Hexenwahn im Arenberger Land – Der Hexenprozeß gegen Nieß Brender aus Aremberg
Hexenwahn im Arenberger Land
Der Hexenprozeß gegen Nieß Brender aus Aremberg
Manfred Luxen
Die Erinnerung an die grausamen Geschehnisse des 16. und 17. Jahrhunderts wurde bei der Bevölkerung des kleinen Eifelterritoriums verdrängt und ausgelöscht. Immer wieder wurden in Veröffentlichungen behauptet, im Arenberger Land habe der Hexenwahn dank der aufgeklärten Haltung der Obrigkeit keinen Blutzoll gefordert.1) Vorhandene Hexenprozeßakten2)zeigen jedoch, daß kaum ein Ort der kleinen nur 15 Siedlungen aufweisenden Herrschaft an der Oberahr von der Ausrottungskampagne gegen die angeblichen Hexenpersonen verschont blieb. Erste Prozeßakten sind aus dem Jahre 1540 erhalten. Zwei Verfolgungswellen mit 15 Prozessen im Jahre 1593 und 41 Prozessen in den Jahren 1629/30 sind überliefert.3) Exemplarisch soll über das Schicksal einer Person aus Aremberg berichtet werden, der im Jahre 1630 der Prozeß gemacht wurde. Am 5. August 1630 wurde Nieß, die Frau Salomon Brenders, verhaftet und in das Schloß Aremberg gebracht. Man beschuldigte sie, dem Laster der Zauberei verfallen und von anderen Hexenpersonen denunziert worden zu sein. Nieß stammte aus Antweiler und lebte mit ihrem zweiten Mann Salmon Brender, einem Trunkenbold, in Aremberg. Ihr Alter kann nur grob geschätzt werden.
Da sie bei ihrer Inhaftierung noch unmündige Kinder hat und die ihr zu Last gelegten Taten oft über Jahre zurückreichen, kann angenommen werden, daß sie zwischen 40 und 50 Jahre alt war. Es scheint, daß sie aus einer randständigen Familie kommt, denn in dem Verzeichnis der Arburgischen Untertanen aus dem Jahre 1627, in dem diese gegen besondere Abgaben auch einen gewissen Schutz zugesagt bekommen,4) ist die Familie Brender nicht erwähnt. Ebenso fehlt in dieser Liste die Familie Sünnen aus Antweiler, der Nieß entstammt. Der gegen die Angeschuldigte geführte Prozeß, der von dem arenbergischen Capitain Johannes Pottellet in Anwesenheit von Landschultheiß Johann Mullers und den Schöffen Michel Kuckerß und Georgen Hütten geleitet wurde, zeigt die damals übliche stereotype Verlaufsform eines Strafverfahrens ohne Straftat, jedoch mit einer Ausnahme: die Geständnisse wurden nicht durch die Folter erpreßt. Gleich zu Beginn des Prozesses wird der Beschuldigten eröffnet, daß ihr Fall ohne Tortur verlaufen soll, wenn sie sich gutwillig offenbare. Nach anfänglichem Leugnen legt sie nach mehrmaligem Ermahnen ohne Folter ein Geständnis ab. Die Verantwortung für ihre Situation schiebt sie auf ihre Mutter, vor allem aber auf ihren Mann, der sie von Beginn ihres Ehestandes an „ainwegß mißhalten“ habe.
Nieß Brender denunziert 33 Frauen und vier Männer, die sie alle auf den Tanzplätzen gesehen haben will. Es sind Personen aus den Dörfern Antweiler, Aremberg, Eichenbach, Dorsel, Lommersdorf, Mülheim, Reetz und Wershofen.
„Auf Dieffenthal“ hätte der Teufel der ganzen „zauberschen Rotte“ vorgehalten, daß man alles verderben solle: Früchte, Baumfrüchte, Weinstöcke und alles Laub und Gras. Nachdem Nieß Brender dies alles ausgesagt hat, erklärt sie, bis in den Tod zu ihrem Bekenntnis zu stehen und ihrem sündigen Leben abzusagen.
Sie wendet sich an das Gericht, auf ihren Mann einzuwirken, daß dieser sich von der Trunksucht löse und seine armen Kinder nicht von sich weise, wie er es mit ihr über 20 Jahre getan, damit nicht weiter Unglück entstehe.
Nieß Brender wurde am Mittwoch, dem 7. August, in loco libero et a tortura remoto geführt, einem Ort, wo die Beschuldigte nicht durch die Folter bedroht wurde. Dort sagt sie, alles, was sie bekannt, sei wahr und alles, was ihr noch weiter einfalle, werde sie ihrem Beichtvater eröffnen und „gern und seliglich hinscheiden“. Sie bittet darum, ihren Mann zu ermahnen, seine Kinder und die künftige Ehefrau besser als sie zu halten und keine fernere Trübseligkeit verursachen zu wollen. Dieselben solle er zur Ehre und Furcht Gottes anhalten und treulich ernähren.
Am 9. August 1630 fand vor dem Capitain, dem Landschultheißen und den Schöffen die Anhörnung der Zeugen statt. Von Sünnen Johan, dem Bruder der Angeklagten, ist zu erfahren, daß ihm etliche Pferde vernichtet wurden, teils von Wölfen zerrissen oder ohne erkennbaren Grund plötzlich weggestorben. Er berichtet auch, daß er seiner Schwester ihr Erbteil abgegolten und sogar die Schulden getilgt, die sie bei Hamburgh aus Antweiler gehabt.
Wilhelm Brender, der Schwager der Beschuldigten, referiert, daß ihm Rinder jählings an einem Tag gestorben seien. Da die Tiere geweidet und doch von Mal zu Mal abgenommen hätten, sei ihm der Verdacht gekommen, daß dies von bösen Leuten herkommen müßte. Als Nieß bei ihm gewohnt habe, hätte sie geäußert, daß den Rindern Schaden zugefügt werden möchte. Bernardt Müsch gibt an, daß seiner Frau. während diese noch mit ihrem ersten Mann Botten Thönißen lebte, drei schöne Kühe, die sie von ihren Eltern in der Lauffenbach bekommen hatte, nach und nach gestorben seien, die letzte davon vor 11 Jahren. Lentgenß Peter sagt aus, ihm sei vor zwei Jahren eine Kuh nach achttägiger Krankheit „freyßlich“ gestorben. Beim Abziehen des Felles habe man an einem Bein häßlichen gelben Eiter entdeckt, der sehr gestunken habe. Der Sache habe man Nieß bezichtigt, weil sie dabei war, als die Kuh zurTränke geführt wurde. Salmon Brender.der Mann der Beschuldigten, bekannte, daß ihm ein Pferd krank geworden und gestorben sei. Auch sei ihm vor etwa 10 Jahren ein halbjähriges Kind, Thönißgen genannt, gestorben. Drei seiner Rinder, andere Biester und zwei rote Kälber seien „jiermütigh“ geworden. Von Zeit zu Zeit habe er auch den Knecht aus Breyscheidt bei ihr gefunden und Zwietracht mit ihr gehabt.
Johannes der Landbott sagte an Eides statt aus, daß ihm vor 14 Jahren eine rote, große Kuh im Feld „jählings undt vreißlich“ gestorben sei. Verdächtigt hätte er aber damit niemanden.
Obwohl ihr Geständnis ohne Tortur erfolgt war, verfügt das Gericht am 9. August 1631 dennoch über eine Peinigung. Diese erfolgte in Gegenwart einer von ihr denunzierten Frau, die gemeint hatte, ihr geschehe „ungleich“. Nieß bleibt beharrlich bei ihrem bereits abgeschlossenen Geständnis. In einem besonderen Schriftstück werden die angeblichen Vergehen als Anklageartikel noch einmal kurz zusammengefaßt.
Das Todesurteil wird am 13. August gefällt. Es hat folgenden Wortlaut:
„Sententia gegen Salmonß Frawe Niesen“ „In Criminal Sachen fürstlichen fyskaligen Ahn-waitz Kläger ahn gegen obgem. Salmonß Fraw Nießen, beklagter und eynhafftierte anderen theilß. Nach fleyßiger Verlesungh vndt erwä-gungh alleigen dieserhalb vervbten Criminal Verfolghß, vndt hiermit zue recht erkandt, dz gedachte Beklager und Einhafftierte person mit dem Zauberlaster behafftet, dem Almächtigen Gott vndt seinen L. heiligen ab und dem bößen Fayndt von der Hellen zugesagt, dz honheilige Sacrament des Altareß zue vilmhalen hoechststraffbarer weyse, vervnehret undt mißbrauchet, Mit ihrigen teufflichen Bulen sich vilmäligh vermischet, vndt sonsten grobe Vnthaten, einhalt desselben Criminalverfolghß, vervbet, vndt derentwegen vermugh kayserliche Haltzgerichts Ordnungh mit dem fewr: nechst vorhergehender Strangulation: vom leben zum toedt gestrafft werden sollen, wie wir dan hiermit erkennen, verdammen und hinverweysen die Seel dem Almächtigen lieben Gott vndt den Leib dem fewr ahnbefohlen; alles mit widerkherungh dieserhalb auffgewendten vnkösten vndt schadten deren moderation dan vnß wie rechtenß vorbehalten.“
„Actum & Latum auff dem gefürsteten hause Arenbergh Dynstaghß den dreitzehnten Augusti 1630″
Nachdem auf dem Gerichtsplatz die Anklageartikel nochmals öffentlich vorgetragen und die Angeklagte standhaft bei ihrem Geständnis blieb, wurde sie, nach abermaligem Bekenntnis und der Bitte um Verzeihung um 12 Uhr des gleichen Tages erdrosselt und verbrannt. Mit ihr exekutiert wurden: Suesten Plöntgen aus Reetz, Hilger Halbmanß Frau aus Reetz, Eva Jacobß aus Dorsel und Merghen Readz aus Wershofen.
Nieß Bender war eines der vielen Opfer, die die pathologische Erscheinung der Hexenverfolgung forderte. Die Tatsache, daß sie ohne Tortur bereit war, Taten zu bekennen, die nur aufgrund damals tradierter Wahnvorstellungen über Zauberei und Unholde jedem Dorfbewohner einfallen konnten, läßt erahnen, daß sie vermutlich eine vom Schicksal hart gezeichnete depressive Persönlichkeit war. Das Prozeßbeispiel zeigt auch, wie wenig solidarisch und wie stark distanziert sich die Verwandten zu der zur Hexe gemachten Person verhielten. Wer einmal denunziert war, wurde von der Verwandtschaft und der Dorfgemeinschaft preisgegeben und seinem Schicksal überlassen.
Quellen:
Rosenthal: Aremberg in Geschichte und Gegenwart, Meckenheim 1987 S. 37
Herzoglich Arenbergisches Archiv in Enghien/Belgien D 2658
Neu. Peter: Die Arenöerger und das Arenberger Land. Koblenz 1989 S 499-505.
Knippler Wilhelm: Untertanen des Herzogtums Aremberg im Jahre 1627. Heimatjahrbuch für den Kreis Ahrweiler 1960. S 84-86.