterhalb von Altenahr sichtbar. Besonders aber tritt es in Erscheinung, wenn man von den Ahrbergen aus die Ruinen der Burg Are betrachtet.
Um dieses weiße Kreuz ranken sich zwei Sagen. Über die erste wird in ihrem Ursprung schon von dem französischen Zisterziensermönch Albericus, der um 1200 Chronist in dem Kloster Trois-Fontaines bei Chalons sur Marne war, berichtet. Auf seiner Rheinlandreise nach 1200 erforschte dieser Mönch, den Spuren seines Ordensheiligen Bernhard von Clairveaux folgend, dessen Wirken vor dem zweiten
Kreuzzuge 1148 im Rheinland. Wie staunte der Mönch der flachen Champagne, als er die schroffen Felsen mit der stolzen Burg Are erblickte! Und er pflichtete dem Glauben des Volkes bei, daß ein solch kühnes Werk nur mit Hilfe des Teufels hätte entstehen können. Der Teufel habe dem Grafen Theoderich L, so berichtet der Mönch, mehrere Jahre gedient. Eines Abends, als der Graf die Mondscheibe betrachtete, fragte er den ihm dienenden Teufel, was er vom Monde halte. Da antwortete dieser, er sei bei dessen Erschaffung zugegen gewesen, und der Teufel erzählte weiter vom Alter des Mondes, von seiner Erschaffung und von dem Ursprung der Welt. Dann sprach der Teufel aber auch von seinen eigenen Kräften und daß es ihm ein Leichtes sei, auf den spitzen Felsenwänden eine Burg zu errichten. Der Graf willigte ein, zumal seine 1196 zerstörte Altenburg beim gleichnamigen Ort noch nicht wieder aufgebaut war, fragte aber den Teufel, welchen Lohn er für den Burgbau fordere. Der Teufel aber wich der Antwort aus und sagte nur, er werde seinem Freund nicht zu viel abverlangen, wohl müsse er ihm als Baumeister freien Zutritt zur Burg gewähren. Je mehr der schnelle Burgbau seinem baldigen Ende zuging, desto unruhiger und kümmerlicher zeigte sich der Graf. Seine kluge und fromme Gemahlin fragte ihn nach dem Grunde seines Kummers. Darauf bekannte er seinen Pakt mit dem Teufel. Sie aber wußte Rat, und dem weisen Rat folgte schnelle Tat. Sie ließ auf dem Burgwege vor der Burg, mächtig gegen Himmel ragend, das weiße Kreuz errichten, wissend, daß der Höllengeist, die v/eiße Farbe hassend, das Kreuz aber als Siegeszeichen Christi über Satan und Sünde meide. So stand das weiße Kreuz nach Norden; nach Osten aber schirmte das Kreuz auf der Burgkapelle den Bösen ab. Von Süden her wehrte ihm das schwarze Kreuz und von Westen das Kreuz auf dem Kreuzberge. Aber die Hauptbedeutung hat das Weiße Kreuz, da hier die Menschen zur Burg steigen, gute und böse, und das Kreuz wehrt keinem Menschen den Zutritt, nur dem Teufel selber war der Zutritt versagt. Eine spätere Volkssage berichtet folgendes:
Weißes Kreuz bei Altenahr
Foto: Lorenz
Eine arme Witwe, Mutter von sechs unmündigen Kindern, verlor im harten Lebenskampfe, da sie ihre Kinder trotz ihres Schaffens nicht ernähren und kleiden konnte, das Gottvertrauen. Bittere Verzweiflung nagte in ihrer Seele, und dies umnachtete ihren Geist. Sie eilte zu dem steilen Burgfelsen, um sich von dort in die Tiefe zu stürzen. An der letzten Biegung des Burgweges sah sie auf das Dorf Altenahr. Zum letzten Male will sie von oben auf ihr Haus schauen, in dem noch die nichts ahnenden Kinder weilen. Da sieht sie auf ihrem Hause ein kleines weißes Kreuz stehen. Bei näherem Zusehen sieht sie auch auf den Nachbarhäusern, ja auf jedem Hause der Talbewohner, ein Kreuz; aber diese Kreuze sind alle größer, unförmlicher und schwerer als das niedliche Kreuz auf ihrem Hause. Und da sie sich zur Burg wendet, sieht sie dortselbst ein großes, kantiges, wohl goldenes, aber darum ein um so schwereres Kreuz stehen. Da ging die Frau in sich, die Verzweiflung wich, sie eilte nach Hause zu ihren Kindern. Gottvertrauen machte sie weiter mutig und stark, und sie meisterte das Leben, da sie jetzt froh ihr kleines Kreuz trug. Und sie erzog ihre Kinder in Gottesfurcht, und jeder ihrer Jungen erlernte ein Handwerk,
und Not und Armut waren verbannt. Da sie nun den Kindern von ihrer beabsichtigten Verzweiflungstat und ihrer Bekehrung erzählte, zimmerte der Schreiner das Weiße Kreuz, und die Söhne trugen, begleitet von der Mutter und der ganzen Familie, das Kreuz auf den Burgberg. Sie errichteten es an der Stelle, wo die Mutter die Kreuzschau hatte und sich bekehrte, als Kraft- und Siegeszeichen im Lebenskampfe für die Talbewohner und alle, die es schauen und noch guten Willens sind.