Fahrt im Mai

VON MÜNSTEREIFEL NACH DEM NÜRBURGRING

Von Wilhelm Hay

Wir waren beglückt, als wir, von Köln kommend, Vettweiß, . Zülpich und Euskirchen hinter uns hatten und nun wieder in die Berge fuhren. Geschichte, Kultur und der Wechsel der Landschaft überfallen einen geradezu, sobald man durch die Hardt und über Weingarten in das liebliche Tal der Erft einbiegt, in dem das altertümliche Münstereifel, fraglos eins der schönsten Städtchen des linken Rheinufers, geborgen liegt. Es war an der Scheide vom April zum Mai, und eigentlich der erste schöne, warme Tag nach dem heurigen März, so daß man das Verdeck zurückschlug, um den endlich hereingebrochenen Frühling von oben und von allen Seiten in vollen Zügen zu kosten. Wir wollten dieses prächtige Kleinod des Römerkanals und der Karolingerburg, einstmals Filiale der Prümer Abtei, die Stadt der Stiftshäuser und der Grabdenkmäler, der Mauern, Wallgräben und Torburgen, die Stätte blühender Zünfte und des Eifeler Wetterheiligen Donatus, die glänzenden Tage und auch viel Leid des Unwetters und der Überschwemmungen erlebt, wieder einmal durchschreiten und dann durch das Höhenland zwischen Erft und Urft über Blankenheim und Jünkerath in die Hohe und Vulkanische Eifel heimwärts fahren. Unter den Altertümern des „Ratskellers“ riet uns einer, anstatt über das Quellgebiet durch den oberen Teil der Ahr unseren Weg zu nehmen. Und so dachten wir, es habe auch einen eigenen Reiz, einmal am Rande des Trierer Landes in die Heimat zu fahren.

Durch das Orchheimer Tor folgt man dem Erfttal. Bald ist Eicherscheid erreicht, allwo die Straße nach Blankenheim abzweigt. Von hier geht’s links auf steilem Richtpfad über Mahlberg nach dem bekannten Michelsberg, von dem man eine der herrlichsten Rundsichten über das Eifel- und Rheingebiet bis hin zu den Türmen des Kölner Domes genießt- Wir fahren in den leichten Windungen der Ahrstraße dahin. Es ist dies gewiß nicht mehr das fette Land der Niederung, durch das wir am Vormittag fuhren, aber es liegt in diesen Gründen doch noch ein Hauch von der Üppigkeit jener Gegend. Vereinzelt und zaghaft wächst der Ginster im Straßengraben, so als überlege er noch, ob es schon an der Zeit sei, sein Eifelgold ins Land zu streuen.

Schönau grüßt mit seinem spitzen Kirchturm und den freundlichen Fachwerkhäusern. Zur Rechten zieht droben über die Höhe der Wanderweg des Eifelvereins, der von Euskirchen über Ahrdorf, dann über Dreis und Daun in fünftägiger Fußwanderung nach Wittlich führt. Wir fahren links leicht bergan durch niedrigen Mischwald und blumige Wiesen, auf denen weißbraunes Vieh zur Weide geht. Es ist überaus reizvoll, immerzu in leichten Windungen gen Ahr und Hocheifel zu fahren. Die schlanken Birken und Linden an der Straße, dazwischen blühende Apfelbäume, halten immer noch den Charakter des Niederlandes lebendig; wie Haarsträhne hängen die dünnen Zweige in ihrem jungen Grün über unseren Köpfen. An dem freundlichen Gasthaus der Wasserscheide links der Blick in die Berge der Ahr. Nicht mit Unrecht bezeichnet man diese Fahrt als den schönsten Zugang vom Niederrhein zum Nürburgring. Die Ginstersträucher sind jetzt zahlreicher geworden; die stärkeren Kurven lassen das Berggelände der Hocheifel ahnen; gelbe Schilder kennzeichnen die Richtung der Kraftpost von Münstereifel nach Schuld an der Ahr. – Wir gewahren lange kein Dorf; jeden Fernblick nimmt der Wald, der ständig unser Begleiter ist.

Quiddelbach und Nürburg

Eine Mühle und ein Gasthof liegen im Grund. Alte Baumbestände säumen nun die Straße; die Ebereschen haben schon ihre weißen Dolden angehängt; indes die Blätter der Eichen soeben spitzen- Da unser Auge drunten im Gesträuch das erste Wochenendzelt mit wehendem Fähnlein entdeckt, grollt vor uns aus dunkelnden, tiefhängenden Wolken der erste Donner des Jahres auf- Maigewitter sind des Landmanns Hoffnung; will der Wonnemond am Ende noch gutmachen, was er bislang versäumt? Unsere Fahrt geht jetzt bergab; das Tal wird tiefer, die Wiese enger; dünner bewaldete Felsköpfe drängen sich vor. Bald geht die Straße links, bald rechts vom Bach. Wir biegen um eine regelrechte Felswand, da schiebt sich jählings die jenseitige Bergwand der Ahr vor unseren Blick- „Haus Waldfrieden“ und „Schöne Aussicht“ laden zur Rast. Dichter blühender Ginster am Hang und zwei neue Häuser mit rotem Ziegeldach zieren dieses schöne Fleckchen heimatlicher Erde.

Das Geleise der Ahrbahn blitzt silbern auf und verschwindet im Tunnel, indes unsere Straße rechts der Ahr sachte bergan steigt. Ein Windstoß fährt durch die Bäume. Blitze zucken ins Tal, und sogleich prasselt der Regen hernieder. Wir fahren über eine mehrbogige, steinerne Brücke, an deren Ende der Weg nach Wershofen scharf um den Felskopf abbiegt. Längs der Blankenheimer Straße rauscht die Ahr zu Tal. Das Hofgut Laufenbach war ehemals Besitztum der Herzöge von Aremberg. Auf dem Bergrücken zwischen Ahr und Dreisbach liegen die Trümmer der Schellenburg im Wald versteckt. Fuchshofen mit seinem stuppigen Kirchturm sieht man vor Obstbäumen kaum Sobald das Tal sich erbreitert, liegen beiderseits die Häuser von Antweiler, sauber zur Kirmes herausgeputzt; der Kastanienbaumeingang hat seine Kerzen schon aufgesteckt. Der Donner verrollt, die Sonne bricht durch. In Müsch geht’s links über die Brücke.

Nur zwei Stationen mit der Bahn oder wenige Kilometer die Straße geradeaus, dann wären wir mit dem Kreise Daun im Trierer Land. Hier bei Müsch mündet der Trier- mit dem Nohner Bach in die Ahr, und die Ahrstraße trifft sich mit der von Adenau kommenden Mayen-Blankenheimer Landstraße. Den Seitenbach aufwärts grüßt das idyllische Kirmutscheid von seinem Felshügel. Kurz vor der Kirche kreuzen die Straßen. Im Sommer ist unter der Brücke der Bach schier zugewachsen vom Gesträuch, und am Abend schlagen die Nachtigallen im Grund.

Wir fahren die neue Straße, die eigens als Zugang zum Nürburgring geschaffen ist, bergan. Hinter uns steigt der Aremberg hoch, links der Hömmerich. Als die Höhe erreicht ist, ist der Wald zu Ende. Grüne Äcker umgrenzen den Blick, ein Rapsfeld verblüht am Rande. Links guckt die Wallfahrtskirche von Barweiler mit ihrem putzigen Türmchen aus dem Dorf. Nun tut rechts und geradeaus sich das Bergland der Hohen Eifel auf. Kiefern und Tannenwald nehmen uns ein Stück Weges auf, dann Eichen und Buchen. Hinter dem Wald liegt auf der Wasserscheide von Wirft und Trierbach Wiesemscheid. Die Nürburg grüßt aus nahezu Z00 Meter Höhe. Da, husch, ist sie hinter dem Hügel wieder verschwunden, taucht dann wieder auf und läßt ihr Gemäuer von der untergehenden Sonne vergolden. Noch einmal spielt sie Verstecken, dann sind wir ihr nahe, indes schöner Tannenbestand zu beiden Seiten der breiten Straße die Sicht benimmt: Potsdamer Platz. – Heute liegt er still, kein einziges Fahrzeug und keine Menschenseele kreuzt unseren Weg.

Fast lautlos gleitet unser Wagen rechts durch die Schleifen des Mischwaldes ebenen Weges dahin, dann bergab zum Kleinen Ring. Zahllos liegen weithin die Vulkanberge des Trierer Landes im Abendgold, und mählich steigen schwarz die Schatten der Berge und Kuppen weit über das verdämmernde Land.