Eine Gaseruption im Laacher See am 1. Juli 1844
Prof. Dr. Wilhelm Meyer
Aus den Herden der Eifelvulkane wird Kohlendioxid-Gas abgegeben, so auch im Bereich des Laacher Sees. Wenn es im Grundwasser gelöst wird, tritt es als Säuerling oder Sauerbrunnen zutage. Ein solcher Sauerbrunnen ist zwischen der Straße und dem Westufer des Sees etwa 700 m nördlich der Abteikirche gefasst worden. An einigen Stellen besonders im Bereich des Ostufers tritt das Gas auch direkt an die Oberfläche; solche Gasaustritte bezeichnet man als Mofetten. Nördlich und südlich des Lorenzfelsens perlt das Kohlendioxidgas aus dem flachen Wasser. Im benachbarten Wald findet man an manchen Stellen oft tote Kleintiere; hier tritt also auch Kohlendioxid aus. Nördlich vom Lorenzfelsen gab es wenige Meter oberhalb des Seeufers eine kleine Grube, aus der man Ton herausholte. Sie wurde „Stickloch“ genannt, da an ihrem Boden eine Kerzenflamme verlöschte und oft auch tote Kleintiere zu finden waren, es war also auch eine Mofette.
Geheimnisvolle Todesfälle
Tragische Ereignisse, die im 19. Jahrhundert hier in der Nähe stattfanden, geben weitere Hinweise auf Kohlendioxid-Austritte: Die Benediktiner-Abtei Laach wurde 1802 durch napoleonische Truppen aufgelöst und später mit den umliegenden Ländereien an den Trierer Regierungspräsidenten Delius verkauft; 1862 stand sie wieder zum Verkauf. 1863 zogen die Jesuiten in die Klostergebäude und richteten hier eine Ausbildungsstätte ein. Als Erholungsheim für die Studierenden errichteten sie am Ostufer des Sees nördlich vom Lorenzfelsen ein 80 m langes zweistöckiges Haus, in dem auch Exerzitien abgehalten wurden und übernachtet werden konnte. Man nannte es „die Villa“, es enthielt sogar zwei Kegelbahnen. Ab Sommer 1871 konnte der Bau benutzt werden, aber schon Ende 1872 mussten die Jesuiten auf staatliche Anordnung Deutschland verlassen, und das Gebäude blieb leer und einsam.
Kohlendioxid- Austritte am Ostufer des zugeforenen Laacher Sees im Februar 1980
Als Erholungsheim für die Studierenden errichteten die Jesuiten am Ostufer des Sees nördlich vom Lorenzfelsen ein 80 m langes zweistöckiges Haus und nannten es „die Villa“. Die Aufnahme stammt aus den 1910er-Jahren, 1921 wurde das Haus abgebrochen.
Das Unheimliche ist nun, dass in der kurzen Zeit ihrer Benutzung in der „Villa“ 8 junge Jesuitenschüler auf unerklärliche Weise verstorben sind. Sie wurden in der Nikolauskapelle am Kloster begraben. Man führte das auf Tuberkulose zurück, die damals sehr verbreitet war. Das stattliche Gebäude ist in der Folgezeit fast spurlos verschwunden, das Baumaterial wurde abgetragen und in der Umgebung verbaut; nur wenige Mauerreste stecken noch im Boden. Esskastanienbäume erinnern noch an die Zeit der Jesuiten.
Um die Aufklärung des etwas unheimlichen Geschehens in der Jesuiten-Villa hat sich Werner Müller aus Wassenach sehr verdient gemacht. Nach seinem Tod im Jahre 2002 hat Reinhard Degen aus Weibern die Untersuchungen fortgesetzt und darüber 2004 und 2005 in der Verbandsgemeinde-Zeitschrift (Olbrück-Rundschau) berichtet.
Inzwischen hat Prof. Dr. Hardy Pfanz von der Universität Duisburg-Essen, der mit seiner Arbeitsgruppe den Einfluss von Kohlendioxid- Austritten auf das Pflanzenkleid untersucht, festgestellt, dass unter der damaligen Jesuiten-Villa sich Mofetten befinden, gegen die das Gebäude unten nicht abgedichtet war. So konnte es im Haus bei Windstille an einigen Stellen zur Anreicherung von dem geruchlosen Kohlendioxid kommen, mit Beträgen von mindestens 20 %. Bei diesen Werten entsteht Sauerstoffmangel, der Schlafende unmerklich in die ewige Ruhe führen kann (Pfanz 2019). Nach den Ermittlungen von R. Degen sollen sich viele der mysteriösen Todesfälle bei trübem Wetter ereignet haben, also bei niedrigem Luftdruck, was die Mofettentätigkeit gefördert haben dürfte.
Kohlendioxid im Laacher See
Auch den tieferen Partien des Laacher Sees wird von mehreren Spalten aus Kohlendioxid zugeführt. Das hat eine Arbeitsgruppe vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam unter Leitung von Dr. Horst Kämpf, die sich mit den Kohlendioxid-Quellen des Gebietes beschäftigt, bei Unterwasser-Untersuchungen festgestellt. Das Gas wird im Seewasser gelöst und von dem Druck der Wassersäule (der See ist heute bis 53 m tief) in Lösung gehalten. Der Laacher See gehört also zu der Reihe von vulkanischen Seen, die Mengen von Kohlendioxid gelöst enthalten.
Dass daraus Gefahr für Mensch und Tier entstehen kann, zeigte sich bei zwei Kraterseen in Kamerun. Dort sind durch Kohlendioxid- Eruptionen beim Manoun-See am 15. August 1984 37 Menschen und beim Nyos-See am 21. August 1986 sogar 1.746 Menschen ums Leben gekommen, außerdem sehr viele Weidetiere (nähere Einzelheiten und weitere Beispiele bei Pfanz (2019)). Es stellt sich die Frage, ob solche Katastrophen auch bei dem an Kohlendioxid- Quellen reichen Laacher See möglich sind. Für wertvolle Informationen danke ich Herrn Prof. Dr. Stefan Dürr, Universität Mainz.
Am 15. Januar 2011 fand eine vulkanologische Diskussionstagung mit dem Thema „Aktive Magmatische Prozesse im Untergrund der Eifel?“ statt, die von der Deutschen Vulkanologischen Gesellschaft in Mendig organisiert wurde. Bei ihr hat Dr. H. Kämpf über die Untersuchungen seiner Arbeitsgruppe berichtet und Vergleiche zu den Vulkan-Katastrophen in Kamerun angestellt. Dabei hat er folgenden Bericht aus dem „Koblenzer Anzeiger“ vom 3. Juli 1844 vorgelegt, auf den ihn Klaus Schmidt, Mendig, aufmerksam gemacht hatte:
„Kloster Laach, 1. Juli. Heute in der Frühe gegen halb 5 Uhr hat sich hier folgende Naturerscheinung ereignet: Bei heiterer und ruhiger Witterung wurde der See höchst unruhig, trat plötzlich zu einer merkwürdigen Höhe aus und eben so schnell wieder zurück, jedoch so weit, dass man mit Schauder nie gesehene Felsen und Abgründe erblickte. In dem nämlichen Augenblicke hörte man ein dumpfes donnerähnliches Getöse, wobei sich ein fast erstickender Rauch hoch in die Luft hineinwirbelte. An der anderen Seite des Sees, „wo die bekannte Stickluft immerwährend aus der Erde steigt,“ hat sich die Erde aufgethan und mehrere Bäume stürzten unter heftigem Krachen dem Abgrunde zu. Auf dem See sah man nach dieser Erscheinung mehrere Fische todt herumtreiben und an der Stickgrube viele Vögel todt liegen. Alles dieses war das Werk eines Augenblickes. Wünschenswerth wäre es demnach, daß Sachkundige diese interessante Erscheinung beachteten und sie einer näheren Untersuchung würdigten.
Ein Augenzeuge.“
Der Laacher See vor der zweimaligen künst- lichen Seespiegel-Absenkung. Lage der beiden Abflusstunnel nach K. Grewe
Zur Frage, warum diese interessante Zeitungsmeldung anonym erschien, kann man folgende Überlegungen anstellen: Die Beobachtung wurde am 1. Juli 1844 „in der Frühe gegen halb 5 Uhr“ gemacht. Wer hält sich zu dieser Tageszeit am Laacher See auf, wenn nicht zum Fischen oder zur Jagd? Wenn Beides nicht gestattet ist, kann Anonymität von Vorteil sein. Wir sind dem „Augenzeugen“ auf jeden Fall sehr dankbar, denn ohne seinen Bericht wäre dieses Phänomen, das offenbar eine Kohlendioxid-Eruption darstellt, unbekannt geblieben.
Wenn man nach den Ursachen für dieses Ereignis fragt, so muss man sich mit den künstlichen Absenkungen des Seespiegels beschäftigen: Bald nach der Gründung des Klosters wurde unter dem Abt Fulbert ein Tunnel durch die Südumwallung des Beckens gegraben, durch den der Seespiegel, der bei Hochwasser nach K. Grewe (1979, 2009) höher als 290 m NN ansteigen konnte und damit das Kloster bedrohte, auf 279,9 m über NN absenkte. Dadurch wurde am flachen Südufer auch Land gewonnen.
Dieser sogenannte Fulbert-Stollen war bis ins 19. Jahrhundert in Betrieb, wurde aber bald durch Einstürze an seinem Südende unbrauchbar. Deshalb und um mehr Land zu gewinnen, ließ der Besitzer Delius unter diesem Abflusstunnel 1844 einen neuen graben, der den Seespiegel auf 274,7 m NN absenkte, also um 5 m. K. Grewe weist darauf hin, dass die Bezeichnung Stollen für diese Bauwerke eigentlich nicht korrekt ist, da ein Stollen nur in den Berg hineinführt, hier aber der Berg durchfahren wird; deshalb ist das Wort Tunnel hier angebracht.
Bis 53 m tief: der Laacher See
Der Arbeitsgruppe von H. Kämpf hat auch ein archivierter Bericht von Revier-Obersteiger Spenler vom 4.7.1844 vorgelegen, der die Beobachtungen des Anonymus teilweise anzweifelt, aber folgende interessante Mitteilung enthält: „Gleichzeitig erlaube ich mir bei dieser Gelegenheit noch zu erwähnen, daß der neue Kanal am Laacher See bereits sein Ziel erreicht hat, und der Abfluß seit Ende vorigen Monats durch denselben geschieht.“ Das bedeutet, das Eruptionsereignis am 1. Juli fand während oder unmittelbar nach der Seespiegel-Absenkung statt. Diese Tatsache erleichtert uns die Beantwortung der Frage nach der Ursache für die Gaseruption.
Zuvor noch einige Anmerkungen zum Zeitungsbericht des „Augenzeugen“: Er muss seine Beobachtungen am Nordostufer des Sees gemacht haben, nur dort kann er „nie gesehene Felsen“ bemerkt haben. Als Folge der gerade erfolgten Seespiegel-Absenkung durch den „Delius-Tunnel“ waren sie erst vor kurzem aufgetaucht und am 1. Juli 1844 vielleicht noch nass. Dort ziehen an zwei Stellen Unterdevon-Gesteine zum See hinab, am Lorenzfelsen auch ein Basalt-Lavastrom. Dass mehrere Bäume umgestürzt sind, geht wohl darauf zurück, dass durch den Seespiegel-Anstieg während der Gaseruption der Uferbereich aufgeweicht wurde (Diskussionsbeitrag Prof. Dr. A. Siehl, Univ. Bonn). Dass an der Mofette „Stickgrube“ tote Vögel bemerkt wurden, muss nicht auf das Eruptions-Ereignis zurückgehen, denn dort sind ständig tote Vögel, Kleinsäuger und Insekten zu finden.
Ursachen der Eruption
Nun zu den Ursachen der Eruption: Durch mehrere Zufuhrspalten dringt Kohlendioxid am Boden des Sees auf und wird vom Druck der Wassersäule in Lösung gehalten. Durch den Delius-Tunnel wird die Wassersäule relativ plötzlich um 5 m verringert, damit auch der Druck, und es muss rasch Kohlendioxid abgegeben werden; das ist die Gaseruption. Es ist der gleiche Effekt, den wir beim Öffnen einer Sprudelflasche (noch stärker bei einer Sektflasche) erleben.
Man kann diese Gaseruption im Laacher See, die ohne die Zeitungsnotiz des Anonymus niemand wahrgenommen hätte, nicht vergleichen mit den Kohlendioxid-Katastrophen in Kamerun. Dort enthielten die Kraterseen viel mehr Kohlendioxid als der Laacher See. Der Nyos-See ist mehr als 200 m tief, der Laacher See nur maximal 53 m. Außerdem findet im Laacher See häufig wie in anderen Seen unserer Breiten mit jahreszeitlich bedingten Temperaturwechseln eine Durchmischung des Wassers statt, so dass kohlendioxidreiche Partien sich nicht ansammeln können (B. Bahrig 1985). Diese Durchmischung fehlt bei den Seen des äquatorialen Afrika.
Literatur:
- Bahrig, B. (1985): Sedimentation und Diagenese im Laacher-Seebecken (Osteifel). Bochumer geol. u. geotechn. Arb., 19, 231 S.; Bochum
- Degen, R. (2004/ 2005): Collegium Maximum. Erinnerungen an die Jesuiten-Villa am Laacher See. – Teil 1: Olbrück-Rundsch. 2004, 22-23; Teil 2 und 3: Olbrück-Rundsch. 2005, 20-21, 36-37; Niederzissen
- Grewe, K. (1979): Der Fulbert-Stollen am Laacher See. Eine Ingenieurleistung des Mittelalters. – Zeitschr. Archäol. d. Mittelalters, 7,107-142; Köln
- Grewe, K. (2009): Der Fulbert-Stollen am Laacher See. – Rhein. Kunststätten, 513, 24 S.; Köln
- Pfanz, H. (2019): Kalter Atem schlafender Vulkane. – 2. Aufl., 222 S.; Berlin (Springer-Verl.)