Histörchen aus früherer Zeit
Rainer Kresse
Er war schon ein echtes Original, eines der wenigen, auf den dieser Begriff im positiven Sinne noch zutraf. Der „Lauxe Fix“ oder Felix Laux, wie er bürgerlich hieß. Er war ein Breisiger von „echtem Schrot und Korn wie es landläufig heißt. Er gehörte zu diesem Ort wie die Heilquellen und der Eltzenberg, an dessen Fuß sein Haus stand. Im vorigen Jahr starb er, der Lauxe Fix, und mit ihm wurde ein Stück Geschichte von Bad Breisig zu Grabe getragen, ein Stück „Heimatkunde‘ ging verloren.
Vielseitig war er immer, der ehemalige Fabrikbesitzer, Berufsschullehrer, Karnevalsprinz, Angler und Jäger aus Passion, der auch als Hobbykoch und Weingenießer sein Handwerk verstand.
Als Sammler hat er die ungewöhnlichsten Dinge in seinem „Wohnmuseum“ zusammengetragen, aber es waren nicht nur die toten Gegenstände, die ihn faszinierten, es waren vor allem die Geschichten von Land und Leuten aus der Eifel, aus dem Breisiger Ländchen, die damals und zum Teil noch heute hier erzählt werden und die Menschen dieses Landstriches treffsicher und mit viel Humor charakterisierten.
Der Lauxe Fix hat sie zum Teil auf Band gesprochen, um sie so der Nachwelt zu erhalten.
Zum Beispiel sind da die Geschichten von der Frau Schmilz. Die Frau Schmilz war eine resolute Wirtin in einem kleinen Dorfgaslhaus in der hohen Eifel. Der Lauxe Fix isl ihr* als junger Mann bei seinen Reisen durch die Lande off begegnet
Bei einem seiner Besuche, es war um die Kirmeszeit, kehrte er bei ihr ein und rief „Frau Schmilz, bringt mer e jut’Jlass Bier! . und die Seele des Lokals brachte ihm einen großen Krug schäumenden Gerstensaft. „Oh, da hal Ihr awwer e schön Jlass Bier‘ loble der Fix. Und sie: „Dal will ech ooch meine, mir verkaafe nix Schläächles!“ Fünf Wochen späler, wie es der Zufall wollte, war der Lauxe Fix wieder im Ort und wollte bei der Frau Schmilz erneut seinen Durst löschen. Er bestellle sein Bier und — fiel fasl vom Stuhl: „Frau Schmilz, oh lewe Jotl noch-emal, wal hal Ihr dann heul für e Brüh ? — „Ech weeß nil wal Ihr welll, kam da die enlrüstele Anlwort, „wied Ihr dal letzle Mal hier word, hal Ihr jesaal. dal Bier schmeck e so jul und et war vom selbe Faß!“ Meinte der Lauxe Fix als er’s erzählle: „Het die aus dem selbe Faß fünf Woche lang jezülbel, und dal soll mer dann saufe könne!“
Zur Frau Schmitz kam eines Tages auch der Rademacher, so hieß ein damals bekannter Tuch- und Stoffhändler aus Adenau. In jener Zeit Irugen die Sloffhändler ihre nicht selten selber gefertigle Ware über Land und bolen sie in den abgelegenen Dörfern ihrer Slamm-kundschaff an.
Vorsichlig erkundigle sich da die Frau Schnitz: „Herr Rademacher, wie lang blid ihr hie im Dorp?“ — „Ech han eijentlich füür, huck nomittag Widder op Kemmich (Kempenich)ze maache. Wal hat er dann?“ kam die Gegenfrage vom Tuchhändler. „Och mer han het nüngte Kind kreecht, und morge früh küll der Paslur aus Heckemich, und dann soll der dal hee in der Kapell döffe (laufen). Nu ham mer noch keine Pal. Na ham mir jedaach, ihr mööcht de Pal.“ — „No ja“, sprach der Rademacher, „dann bliven ech huck ovend hee, maachl mer el Bett p’rad, dann trinken ech mir de Ovend noch eene, schlaacht mer Jet Eier in de Pann und dann, wenn de Pastur morje kütt, maachen ech de Pal.“ So geschah es, und Rademacher wurde Pale beim neunlen Kind der Frau Schmitz.
Turnusmäßig kam er nach drei Jahren wieder in den Ort und fragte die Frau Schmilz: „Frau Schmitz, wat micht dann ming Patekind?‘ — „Waart, echt rufen et emol rin.“ Damit ging sie an das Fenster und rief: „Cheviöttje, Cheviöttje!“ Sprach der Rademacher: ,,Awwer Frau Schmitz, ech heeßen doch nit Cheviot (Cheviot ist ein damals viel und gern gebrauchtes haltbares dichtes Wollgewebe, benannt nach den Cheviot Hills in Schottland, dem Herkunftsland), ech heeßen Kasimir!“ ,,Oh je, Herr Rademacher, dat et en Stoffnam war, dat wußte mir, na dan rufe me ihn von jetz an Kaschmir!
Der quakende Hering
Der Ludwig war Müller in Breisig und meistens ziemlich durstig, vom Mehlstaub, wie er meinte. Da geschah es eines Tages, daß er nach Hause kam, die Pferde in den Stall stellte und sich umschaute und dabei merkte, daß der Mühlteich noch nicht so voll war, wie er es zum Mahlen sein mußte. Die Gelegenheit erschien ihm günstig, die Frau war gerade nicht da, weitere Arbeit war auch nicht zu tun, also entschloß sich der Ludwig, noch in die nächste Wirtschaft zu gehen und den Schnaps zu probieren. Das dauerte länger. Als er sich dann später auf den Heimweg machte, kaufte er sich unterwegs erst noch einen Hering fürs Abendbrot und schwankte mit erheblicher Schlagseite, aber sonst unverdrossen, zur Mühle zurück.
Damals floß der Brinkenbach noch offen durch den Ort, und Ludwig mußte ihn überqueren. Keine einfache Sache in seinem Zustand, mit dem Hering in der Hand. Über dem Brinkenbach lag als Steg nur eine nicht sehr breite und auch nicht gerade starke Bohle, und die federte und „schwappte“, wenn man darüberging.
Es kam, wie es kommen mußte: Der Ludwig schwankte auf der Diele, die Diele „schwappte“, und Ludwig verlor erst den Halt und dann den Hering. Aber er bückte sich flott, grabschte im Dunkeln in den Bach und bekam den Fisch, wie er meinte, auch zu fassen. „Do sollst mer nit noch eens rinflieje“, sprach der Ludwig zu dem Flossentier und schickte sich an, den Fisch auf der Stelle aufzuessen. Doch wie er ihn gerade unmittelbar vor dem Mund hatte, machte der vermeintliche Hering „Quak, quak“. Der Ludwig vernahms, stutzte und meinte: ,,Do Härring kanns quaake und quietsche wie do wills, do hest ming Jrosche jekost, do wirs och jefrääs.“ Und er tat’s.