Josef Heinen aus Ahrweiler – ein Gerechter unter den Völkern
Er war ein Mann mit Ecken und Kanten. Ein Mann, für den Menschlichkeit mehr bedeutete, als der Schutz seines eigenen Lebens. Josef Heinen aus Ahrweiler ist ein Gerechter unter den Völkern. Sein Name ist für alle Zeiten in der Gedenkstätte Yad Vashem bei Jerusalem verewigt, am Memorial-Wall im „Garten der Gerechten“. Wer war dieser Mann, der als 55. Deutscher seit der Gründung von Yad Vashem (1963) im Jahr 1969 in die Liste der Gerechten der Völker aufgenommen wurde und dessen Name dort mit Oskar Schindler in einer Reihe steht? Geboren 1898 in Ahrweiler, wuchs er mit der christlichen Tradition und den Werten der Schützen der alten Kreisstadt auf. 1924 trug er die Fahne der Sankt Laurentius-Junggesellen-Schützengesellschaft, ein Jahrzehnt später trat er dem Königsglied der Sankt Sebastianus-Bürgerschützen bei. Beruflich führte ihn sein Weg 1928 nach Adenau, wo er bis 1944 ein Möbelgeschäft führte. Irmgard Heinen, Enkelin von Josef Heinen, erinnert sich: „Eine seiner Lieferfirmen war die Lampenschirmfabrik Sonnenfeld in Köln-Lindenthal. Ihr Inhaber, Gerd Sonnenfeld, war Jude. Und aus der Geschäftsbeziehung wurde Freundschaft.“ Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges mietete Josef Heinen – von Zeitzeugen als lebensbejahender und offener Mensch geschildert – ein Wochenendhaus bei Liers, das er und seine Familie jedoch nur selten bewohnten. Gerd Sonnenfeld kannte das Haus, war häufig dort eingeladen. Als die Verfolgung und die Hetzjagd auf die Juden immer mehr zunahm, bat Sonnenfeld Heinen, sich selbst und seine Eltern dort verstecken zu dürfen, da sie in Köln in Lebensgefahr waren. Das war 1941. Zu diesem Zeitpunkt warteten Theodor Sonnenfeld und seine Frau bereits im Kölner „Judenhaus“ auf ihre Deportation. Während eines Bombenangriffes holte Sonnenfeld seine Eltern aus dieser Sammelstelle, brachte sie nach Liers. Und dann geschah das kaum Vorstellbare. Fast vier Jahre lang blieben die Sonnenfelds in dem Wochenendhaus unentdeckt, wurden von Heinen versorgt. Dass die jüdische Familie nie gefunden wurde, ist auch heute noch unbegreiflich. Denn schließlich funktionierte der Nazi-Apparat auch im Kreis Ahrweiler unter Landrat Dr. Peter Simmer. Vor 35 Jahren erklärte Gerd Sonnenfeld in seiner Stellungnahme an das Yad Vashem-Institut zur Rettung seiner Familie: „Josef Heinen scheute sich nicht, uns an den Wochenenden zu besuchen, trotz der Gefahr, die ihm wegen des Versteckens von Juden drohte.“ Diese Tat der Menschlichkeit wurde am 20. Juli 1969 mit der Urkunde des „Instituts für Märtyrer und Helden“, so der Name von Yad Vashem, gewürdigt. In französischer und hebräischer Sprache ist dort niedergelegt, dass für den Gerechten der Völker aus Ahrweiler ein Baum im „Garten der Gerechten“ bei Jerusalem gepflanzt wird. Erst ein Jahr später sah sich die Bundesrepublik Deutschland genötigt, den Lebensretter zu ehren – mit dem Bundesverdienstkreuz. Josef Heinen starb am 23. Dezember 1989 im Alter von 91 Jahren in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Seine Grabstätte ist auf dem Ahrweiler Bergfriedhof. Posthum wird sein Wirken für das Überleben der Familie Sonnenfeld landesweit anerkannt. Heinen bekommt seinen rechtmäßigen Platz in der Dauerausstellung „Die Zeit des Nationalsozialismus im heutigen Rheinland-Pfalz“ in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Osthofen. Und auch einen neuen Kontakt zwischen den Familien gibt es: Hannelie Sonnenfeld, Enkelin von Gerd Sonnenfeld, hat sich mit Josef Heinens Enkelin in Verbindung setzen können.
Josef Heinen (1898 – 1989)Eine Würdigung hätte auch die 1997 verstorbene Katharina Becker aus der Ahrweiler Adenbachhut verdient. Denn sie hatte als Mitarbeiterin im Einwohnermeldeamt der Stadt Ahrweiler die Akten einer jüdischen Familie einfach verschwinden lassen. Das bestätigten Zeitzeugen gegenüber dem Autor. Und über wen es keine Akten gab, der konnte auch nicht gefunden und deportiert werden. Der Autor hat zwischenzeitlich Dokumente, Zeitzeugenberichte und eidesstattliche Erklärungen über die Rettungsaktion der Nazi-Gegnerin Katharina Becker an den Direktor des Instituts Yad Vashem in Jerusalem, Dr. Mordechai Paldiel, weitergeleitet. Dr. Paldiel und seine Referentin, Bozenna Rotmann, stehen seitdem in ständigem Kontakt mit dem Autor, dessen Dank für die Recherche-Unterstützung besonders den Ahrweiler Bürgern Jürgen Appel, Hans-Willem Söller, Rudi Maur sowie Bürgermeister Hans-Ulrich Tappe und Landrat Jürgen Pföhler gilt.