Junggesellenbrauchtum in Königsfeld
Karl Heinz Kurth
Brauchtum kann nur weiterleben, wenn es gepflegt wird. So pflegt der Junggesellenverein Königsfeld alte Bräuche im besonderen Maße, wie z. B. den Maibrauch, die Hillich und die Kirmes.
Am Abend vor dem ersten Mai fahren die Junggesellen des Dorfes mit Traktor und Wagen in den Wald, um einen Maibaum zu schlagen. Auf dem Parkplatz vor der Kirche heben viele fleißige Hände den Maibaum vom Wagen und schmücken ihn mit bunten Bändern. Andere Junggesellen haben in dieser Zeit schon drei »Follien« gebunden, das sind jeweils zwei lange Stangen, die an dem oberen Ende zu einer Gabel zusammengebunden werden. Mit Hilfe dieser Follien wird nun der Maibaum gesetzt und am unteren Ende mit Holzkeilen verankert.
Ist der Maibaum einmal gestellt, geht die Mainacht erst richtig los. Im Wirtshaus werden dann die mindestens sechzehnjährigen Jungen in den Junggesellenverein aufgenommen. Nach einer Trinkprobe, wobei auf dem rechten und dem linken Bein und in anderen Posen abwechselnd getrunken werden muß, geloben die neuen Mitglieder kniend, dem Junggesellenverein »St. Martin zu Königsfeld« die Treue zu halten, zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Bis vor Jahren war es noch üblich, an diesem Abend den Vorstand zu wählen.
Der Maibrauch hat in Königsfeld eine lange Tradition; so finden wir in einer Urkunde von 1851 geschrieben: »Heute am letzten April 1851 sind die heutigen Junggesellen zusammengekommen, um wie bisher gebräuchlich, die Mailehen an den Meistbietenden zu überlassen. Unter einem Silbergroschen darf nicht geboten werden. Der Versteigerungspreis muß gleich bezahlt werden. Jeder, mit Ausnahme der neuen Bürger (neuen Mitglieder) muß zahlen. Auch wenn er kein Mailehen steigert, muß er einen Silbergroschen bezahlen. Die Mädchen, auf die nicht geboten wird, können dann von einem Einzigen als sogenannte Rötzchen ersteigert werden.« Die Versteigerung der Mailehen ist heute noch genauso gebräuchlich. In der Nacht stellen die Junggesellen ihren Mailehen eine geschmückte Birke. Früher führte der an diesem Abend gewählte Schultheis die Versteigerung durch.
In der Urkunde von 1851 steht weiter: Nach der Versteigerung wurden noch vier Schützen gewählt, die kontrollierten ob derjenige, welcher ein Mailehen gesteigert hatte, dieses Mädchen auch den ganzen Mai aufsuchte. Ferner achteten Sie darauf, daß einige Vorschriften im Mai eingehalten wurden: So mußten beispielsweise Hacke oder Mistgabel in der Hand gehalten und durften nicht auf die Schultern gelegt werden. Der Pflug mußte im Stillstand mit dem Ende auf den Kirchturm zeigen. Ein schöner alter Brauch ist die Hillich. So beschreibt Stötzel 1938 in seinem Buch »Sagen des Ahrtals« unter Brauchtum des Königsfelder Ländchens die Hillich in Königsfeld. Der Burgherr hatte das Recht der Erhebung einer Heiratsabgabe von Fremden, die in seine Herrschaft einheirateten oder sich eine Frau aus dem Gebiet seiner Herrschaft nahmen. Dieses Recht soll der mündlichen Überlieferung zufolge später vom Burgherrn an den Junggesellenverein abgetreten worden sein. So schreibt Stötzel: »Von den Bräuchen des Landes hat sich die Hillich bis in unsere Zeit erhalten. In früherer Zeit (vor etwa 135 Jahren) fand am Vortag des ersten kirchlichen Aufgebots die Hillich statt, die oft einer Hochzeitsfeier gleichkam. Zu diesem Fest fanden sich Verwandte und Freunde im Haus der Braut ein. Die Junggesellen des Dorfes versammelten sich am Haus des am Maitag gewählten Schultheiß und zogen mit Gesang zum Festhaus. Dann begaben sich der Schultheiß und zwei am Maitag gewählte Schützen zu den Brautleuten und verhandelten, wenn der Bräutigam aus einem anderen Dorfe stammte, um den Heules, das heißt den Preis mit dem dieser die Braut loskaufen mußte. Die anderen Junggesellen hielten während dieser Zeit in der Küche einen Umtrunk. Der Schultheiß trat mit dem blumengeschmückten Nikolausstab vor die Brautleute und sagte seinen Spruch auf. Danach wurden die Verhandlungen um den Heules geführt. Der Preis richtete sich nach dem Vermögen der Braut. War der Heules entrichtet blieb man noch gemütlich beisammen. Vor dem Aufbruch sprach der Schultheiß den Dank aus. Wurde eine Einigung um den Heules nicht erzielt oder verweigerte der Bräutigam die Zahlung, so verließen die Junggesellen sofort das Haus, um den übrigen Dorfbewohnern den Ausgang der Verhandlungen kundzutun.« So geschah es nach Aussage älterer Bürger um das Jahr 1926, als ein auswärtiger Junggeselle keinen Heules zahlen wollte, daß die Junggesellen ihm am Hochzeitstag das »Sautier trieben«, das heißt, man hatte die Fochmühle gedreht, eine Walle gezogen und geschliffen. Zum Schleifen wurde ein Wagen umgekippt, dann drehte einer das Wagenrad, und ein anderer hielt eine Sense daran. Nun wollte der Bräutigam zahlen, doch die Junggesellen ließen sich nicht mehr besänftigen. Laut Stötzel soll es früher vorgekommen sein, daß bei der Versteigerung des Erbteiles der Braut niemand ein Gebot abgab bevor nicht der Heules bezahlt war, denn auch die Männer des Dorfes leisteten den Junggesellen Beistand und mancher Widerspenstige erlitt dadurch großen Schaden, da er oft seine Felder zu einem Spottpreis verschleudern mußte, wenn er sie los werden wollte.
Beim Mailehen und bei der Hillich war schon von Schützen die Rede. Sehr wahrscheinlich kommt der Ausdruck Schützen daher, daß ledige waffenfähige Jünglinge die Stadt beschützten, bewachten und hüteten. Das Schützenwesen war im Junggesellenverein immer schon stark ausgeprägt. Um 1820 stellte der Junggeselle Mathias Schmitt sein Grundstück neben dem heutigen Wohnhaus Reuter, an der Neuenahrerstraße, den Junggesellen als Schützenplatz zur Verfügung. Er gestattete ihnen hier, solange er lebte, den Vogel zu schießen. Es war seit altersher Sitte, daß die Junggesellenschützen auf Schützenfeste gingen und auch selber am ersten Wochenende im August ein Schützenfest veranstalteten. Nachdem verschiedene Junggesellen heirateten und anscheinend von Seiten des Junggesellenvereins kein Interesse an Schützenfesten mehr bestand, wurde im Jahre 1925 die St.-Hubertus-Schützengesellschaft gegründet. Heute pflegen die Junggesellen gemeinsam mit der St.-Hubertus-Schützengesellschaft das Kirmesbrauchtum.
Die Königsfelder Kirmes wird 1397 zum erstenmal urkundlich erwähnt. So steht geschrieben, die Eynenberger und die Tomberger Linie sollen ihre Kirmes zu Lohrsdorf und zu Königsfeld zusammen hüten und bewahren. Die Kirmes findet 10 Tage nach Fronleichnam statt. Bis zu den sechziger Jahren war sonntags, montags und dienstags Kirmes. Auch wurden die Mädchen des Dorfes Montagnachmittag mit dem Festzug abgeholt. Seit 1971 findet die Kirmes in einem von den Junggesellen errichteten Festzelt statt. Am Samstagabend ist Tanz. Sonntagmorgens um 6 Uhr beginnt das Wek-ken durch die Kapelle Seul-Fuchs. Um 9 Uhr formieren sich die Junggesellen zum gemeinsamen Kirchgang mit Gefallenenehrung. Anschließend halten sie und die Schützen vor den Majestäten aus dem Vorjahr ihre traditionelle Parade ab. Dieses fast militärische Schauspiel hat in Königsfeld schon eine alte Tradition. Die Junggesellen werden angeführt von ihrem Hauptmann und einem Oberleutnant. Neben einem mit Federn geschmückten Admiralshut, einer grünen Uniformjacke und einer weißen Hose gehört auch ein Säbel zur Uniform des Hauptmanns und seines Oberleutnants. Die übrigen Junggesellen kommen in weißer Hose, weißem Hemd und seit 1986 mit historischen, weinroten Baretts, wie sie zur Zeit der Stadtrechtsverleihung an Königsfeld 1336 getragen wurden. Zu den Baretts gehören eine weiße Feder und ein weinroter Kragen; auch werden zwei Hellebarden im Festzug mitgeführt.
Haupttag ist natürlich der Kirmesmontag. Nach einer gemeinsamen Messe ziehen die Schützen und die Junggesellen zum Königsschießen auf den Schützenplatz im Wolfsgraben. Die Junggesellen schießen heute mit dem Kleinkalibergewehr auf einen Holzadler. Vor dem zweiten Weltkrieg schössen sie, wie die Schützen heute noch, mit einer »schweren Büchse«. Wenn der Adler von der Stange fällt ist die Freude bei den Junggesellen groß, besonders beim neuen König. Er wird in Anzug und Zylinder, eine Königskette tragend, begleitet von zwei Ehrendamen, gemeinsam mit dem Schützenkönigspaar und dem Schülerprinzen in einem Festzug der Öffentlichkeit vorgestellt. Anschließend nehmen die Könige und der Pfarrer die Parade ab, bei welcher seit 1983 die aus ehemaligen Junggesellen bestehende Bürgerwehr mit weißem Hemd, schwarzer Hose und einem Holzgewehr in der Hand, besonders exakt paradiert.
Der Junggesellenverein empfindet es als große Ehre, daß er das »Fest der alten Leute«, welches er seit 1971 an Büß- und Bettag veranstaltet, in sein Brauchtum aufnehmen durfte. Rings um den Ort stehen 12 Flurkreuze. Eines trägt die Aufschrift: »JOHANNES DREISER JUNGGESEL IN KF« und wurde 1732 von ihm gestiftet. Auch andere Junggesellen stifteten Kreuze oder machten andere Stiftungen. So sind die Junggesellen zum Wohl der Allgemeinheit da.
Quellen:
Quellen: Stötzel, Sagen des Ahrtals, Bonn 1938.