Heimaterde

VON E. K. PLACHNER

Heimaterde, du bist getreu! Immer noch singst du das uralte Lied der göttlichen Schöpfung. In deine Quellen, den Heilkraft trägenden, in deiner Berge melodischem Reigen ertönt es dem, der das innere Ohr sich bewahrte.

Heimaterde, du bist getreu! Über der Menschen Haß und Verwirrung rauschen die Wälder der Eifelhöhen im brausenden Herbststurm, in den Hauchen der Frühlinge: heilige Sätze der Ur-Symphonie, die uns die Gottheit gebiert durch kaum zu ermessende weltenumfassende, weltenumwandelnde, weltengestaltende Zeitenschritte. ‚

Ein Buch der Geheimnisse sind deine Lande. Wer darin blättert, von Berg zu Berg, von Ort zu Ort, staunender nur steht er vor jedem Blatt. Die Vielfalt der Schönheit entzückt sein Auge, und immer neue Entdeckungen lohnen ihn.

Am Schimmer der Bäche, Geblitz der Ströme, am Doldenwunder des Rebstocks eratmet die Seele sich tiefer. Die friedvollen Herden der Lämmer, kostbare Labe sind sie dem Auge, und hoch oben auf der vulkanischen Erde, wo die Kraterseen von Urzeiten träumen, ergreiß den Wanderer, der still sich öffnet, beschenkender Zauber der Melancholie.

Aber nun sieh, wie kraftvoll der Bauer das Land .hier beackert! Auf kargem Boden, der spät noch flammte, hat er getreu dem Auftrag, der an ihn erging, Furche um Furche gezogen. Die schreckenerregenden Wälder der Vorzeit, vor denen selbst Cäsars Legionen gezaudert, mußten der frommen Geduld des Ackerers weichen. Heimaterde, du bist getreu! Wilder Boden ward fruchtbare Scholle. Längst wogen weithin schenkende Felder, Wiesen nähren die weidenden Tiere. Kaum erfaßt das trunkene Auge all deine Schönheit, die — einer Fürstin Gewand — sich fernhin und ferner noch breitet. Dein Kleid, voller Farben und Formen bestickt von der allschaffenden Natur „und vom Fleiße der Menschen, königlich trägst du es „EIFLIA SACRA“, denn in Wahrheit: Königin bist du, heilige Heimat!

Wen du in deine Felsburgen führst, in die kristallenen Schlösser der Maare, wem du in Busch und Baum, in der Luft und im Wasser deinen Hofstaat vorfährst, der bekennt sich freudigen Herzens als dein getreuer Vasall! Aus deinen Truhen reichst du*die Folianten ihm dar, darin er vieltausendjährig dein Reich erkennt. Kelten, Germanen und Römer, in Frieden und Kriegsgewühl, ja der Hunnen Entsetzen speiende Scharen sahst du, — welch ein Getümmel! Fürsten durchritten deine Gefilde, staunend vor dir und stolz, „mein Land“ dich nennen zu -dürfen. Äbte schürften schon früh hier verborgene Weisheit, Mönche hegten und pflegten Gärten in Seelen und Land. Ja, Sendlinge Irlands kamen zu früher Stunde schon, da kaum die Christussonne dem Grabe entstieg, und segneten dich, Heimat „EIFLIA SACRA“! Und Segen strömst du zu jeder Stande auch heute jedem, der sich dir bittend und guten Willens naht. . . Heimaterde, du bist getreu!