Im Vogelschutzgebiet auf der Bengener Heide
VON DR. MARIA WRENGER
Das schlichte Hinweisschild „Vogelschutzgebiet“ an der Bundesstraße zwischen Ahrweiler und Lantershofen, gleich an der Einmündung der von Bad Neuenahr kommenden Heerstraße, hat schon manchen Spaziergänger ermuntert, den schmalen Fußweg hinaufzusteigen, der anfangs durch Wiesengelände, aber schon bald, in kurzen Zick-Zack-Windungen durch Wald führend, zu einer Schutzhütte hinleitet. Hier sind wir bereits mitten im Vogelschutzgehölz auf der Bengener Heide, das vor gut dreißig Jahren von Studienrat Prof. Matthias Wagner in Zusammenarbeit mit Schülern des Ahrweiler Gymnasiums geschaffen wurde. Die Schutzhütte, die seinen Namen trägt, wurde im Jahre 1960 kurz nach dem Tode des verdienten Lehrers und Naturfreundes errichtet. Eine Erinnerungstafel würdigt seine Verdienste um die Schaffung des Schutzgebietes.
Hauptgedanke bei der Gründung eines schuleigenen Naturschutzgeländes war, die hiesige Schuljugend zur praktischen Mithilfe im Vogelschutz zu erziehen. Daneben aber sollten auch besonders gefährdete Pflanzen geschützt werden, um sie für die Nachwelt zu erhalten. Damals wuchsen noch Frauenschuh und Bergwohlverleih (Arnika) auf der Bengener Heide.
Angeregt durch den Vogelschutzverein des Kreises Ahrweiler und unterstützt durch den seinerzeit in Bad Neuenahr zur Kur weilenden berühmten Ornithologen Frhr. von Berlepsch wurde von Prof. Wagner im Sommer 1929 als geeignetes Naturschutzgelände ein Waldstück an der Nordwestecke der Gemarkung von Bad Neuenahr ausgemacht. Das etwa 30 Morgen große Gebiet wurde für 25 Jahre vom Ahrweiler Gymnasium gepachtet.
In den zehn Jahren, die Prof. Wagner mit seinen Schülern das Schutzgebiet betreute, galt die Hauptsorge der Vogelwelt, der durch Schaffung von Nistgelegenheiten (die jungen haben über 590 Nistkästen selbst gezimmert!) eine dauernde Wohnstätte geboten war und durch Anpflanzung von Beerensträuchern eine genügende Futterquelle gesichert wurde.
Die Mühen hatten sich schon bald gelohnt, – aber dann kam der zweite Weltkrieg, und das mit so vjel Arbeitseinsatz und Idealismus aufgebaute Werk mußte ruhen. In der darauffolgenden Notzeit wurde durch unkontrolliertes Abholzen ein beträchtlicher Teil des Baumbestandes zerstört. Außerdem war zu dieser Zeit nur wenig Interesse für Naturschutzfragen vorhanden.
Umso erfreulicher ist es, daß der Naturschutzgedanke heute wieder unter den Schülern des Gymnasiums aufgelebt ist. Der Wunsch, die Arbeiten im Vogelschutzgebiet wieder aufzunehmen, kam glücklicherweise aus den Reihen der Schüler. Angeeifert durch einen besonders dafür interessierten Oberprimaner, dessen Vater bereits in seiner Gymnasiastenzeit unter der Leitung von Prof. Wagner im Gebiet gearbeitet hatte, fand sich bald eine Gruppe von jüngeren Schülern zusammen, die im vorigen Frühjahr mit den ersten Arbeiten begann. Zunächst einmal war es reine Pionierarbeit. Die stark von Brombeergestrüpp zugewachsenen Wege mußten mit Sicheln und Fahrtenmessern wieder gangbar gemacht werden, feuchten Gräben schuf, man einen Abfluß für das überschüssige Wasser und legte darüber Wege aus Birkenstämmchen. Bei der ersten Begehung des Geländes zusammen mit dem Naturschutzbeauftragten des Kreises und zwei Studienräten des Gymnasiums konnten die jugendlichen Waldarbeiter mit Stolz den Erfolg ihrer ersten Bemühungen vorweisen.
Den ganzen Sommer über hat man im Gelände einen Trupp jungen des Gymnasiums bei der Arbeit angetroffen. Bald war eine versumpfte Wasserstelle zu einer brauchbaren Vogeltränke umgeschaffen, an der sich heute auch Gelbbauchunken, Kröten und Wasserfrösche eingefunden haben. Von früher her noch vorhandene Nistkästen wurden gereinigt und z. T. durch neue ersetzt. An der Südseite des Birkenwaldstückes haben die Jungen aus den in der Umgebung gesammelten Bruchsteinen ein Freilandterrarium gemauert für Mauereidechsen und Blindschleichen. Auch für die Erhaltung der Pflanzenwelt trug man Sorge. Im lichten Birkenwald finden wir neben der üblichen Begleitflora von Buschwindröschen, Scharbockskraut, Veilchen, Maiglöckchen noch größere Rasen von Vinca minor (Immergrün). Aber auch seltenere Pflanzen haben sich noch erhalten, die im Herbst in einem kleinen Pflanzengarten zusammengestellt wurden, z. B. Salomonssiegel und verschiedene Orchideenarten.
Doch nicht nur eine Menge Arbeit war zu bewältigen, es gab auch manches zu beobachten und zu hegen. Ein besonderes Erlebnis für, alle Beteiligten der Naturschutzgruppe, daß ein Wespenbussardpaar auf einer der hohen Birken nistete. Als zwei junge geschlüpft waren, konnte das An- und Abfliegen der fütternden Eltern beobachtet werden. Das Heranwachsen der Jungvögel wurde in bestimmten Zeitabständen vom Führer der Gruppe im Bild festgehalten. Die Begeisterung am gemeinsamen Werk wuchs ständig. Es stellten sich immer mehr jugendliche Helfer ein, so daß eine anerkannte Naturschutzgruppe gegründet werden konnte (heute 25 Mitglieder), der sogar von öffentlichen Stellen eine spürbare Unterstützung gegeben wurde. Von den Geldmitteln konnten nicht nur die nötigen Arbeitsgeräte (Spaten, Hacken), sondern auch Vogelfutter und Material für den Bau von Futterstellen beschafft werden. Die von den Jungen angefertigten Futterglocken und Meisenringe und die selbstgebastelten Futterhäuser haben manchen Vogel über den besonders langen und strengen Winter des letzten Jahres hinübergerettet.
Junge Wespenbussarde im Nest
Wir bedauern es sehr, daß der Begründer des Vogelschutzgebietes, Prof. Wagner, es nicht mehr erleben konnte, wie in seinem
Gebiet wieder Jungen des Gymnasiums für den Naturschutz arbeiten. Aber wenn auch sein Werk lange Zeit geruht hat, so werden die Abschiedsworte nicht vergessen, die er bei seiner Pensionierung den Schülern mitgab: „Bewahret in eurem Herzen die Liebe zur Natur, denn sie bietet euch die reinste und kostbarste Freude auf dieser Erde.“