Eine Million Jahre Lebensformen der Menschheit

VON BERNHARD KOSSMANN

„Wenn man über die Brandgrubenkultur und die Begräbnissitten der Remagener Bevölkerung unter römischer Fremdherrschaft berichtet, dann wirft der nachdenkliche Leser mancherlei Fragen auf, die er gerne beantwortet wissen möchte. „Wie wurden die Menschen in der Vorzeit oder Prähistorie begraben? Woher weiß man überhaupt, daß Menschen vor vielen Jahrtausenden existierten? Hat der Mensch eine Entwicklung durchgemacht, die an den Skelettresten erkennbar ist? Was bedeuten die Begriffe Eiszeit, Steinzeit, Bronzezeit, Indogermanen u. a.? Die Forscher aller Wissenszweige sind redlich bemüht, Licht in das Dunkel der Prähistorie zu bringen. Viele Probleme sind gelöst worden, andere stehen noch im Mittelpunkt wissenschaftlicher Diskussionen. Über die vielen Fragen ist im letzten Jahrhundert ein kaum überschaubares Material zusammengekommen. Es ist nicht möglich, die Fülle der Erkenntnisse im Rahmen des Heimatkalenders vollständig darzustellen. Doch soll versucht werden, über den Forschungsstand in kurzen Zügen zu berichten, wie es den heute vorherrschenden Anschauungen entspricht.

Mit all diesen Fragen hat sich im letzten Jahrhundert besonders die moderne Wissenschaft der Archäologie beschäftigt. Es ist noch gar nicht lange her, daß die Historiker es ablehnten, die schriftlose, nur durch Mythen und Sagen bekannte Vergangenheit zur Kenntnis zu nehmen. Der bekannte Historiker Heinrich von Treitschke nannte noch im vergangenen Jahrhundert die Beschäftigung mit prähistorischen Dingen „einen netten Zeitvertreib für pensionierte Offiziere, Pfarrer und Lehrer“. Der Römerkenner Theodor Mommsen sprach in ähnlichem Sinne von der „Spatenforschung“. Selbst die Remagener Mitbürger nannten ihr Heimatmuseum ein „Schirvelehäuschen“. Heute aber ist die Wissenschaft der Archäologie als ernste Fachdisziplin anerkannt. Die Vorgeschichte muß mit anderen Methoden erarbeitet werden als die Geschichtswissenschaft. Weil es aus jener Zeit keine schriftlichen Überlieferungen gibt, benutzt sie als Geschichtsquellen die im Boden erhaltenen Kulturhinterlassenschaften unserer Vorfahren. Die Arbeitsmaterialien der Forscher sind Tonscherben, Waffen, vergrabene Münzen oder andere Schätze, Steinaufhäufungen, verfärbte Erde, besonders aber Gräber mit Skeletten und Beigaben.

So sind auch wir bei unseren Vorstellungen über die Bestattungssitten besonders auf Grabungsergebnisse angewiesen. Die Archäologen messen diesen Funden eine wichtige historische Bedeutung zu.

Die Wissenschaft benennt sogar einige Kulturstufen der Erdzeitalter nach der Begräbnisart und spricht von Grabstätten

  1. der indogermanischen Megalithkultur. Es handelt sich dabei um die Zeit der Großstein oder Hünengräber der jüngeren Steinzeit, etwa 3000 bis 1800 v. Chr.,
  2. der gelgräberkultur von etwa 1800 bis 1200 v. Chr.,
  3. der Urnenfelderkultur bis zur Mitte der Bronzezeit, etwa 1200 bis 800 v. Chr.,
  4. der Brandgräberkultur im gesamten nordalpinen Raum, von etwa 800 v. Chr. bis nach Christi Geburt.

Die Menschen der einzelnen Kulturstufen haben ihre Waffen, Werkzeuge und Gerätschaften in der Vormetallzeit aus Holz, Tierknochen und Hörn, dann aus rohem Stein geschaffen. Später lernten sie das Kupfer und die Bronze kennen. Erst im jüngsten Abschnitt der vorzeitlichen Entwicklung erlangten sie Kenntnis vom Eisen, das bis heute noch der vorherrschende Werkstoff ist.

In der ersten Periode der Erdneuzeit, dem Tertiär, das die Geologen vor 60 Millionen Jahren beginnen und um 600000 Jahren v. Chr. enden lassen, entfalteten und breiteten sich die Blütenpflanzen aus. Das ist die Voraussetzung für die Entwicklung der Säugetiere und der Menschen. Erst spät — im Vergleich zu den übrigen Lebewesen ist der Mensch auf der Erde erschienen. Man ist mit der Forschung nach dem Vor- oder Frühmenschentyp und seiner Begräbnisstätte bis in das Spätzeitalter des Tertiärs, vielleicht bis vor 800000 Jahren vor Christus vorgestoßen. In den letzten Jahrzehnten wurden vornehmlich in Südafrika, Java und China Skelettreste von Urmenschenformen gefunden und katalogisiert, die unter sich nicht unerhebliche Unterschiede der Rassen aufweisen. Diese gelegentlichen Funde in Reihe und Glied zu bringen, ist bis heute noch nicht restlos gelungen. Die Schädel und Gliedmaßen sind schon erheblich fortentwickelter nach den großen Gesetzen der Entwicklung, die der Herrgott in seine Menschheitsschöpfung (Genesis 1,26—29) hineingelegt hat, um aus dem Chaos der Erde einen Kosmos zu schaffen.

Das Tertiärzeitalter brachte durch weitere Abkühlung gewaltige Naturkatastrophen über die Erde. Ihr Mantel wurde stürmisch in Falten geworfen, die ihre Oberfläche formten und wieder umformten. Und „es ist Gras gewachsen über die Leiden derer, die bei jener Umwälzung mitleidslos vernichtet wurden“ wie Viktor von Scheffel sagt. Durch Hebungen und Senkungen des Bodens entstand eine Annäherung au die heutigen Festland- und Meeresformen. Es bildeten sich die niederrheinischen Braunkohlenlager und durch Vulkantätigkeit in allen drei Perioden der Erdneuzeit das Siebengebirge und die vielen Domberge unseres Heimatkreises. In diese Zeit fällt auch die speiende Vulkantätigkeit im Laacher-See-Gebiet und in der Eifel. Die ältesten Spuren des vorgeschichtlichen Menschen fallen hier in die Zeit vor den letzten Ausbrüchen der Eifelvulkane, die nach Ansicht der Geologen etwa 6000 Jahre vor unserer Zeitrechnung ihre Tätigkeit einstellten.

Hunde in vulkanischen Schichten bei Andernach haben ergeben, daß die letzten Ausbrüche auch menschliche Niederlassungen überschüttet haben, die der älteren Steinzeit angehörten
(? bis 10000 v. Chr.). Für das immer wiederkehrende Inferno in unserer Heimat sprechen die zahlreichen Schichten in den angeschnittenen Bimslagern des Neuwieder Beckens, Bisher war für die Erdoberfläche die innere Erdwärme die wichtigste Wärmequelle, so daß überall ein gleichmäßig warmes Klima herrschte. Je mehr die Erdrinde sich verdickte, desto mehr trat der heutige Zustand ein, daß die Sonne die Hauptwärmequelle ist, und damit war das Entstehen der heutigen Klimazonen verknüpft. Zugleich hatte die zunehmende Abkühlung der Erde den Niedergang gewaltiger Wassermassen zur Folge.

Nach der geologischen Tertiärzeit von vielen Jahrmillionen folgte das Zeitalter des Diluviums. Diluvium kommt von dem Wort „diluere“ — fortwaschen, eigentlich ist es die Zeit der Überschwemmungen (Sintflut). Heute steht fest, daß das diluviale Erdreich (Sand, Kies, Ton, Löß, Lehmmassen) nicht nur durch Überschwemmungen an seinen Platz gebracht wurde. Diese Massen wurden vielmehr durch Gletschereis in einer Eiszeit von ungefähr 600000 bis 12000 Jahren v. Chr. über die älteren Erdschichten abgelagert. Die Eiszeit ist durch eine Temperaturerniedrigung von 10 bis 12 Grad gekennzeichnet. Als Ursache gibt es heute nur mehr oder weniger wahrscheinliche Vermutungen. Manches scheint dafür zu sprechen, daß die Richtung der Erdachse zur Bahn der Erde um die Sonne gewissen Schwankungen unterliegt. Die Bedeckung Europas mit Inlandeis ist nicht in einem Zuge von den Gletschern Skandinaviens im Norden und den Gletschern der Alpen im Süden erfolgt. Wir haben mit einem mehrmaligen Vorstoß des Eises zu rechnen. In Deutschland glaubt man, gegenwärtig vier solcher Eiszeiten annehmen zu müssen. Drei Warmzeiten unterbrachen die Eiszeit, das Klima glich dann dem heutigen oder war teilweise noch etwas günstiger.

Die vorletzte Eiszeit (etwa 230000 bis 120000 v. Chr.) war sehr ausgedehnt. Sie hat die für Norddeutschland charakteristischen Moränen, Urstromtäler und Seen hinterlassen und die Findlingsblöcke von Skandinavien bis in die Höhe der niederrheinischen Städte Krefeld, Kettwig und Essen ausgesandt. Die Gletscher der letzten Eiszeit (etwa 120000 bis 12000 v. Chr.) fanden bereits in Schleswig-Holstein ihr Ende. Das Klima der Erde hat im Laufe der Erdgeschichte vielfach geschwankt. Bei den Untersuchungen uralter Gesteine fanden die Geologen Anzeichen (Gletscherschliffspuren) dafür, daß schon vor mehr als einer Milliarde Jahren auf der Erde eine Eiszeit herrschte. Vor 600 Millionen Jahre und wieder vor 275 Millionen Jahren dehnten sich Gletscher über große Teile der Erde aus. Vor über 600000 Jahren schließlich begann jenes letzte Eiszeitalter, wodurch das Antlitz Deutschlands so verändert wurde.

Während dieser Eiszeit muß ein wesentlicher Teil der europäischen Menschheitsentwicklung vor sich gegangen sein. Es liegt auf der Hand, daß die Menschen dem wechselnden Klima des Diluviums mit seinen Warm- und Kaltzeiten stark unterworfen waren. Sie lebten in der Urzeit als Jäger und Sammler, in den warmen Zeiten in Freilandstation, in kälteren bevorzugten sie Höhlen und überhängende Felsdächer. Häufig findet man diluviale Menschenknochen in Höhlen neben den Knochen von erlegten Beutetieren am erloschenen Lagerfeuer.

Die meisten Kenntnisse darüber verdanken wir französischen Höhlenforschern, die ganze Skelette von Menschen fanden. In Frankreich und den südlichen Halbinseln haben sich die Gegensätze des Klimas augenscheinlich weniger stark geltend gemacht. Das tierische und pflanzliche Leben konnte sich mit Stetigkeit weiter entwickeln.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, eine Urnschreibung der vielen europäischen und außereuropäischen Funde von Rassetypen zu geben. Höhlengebiete unserer näheren Heimat und der Boden des südwestlichen Deutschland geben uns schon Zeugnisse von der Anwesenheit der ältesten Menschen. Hierbei soll auch die Entstehung der nordischen Rasse Berücksichtigung finden.

An der Schwelle der eiszeitlichen Epoche steht der bekannte Fund des Heidelberger Menschen. Dieser Menschengruppe wird ein guterhaltener Unterkiefer zugeordnet, der im Jahre 1907 beim Abbau einer 20 m dicken Sand- und Kiesgrube bei Mauer unter einer typisch eiszeitlichen Löß- und Lehmdecke lag. Es ist kein Zweifel, daß dieser Unterkiefer einem Menschen gehört hatte, der vielleicht schon vor 500000 Jahren in der ersten Zwischeneiszeit lebte. Für die Wissenschaft ist er der „Alteuropäer“. Der Unterkiefer ist ausgezeichnet durch den völligen Mangel des Kinnvorsprungs und läßt durch die prächtige Zahnreihe bereits den menschlichen Typus erkennen.

In Steinheim, einem Ort, der 30 km von Stuttgart entfernt liegt, wurde im Jahre 1933 auch aus einer Kiesgrube ein Schädel gehoben. Dieser Fund erwies erstmalig das Dasein eines höher entwickelten Menschentypus in einer weit zurückliegenden Vergangenheit, der zweiten Zwischeneiszeit von etwa 420000 bis 230000 Jahren vor Christus.

Der bekannteste Menschentypus ist der Neandertaler. Er lebte am Ende der letzten Zwischeneiszeit bis in den Beginn der letzten Eiszeit, etwa 150000 bis 80000 v. Chr. Er trägt seinen Namen nach dem Fundort der Skelettreste, die im Jahre 1856 durch den Elberfelder Gymnasialprofessor Fuhlrott in einer niedrigen, lehmgefüllten Kalksteingrotte des Neandertales bei Düsseldorf geborgen wurde. Es gelang ihm die Sicherstellung der Schädeldecke und einiger Knochen. Heute befinden sich diese bedeutenden Relikte in dem Landesmuseum zu Bonn.

Die Wissenschaftler (Virchow) versagten anfangs die Anerkennung des diluvialen Menschen. Als aber gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts ähnliche Menschenreste in Europa, Asien und Afrika ausgegraben wurden, war jeder Zweifel hinsichtlich des erdgeschichtlichen Alters behoben. Die Neandertaler waren keine „Provinzler“ mehr, sondern „Weltbürger“. Immerhin war er ein echter Mensch, der das Feuer kannte und einfache Steinwerkzeuge gebrauchte. Seinen Jenseitsglauben bestätigte er durch sorgfältige Bestattungen mit Beigaben.

Rekonstruktionsplasfik eines Neandertalers

Fremdartig erscheinen vor allem die starken, knöchernen Augenbrauenwülste, die fliehende Stirn und das nahezu fehlende Kinn.

Der nicht sehr widerstandsfähige Neandertaler war wohl den Unbilden der Eiszeit nicht gewachsen. Schuld daran war das damals tundrenartige unwirtliche Klima. Er wurde von neuen Völkern immer weiter nach Süden zurückgedrängt und starb schließlich ganz aus.

Noch vor wenigen Jahrzehnten glaubte man, im Neandertal den Urmenschen gefunden zu haben. Mancherlei Funde der letzten Jahre haben aber gezeigt, daß mit dem Neandertaler und schon vor ihm andere Menschenrassen auf der Erde gelebt haben. Nach den letzten Skelettfunden in Südafrika in noch älteren Erdschichten, die zum Teil mehr als eine Million Jahre alt sind, ist nach den Begleitfunden äußerst wahrscheinlich, daß diese Bewohner der afrikanischen Steppe „Warren benutzt hatten und Feuer kannten. Das wäre ein Beweis dafür, daß schon in der Tertiärzeit (vor 600000 Jahren) Menschen die Erde bewohnt haben.

Aus der Mitte der letzten Eiszeit, etwa 50000 vor Christus, wurden weitere Menschenrassen bekannt, die eine längere Entstehungszeit hinter sich haben mußten. Es ist wohl der Hauptast der Menschheitsentwicklung, die sich bis in die Gegenwart fortsetzt. Das gilt besonders von den Aurignac- und den Cromagnon-Menschen, die hauptsächlich in Frankreich gefunden wurden, wo sie auch die bedeutende eiszeitliche Höhlenkunst schufen. Sie sind wahrscheinlich aus dem Osten kommend in das mittlere und westliche Europa eingewandert und bilden dort die Ahnherren der nordischen Rasse. Von dieser aktiven Rasse ist die Mehrzahl aller Hochkulturen der alten Welt geschaffen worden.

Der wertvollste Fund davon gehört dem Rheinlande an. Es ist das Doppelgrab von Oberkassel im Siebengebirge. Das Grab wurde 1914 bei Steinbrucharbeiten auf dem Kuckstein, dem südlichen Vorsprung der Rabcnlay, angeschnitten. Das Grab war mit großen Steinen zugedeckt. Es handelt sich um zwei nahezu vollständige Menschenskelette, einen robusten Mann von etwa 60 Jahren und eine zierliche Frau von ungefähr 20 bis 25 Jahren. Viele Merkmale wiesen auf die Cromagnon-Rasse hin. Die Bestattung ist vor etwa 10000 bis 15000 Jahren erfolgt.

Über die in Afrika, in China und in Europa ausgegrabenen Überbleibsel von Urmenschen herrschte lange Zeit eine beträchtliche Verwirrung. Diese wurde durch die Anthropologen dadurch vollständig, daß sie für ein und denselben Fund mehrere Namen prägten und benutzten. So gaben sie für den Heidelberger Unterkiefer allein neun verschiedene Bezeichnungen; ähnlich war es auch bei anderen Funden.

In der Neuzeit haben die Forscher mit dem Namenwirrwarr aufgeräumt. Alle Funde aus den letzten eine Million Jahren werden heute zwei verwandten Arten zugeordnet: dem Homo erectus (aufrecht) und dem Homo sapiens (weise).

Rekonstruktionszeichnung des Mannes von Oberkassel

Ausschlaggebend für die Zuordnung zu den beiden Arten ist vor allem die Größe des Gehirns, die sich aus der Wölbung der Schädelknochen errechnen läßt.

Danach wird von deutschen Funden der Kiefer von Heidelberg als Rest eines „Homo erectus“ gedeutet. Als Zeugnisse eines echten „Homo sapiens“ gelten die zahlreichen Reste von Neandertalern und der Schädel von Steinheim in Baden-Württemberg.

Während aus der älteren Steinzeit Gräberfunde nur in äußerst beschränkter Zahl nachgewiesen sind, rühren fast alle Menschenfunde aus der späteren Steinzeit von Beerdigungen her. Sie verraten, daß die Toten unter Einhaltung bestimmter Riten und kultischer Gebräuche pietätvoll in die Erde gesenkt wurden.

Augenscheinlich wurden sie häufig in unmittelbarer Nachbarschaft der Wohnplätze der Erde übergeben. Sie galten auch weiterhin als Glieder der Sippe. Oftmals ruht das Haupt auf einem Kissen von Stein, wie zum Schlaf ist es bisweilen in die rechte Hand gebettet. Mancherlei Dinge, die der Tote im Leben benutzt hatte, gab man ihm auch ins Grab. Man stattete ihn aus, als wolle er nun eine große Reise antreten und wurde deshalb mit einer Wegzehrung versorgt.

Zuletzt bedeckte man den Leichnam mit einer dichten Schicht aus Ocker, einer gelbbraunen Malerfarbe von einer eisenhaltigen roten Tonerde, wie die „Rote Erde“ bei Remagen.

Es war damals schon ein uralter Brauch, den man bereits bei dem Neandertaler und dem Oberkasseler Skelettpaar beobachtet hat. Mit diesem Rot, der Farbe des Blutes, wollte man wahrscheinlich dem erstarrten kalten Körper neue Lebenskraft zuführen, damit er wieder zum Dasein auferstehe in dem jenseitigen Schattenreich oder zur Wiedergeburt in einem neuen Erdendasein.

Über solchen Grabstätten finden sich oft zahlreiche Knochen erlegten Wildes, ein Zeichen dafür, daß die Mitglieder der Sippe sich dort nach der Grablegung zum Mahle vereinten. Um 3000 bis 1800 v. Chr., als die Ägypter ihren Königen Pyramiden als Grabstätten bauten, schuf ein altnordischer Kulturkreis in Norddeutschland und Skandinavien die Großsteinbauten der sogenannten Megalithkultur. Es sind unsere ältesten noch erhaltenen Grabbauten der Vergangenheit.

In Nordeuropa gibt es Steingräber in mancherlei Größe und Gestalt: als Einzelgräber, Dolmen genannt, oder als Ganggräber, die durch einen Gang mit der Außenwelt verbunden sind. Sie haben Haupt- und Nebenkammern von verschiedener Größe, die zur Aufnahme von Erdbegräbnissen der Großbauernfamilien dienten. Alle sind aus mächtigen erratischen Steinblöcken, oft mit Überliegern bis zu zehn Tonnen Gewicht, aufgebaut. Nach dem Volksglauben konnten sie nur durch Riesen bewältigt werden und heißen deshalb auch Hünengräber.

Darin lagen die Leichen unter einem deckenden Erdmantel meist in gestreckter Lage. Als Beigaben fanden sich Waffen, Geräte und Tongefäße mit  Wegzehrung.

Die Megalithkultur hat Völker aller Rassen erfaßt. Forscher brachten den Nachweis, daß diese Kultur auf dem Wege von Syrien über das Mittelmeer nach Spanien, Portugal, Frankreich bis zum Gestade von Irland, Skandinavien ausgebreitet wurde. Die südlichst gelegenen „Ricseiistuben“ finden sich im unteren Lippegebiet, im Weserbergland und im Harz. Händler und im Gefolge Missionare verbreiteten wahrscheinlich auf diesem Wege den uralten Kult der „Großen Mutter“ (Mater magna). Es ist das Mysterium mit der konkreten Jenseitshoffnung vom Tode und der Wiedergeburt des schönen Atthis, des Sohnes und Geliebten der Großen Mutter am 24. März.

Truppen der römischen Besatzung in Remagen waren auch Angehörige dieses Mysterienkultes (siehe Museumsstein Nr. 12).

Mit dem Abtauen der Gletscher, das etwa vor 12000 Jahren begann, und der fortschreitenden Erwärmung bedeckte sich Europa im Laufe der Jahrhunderte weiterhin mit dichten Wäldern. Damit kehrten ungezählte Pflanzen- und Tierarten dorthin zurück. Noch vor ihnen erschien der Mensch, um diese Länder in Besitz zu nehmen. Schon gegen Ende der Eiszeit gelangten nomadisierende Jäger aus Südosteuropa während der Sommermonate bis nach Norddeutschland, ja sogar bis Skandinavien. Im Herbst zogen sie dann mit den Rentieren südwärts. Als das Klima immer milder wurde, erschienen auch Völkerschaften aus Südwesteuropa in unseren Breiten. Sie folgten ihren Jagdtieren, die damals nach Norden auswichen.

Als vor etwa 10000 Jahren das Meer die einst bestehende Landbrücke zwischen Mitteleuropa und Skandinavien überflutete, wurde ein Ausweichen nach Norden immer schwieriger. Die große Wanderbewegung nach Norden kam allmählich zum Stillstand, Manche Stämme wurden als Viehzüchter in Mitteleuropa seßhaft und verschmolzen dort zu einer Urbevölkerung. Eine abermalige Klimaschwenkung war später wahrscheinlich die Ursache dafür, daß viele Bewohner ihre Wohnsitze verließen und in Trecks nach Süden zogen. Dort brachen sie in die Bereiche sehr alter Hochkulturen ein, die von den in immer neuen Wellen anbrandenden Barbaren allmählich überschichtet und aufgesogen wurden. Dieses Ereignis war der Auftakt, der den Beginn der abendländischen Geschichte einleitete.

In der jüngeren Steinzeit, etwa 4600 bis 2000 Jahre v. Chr., entstand in dem weiten Raum, der sich von Mitteleuropa bis Südrußland erstreckt, wieder eine große geschichtliche Völkerwanderung. Es waren besonders die Züge der Indogermanen. Durch deren starmmliche Spaltung legten sie die Grundlage für die heutige Völkerungsgruppierung in Europa.

Auf Grund der verschiedenen Formen von Waffen und Gerätschaften, besonders aber der Gestalt und Verzierung der Töpferwaren, die eine landschaftlich getrennte Verbreitung auf-weiscn, ist man in der jüngeren Steinzeit zur Aufstellung von Kultur kreisen gelangt, die man ausschließlich nach der Keramik benennt:

  1. der in den Ostseegebieten beheimatete nordische Kulturkreis mit seiner „Leitform“ der Schnurkeramik.
  2. der ostische Kulturkreis der Steppengebiete der Donauländer mit deren charakteristischen Tongcfäßen, die als Bandkeramik bezeichnet werden,
  3. der westische Glockenbccher-Kulturkreis, der seine Heimat in Spanien und Frankreich hat, von wo aus er über unsere Heimat nach Mitteleuropa vorgestoßen ist.

Für das Rheinland kommen, wenn man von den Splittergruppen (Tulpenbecher, Trichterbecher u. a.) absieht, hauptsächlich die Glockenbecher- und Bandkeramikleute in Betracht. So hat man das berühmte bandkeramische Dorf Köln-Lindenthal mit seinen Rechteckbauten in den Jahren von 1930/34 ausgegraben.

Die Keramik spick als vorgeschichtliche Hinterlassenschaft eine beherrschende Rolle und gilt als „Leittypus“ der Forschung. So konnten die Forscher durch Grabungen die Zentren der einzelnen Kulturen erkunden, deren Wege nachschreiten und manche Grundtatsache der historischen Entwicklung klären.

Die vorgeschichtliche Literatur ist nicht frei von ‚Widersprüchen, und hei der Behandlung von Rassenfragen der Vorzeit ist große Zurückhaltung geboten.

Die „Indogermanen“ sind kein Volksbegriff, den wir historisch erfassen können. Der Begriff wurde von der Sprachwissenschaft geprägt. Das Studium des Sanskrit, der alten heiligen Sprache der Inder, wies den Mainzer Franz Bopp vor 150 Jahren auf die Verwandtschaft des Altindischen, Griechischen, Lateinischen und Germanischen hin. Diese Sprachforschung legt neben der Bodenforschung und der Geschichte der Menschenrassen den Grundstein zur Erforschung der Urgeschichte.

Die Frage nach der Stammverwandtschaft der . indogermanischen Völker blieb dabei unbeantwortet, ebenfalls auch die der Urheimat der Indogermanen.

Es gibt mehrere Theorien, um die Heimat der Indogermanen glauben ermitteln zu können. Während manche die Heimat in Asien suchen, glauben andere sie in Nordeuropa gefunden zu haben.

Die Theorie von Professor Gustav Kossina gilt als der sicherste Weg. Er hat durch viele Untersuchungen die Urheimat der Indogermanen nach dem Norden Europas verlegt, von wo aus die verschiedenen Züge während der jüngeren Steinzeit durch Bodenfunde, besonders Gräber, nachzuweisen sind.

Überall vermittelte die indogermanische Herrenschicht ihre kulturellen Eigenheiten, verbreitete Sprache und Stammessitten. Sie setzten sich in den neuen Kolonialgebieten fest und bildeten dort die Oberschicht.

Kossina hat die Indogermanen in die Gruppen der Nord- und Südindogermanen eingeteilt. Bei den Nordindogermanen liegen die Wurzeln unserer Germanen, die aus der Rassenmischung von Megalithmenschen (Hünengräber) und Streitaxtleuten (Schnurkeramiker) hervorgegangen sind. Beim Übergang von der Stein- zur Bronzezeit läßt sich die stammliche Herausbildung der Germanen erkennen. Die Kelten im Südwesten und die Skythen (Slawen) im Osten entstanden erst später aus wiederum neuer Durchdringung und Verschmelzung verschiedener Kulturen, die sich auf dem Boden Europas begegneten.

Die Ausweitung des germanischen Siedlungsraumes nach Osten, Süden und mit besonderem Drang nach Westen beanspruchte über tausend Jahre. Bis zum Jahre 1000. v. Chr. schoben die Germanen ihre Grenzen im Westen bis zur Wesermündung vor, etwa 250 Jahre später hatten sie die Ems erreicht. Um 500 v. Chr. rückten sie allmählich über den Niederrhein nach Belgien. Um etwa 300 v. Chr. näherten die germanischen Stämme sich der Mosel, im 2. Jahrhundert v. Chr. erreichten sie den Main und stießen im 1. Jahrhundert v. Chr. nach Süddeutschland und bis ins Elsaß hinein.

Kelten, die um 800 v. Chr. noch im Herzen von Mitteldeutschland saßen, wurden von den Germanen auf das linke Rheinufer zurückgedrängt und hatten sich später dort mit einigen germanischen Stämmen stark gemischt.

Dieser erste Vorstoß muß absolut friedlich erfolgt sein, das beweisen das Fehlen jeglicher Waffen und die friedliche Nebeneinanderbestattung von Germanen und einheimischer Bevölkerung auf den Gräberfeldern Westfalens und des Niederrheins (Rundschädel — Langschädel) .

So war bei dem Auftreten der Römer die germanische Landnahme unserer Heimat abgeschlossen. Fortan lag der Schwerpunkt der großen politischen Auseinandersetzung im Rheinland.

Die Germanen, als .eine von den Kelten verschiedene Nation, hat zuerst der Reisende Pytheas von Massilia (Marseiile) um 330 v. Chr. erkannt. Doch nennt er den Namen Germanien nicht und rechnete das Volk zu den Skythen, einem östlichen Reitervolk, das im 7. Jahrhundert v. Chr. durch Wanderungen bis nach Mitteldeutschland neue Unruhe brachte. Erst Julius Cäsar hat beide Völker für immer scheiden gelehrt und den Namen Germanien üblich gemacht. Obwohl die Germanen viele Züge mit den Kelten (Galliern) gemeinsam hatten, erkannte er mit Sicherheit die sprachlichen und völkerkundlichen Gegensätze zwischen beiden. Zur Vorgeschichte der menschlichen Kultur gehören auch die ersten Stufen der Ausnützung verschiedener Metalle: des Kupfers, des Zinns, des Goldes und zuletzt des Eisens. Die Kenntnis dieser“ Bodenschätze bedeutete nicht nur bessere und leichtere Arbeit, sondern auch reicheren und wertvolleren Körperschmuck. Sie eröffnete vor allem eine früher nicht dagewesene Entwicklung der Industrie und des Handelsverkehrs. Bergbau und Hüttenwesen, Gießerei und Schmiedekunst, Handel mit Rohmetallen und fertiger Ware belebten fortan die waldigen Höhen, die lärmenden Werkstätten und die länderverbindenden Straßenzüge. Nebenher geht die Zusammensiedlung der Menschen in größeren Ortschaften. Kupferguß war bereits im alten Babylon vor rund 5000 Jahren bekannt. Die Metallurgen haben auch bereits versucht, das weiche Metall durch Zusätze zu härten. Nach langjährigem Experimentieren ermittelte man um 2200 v. Chr. das „klassische“ Mischungsverhältnis von 90% Kupfer und 10% Zinn. Große Kupferlager fand man in Spanien und das Mischungsmetall Zinn in der Bretagne und in England. Um 2000 v. Chr. wurde die Bronze auch in Mitteldeutschland heimisch durch seine vogtländischen (Sachsen) und thüringischen Erzadern.

Auch das Gold, das edelste Metall, war eine Handelsware erster Ordnung, wie Bronze und Bernstein, es fand damals schon den Weg in unsere Breiten. Gold wurde zum größten Teil aus Irland und Siebenbürgen bezogen. In kleineren Mengen wusch man es aus dem Rheinsand („Rheingold“).

Bereits um das Jahr 1000 v. Chr. kam das Eisen, zunächst als östliches Importgut. Es diente vornehmlich als Schmuck. Eiserne Messer und Schwerter waren noch Raritäten. Erst um 800 v. Chr. begann die Epoche des Eisens mit eigener Verhüttung, nach Stein- und Bronzezeit die 3. Periode der vorgeschichtlichen Zivilisation.

Die Forschung teilt diese Epoche nach den Hauptstandorten in zwei Perioden ein: die Hallstatt-Zeit (Salzkammergut) von etwa 800 bis 500 v. Chr. und die Latene-Zeit (Handelsplatz am Neuenburger See) von etwa 500 bis Christi Geburt.

Die Träger der Latenekultur waren in unserer Heimat die Gallier. Die Herstellung von Gerätschaften aus Eisen erforderte zwar höheren technischen Aufwand, jedoch war dieses Metall weit reichlicher vorhanden.

Die Welt des Nordens zeichnete noch eine geraume Zeit das Nebeneinander von Steinkammern der Ureinwohner und den Hockergräbern der schnurkeramischen südlichen Einwanderer. Die Toten ruhten im Hockergrab wie im Schlaf. Um den Toten auf jeden Fall an der Wiederkehr zu hindern, hat man ihn oft zu einem Paket verschnürt in die Erde gelegt. Die Arme wurden dicht an den Oberkörper gepreßt und die Knie bis zur Brust heraufgezogen. Nach Möglichkeit beschwerte man die Leiche noch mit Steinen. Viele Dinge, die der Tote im Leben besonders liebte, umgaben ihn.

In der Hockerstellung tritt uns eine Sitte des vorgeschichtlichen Menschen entgegen, die einen Einblick in die Vorstellungen seiner Glaubenswelt erlaubt, einer Welt, die beherrscht wurde von der Furcht vor Geistern, Dämonen und Toten. Es sind Vorstellungen der Urangst, die das menschliche Hirn ersann, unter denen die Menschheit so viel litt und leidet.

Die steinzeitlichen Riesensteingräber im Norden waren ursprünglich von Erdhügeln bedeckt. Vom zweiten vorchristlichen Jahrtausend ab kam während der älteren Bronzezeit auch im übrigen Deutschland der Bau von Einzel- oder Hügelgräbern auf. Wo sie noch erhalten sind, zählen sie zu den schönsten kulturgeschichtlichen Denkmälern einer versunkenen Zeit.

Kuppelförmig wölbt sich das ehrwürdige Denkmal wenig mehr als einen Meter über dem ebenen Waldboden. Oft findet man kreisförmig um den Mittelpunkt des Hügels eine Steinsetzung von erratischen Blöcken, um den aufgebauten Hügel zu begrenzen und vor dem Zusammenrutschen zu bewahren. In der Mitte der alten Erdoberfläche wurde eine kreisrunde Grube eingelassen. Das war die eigentliche Grabgrube für den unter dem Hügel in Strecklage beigesetzten Toten, Manchmal dienten diese Hügel auch den anderen Sippenmitgliedern als Ruhestätte.

Bronzezeitliche Hügelgräber sind in ganz Deutschland verbreitet und werden auch im Rheinland häufig gefunden. In Wald- und Heidegegenden sind sie in der Regel noch gut erhalten, bei Umwandlung der Waldflächen in Ackerland wurden viele Grabanlagen zerstört. Häufig sind die Hügel durch Abschwemmung und Sandstürme so flach geworden, daß ihre geringe Aufwölbung im Gelände nicht mehr auffällt.

Über den sogenannten „Fürstengräbern“ in Süddeutschland erhoben sich oftmals sehr ausgedehnte Leichenhügel. Dem verstorbenen Herrn folgten seine Lieblingspferde, Waffen, Kostbarkeiten, Knechte, in allerältester Zeit wahrscheinlich auch seine Frau in den Tod nach. Ein prächtiger Reisewagen und Pferdegeschirr vervollständigten manchmal die fürstliche Grabausstattung für die Reise in die zukünftige Welt. Die Strandvölker der Nordgermanen hatten ihre besondere Art der Totenbestattung. Ihr Fahrzeug, der Einbaum, wurde häufig der Sarg, den man dem Spiel der Meereswellen überließ. Später wurden auch die Leichen in einem angezündeten Schiff auf dem Wasser verbrannt. Die unter Erdhügeln als auch frei im Moor vorkommenden Totenbäume waren oft Behausungen der Toten. Sie bestanden aus gespaltenen und ausgeholten Eichenstämmen, deren hoher Gerbsäuregehalt den Toten und die Kleidung hervorragend konservierte. Dadurch ist es uns heute möglich, die Kleidung des Mannes und der Frau aus damaliger Zeit mit allen Beigaben, besonders der Bewaffnung, vorzuführen. Besonders in Jütland wurden die Toten in den Särgen in Rinderhäute gebettet, um sie länger zu erhalten. Die Bestattungssitte hatte zu Beginn der Bronzezeit eine Änderung erfahren. Es kommt die Verbrennung der Toten auf, deren verbrannten Gebeine in Aschenurnen beigesetzt werden, wie dies bei der heutigen Feuerbestattung geschieht. Damit vollzieht sich ein Wechsel in den religiösen Vorstellungen.

Nicht plötzlich und überall setzte diese neue Bestattungssitte ein. Noch bis zur Mitte der Bronzezeit wird die Leichenbestattung im germanischen Norden geübt. In der jüngeren Bronzezeit (1200 bis 800 v. Chr.) wird im gesamten nordalpinen Raum die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen vorgenommen, die Urnen werden in Grabhügeln oder auf bestimmten Urnenfeldern beigesetzt.

Im Rheingebiet erhält sich die germanische Bevölkerung durch die Hallstatt- und Latenezeit. Immer neue Trecks germanischer Stämme rücken aus dem Osten ein. Die Hügelgräber verschwinden, und die Reste der verbrannten Leichen werden jetzt hauptsächlich in sogenannten Brandgrubengräbern beigesetzt.

Dabei handelt es sich um schmucklose flache Gruben zu ebener Erde, die den gesamten Leichenbrand aufnehmen.

Über diese Brandgrubengräber auf den Remagener Friedhöfen während der römischen Besatzungszeit soll im nächsten Heimatkalender berichtet werden.