Hocheifelgemeinden einst und jetzt
Lorenz Klein
Bezeichnend für die Verhältnisse hierzulande vor der Jahrhundertwende war, daß man den ehemaligen Kreis Adenau als das »Armenhaus« Preußens apostrophierte. Es handelte sich um einen kleinen Landkreis mit einer äußerst geringen Steuerkraft, was »höheren Orts« wohl zur vorerwähnten Deklarierung bewogen haben mag.
In der Hocheifel mit den kargen und steinigen Böden waren naturgemäß die landwirtschaftlichen Erträge geringer als beispielsweise in der nur 35 km entfernten Rheinebene. Die Ertragsverhältnisse in dem rein landwirtschaftlich strukturierten Miftelgebirgsbereich bestimmten die Gesamtwirtschafts- und Finanzverhältnisse der Hocheifelgemeinden und ihrer Bewohner. Vorhanden waren meist nur kleinbäuerliche Betriebe, denen typischerweise als Zuggespanne nur selten Pferde oder Ochsen zur Verfügung standen. Vielmehr mußte man beim Zug- und Spanndienst auf Milchkühe zurück greifen, was der Milchproduktion zusätzlich Abbruch tat. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gab es auch hier erste Traktoren, wozu sich später Mähmaschinen, Dungstreuer. Heuwender und -lader sowie andere hilfreiche Gerätschaften und Maschinen gesellten. Inzwischen waren aber auch die Erträge infolge wirksamerer Düngemittel gestiegen. Und dennoch war die Anschaffung so mancher Maschine nur durch Nebenerwerb im Straßenbau oder sonstwo möglich. Schließlich kam die Zeit. wo viele Landwirte nach und nach ihre Betriebe aufgaben oder stark reduzierten und einem anderen Broterwerb nachgingen. Möglichkeiten hierzu boten sich dank des als »Deutsches Wirtschaftswunder« bezeichneten gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwungs und enormen Wirtschaftswachstums ab den fünfziger Jahren. Letztlich animierte der Staat durch großzügige Finanzhilfen zur Schaffung leistungsfähiger Großbetriebe mit 60, 80 oder mehr Milchkühen. Leider haben diese Betriebe heute infolge der Milchschwemme mit gewissen Restriktionen seitens der EG zu kämpfen.
Adenau selbst hatte schon in früherer Zeit als zentral gelegener Marktort mit Handwerk, Handel und Gewerbe eine günstigere Entwicklung genommen, wovon die als Pflege alten Brauchtums noch existierenden jahrhundertealten Zünfte zeugen. Die traditionellen Märkte in Adenau – Krammärkte finden immer noch im zweiwöchigen Turnus statt – stimulieren heute wie damals das Geschäftsleben von Adenau, das bereits im vorigen Jahrhundert für kurze Zeit Stadtrechte besaß und das im Jahre 1952 erneut zur Stadt erklärt wurde.
Die etappenweise erbaute Ahrtalbahn erreichte Adenau im Jahre 1888, womit nun eine direkte Verbindung zur rheinischen Hauptverkehrsader bestand. Vorgesehen war die Weiterführung der Bahn bis Daun, was jedoch der Kriegsausbruch 1914 vereitelte. Der Bahn kam eine immense verkehrswirtschaftliche Bedeutung zu, gab es doch zu dieser Zeit noch keine Automobile. Pferdekutschen waren zwar vorhanden, doch wer konnte sie sich in dieser damals so armen Gegend schon leisten? Wie wichtig der Bahnbau bis Adenau war, zeigte sich auch beim Nürburgring-Eröffnungsrennen im Jahre 1927. Tausende von Rennbesuchern kamen in zahlreichen Sonderzügen zum Ring. Die Rennen hatten fortan noch einen nützlichen Nebeneffekt, denn viele Menschen lernten so erst die reizvolle Eifellandschaft kennen. Als Folge der fortschreitenden allgemeinen Motorisierung wurde 1985 der Zugverkehr von Kreuzberg bis Adenau wie auch auf zahlreichen anderen Nebenstrecken, völlig eingestellt. Für die Nebenstrecken wuchs von Jahr zu Jahr der Zuschußbedarf, weshalb sie, trotz enormer Proteste, stillgelegt wurden.
Ab dem Eröffnungsrennen 1927 auf dem Nürburgring begann eine allmähliche wirtschaftliche Belebung der gesamten Hocheifelregion. Von dieser Belebung profitierten nicht nur die vorhandenen gastronomischen Betriebe, sondern auch Handwerk, Handel und Gewerbe. Darüberhinaus gab es für viele aus den bäuerlichen Betrieben wie auch aus anderen Berufssparten willkommene Gelegenheit, bei Rennveranstaltungen durch unmittelbaren Einsatz an der Rennstrecke als Sicherungsposten, Kartenverkäufer, Kontrolleure, Parkwächter und Marketender sich ein Zubrot zu verdienen. Erstmals bot sich hier auch die Möglichkeit, Privatzimmer zu vermieten, die im Laufe der Zeit den entsprechenden Komfort erhielten. Seit Jahren schon werden diese Zimmer überwiegend in nach dem letzten Krieg errichteten Neubauwohnungen angeboten, denn der enorme Bauboom der Nachkriegszeit hat auch vor den Hocheifelgemeinden nicht Halt gemacht, wenngleich auf die Sicherung erhaltungswürdiger Bausubstanz Wert gelegt wurde. Es sei nur an die historischen Fachwerkhäuser rings um den Adenauer Markt erinnert.
Für Rennsportveranstaltungen bestimmter Kategorien und für Besuchsfahrten steht nach wie vor der so beliebte »alte Ring«, die Nordschleife, zur Verfügung. Im Vordergrund steht jedoch der kürzere und moderne Grand-Prix-Kurs, dessen Bau von Formel 1-Fahrern und Konstrukteuren gefordert wurde, nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen, obwohl der alte Ring einige Jahre vorher schon unter hohem finanziellen Aufwand sicherer gemacht worden war. 82 Millionen kostete der neue Ring, der als die »modernste und sicherste Rennstrecke der Welt« gilt.
So mancher Zeitgenosse war, ob dieser neuen Rennsportanlage, skeptisch. Doch schon das Truck-Rennen 1986 hatte mehr Zuschauer als der Formel 1-Grand-Prix in Hockenheim. 1987 zählte man beim Truck-Rennen sogar 112 000 Besucher, und 1988 waren es rund 110000, während es der Große Preis der Formel 1 auf dem Hockenheimring zwei Wochen später nur auf 70 000 brachte. Dies berechtigt wohl zu der Hoffnung, daß bald auch der Formel 1-Grand-Prix, wie bereits der Große Preis für Motorräder, im Wechsel mit Hockenheim wieder auf dem Nürburgring ausgetragen wird.
Der im Bau befindliche Hotelneubau (mit 140 Komfortzimmern, Präsidentensuite, VIP-Räu-men, Schwimmbad, Sauna, Fitneßstudio usw. und ca. 80 Arbeitsplätzen) sowie das neue, moderne Pressezentrum dürften ebenfalls in dieser Hoffnung bestärken.
Die rennsportlichen und anderen Veranstaltungen auf dem Nürburgring werden immer zahlreicher. Die seit einigen Jahren stattfindenden Rockfestivals hatten 1985 70000, 1986 45 000,1987 55 000 und 1988 – trotz ungünstiger Witterung – 35000 Besucher. Beim »Mo-torrad-Open-Air-Festival« 1987 zog es 40 000 an den Ring.
Ein vielgestaltiges Rahmenprogramm bei den Nürburgring-Rennen mit artistischen Vorführungen, Fallschirmabsprüngen, Geschicklichkeitsturnieren, Konzerteinlagen und anderen unterhaltsamen Darbietungen macht für das Publikum die Großveranstaltungen immer attraktiver. Die Presse zitierte 1987 Rennleiter All Schatz hierzu: ». . . dem Zuschauer müsse man mehr bieten als nur einen Sitz- oder Stehplatz. . .«, und der Sportleiter des ADAC-Mittelrhein äußerte: »Unterhaltung und Show müssen mit dem Motorsport zu einem griffigen Programm kombiniert werden.«.
Übrigens wurde der neue Grand-Prix-Kurs im Oktober 1987 mit der Silbermedaille des »AWARD ’87« vom Internationalen Arbeitskreis Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS) ausgezeichnet. Das mit international anerkannten Fachleuten besetzte Preisgericht kam zu einer »positiven Würdigung der Gesamtanlage, insbesondere auch wegen der guten Bewältigung der beim Eingriff in die Landschaft entstandenen Probleme«. Hinsichtlich der zahlreichen Rennen in unterschiedlichen Klassen wurde der neuen Anlage »eine sehr gute Funktionstüchtigkeit« zuerkannt.
Mit dem Aufbau einer neuzeitlichen Infrastruktur wurde in Adenau und den zahlreichen anderen Gemeinden um 1950 begonnen, nachdem zunächst die durch Kriegseinwirkung entstandenen gröbsten Schäden beseitigt waren. Bis dahin gab es im Bereich des damaligen Amtes Adenau – mit Ausnahme einiger Landstraßen keine einzige geteerte Straße. Selbst die Gemeindeverbindungsstraßen hatten durchweg nur eine sandgebundene Decke und waren meist von Schlaglöchern übersät. Nicht selten liefen Jauche und Waschwasser in den Ortschaften durch die Straßenrinne, und bei Regenwetter watete man vielfach durch Schlamm und Morast.
Seitdem hat sich viel geändert. Ich selbst habe die Entwicklung in den Gemeinden um Hohe Acht und Nürbung über 20 Jahre lang als Verwaltungsbeamter Schritt für Schritt »hautnah« miterlebt. Es ging hierbei im wesentlichen um den Bau von Wasserleitungen, um den Ausbau der zahlreichen Ortsstraßen und Straßenentwässerungsanlagen, die Anlegung von Bürgersteigen, Installierung der Straßenbeleuchtung, Bachverrohrungen innerhalb von Ortslagen, Bau von Dorfgemeinschaftshäusern, die Verbesserung der baulichen Verhältnisse in den seinerzeit so zahlreichen Dorfschulen usw. Auch Großbauprojekte wie das Eifelstadion, das Schulzentrum, das Schwimmzentrum, der Rathausneubau und der Sporthallenbau in Adenau wurden verwirklicht. Heute sind sämtliche Gemeinden und Ortschaften durch befestigte Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen an das überörtliche Verkehrsnetz angeschlossen. Den waldbesitzenden Gemeinden standen damals teils erhebliche Mittel aus Sonderhieben zur Teilfinanzierung so mancher Baumaßnah-me zur Verfügung. Auch die Jagdpachteinnahmen kamen den Gemeinden für diverse Aufgaben sehr zustatten. Als jedoch der aus dem Deutschen Wirtschaftswunder resultierende »Geldsegen« die Pachteinnahmen immer stärker in die Höhe trieb, verlangten die privaten Grundbesitzer verständlicherweise die Herauszahlung ihrer jährlichen Pachtanteile.
Nicht vergessen werden darf die Komplettierung des Bildungsangebotes: Die Schaffung zeitgemäßer Schulräumlichkeiten für die Grundschulen, die Etablierung einer Schule für behinderte Kinder, die Errichtung einer Realschule und die Aufstockung des seinerzeitigen Progymnasiums zur Vollanstalt mit Abiturabschluß in einem vom Kreis geschaffenen Neubau. Des weiteren wären hier zu nennen: Die Flurbereinigungs- und Baulandumlegungs-maßnahmen. die Stadtkernsanierung in Adenau und die Dorferneuerungsmaßnahmen in zahlreichen Ortsgemeinden. Außerdem verdienen Erwähnung: Der Bau eines neuen, modernen Krankenhauses mit verschiedenen Fachabteilungen, die Sozialstation als Institution häuslicher Kranken- und Altenpflege sowie Familienbetreuung in besonderen Fällen, der Ret-tungs- und Krankentransportdienst des DRK, der in Adenau ein neues Domizil erhielt, und nicht zuletzt die zahlreichen Freiwilligen Feuerwehren, die heute dank einer mit Spezialfahrzeugen und besonderen Geräten ausgestatteten Adenauer Stützpunktwehr – ebenfalls in einem Neubau – Jahr für Jahr vielfältigste Einsätze meistern. 1987 wurde mit dem Bau eines ersten großen Regenrückhaltebeckens zur Vermeidung von Hochwasserkatastrophen begonnen, denn auch Adenau ist von solchen Katastrophen schon heimgesucht worden. Kreis, Land und anderen Stellen gebührt besonderer Dank für die zahllosen Zuschüsse und Zuweisungen. Ohne diese hätten die im Zusammenwirken von kommunalen Körperschaftsvertretungen, Bürgermeistern, Beigeordneten, Verwaltungen und Abgeordneten die Großbaumaßnahmen und vieles andere nicht realisiert werden können. Auch die Bürger, die beim Ausbau von Straßen in Wohngebieten entsprechend dem Gesetz und den hierauf basierenden kommunalen Satzungen Ausbau-und Erschließungsbeiträge zu leisten hatten, trugen das Ihre bei. In arbeitsmarktpolitischer Hinsicht bleiben allerdings noch Wünsche offen. Zwar sind viele Berufstätige in Adenau und anderen Gemeinden unserer Region in Handwerk, Handel und Gewerbe, in der Gastronomie, bei Freiberuflern, im Gesundheitswesen, in Schulen und Verwaltungen, in der Forst- und Landwirtschaft sowie in einigen gut florierenden Industriebetrieben beschäftigt. Doch leider müssen andere immer noch »pendeln«.
Idyllischer Blick auf Schuld (o.) und gepflegtes Fachwerk in Hoffeld (u.)
Dorfererneuerung und Dorfverschönerung haben in den letzen Jahren entscheidend zur
Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum beigetragen.
Hinsichtlich des Fremdenverkehrs in der Hoch-eifel wurde einmal im Fernsehen die Auffassung vertreten, hier seien „die Berge für den Wintersport zu niedrig und für den Sommerurlaub zu hoch“. Der Moderator hatte wohl die herrliche Mittelgebirgslandschaft mit ihren großen Wäldern noch nicht kennengelernt. Und bestimmt wußte er nichts von dem Wintersportbetrieb an Hoher Acht und Nürburg an jährlich 6-8 Schneewochenenden. Heute sind drei vom Kreis und Land bezuschußte leistungsfähige Skilifte vorhanden und mittels Spezialmaschinen werden Pisten auch für den Langlaufsport präpariert. An den Wochenenden strömen zahlreiche Kurzurlauber aus dem Großraum Bonn-Köln-Düsseldorf und dem Ruhrgebiet in die Hocheifel. Sie werden angezogen von der malerischen Mittelgebirgslandschaft mit ihren ausgedehnten Wäldern, in denen noch der uri-ge Brunftschrei des Rothirsches zu hören ist. Um länger verweilende Urlauber müht man sich nun mehr denn je. Die Aktivitäten der 1987 ins Leben gerufenen Fremdenverkehrs-Dachorganisation »Bäder-, Wein- und Wanderland Rhein-Ahr-Eifel e.V.« werden hier, so hofft man, zu einem bleibendem Faktor; denn der Adenauer und Antweiler Raum hat einiges zu bieten: Schwimmgelegenheit im Adenauer Hallen- und Freibad und in einigen Hotelschwimmanlagen, ein ideales waldreiches Wandergebiet und markierte Wanderwege und Schutzhütten, Wildbeobachtung in der freien Natur wie in benachbarten Wildparks und nicht zuletzt schmucke Dörfer mit einem attraktiven Ortsbild. Hierzu hat beigetragen die jahrelange und erfolgreiche Teilnahme am Wettbewerb »Unser Dort soll schöner werden«. 1987 gehörte Ohlenhard zu den 14 Bundessiegern dieses Wettbewerbs. Schon in den Jahren vorher erzielten Ohlenhard und auch andere Gemeinden auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene respektable Plätze.
Die in unserer Hocheifelheimat sehr rührigen Musik- und Gesangvereine, Wander- und Theatervereinigungen, Trachten- und Volkstanzgruppen, Volksbildungswerke sowie die zahlreichen Sportvereine halten ein beachtliches Freizeitangebot bereit. Sie bieten nicht nur der heimischen Bevölkerung vielfältige Möglichkeiten zu freizeitlicher Betätigung, sondern sie vermitteln auch unseren Feriengästen Freude und Entspannung. Hinzu kommen noch die Stadt- und Heimatfeste und andere gesellige Veranstaltungen der Vereine. In Adenau steht hierfür die allseits bewunderte, neue Hocheifelhalle zur Verfügung. In der restaurierten, historisch bedeutenden Johanniter-Komturei hat man eine weitere ideale Begegnungsstätte für jung und alt geschaffen.
Durch all dies wurde nicht nur die Lebensqualität für die Bevölkerung unserer Region wesentlich verbessert, auch der Gast kann sich im Adenauer und Antweiler Ländchen wohlfühlen.