Er hat die Politiker zum Fressen gern
Deshalb backt Franz Weber ihre Bildnisse in Brotteig
Harry Lerch
Gebildebrote nennt man die Backwaren aus herkömmlichem Teig, wenn sie eben etwas mehr darstellen als alltägliche Brötchen und Schösschen. Dann werden Brezeln daraus oder Weckmänner zum Nikolaustag, Osterhasen und Eierkörbchen.
Das ist schon ein Anfang der Kunst des Bäckerhandwerks, die übers tägliche Brötchenbacken hinausreicht. Doch, wie Häkeln seine höheren Weihen gewinnt mit Klöppeleien oder gar Brüsseler Spitzen, hauchfein und so unnachahmbar gemalt von Frans Hals, wie also diese Spitzen unwiderlegbar Spitze sind — so hat auch das Bäckerhandwerk seine höhere Kunst.
Wie in der Malerei die Bildniskunst ihre Meisterschaft findet in Tizians Bild Karl V., Holbeins Selbstbildnis und Rembrandts Bild seines Sohnes Titus — so gibt es auch eine Bildniskunst des Backwerkes. Bescheidener natürlich angesichts so hochwertiger Bildnisparallelen, sind sie hier etwas einfacher. Aber auf den Pfiff der Erfindung kam es schließlich an, und der ertönte eines Tages in der Adenauer Backstube von Franz Weber. Im übertragenen Sinne war es eigentlich das Hörn des Postillons, als sie in Adenau ihren Dienst seit 150 Jahren feierte. Da baute aus Teig Franz Weber eine Postkutsche samt Postillon und seinem Hörn, die Kutsche beladen mit Koffern und Hutschachteln (weil Damen mitreisten) oben drauf.
Er hat die große Strecke des Nürburgrings in Teig gebacken mit Burg und Rennwagen und Tribüne, das große Kreiswappen mit Adler und Löwe, und aktuell ist er mit dem neuen Zeichen für Kreis Ahrweiler und Ahr-Rotweinstraße: das große A mit Traube. Einmal schob er in den Backofen eine schöne, mit Tonnendeckel überwölbte Truhe — so groß, daß ein halbes Dutzend Weinflaschen darin Platz hatte. Er hat einmal als Relief „Das tägliche Brot“ des Vincent van Gogh geschaffen, einen Oldtimer mit Andrehkurbel und Zopfrädern — das Wichtigste aber sind ihm die Portraits.
So sieht es in der Backstube aus. Unmittelbar unter Franz Webers Arm ist Egon Bahr — unverwechselbar!
Foto: Esch
Da hatte er oft großen Auftritt. Nicht nur, als Ministerpräsident Vogel ins Land kam und er verdutzt sich selber in Brotteig gebacken sah — einmal sah die halbe (Narren-) Welt zu. Das war, als Ephraim Kishon in Aachen den „Orden wider den tierischen Ernst“ bekam. Und außerdem Backbildnisse von Begin, Dajan und Sadat — und noch Kishon selbst dazu. Wie das manchmal geschieht: Der damalige Karnevalsprinz von Aachen ist ein Freund und Kollege, und der Vorschlag wurde von den Aachener Narren gerne angenommen: ein Ordensträger in Teig gebacken — das war noch nie da.
Zum Bundeskanzlerfest „Heiteres Philosophi-cum“ hatte das Bäckerhandwerk das Brotbuffet gerichtet. Da waren denn gleich Annemarie Renger wohlgebacken, Carstens, der Justizvogel, Genscher, Apel. Wehner und Strauß nebeneinander, was sonst so selten geschieht. Dann schon eher Kohl und Scheel, Ertl, Graf Lambsdorf und Wischnewski, Brandt, Ehrenberg, Bahr und natürlich Kanzler Helmut Schmidt selbst.
Die Motive liegen rundumher, nicht nur berühmte Zeitgenossen, sondern auch etwas fürs Andernacher Bäckerjungenfest, Pferdeköpfe fürs Reiterfest, ein Ferienmotiv mit einem Gänseblümchen im Mund. Seine Bäckerkunst hat Franz Weber in großen Fachausstellungen gezeigt — einmal allerdings hatte er Pech. Als er eine Sendung zur Internationalen Backausstellung in München auf den Weg gab, kamen sie dort ziemlich verzerrt an, und das ist bei Bildnissen berühmter Zeitgenossen geradezu entstellend. Wie kam es zum Unglück? Sie waren zu warm verpackt worden. Künstlerpech!
Überhaupt . . . das ist so einfach nicht, es genüge, einen Batzen Teig aufs Blech zu werfen und dann ein wenig Umrisse des Gesichts „zurechtzubiegen“. Franz Weber dazu: „Zuerst machte ich selbstverständlich die Köpfe im Profil. Bald aber zeigte sich, daß sie an der Nasenwurzel einrissen.“ Auch auf den Teig kommt es an. Franz Weber dazu: „Anfangs hatte ich stets zuviel Hefe.“ Beim Backen bekommen so flache Flächen Dehnungen, manchmal auch Luftblasen, was wohl von der Beschaffenheit des Teigs wie vom „Ziehen“ herrührt, und anfangs kam mancher Schrumpfgermane aus dem Ofen.
Aus diesen Erfahrungen lernend, formt er jetzt seine Portraits en face.
Die Nase von Egon Bahr kann Franz Weber sozusagen schon im Traum backen. Und es steht zu erwarten, daß er bald wieder etwas parat hat für seine Kunst auf dem Backblech.
Kunst aus dem Backofen — warum nicht? Keiner hat sich bisher über sein Konterfei geärgert, jeder vielmehr hat darüber geschmunzelt. Auch das Handwerk treibt manchmal Blüten der Kunst, kein Wunder in diesem Falle, denn drei Generationen — Franz, Stefan und wieder Franz — sind hier im Handwerk.
Das Kreiswappen mit Adler und Löwe Kreuz und Rheinstrom, dazu das touristische Werbesignet des Kreises
Foto: Privat
Die halbe (Narren)-Welt sah zu. als diese Bildnisse in Aachen überreicht wurden Der Preisträger Ephraim Kishon links oben, rechts Begin links unten Dajan und rechts Sadat
Foto: Esch
Wenn ihn wieder einmal die Teigmuse küßt, wenn ein neues Kunstwerk entsteht, dann heißt es: hinein in den Ofen!
Der Teig- und Mehlkünstler ist manchmal selbst erstaunt, was dann auf dem Brotschieber herauskommt.