Ein Malerleben im Kreis Ahrweiler
Ernst Kley 75 Jahre
Johannes Fr. Luxem
Der Maler
Die Silhouette eines Mannes, groß, hager, hebt sich ab gegen graue Wolkenformationen am Eifelhimmel. Der Mann steht leicht vorgeneigt vor einer Feldstaffelei am Rand der Straße, die bei Beilstein hinabführt ins romantische Hekkenbachtal.
Lange suchte der Maler, bis er diese Stelle fand. Immer wieder betrachtete er Waldrand, Hügelkuppen, Weiden. Wacholderbüsche, weißleuchtende Fachwerkhäuser und das alte Basaltkreuz, bis er endlich sein Malgerät aufstellte und seine Arbeit begann. Und in Sturm und Nieselregen, in wechselnden Lichtströmen über Tal und Hügeln, Steilhängen und chrom-oxidfarbenen Grünschattierungen entstand sein Bild, Abbild der Ahr-Eifel-Heimat, anders indes in Formgebung und Farbwahl als man sich gemeinhin ein »Eifelbild« vorstellt.
Hundertmal in seinem Malerleben hat der Künstler Ernst Kley so draußen vor seiner Staffelei Landschaften gemalt in vielen Nuancen, verschiedensten Techniken. Er malte in groben, expressiven, vereinfachenden Pinselstrichen, in Kohlelinien oder in Aquarelltechnik verschwimmend Hügel. Konturen der Wälder, Gestein und Häuser in zartesten Übergängen und vollendet in der schwierigen Handhabung dieser seiner ureigenen Technik: zart. lyrisch. erzählend, zuweilen klingend und verwehend wie ein Hauch.
Und so entstehen seine Landschaften vor Ort und weisen hin auf Dinge, Sichtweisen, Schwingungen, die weit hinausgehen über eine realistische Wiedergabe des Geschauten: die Landschaft wird umgeformt in Wesentliches. wirkt wie ein Antlitz der Erde, erhält Charakterzüge, die unverwechselbar sind. Sicher ordnet der Maler Kley die Grundformen der Komposition, bestimmt er – dynamisch meist – die Rhythmik eines Bildes, setzt temperamentvoll die Farben, sucht Lichtwerte und Schattennuancen, trifft die Stimmung einer Landschaft, bringt ihre Größe und Dynamik oder die stumme Melancholie eines Spätherbsttages in sein Bild.
So sind in seinen Werken notwendiges kompositorisches Gleichgewicht und spürbare Balance gewahrt, sind Effekte dunkler Zonen abgesetzt gegen Helligkeit. Er arbeitet gleichsam in die Tiefe einer Landschaft hinein, malt lange, intensiv und nicht ohne jene Kley’sche Leidenschaftlichkeit, die den Duktus seiner Werke kennzeichnet. So schaut er gleichsam hinter die Kulisse des Gegebenen, durchdringt den schönen Schein und das Sichtbare hin zum Wesen einer Landschaft, wird wesentlich im Sinne von Angelus Silesius, den er liebt, häufig zitiert, gelangt in seiner Gestaltung zur Aussage.
Lebensweg
In Neuwied 1913 geboren, verlebte der Maler Ernst Kley seine Jugendjahre in Trier. Erste starke und prägende Eindrücke erhielt er in der alten Römerstadt: Dom, Thermen, Markt, Kaiserbad, St. Matthias, Basilika, Porta Nigra, Moselfluß und Rebhänge, eine Fülle von Architektur, Historie, Heiligtümern und die einmalige Schönheit der Mosellandschaft.
Ernst Kley. Selbstporträt (Bleistift 1938).
Vor seinem wissenschaftlichen und pädagogischen Studium an den Universitäten von Hamburg und Bonn erhielt der Künstler eine gründliche fachliche Ausbildung als Dekorations- und Glasmaler mit entsprechenden Abschlüssen. Seine künstlerische Ausbildung absolvierte er an den Werkkunstschulen in Trier und Hamburg, dort im Rahmen des Lehramtsstudiums für handwerkliche und künstlerische Berufe. Seit Jahrzehnten in Ahrweiler ansässig, fühlt sich Ernst Kley nach langjähriger Tätigkeit als Leiter der Berufsbildenden Schule mit der Stadt und dem landschaftlich so eindrucksvollen Ahr-Eifel-Gebiet eng verbunden. Lange Jahre war er Leiter der Volkshochschule; viele Abendkurse führte er durch in den Bereichen Zeichnen. Öl- und Aquarellmalerei.
Er zählt zu den Gründern der Are-Künstler-Gilde, war lange Zeit deren Geschäftsführer und Chronist, ist heute der Senior dieser „Nordlichtergruppe« im Lande Rheinland-Pfalz. Seine eindrucksvollen Bilder hängen in vielen Häusern von Kunstliebhabern und Sammlern, schmücken die Räume öffentlicher Gebäude.
An Ausstellungen nahm er teil in Trier, Hamburg, Bad Godesberg, Prüm. Bad Breisig, Bad Neuenahr, Neuwied, Hildesheim, Neustadt, Ahrweiler, Sinzig, Adenau. Koblenz, Bonn und Maria Laach.
Ernst Kley ist vom Werdegang und der Person her ein Maler mit formaler Prägekraft. Er bedarf der ständigen Berührung mit der Natur, um Probleme, um Widerstrebendes zu überwinden in der Erscheinungswelt, zum Erneuern bildnerischer Formen. Auf dieser fortgesetzten Suche nach innerer Wahrheit, nach einer ihm ganz gemäßen, adäquaten Schrift mit Feder, Blei, Kohle, Pinsel und Farben überwand er notwendige Distanz und verborgenen Skeptizismus auf dem langen Wege durch viele Entwicklungsphasen hindurch, auf seinem künsterli-schen Lebensweg hin zur Autonomie seines ästhetischen Bewußtseins.
Maria-Hilf-Brücke in Bad Neuenahr (Öl 1964).
Heimat
Nie hat Ernst Kley »Heimat« einseitig, eng, vordergründig gesehen, noch Wiedergaben bevorzugt, die schwärmerisch oder weltfremd sind. Er hat Umwelt aufgefaßt als einen Raum der Geborgenheit, als Behaustsein des Menschen im Gegensatz zur Wurzellosigkeit unserer modernen Zeit.
Er malt die Rhein-Ahr-Eifelheimat unter den Bedingtheiten des Jahreskreislaufs, bestimmter Tageszeiten in stetig wechselndem Licht. Nie sind die Elemente solcher Bilder isoliert, sie zeigen sich verbunden mit den Gemütsschwingungen des Malers, kommen aus Tiefenbereichen, führen zu Prozessen einer verinnerlichten Wahrnehmung der Dingwelt und zu einer Wiedergabe, die letztlich mehr zeigt, mehr darstellt als die äußere Form.
In solchen Kley-Bildern wird der Doppelsinn des Begriffes »Heimat« erkennbar, etwas, das hinausstrebt über Grenzen einer sinnlichen Wahrnehmung, hin zur Deutung von Übergangsbereichen im Sinne eines uralten Brükkenspruches: „Alles ist Übergang zur Heimat hin“.
Reisen
Wie viele Künstler, die nicht allein aus einer manischen Innenschau her gestalten, ist Ernst Kley ein Augenmensch. Zunächst muß ein Maler, ein Zeichner sehen lernen, heißt eine Kley‘-sche Grundforderung, muß er lernen, seine Augen zu nutzen, zu disziplinieren, um aus der überwältigenden Fülle der Objekte, der Dingwelt der Formen und Farben das herauszulösen, was bedeutsam, einmalig und wesenhaft ist.
Wenn es heißt »Trinkt, o Augen, was die Wimper hält«, dann hat der Maler E. Kley dies Zeit seines Lebens befolgt, hat das Abbild der Welt einer faszinierenden Wirklichkeit hineingegeben, umgeformt und erhöht in seinen vielen Bildern.
Er nutzt dabei Wirkungen des Gegensätzlichen, bezieht sie bewußt und gekonnt ein in sein gestalterisches Konzept.
Reisen führten ihn nach Norden ans graue Meer und in die blendende Helle des mediterranen Raumes. So malt er das Nordland, die See in Storm’scher Prägung in Weite und Verlorenheit. Aus schwarzgrauem Horizont bricht fahles Licht, bleiern das Wasser, Kahn und Fischerhütte sind angedeutete Symbole der Behaustheit. Der Horizont zerfließt mit Wolken, Orangetöne wie Signale kommender Bedrohung – ein literarisches Bild des Nordens, passend zu den Erzählungen von Hans Henny Jahn, Pierre Loti, Gorch Fock, Josef Conrad oder den Liedern des Hannes Wader. Als Gegensatz ein Bild aus dem Mittelmeerraum, eingetaucht in Ströme attischen Lichtes, Leuchtende Luftspiegelungen über glimmendem Strand, luzide Tönungen strahlen Unberührtheit aus. Licht dringt in Winkel und Gemäuer, fern der Blaustreifen einer Bai des Anges, darüber die Sonne Jean Gionos, die Materie durchdringt und tiefe Schatten setzt.
Von seinen Italienreisen brachte der Humanist Kley viele Skizzen mit, getragen von seiner Zuneigung zur Antike, zur Sprache, zur Historie und zur klassischen Baukunst. Hier erweist er sich sicher in der Wiedergabe von Architektur, zeichnet und malt er mit sicherem Strich Palaz-zi, Balustraden, Brunnen in Zypressenrotunden, Ruinen in Pompeji, ein Baptisterium, Zeugen des Imperium Romanum, Kirchen, ein Atrium, die Landschaften Umbriens, Latiums und der Toscana.
Als Kley, infolge schwerer Krankheit, deren Folgen er willensstark überwand, keine großen Reisen mehr unternahm, setzte er sich mit der Vergangenheit des rheinischen Heimatraumes auseinander. Stets auf der Suche nach neuen Sujets malte er Burgen und Schlösser an Rhein, Ahr und Mosel. Reisen und Wanderschaft, Abschied, Fortgehen und endliche Wiederkehr haben für Ernst Kley und für sein Lebenswerk tiefgehende symbolische Bedeutung.
Antlitz des Menschen
Auf dem Gebiet der Portraitmalerei entdeckt man bei Ernst Kley ähnliche gestalterische Intentionen wie sie typisch sind für seine Landschaftsbilder.
Es geht ihm nicht um ein Konterfei, um realistisch-fotografische Genauigkeit der Gesichtszüge eines Menschen sondern um mehr.
Ahrschleife bei Altenahr (Öl 1985).
Nach seinen eigenen Worten drängt es ihn »hinter die Dinge zu schauen«, möchte er suchen und entdecken, ob es in der Physiognomie eines Menschen mehr gibt als pure Wirklichkeit. So gelingen ihm Portraits, die Charakteristisches aussagen über die Person, die er malt. werden deren Züge belebt, wandeln sich Landschaften wie menschliches Antlitz zu gleichsam anderen neuen Gebilden tieferer Aussagekraft, werden sie neu beseelt.
In diesem oft mühseligen Prozeß einer verwandelten Darstellung der Züge eines menschlichen Antlitzes aber wird der Künstler erkennbar. Er, der selbst immer wieder auch als 75jähriger solche Vorgänge der Verwandlung der Realität, der Weltsicht durchmacht, durchlebt bis hinab zu den Quellen, hin zu Bereichen des Irrationalen, Metyphysischen, Bereiche, an die Ernst Kley fest glaubt, die ihn erfüllen und seinem Werke Beseelung verleihen.
Suche
Immer ist der Künstler Ernst Kley auf der Suche gewesen. In seinem Wesenskern ist er ruhelos, fugitivus errans, nie hat er sich jene Beschaulichkeit und betuliche, abwartende Art des Aus-ruhens gegönnt, die zu Selbstzufriedenheit. Trägheit und Indifferenz führt.
Am Rhein in Brohl (Öl gespachtelt 1954).
Vielleicht liegt darin einer der Gründe für sein oft überbrodelndes Temperament aus der Fülle dessen, das in ihm lebt an Konturen. Formen und Farbwirkungen, eine ganze eigene, bedrängende Welt, die es für den Maler zu halten gilt, zu skizzieren, zu formen, zu verwandeln in Bilder.
Charakter und Weltsicht aber führen den Künstler seltsamerweise häufig zu entgegengesetzten Formen seiner Aussage: in vielen seiner Landschaften der Rhein-Ahr-Eifel-Heimat spricht den Betrachter eine geradezu wunderbar ausstrahlende Ruhe an. eine Gestimmt-heit des Ausgleichs — nicht Idylle, aber eine friedliche Welt.
Die Summe dieser Eindrücke gipfelt in einer Ausstrahlung, die Gleichklang bedeutet, und exakt dies ist das Ziel der Bemühungen des Malers E. Kley immer gewesen, ist mit Teil seiner schöpferischen Unruhe. Letztlich ist dieser Gleichklang die Endstation einer verborgenen Sehnsucht und ist Triebfeder seines steten – zuweilen auch unsteten – Suchens: Harmonie zu finden in seinen Bildern.
Aus einem Dehmel-Gedicht zitieren wir für den Maler, den heimischen Künstler Ernst Kley, die erste und letzte Strophe:
Sehnsucht hat mich früh geweckt:
wo die alten Eichen rauschen,
hier am Waldrand hingestreckt.
will ich dich, Natur, belauschen.
Wie es mir ins Innre dringt,
all das Große, all das Kleine,
wie ’s in mir zusammenklingt
in das übermächtige EINE!