Kleinere religiöse Denkmäler im Ortsbezirk Ringen
Ottmar Prothmann
Als vor drei Jahren in der Gemeinde Grafschaft alle Denkmäler erfaßt wurden, um sie in Zukunft besser schützen und je nach den Erfordernissen auch restaurieren zu können, wurden in diese für die Kreisverwaltung aufgestellte Denkmälerliste auch die noch vorhandenen steinernen Kreuze (ebenso wertvolle Holzkreuze), Bildstöcke und Heiligenhäuschen aufgenommen. Es ist erfreulich, daß diesen kleineren religiösen Denkmälern auf dem Lande in letzter Zeit wieder etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Eine Reihe von ihnen werden durch Privatpersonen liebevoll betreut, manche wurden auch restauriert und doch sind etliche im wahrsten Sinne des Wortes ganz aus dem Blickfeld geraten, da sie von Hecken und Sträuchern überwuchert oder so stark zerstört wurden, daß kaum etwas von ihnen übrig blieb. Und einige schließlich wurden von skrupellosen Zeitgenossen gestohlen, um sie zu Hause im Garten oder sonstwo aufzustellen.
Ohne Zweifel sind diese religiösen Zeichen früherer Generationen es wert, erhalten und gepflegt zu werden, nicht nur aus Gründen der Pietät, sondern darüber hinaus, weil sie oftmals Denkmäler von kunst-, kultur- und heimatgeschichtlicher Bedeutung darstellen. Abgesehen davon sind sie in jedem Fall eine wertvolle Belebung der Umwelt, sei es in Feld, Wald oder Dorf. Die Geschichte ihrer Entstehung und der Anlaß ihrer Errichtung liegen oftmals im Dunkeln. Gelegentlich nur besteht in den Ortschaften eine mündliche Überlieferung, die jedoch bald nicht mehr faßbar sein wird, wenn man sie nicht augenblicklich aufzeichnet. Häufiger Anlaß war ein plötzlicher, manchmal auch gewaltsamer Tod eines Menschen. Andere Kreuze wurden zum Dank für die Errettung aus großer Not und weitere wiederum auch zur Ehre Gottes aufgestellt. Eine Reihe von Hochkreuzen mit Nischen sind Wetterkreuze, die die Fluren vor Unwetter und Hagel schützen sollten. In die Nischen wurde bei den Flur- und Wetterprozessionen die Monstranz abgestellt.
Im Ortsbezirk Ringen — er ist identisch mit der gleichnamigen Pfarrei —, umfassend die Dörfer Ringen, Beller und Bölingen, finden sich besonders viele Kreuze. Die meisten datierten Kreuze, nämlich neun von 14 stammen aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts, zwei wurden im 17. Jahrhundert errichtet — das älteste davon 1659 — und zwei Kreuze sowie ein Heiligenhäuschen sind im letzten Jahrhundert entstanden.
Beginnen wir im Orte Beller, wo ein 3,54 m hohes steinernes Wegekreuz fast versteckt im Garten gegenüber dem Hause Heppinger Straße 78 steht. Es ist ein Segenskreuz, das wie üblich an einer Wegekreuzung errichtet wurde. Der am Kreuz beginnende Hohlweg in Richtung Fritzdorf fiel bei der Flurbereinigung weg und so versetzte man das Kreuz einige Meter weiter in den Garten. Von der Inschrift sind nur noch die Jahreszahl 1729 und die Worte »zu Ehren« lesbar. Ergänzen könnte man »zu Ehren Gottes«, »zu Ehren Maria und Joseph« oder ähnlich. Bei früheren Fronleichnamsprozessionen wurde an dieser Stelle einer der vier Altäre aufgebaut. Am Straßenrand zwischen Beller und Ringen steht nahe der Autobahnunterführung ein Basaltlavakreuz von besonderem künstlerischem Wert. Es ist das sogenannte Türkenkreuz, ein ehemaliges Friedhofskreuz, das die Erinnerung an vier Verstorbene der Familie Scheufelgen, gestorben 1725,1728 und später, festhält. Auffallend an diesem Kreuz ist die seltsame Darstellung der Rosenkranzkönigin mit dem Jesuskind auf dem Arm. Während sie auf dem Rumpf eines toten Türken steht, hält das Jesuskind dessen abgeschlagenen Kopf in der Hand. Die siegreiche Abwehr der Türken wurde nämlich entscheidend der Hilfe der Gottesmutter auf Grund des Rosenkranzgebetes zugeschrieben. Solche und ähnliche Darstellungen aus der Zeit, als die Türken das christliche Abendland bedrohten, erscheinen uns heute grausam und unchristlich. Man kann sie nur im Zusammenhang mit jener Zeit verstehen.
Wegekreuz von 1715 zwischen Ringen und Bölingen
Ein Stück weiter in Richtung Ringen steht rechts an der Abzweigung des Weges zur Fritzdorfer Windmühle ein hohes, weiß gestrichenes Steinkreuz, das vorne von einem Gitter umgeben und rückseitig durch Eiben abgegrenzt ist. Seine Inschrift ist nicht mehr lesbar, erkennen kann man jedoch noch den Namen Maria Catharina Kohlhaas. Nach mündlicher Überlieferung soll diese Frau hier gestorben sein. Wie am Wegekreuz in Beller, so wurde auch hier bei früheren Fronleichnamsprozessionen der Segen erteilt.
Das nächste Kreuz ist ein einfaches Holzkreuz im Dorf Ringen, und zwar an der Einmündung des Stadtweges in die Bundesstraße 266. Es wurde 1974 von der Gemeindeverwaltung erneuert, da das Holz morsch geworden war.
Ebenfalls am Stadtweg, jedoch hinter dem Bahndamm sehen wir ein 1,73 m hohes Steinkreuz, das im Jahre 1722 Wilhelm Jungen und Agnes geb. Brogsitter errichten ließen.
Ein schlichtes Basaltlavakreuz mit der Jahreszahl 1702 steht an einer Wegekreuzung östlich der Ringener Tongrube, unmittelbar an der Gemarkungsgrenze zu Karweiler. Gehen wir von Ringen aus in Richtung Bölin-gen, so sehen wir linker Hand bald unten im Tal des Asbaches ein massives Tuffsteinkreuz, das bis vor einigen Jahren ein paar Schritte weiter unter einem Kastanienbaum gestanden hatte. Hier lief vor der Flurbereinigung ein alter Hohlweg vorbei, der sogenannte Mühlenweg, der von der Ahr hinauf auf die Hochebene in Richtung Eckendorf und Gelsdorf führte. Das Kreuz zeigt den gekreuzigten Christus, darüber Gott Vater und den Heiligen Geist, ferner zwei Engel, die an den Wundmalen der Hände Blut auffangen, und unter dem Kreuz Maria und Johannes. Leider sind die Figuren teilweise stark zerstört, doch sicher nicht durch schwedische Soldaten im Dreißigjährigen Krieg, wie eine mündliche Überlieferung fälschlicherweise besagt. Auch eine darunter eingehauene Inschrift ist nicht mehr vollständig zu lesen. Sie lautete ehemals: HER • LEONARD • VLRICH • VICARIS – S • C -IN • ARWILER – IOHANN • VLRICH • MARIA • ROTHAR • ANNO -1715. Das genannte Ehepaar Johann Ulrich und Maria geb. Rothar wohnte in Bölingen und errichtete dieses mächtige Kreuz zum Andenken an ihren zwei Jahre zuvor im Alter von 37 Jahren verstorbenen Sohn Leonhard. Er war Vikar der Kreuzvikarie in Ahr-weiler (S • C in der Inschrift bedeutet sanctae crucis) gewesen.
Unmittelbar an der Straße zwischen Ringen und Bölingen befindet sich ein ehemaliges Grabkreuz vom Jahre 1722, das man irgendwann in der Vergangenheit vom Kirchhof geholt und hierhin an die Stelle eines vielleicht verwitterten Holzkreuzes gesetzt hat, genauer gesagt, an die gegenüberliegende Straßenseite. Dort jedoch stand es im Wege, und so fand es vor etlichen Jahren seinen heutigen Platz. Auch dieses Kreuz stand an dem genannten Mühlenwege. Da es ein Grabkreuz für den Schultheißen von Ringen, Johannes Scheufelgen, und seine Frau, eine geborene Ulrich, ist, kann man annehmen, daß das ursprünglich hier gestandene Kreuz mit den Angehörigen dieser Familien in Verbindung gestanden hat. Daß hier schon vor Jahrhunderten ein Kreuz stand, beweist der bereits 1728 gebräuchliche Flurname »Am Kreuzer Feld«.
Wenn man vor der Flurbereinigung den genannten Mühlenweg weiter nördlich ging, stieß man nach etwa tausend Meter auf ein Heiligenhäuschen. Es befindet sich auch heute noch hier und ist schon von weitem durch einen weißblühenden Kastanienbaum leicht zu erkennen. Mit seinen zwei vorgesetzten Säulen, die einen Baldachin tragen, hat es eine auffallende Gestalt. Eine ehemals vorhandene Inschrift ist nicht mehr einwandfrei lesbar. Sie lautete: Pro memoria ANNAE SOPHIAE WILLEMS e gente WACHENDORFF hie defunctae ANNO MDCCCLVI (Zur Erinnerung an Anna Sophia Willems geb. Wachendorff, die hier im Jahre 1856 verstarb). Das Unglück soll, wie Pastor Schug aus Ringen ermittelte, geschehen sein, als die Familie zur Weinlese an die Ahr fahren wollte. An dieser Stelle scheute das Pferd und die Frau stürzte vom Wagen. Eine andere mündliche Überlieferung in Bölingen (Informant Josef Hermann) besagt, daß an dieser Stelle der leicht abschüssige Weg eine scharfe Biegung machte und hier die aufgeladenen Fässer ins Rutschen gerieten, wodurch die Frau vom Wagen stürzte. Tatsächlich ist auf alten Karten diese scharfe Kurve genau zu erkennen. Geht man von Ringen aus nach Bölingen hinein, so sieht man rechts vor der Gärtnerei Assenmacher ein hohes Wegekreuz, das laut Inschrift im Jahre 1830 von dem in Ringen ansässigen Junggesellen J.P. Wershoven zur Ehre von Jesus, Maria und Joseph errichtet wurde. Dieses 3,58 m hohe Steinkreuz mit einem Reliefkruzifix dürfte damals eine stattliche Summe Geld gekostet haben und demnach wird J.P. Wershoven zu den wohlhabendsten Einwohnern von Ringen gehört haben.
Ebenfalls an der Hauptstraße steht im Vorgarten des Hauses 129 ein kleines unscheinbares Steinkreuz mit der Jahreszahl 1659 und dem Namen »Johanes Wasweler«. Nach mündlicher Überlieferung in der Familie des genannten Hauses soll im Vorgarten ein Weiher gewesen sein, in dem dieser Johannes Wachsweiler ertrunken sei.
Gehen wir eine weitere kurze Wegstrecke ins Dorf hoch, so biegt links die Elligstraße ab, die in die Felder hinaus führt. Es ist der alte Ahrweiler Weg, an dem eine ganze Reihe von Kreuzen stand. Im Bereich der Gemarkung Ringen sind es heute noch drei Steinkreuze. Das erste findet sich in der Ecke einer Baumwiese, am Ortsrand von Bölingen. Nur Oberteil und Sockel dieses ehemals wuchtigen Kreuzes sind noch erhalten. Niemand scheint mehr etwas über dieses Kreuz zu wissen.
Ebenfalls auf der linken Seite stehen zwei kleinere Basaltlavakreuze. Das erste wurde 1733 von Zachäus Ulrich und seiner Frau Veronika geb. Radermacher errichtet. Zachäus Ulrich wurde 1666 geboren und lebte in Bölingen. Seine Eltern sind die bereits genannten Johann
Wegekreuz am Ahrweiler Weg
Fotos: Prothmann
und Maria Ulrich, der genannte Vikar Leonhard Ulrich war sein Bruder und die Frau des oben aufgeführten Schultheißen Johannes Scheufelgen war die Schwester seines Großvaters. Zachäus Ulrich hatte neun Kinder, besaß 1728 48 Morgen (zu 32 Ar gerechnet) eigenes Ackerland und bebaute 63 Morgen Land. Er hatte zwei Pferde und 4 Kühe und gehörte damit zu den begütertsten Bauern der Pfarrei Ringen. Das zweite Kreuz am Ahrweiler Weg trägt weder eine Inschrift noch eine Jahreszahl, sondern lediglich am Kopf die Buchstaben INRI. Im großen Waldbezirk der Ringener Gemarkung, die fast nach Marienthal hinunter reicht, sind heute noch drei Kreuze vorhanden. Am Rande des Waldes steht unmittelbar an der Gemarkungsgrenze zu Lantershofen am Weg, der nach Holzweiler führt, das Holzweiler Kreuz, in der Bevölkerung auch der »weiße Herrgott« genannt. Das auf einem Steinsockel stehende Holzkreuz mit einem gußeisernen Korpus — es wurde 1972 zuletzt von der Gemeinde erneuert — ist ein wichtiger Orientierungspunkt im Wanderwegenetz des Ahrtales. Eine Ruhebank lädt zum Verweilen ein.
Im Wald bei Bölingen befindet sich an der Kreuzung des Vettelhovener Pfades mit dem Materialweg ein knapp zwei Meter hohes Basaltlavakreuz von 1722 mit den Namen Peter Roden und Margaretha Bach. Es sieht dem oben genannten Kreuz am Stadtweg aus demselben Jahre sehr ähnlich. Nach der dörflichen Überlieferung soll Peter Roden Förster gewesen sein, doch ist er in einem Verzeichnis der Ländereien von 1728 (Stadtarchiv Bad Neuenahr-Ahrweiler A 583) als Bauer mittlerer Größe mit einem Pferd und drei Kühen verzeichnet. In diesem Verzeichnis wird bereits das »Peter Roden Creutz« als Orientierungspunkt genannt. Das dritte Kreuz im Ringener Wald steht neben der alten Auffahrt zu dem seit 200 Jahren verschwundenen Hambachshof im südlichen Teil der Gemarkung. Es ist nur roh behauen und weist keinerlei Inschrift auf, so daß sein Alter nicht zu schätzen ist. Vielleicht wurde es schon im Mittelalter errichtet, möglicherweise auch erst im 17. Jahrhundert, wahrscheinlich jedoch ist es das älteste Kreuz im Ortsbezirk Ringen. So wie über sein Alter nichts bekannt ist, weiß man auch nichts sicheres über den Grund der Errichtung. Wie der verstorbene Ringener Lehrer Leo Stausberg Anfang der 50er Jahre von einem alten Waldkenner erfahren hat, soll hierein Mord geschehen sein. In jüngster Zeit ist leider ein Arm des Kreuzes abgebrochen, den ein aufmerksamer Ringener Bürger provisorisch mit Draht befestigt hat, damit er nicht völlig verlorengeht.
Außer den genannten heute noch vorhandenen Kreuzen gab es noch weitere, die leider verschwunden sind und trotz eifriger Nachforschungen nicht mehr auftauchten. So stand im Hang am Weg von Ringen zur Fritzdorfer Windmühle, unmittelbar hinter dem ehemaligen Bahndamm, ein kleines Steinkreuz, auf dem zu lesen war, daß am 4. Dezember 1724 der ehrsame Junggeselle Zachäus Kohlhaas verstorben sei. Das Kreuz verschwand nach dem Oktober 1971.
Verschwunden ist auch vor dem Juli 1972 ein Steinkreuz an der Gemarkungsgrenze nahe der Fritzdorfer Windmühle. Es war ein Grabkreuz vom Jahre 1683, das der damalige Ringener Pastor Johann Schefer seinem verstorbenen Vater Peter Schefer gesetzt hatte. Dieses Kreuz war vor Jahrzehnten an die Stelle eines anderen hierhin gesetzt worden, mit dem es folgende Bewandtnis hatte: Im Jahre 1804 mußte ein Sohn aus der Familie Krämer in Beller (Bellerhof) nach Spanien in den Krieg ziehen. Sechs Jahre lang blieb er verschollen. Da gelobten die Eltern, an der Stelle, wo der geliebte Sohn die Heimaterde wieder betreten werde, ein Kreuz aufzurichten. Der Vermißte kehrte heim und die Eltern erfüllten ihr Versprechen.
Ein drittes ebenfalls spurlos verschwundenes Steinkreuz stand an der linken Seite der Bundesstraße zwischen Bölingen und Vettelhoven. Weder sein Alter noch eine eventuell vorhandene Inschrift waren bisher ausfindig zu machen. Weniger durch Diebstahl, als durch natürlichen Zerfall des Materials verschwinden die Holzkreuze mehr und mehr aus unserem Landschaftsbild. So stand früher ein Holzkreuz im Wald hinter dem Asbacher Hof (tödlicher Unfall eines Mannes beim Holzfällen), ein weiteres in der »Lurheck« nahe dem schon in der Leimersdorfer Gemarkung stehenden sogenannten »Hochkreuz«. Hier wurde am 23. 7. 1875 die Leiche eines Mäusefallenhändlers aufgefunden. Ob das der Anlaß zur Errichtung dieses Holzkreuzes war? Ein drittes Holzkreuz stand rechts neben dem Materialweg am Bölinger Waldrand und ein viertes (Holz- oder Steinkreuz?) befand sich schließlich am Weg von Bölingen zum Sportplatz, und zwar dort, wo dieser von dem mehrfach erwähnten Mühlenweg gekreuzt wurde. An diesem uralten Verbindungsweg standen also allein auf der kurzen Strecke bei Bölingen drei Kreuze und ein Heiligenhäuschen.
Mögen diese Ausführungen dazu beitragen, die alten religiösen Denkmäler mehr in das Bewußtsein der Dorfbewohner zu bringen, denn wie die Erfahrung nicht nur im Ortsbezirk, Ringen, sondern auch anderwärts sehr deutlich gezeigt hat, gehen vor allem diejenigen Kreuze verloren, um die sich niemand kümmert.