Eine Institution für jede Hausfrau

Die Abteilung Hauswirtschaft der Landeslehranstalt Ahrweiler 

Charlotte Clement

Zwischen den Stadtteilen Ahrweiler und Walporzheim fällt dem Vorbeifahrenden ein hübsches Gebäude aus der Zeit der Jahrhundertwende inmitten gepflegter Obstanlagen ins Auge: Das Hauptgebäude der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau, kurz LLVA genannt und landläufig als Weinbauschule bezeichnet. Hier sind seit der Gründung im Jahre 1902 zahlreiche Lehrer und Berater bemüht, den Winzern, Obstbauern und Landwirten des Kreises Ahrweiler eine fundierte Ausbildung, eine gezielte Fortbildung und eine spezielle Beratung in Einzelfragen der betrieblichen Produktion zu vermitteln.

Hinter dem Hauptgebäude erstrecken sich zur Ahr hin die Gebäude des Obstbaubetriebes und Haus III mit weiteren Klassenräumen und der Aula. Um jedoch dorthin zu gelangen, führt der Weg direkt an Haus II vorbei. Ein größeres Gebäude, das früher als Kelterhaus der Weinbauschule diente. 1962 wurde hier die Abteilung Hauswirtschaft stationär eingerichtet und das Kelterhaus für den hauswirtschaftlichen Unterricht umgebaut. Noch heute befinden sich hier Klassenraum, Lehrküche, Waschküche und Hausarbeitsraum sowie ein Internat für etwa 12 Schülerinnen.

Von der Wanderberatung zur Fachschule für ländliche Hauswirtschaft

Diese Institution hat ihre Anfänge in dem Gedanken, daß die Ehefrau des Landwirtes, Winzers oder des Obstbauern ein wichtiges Rädchen im Funktionieren der Produktion und des Betriebserfolges darstellt. Es galt somit, Hilfen zur Bewältigung des vielfältigen Aufgabenbereiches zu geben. War es damals doch noch nicht selbstverständlich, daß in jedem Haushalt eine zentrale Wasserversorgung, Heizung oder gar sanitäre Einrichtungen vorhanden waren. Die perfekte Wäschepflege, wie sie heute mit Hilfe moderner Maschinen gehandhabt wird, war in der Zeit nach dem Krieg nicht immer möglich. Auch die Handhabung und Vorteile eines Elektroherdes war vielen Frauen noch nicht bewußt.

Es war auch nicht üblich, speziell zum Zwecke der Haushaltsführung eine Schule zu besuchen. Zur fachlichen Weiterbildung mußte also eine Beraterin eingesetzt werden, die von Ort zu Ort und von Hof zu Hof zog, um den Frauen, die ja kein Fahrzeug hatten und stark in Haushalt und landwirtschaftlichen Betrieb eingebunden waren, Anregungen zu geben, wie sie ihre Arbeit leichter und schneller erledigen können. 1955 wurde im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums Fräulein Boor an die Lehranstalt versetzt, mit der Aufgabe, die sogenannte Wanderberatung in den damaligen Bezirken Adenau und Ahrweiler aufzubauen. Viele Bäuerinnen des Kreises können sich noch an die ersten eintägigen Einmachkurse erinnern, die Fräulein Boor in den Gemeinden durchgeführt hatte. Aus Gesprächen mit den Teilnehmerinnen erwuchs ein gezielt erstelltes Programm für längere Winterkurse vor Ort. Fachliche Inhalte wie Kochen, Backen, Nähen, Ernährungslehre, Haushaltsführung, Gerätekunde, Gesundheits- und Säuglingspflege, Geflügelhaltung, Wäschepflege und Gartenbau wurden geschickt auf einen drei- bis vierwöchigen Intensivkurs verteilt. Auch die gesellige Seite kam nicht zu kurz. Volkstanz, Laienspiel und Singen rundeten das Programm ab, so daß in vielen Mädchen der Mut zum gesellschaftlichen Engagement gefördert wurde. Durch die Kurse der Wanderberaterin angeregt, fanden sich erstmalig im Winter 1958/59 Mädchen und Jungbäuerinnen aus dem Kreis im ehemaligen Keltergebäude der LLVA ein, um von Allerheiligen bis Ostern die Grundzüge der ländlichen Hauswirtschaft zu lernen und zu üben. Drei Jahre später zog dann die inzwischen gut funktionierende Wanderberatung in das neu umgebaute Kelterhaus. Die »Winterschule« für Mädchen aus landwirtschaftlichen Betrieben brauchte nun nicht mehr provisorisch durchgeführt zu werden. Etwa 500 Schülerinnen aus dem Kreis besuchten seit dieser Zeit die Internatsschule. Damals wie heute erfüllt diese Schule im System der Schulbildungsstätten einen besonderen Auftrag. Schülerinnen, die eine hauswirtschaftliche Grundausbildung absolviert haben, können hier ihre Kenntnisse und Fertigkeiten vertiefen. Die Schule ist heute Voraussetzung zur weiteren Ausbildung als Wirtschafterin und Dorfhelferin. Auch angehenden Meisterinnen gibt sie wertvolle Hilfe bei der Vorbereitung für die Prüfung. Seit den Anfängen bis heute wird die Fachklasse für Hauswirtschaft von November bis März im Vollzeitunterricht besucht. Dies kommt der saisonbedingten Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb sehr zugute, aber auch Mädchen aus anderen Berufen überbrücken heute gerne Zeiten der Arbeitslosigkeit mit dem Besuch dieser Bildungsstätte. Seit der Einrichtung der ländlich hauswirtschaftlichen Fachschule haben sich die fachlichen Inhalte nur geringfügig geändert. Die Aufgabenstellung an eine Haushaltsführungskraft ist im Laufe der Jahrhunderte immer dieselbe geblieben. Um so wichtiger ist es aber heutzutage, der Hausfrau Kenntnisse und Fertigkeiten mitzugeben, damit sie die gestellten Aufgaben schnell und richtig erledigen kann. So ist sie in der Lage, die zur Verfügung stehende restliche Zeit zur Einkommenserwirtschaftung im eigenen oder fremden Betrieb zu verwenden oder der Familienpflege größere Aufmerksamkeit zu schenken. Daher steht heute das Fach Wirtschaftslehre des Haushalts im Vordergrund des Unterrichts. In den praktischen Unterrichtsfächern wird die Bedeutung der rationellen Arbeitsweise stark hervorgehoben und kritisch beleuchtet. Der Umgang mit neuesten Geräten und Arbeitshilfsmitteln wird geübt und in ihren Einsatzgebieten sachlich beurteilt.

Ausbildung für die Hausfrau

Einen Schwerpunkt der heutigen Abteilung Hauswirtschaft an der LLVA im Arbeitsgebiet »Ausbildung« stellen die Lehrgänge nach § 40,2 Berufsbildungsgesetz dar. In 200 Unterrichtsstunden mit fachtheoretischen und fachpraktischen Inhalten werden die Teilnehmerinnen, die keine hauswirtschaftliche Vorbildung haben aber seit mindestens sechs Jahren einen eigenen Haushalt führen, auf die Abschlußprüfung in der Hauswirtschaft vorbereitet. Viele der Teilnehmerinnen aus früheren Kursen nehmen auch die Fortbildung zur Meisterin in der ländlichen bzw. städtischen Hauswirtschaft auf, um vielleicht selbst einmal einer jungen Interessentin die Gelegenheit zu geben, in ihrem Haushalt die »Lehre« zu absolvieren. 

Aktuelles Wissen durch Weiterbildung 

Zu den weiteren Aufgaben der Abteilung Hauswirtschaft zählt die fachliche Weiterbildung. Das schnellwachsende Marktangebot erfordert von den Verbraucherinnen ein kritisches Vergleichen der arbeitswirtschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteile. Die Lehr- und Beratungskräfte sind ständig bestrebt, Wissen und Informationen weiterzugeben, um die Urteilskraft der Hausfrauen aufrechtzuhalten. Im Arbeitskreis Bäuerinnen, der 1984 ins Leben gerufen wurde, treffen sich monatlich Frauen aus Winzer-, Obstbau- und Landwirtschaftsbetrieben, um berufsbezogene Fragen zu diskutieren. Die Themen umfassen spezielle Fragen der landwirtschaftlichen Produktion und Vermarktung, der Buchführung, des Hausgartenbaues, der Vorratshaltung, der rationellen Nahrungszubereitung und viele andere Bereiche aus dem reichhaltigen Aufgabengebiet der Bäuerin und Winzerin. Die Teilnehmerinnen finden in diesem Arbeitskreis Verständnis bei Gleichgesinnten und pflegen Gemeinschaft im Berufsstand.

Die Ernährungsberaterin der Abteilung erteilt zielgruppenorientiert den eigens dafür eingerichteten Selbsthilfegruppen für Gewichtsabnahme Tips und Ratschläge zur Gewichtsreduzierung nach ernährungsphysiologischen Grundsätzen. Es zeigt sich, daß nicht nur die Ernährungsberatung an sich, sondern auch die gegenseitige Ermunterung in der Gruppe eine wertvolle Hilfe auf dem Weg zur gesunden Ernährung und zum Idealgewicht darstellen. 

Landfrauenverband

Für die Frauen des ländlichen Raumes bietet der Landfrauenverband des Kreises Ahrweiler ein umfangreiches Programm fachlicher und geselliger Art an. Die langjährige Leiterin der hauswirtschaftlichen Abteilung, Frau Oberstudienrätin Resi Kaasen, engagierte sich sehr stark für die Belange der Frauen in den Dörfern des Kreises. Sie baute zusammen mit der bis Mai 1986 amtierenden Vorsitzenden, Frau Elfriede Fuchs, Eckendorf, diese Organisation auf. Die Geschäftsführung des über tausend Mitglieder zählenden Verbandes liegt heute in den Händen der Abteilungsleiterin, Landwirtschaftsrätin Beate Bimmer. Dadurch liegt auf der Hand, daß viele Veranstaltungen der Mitarbeiterinnen auch auf die Zielgruppe »Frauen im ländlichen Raum« abgestimmt sind. Hier schimmert noch ein Hauch der ursprünglichen Wanderberatung durch, wenn die Kolleginnen, die Wagen vollgepackt mit Anschauungsmaterial für Vorträge und Vorführungen, in die Dörfer fahren, um den Landfrauen weite Anfahrtswege zu ersparen und trotzdem fachliche Information zu vermitteln.

Die fachlichen Veranstaltungen in den Dörfern oder an der Schule werden durch ein- und mehrtägige Lehrfahrten ergänzt. Die Teilnehmer erkennen vor Ort die Probleme bei der Erzeugung und Vermarktung landwirtschaftlicher und industrieller Produkte und vertiefen dabei ihr Verständnis für andere Berufsgruppen.

Beratung als Entscheidungshilfe 

Bei vielen Veranstaltungen entwickelt sich ein persönlicher Kontakt zu den Teilnehmern und manch individuelles Programm wird den Beratungskräften vorgetragen. Fragen der Haushaltsökonomie, der Erziehung und Bildung, der Haustechnik, des Hausgartenbaues, der Ernährung, Lebensmittelkunde, Küchentechnik und Vorratshaltung werden hier im persönlichen Gespräch erörtert und oft gelingt es, den Ratsuchenden einen Weg aufzuzeigen, der Arbeitskraft spart, den Geldbeutel schont und trotzdem zur Zufriedenheit beiträgt. Früher gab es noch die Förderung zur Verbesserung des Wohnteiles in landwirtschaftlichen Betrieben. Die an die Förderung gekoppelte Beratung war sehr stark gefragt und es konnte somit Fehlplanungen vorgebeugt werden. Heutzutage, wo öffentliche Gelder nicht mehr in diesem Umfange fließen, steht den Bauwilligen weiterhin eine unabhängige, fachlich fundierte und kostenlose Einzelberatung zur Verfügung.

Praktische Vorführungen ergänzen den Unterricht in der Abteilung Hauswirtschaft der Landeslehranstalt Ahrweiler
Foto: Kreisbildstelle

Wie den Bauern und Winzern des Kreises die staatliche Beratung und Weiterbildung zur Verfügung steht, so bemüht sich die Abteilung Hauswirtschaft um die Belange der Hausfrau.

Durch den persönlichen Kontakt der Mitarbeiterinnen mit vielen Mädchen und Frauen des Kreises erwächst ein Vertrauen, das über die Zeit der Ausbildung hinaus reicht und immer wieder neu gepflegt wird. Hier zeigt sich, daß Schule, Weiterbildung und Einzelberatung in einer Institution eine ideale Form des Miteinander ergeben. Der ursprüngliche Gedanke, ausschließlich für die Frauen in bäuerlichen Betrieben präsent zu sein, ist zwar heute aufgrund der immer geringer werdenden Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nicht mehr tragbar, aber die steigende Zahl der Anfragen auch aus den städtischen Haushalten lassen eine absolute Berechtigung dieser unabhängigen und kostenfreien Institution hier im Kreis Ahrweiler zu.