Geschichtliche Zusammenhänge

des Kreises Ahrweiler
mit der „RHEINPFALZ‘

Von Jakob Rausch

Seit 1947 gehört unser Kreis als Teil des Regierungsbezirks Koblenz mit den vier anderen Regierungsbezirken Trier, Montabaur, Rheinhessen und der Rheinpfalz zum Lande Rheinland-Pfalz, das mit rund 20 000 qkm über drei Millionen Einwohner zählt.

Wenn wir politisch erst seit 1947 mit der Rheinpfalz verbunden zu sein scheinen, so lehrt uns jedoch ein Blick in die Geschichte, daß innige Beziehungen zwischen der Pfalz und unserer Heimat fast tausend Jahre bestehen.

Das deutsche Lehnwort „Pfalz“ ist lateinischen Ursprungs. Es ist hergenommen von „mons palatinus“, einem der sieben Hügel, auf denen Rom erbaut ist. Auf diesem palatinischen Hügel erbaute sich Kaiser Augustus ein prächtiges Kaiserschloß, das nach seiner Lage den Namen „Palatin“ erhielt, woraus das französische Wort „Palais“ und die deutschen Lehnwörter Pallas, Palast und Pfalz entstanden.

Die fränkischen Könige und deutschen Kaiser erbauten sich auch ihre „Pfalzen’*. Die berühmteste ist die Kaiserpfalz Karls des Großen in Aachen.

Die kaiserlichen Pfalzen wurden von den Pfalzgrafen verwaltet. Die erste Stelle unter den Pfalzgrafen nahm der Pfalzgraf der Kaiserpfalz Aachen ein. Er war Stellvertreter des Kaisers und Statthalter des Reiches. Beim Tode des Kaisers verwaltete er das Reich, verwahrte die Reichsinsignien und veranlaßte die Neuwahl. Diese mächtigen lothringischen Pfalzgrafen verlegten ihren Wohnsitz von Aachen über Düren auf die Tomburg bei Rheinbach. Hier saß über hundert Jahre das mächtige Pfalzgrafengeschlecht der Ezzonen, deren berühmtester Pfalzgraf Ezzo um das Jahr 1000 dort regierte und nicht nur unser Pfalzgraf, sondern auch Gaugraf des Ahrgaues war, wie er auch noch den benachbarten Mayengau und den Auelgau (um Siegbug) verwaltete.1)

Ezzos zweiter Sohn Otto folgte dem Vater 1035 in der Pfalzgrafenwürde. Da er nach zehn Jahren Herzog von Schwaben wurde, erhielt sein Vetter Heinrich I. das Pfalzgrafenamt mit dem Sitz Tomburg. Gegen den Erzbischof Anno von Köln baute er auf dem Michelsberge bei Köln eine Trutzburg; jedoch unterlag er; Erzbischof Anno verwandelte die Burg auf dem Michelsberge in ein Benediktinerkloster. Auch die Stammburg der Ezzonen, die Tomburg, wurde kurkölnisches Lehen.

Sein Nachfolger Hermann II. war zwischen Ahr und Mosel reich begütert. Er mag in der Kaiserpfalz Sinzig und auf Rheineck regiert haben. Im Investiturstreit war er treuer Anhänger seines kaiserlichen Herrn und starb deshalb im Jahre 1085 wie sein Kaiser im Kirchenbanne.

Sein Nachfolger Heinrich II., blutsverwandt mit dem Grafen von Are, baute sich eine Pfalz am Ostufer des Laacher Sees und gründete auch 1093 am Südwestufer das Benediktinerkloster Maria Laach. Deshalb sehen wir heute noch seinen Sarkophag im Halbdunkel des Westchores gleich beim Eintritt in die ehrwürdige Basilika. Er schenkte auch die pfalzgräflichen Güter um den See dem Kloster, und noch heute trägt die Gegend den Namen Pellenz (von Palast).

1) Vrgl. Pfalzgraf Ezzo auf der Tomburg (Jahrbuch 1936 und 1941).

Dieser Pfalzgraf Heinrich II., wohnhaft in der Pfalz am Laacher See und in der alten Merowingerpfalz in Andernach, nennt sich als erster „Pfalzgraf bei Rhein“.

Als 1095 Heinrich II., der Stifter des Klosters, starb, war sein Stiefsohn Siegfried noch minderjährig. Deshalb erhielt Heinrich III. von Limburg die Pfalzgrafenwürde.

Inzwischen war Siegfried großjährig geworden, hatte sich im ersten Kreuzzug unter den Fahnen Gottfrieds von Bouillon ausgezeichnet und trat nun 1099 das väterliche Erbe auf der „Pellenz“ an. Er vergrößerte das Kloster, beschenkte es reichlich mit Ländereien, und ließ — welch ein Edelmut — die Burg am Ostufer schleifen, damit nicht dem Kloster „ein Nagel im Fleische“ säße. Dieser edle Siegfried, der Pfalzgraf der Genovevasage, erhielt aber zu seinem größten Verdruß auch nach dem Tode Heinrichs III. nicht die Pfalzgrafenwürde, hatte er doch wie sein Vater Heinrich II. und wie sein Vorgänger Heinrich III. mit dem Kaiser Heinrich IV. gegen dessen ungeratenen Sohn Heinrich V. gekämpft. Dieser Heinrich V. war nun Kaiser und überging Siegfried bei der Vergebung des Pfalzgrafenamtes. Verbittert kämpfte Siegfried auch mit den anderen sächsischen Großen um sein Erbe in Thüringen, wo er im Gefecht bei Warnstedt die Todeswunde erhielt, und sein inniger Wunsch, im Kloster Maria Laach, dessen zweiter Stifter er doch war, seine Grabstätte zu finden, ist nie in Erfüllung gegangen. Auch wurde sein Sohn Wilhelm zunächst nicht Pfalzgraf bei Rhein, sondern der fränkische Graf Gottfried von Kalw erhielt dieses Amt.

Nach dem Tode Heinrichs V. aber bestieg Lothar von Supplinburg 1125 den deutschen Kaiserthron und verhalf seinem Neffen Wilhelm zu seinem Rechte und ernannte ihn zum Pfalzgrafen.

Pfalzgraf Wilhelm weilte meist auf der Burg Kochern und war ein großer Gönner des Klosters Springiersbach bei Alf, wo er auch seine Ruhestätte fand.

Wilhelms Mutter Gertrud, eine Schwester des Kaisers Lothar, war in zweiter Ehe mit Otto von Salm verheiratet. Als Besitzer von Rheineck und als Schwager des Kaisers und als Gemahl der Pfalzgräfin hegte auch Otto Hoffnungen auf die Pfalzgrafenwürde. Otto von Rheineck erhob für sich und seinen gleichnamigen Sohn Ansprüche auf dieses hohe Amt, zumal ihn das Kloster Laach auch schon als Schirmvogt ernannte. Tatsächlich übertrug Kaiser Lothar seinem Schwager Otto und dessen Sohn einen großen Teil der pfalzgräflichen Besitzungen am Mittelrhein.

Als 1140 der Pfalzgraf Wilhelm kinderlos starb, wurde aber nicht Otto I. oder sein Sohn Otto II. von Rheineck Pfalzgraf, sondern der erste Staufenkaiser Konrad III. betreute mit dem Amte grundsätzlich nicht die welfenfreundlichen Herren von Rheineck, sondern seinen Halbbruder Heinrich „Jasomirgott“. Otto der Ältere von Rheineck fügte sich grollend dem kaiserlichen Machtspruch, aber sein Sohn griff vergebens zum Schwert, um sich die Rechte zu erkämpfen. Auch als Heinrich Jasormirgott Markgraf von Österreich und Herzog von Bayern wurde, erhielt der trotzende Otto von Rheineck nicht das Amt, sondern der Graf Hermann von Stahleck bei Bacherach wurde 1141 mit der Pfalzgrafenwürde bekleidet. Da sagte ihm der verschmähte Otto offene Fehde an. Doch wurde Otto gefangen genommen, und der grausame Hermann von Stahleck ließ seinen Gegner in dem Verlies von Stahleck erdrosseln.

Der bejammernswerte Vater, Otto der Ältere, überlebte seinen Sohn noch um zwei Jahre. Er starb 1150 auf Rheineck. Im folgenden Jahre ließ Kaiser Konrad III. Rheineck erobern und zerstören. Die Tochter Ottos L, Sophie, wurde durch ihre erste Ehe Stammutter der Grafen von Bentheim und Holland und durch ihre zweite Heirat mit Albrecht dem Bären auch Stammutter der Brandenburger Markgrafen aus dem Hause Askanien. Ihre Geburtsstätte Rheinedk fiel durch den Kölner Erzbischof Rainald von Dassel endgültig an das Erzstift Köln.

Blick von der Sesselbahn in Altenahr
Foto: Lorenz

Durch den Pfalzgrafen Hermann von Stahleck wandert der Schwerpunkt der Rheinpfalz weiter rheinaufwärts. Düren,« Tomburg, Sinzig, Laach, Andernach und Cochem gelten nicht mehr als pfalzgräfliche Besitzungen.

Im übrigen war aber Hermann von Stahleck ein roher und grausamer Mann, der seine Nachbarn mit Fehden überzog. Deshalb lud ihn der neue Kaiser Friedrich Barbarossa nach Worms zur Verantwortung. Nach den Gesetzen der Franken traf ihn die allerschimpflichste Strafe; er mußte einen räudigen Hund eine Meile weit tragen. Ob dieser Schande verließ er die Welt und verbüßte seinen Lebensabend in einem Kloster.

Die erledigte Rheingrafschaft übertrug Friedrich Barbarossa 1156 seinem

Halbbruder Konrad. Dieser, reicher Erbe im Worms- und Speyergau, vereinigte nun die noch pfälzischen Gebiete am Mittelrhein mit den wein- und weizenreichen Gebieten am Oberrhein. Pfalzgraf Konrad verlegte seine Residenz in die von ihm erbaute Stadt und Burg Heidelberg. Er geriet vor Mailand 1160 mit des Kaisers Kanzler Reinald von Dassel in Streit. In die Heimat zurückgekehrt, gedachte er in das Erzstift einzufallen. Da befahl der in Italien weilende Erzbischof seinem Domdechanten und späteren Nachfolger Philipp von Heinsberg, Rheineck als kölnische Grenz- und Rheinfeste wieder aufzubauen. So kam Rheineck zu Kurköln, bei dem es bis 1795 verblieb.

Im Jahre 1832 erwarb der damalige Bonner Universitätsprofessor von Beethmann-Hollweg die Burgruinen mit dem zwanzig Meter hohen Wartturm und einer baufälligen Kapelle. Letztere ließ er niederreißen, und neben dem mittelalterlichen wuchtigen Bergfried erhebt sich heute das neuzeitliche prächtige Schloßgebäude mit einer neuen Kapelle. Die Düsseldorfer Malerschule der Nazarener malte Kapelle und Burgräume mit prächtigen Wandgemälden aus.

Der Staufe Pfalzgraf Konrad verheiratete seine Tochter Agnes mit dem Welfen Heinrich, dem Sohne Heinrichs des Löwen, der von seinem Vetter Kaiser Barbarossa geächtet worden war. Diese Hochzeit zwischen dem Welfen Heinrich und der Staufin Agnes fand auf der Burg Stahleck statt. Von diesem historischen Ereignis berichten heute noch die Inschriften auf der Jugendburg Stahleck.

Im Jahre 1198 brach leider der Thronstreit aus zwischen dem Staufen Philipp von Schwaben und dem Welfen Otto, dem Sohne Heinrichs des Löwen und Bruder unseres Pfalzgrafen Heinrich. Zuerst hielt Heinrich zu seinem Bruder, der Siegeslauf Philipps von Schwaben brachte ihn ins Staufenlager. Nach der Ermordung des Staufenkaisers im Jahre 1208 trat er wieder auf des Bruders Seite, der ihn während seines Römerzuges zum Reichsverweser ernannte. Deshalb mußte er die Rache des neuen Staufenkaisers Friedrich II. fühlen, der ihn zwang, auf die Pfalzgrafschaft zugunsten seines gleichnamigen Sohnes zu verzichten. Der neue Pfalzgraf Heinrich der Jüngere starb aber schon nach einjähriger Regierung.

Im Jahre 1214 kam in der Pfalz bei Rhein das Wittelsbacher Geschlecht zur Regierung, ein Geschlecht, das bis 1918, also über siebenhundert Jahre, hierselbst regierte.

Otto, der Erlauchte, aus dem stets staufentreuen Geschlechte der Wittelsbacher, wurde 1214 von Kaiser Friedrich II. zum Pfalzgrafen ernannt.

Um seine Macht zu erweitern, vermählte er sich mit Agnes, der Schwester des letzten welfischen Pfalzgrafen Heinrich. Sie brachte an das Wittelbach’sche Haus den großen Länderbesitz, der durch den Pfalzgrafen Konrad von Staufen vereinigt, im Laufe der Zeiten zu einem der bedeutendsten Reichsgebiete wurde.

Pfalzgraf Otto der Erlauchte hatte zwei Söhne. Der ältere, Ludwig der Strenge, erhielt 1255 die Rheinpfalz und das Herzogtum Oberbayern, während sein Bruder Niederbayern erbte.

Pfalzgraf Ludwig der Strenge trat für die Wahl Rudolfs von Habsburg ein; dafür erhielt er des Kaisers schönste Tochter Mechtilde zur Gemahlin. Ihre zwei Söhne hießen Rudolf der Pfälzer und Ludwig der Bayer, der 1314 deutscher Kaiser wurde. Kaiser Ludwig der Bayer ließ um 1320 auf der Felseninsel bei Kaub im Rhein die „Pfalz“ erbauen, wohl als Zollschranke oder auch als Bollwerk gegen die Feste Gutenfels.

Von Rudolfs ältestem Sohne Adolf aber stammen alle späteren Pfalzgrafen und Kurfürsten bei Rhein ab.

Durch das Gesetz der „Goldenen Bulle 1356″ erhielt die Pfalz eine der sieben Kurwürden des Reiches. Mit dieser Würde wurde das Amt des Erztruchsesses verbunden, eine Art Proviantmeister am königlichen Hofe. „Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins“.

Im Jahre 1400 bestieg der Pfalzgraf und Kurfürst von der Pfalz Ruprecht für zehn Jahre den deutschen Kaiserthron.

Einen Rückschlag erlebten die Kurfürsten von der Pfalz, als im Anfang des 30jährigen Krieges der Kurfürst Friedrich V. die Sache der böhmischen Protestanten ergriff, die ihm die böhmische Königskrone gaben. Durch die Schlacht am Weißen Berge bei Prag verlor dieser „Winterkönig“ nicht nur die böhmische Königskrone, sondern er kam in die Reichsacht und verlor Land und Kurwürde an die bayerischen Wittelsbacher. Im Westfälischen Frieden 1648 erhielten die pfälzischen Wittelsbacher die Pfalz mit der Kurwürde wieder. Für Bayern wurde eine achte Kurwürde geschaffen. Da im Jahre 1777 die bayerischen Wittelsbacher ausstarben, fiel das Kurfürstentum Bayern an die Kurpfalz. Die Pfalzgrafen hatten vorher aber auch Jülich und Berg geerbt. Zu Jülich gehörten aus unserem Kreisgebiet die Grafschaft Neuenahr, das Doppelamt Sinzig und Remagen und die Nordwestspitze (Kirchspiel Hummel) des Kreises.

So besaßen unsere ehemaligen Pfalzgrafen als Kurfürsten von der Pfalz und Bayern um 1780 die Hauptstädte Heidelberg, München, Jülich und Düsseldorf. Neuenahr, Remagen und Sinzig gehörten zu Pfalz-Bayern. Das „Reich“, das sie einst siebenhundert Jahre vorher schon besessen hatten, war wieder pfälzischer Besitz geworden. So lehrt uns die Geschichte, daß die Pfalz vor 900 Jahren bereits hier um die Tomburg, Sinzig und Rheineck Fuß faßte, Gebiete, die sie vor zweihundert Jahren wieder erhielt.

In unserem Wappen von Rheinland-Pfalz, das drei Felder aufweist, sehen wir neben dem kurtrierischen Kreuz und dem Mainzer Rad den kurpfälzischen Löwen, der einst stolz auch auf der Tomburg, in Sinzig, auf Rheineck, am Laacher See, in Andernach und in Kochern und Stahleck regierte.

Etwa 1,5 km unterhalb Remagen erhebt sich an der Bundesstraße 9 eine pyramidenförmige, mit Inschriften bedeckte Steinsäule:

VIAM
SVB M
AVRELIO
ET L VERO
IMPR
ANNO CHR
CLX II
MUNITAM
CAROLUS
THEODORUS
ELECTOR PAE
DUX BAV IUE CE M
REFECIT
ET AMPLIAVIT
AN. MDCCEXV III
CURANTE
IO. LUD. COMITE
DE GOLD STEIN
PRO PRIN CIPE.

Das heißt: Diesen unter den Kaisern Mark Aurel und Lucius Vero im Jahre 162 n. Chr. angelegten Weg hat Carl Theodor, Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Bayern, Jülich, Berg im Jahre 1768 neu gebaut und erbreitert durch seinen Statthalter Johann Ludwig Grafen von Goldstein.

Das Denkmal ist also eine Erinnerung an die Anlage der linksrheinischen Landstraße zur Römerzeit und ihre Erneuerung im 18. Jh., als Sinzig, Remagen und Neuenahr als Ämter von Jülich-Berg zur Kurpfalz gehörten. So redet auch dieser Stein von der Verbindung unserer Heimat mit der Rheinpfalz.