Ein Erzbischof aus dem Ahrtale
Von Jakob Rausch
Ein Erzbischof aus dem Ahrtale? Da denkt der geneigte Leser sicherlich an den Kölner Erzbischof Konrad von Are-Hochstaden, der 1248 mit dem Bau des Kölner Domes begann, der wohl in demselben Jahre Arwilere die Stadtrechte verlieh, der zwei Jahre vorher die Grafschaft Are erbte und gleichzeitig dem Erzstifte Köln ‚Schenkte. Dieser Erzbischof Konrad wird von den Historikern der berühmteste Politiker des 13. Ja’hrhun-derts genannt. Er zerbrach endgültig die Macht der Staufen, er setzte Gegenkönige ein und bekämpfte sie, er stritt mit den Patriziern von Köln um das Stadtregiment und sperrte die Anführer ins Felsennest der Burg Are. Albert Magnus mußte zweimal den Streit des herrschsüchtigen Kirchenfürsten mit der Stadt Köln schlichten. Blutige Fehden schlug er mit den Nachbarn und geriet selber in jülichsche Gefangenschaft. Deshalb wundert es einen frommen Mystiker des Mittelalters, daß zum Erzbischof Konrad von Are-Hochstaden vor dem Dombau nicht der Geist Gottes sprach, wie er einst im Alten Testamente sich offenbarte, als Gott noch persönlicher und vernehmlicher zu den Menschen redete, als der gottgebundene Mensch David diese Stimme auch vernahm und befolgte: „Du sollst mir kein Haus bauen, weil du so viele Kriege geführt hast, in denen so viel unschuldig Blut geflossen ist.“
Nein, von diesem großen Kirchenfürsten und weltlichen Machthaber, der in seine Zeit gestellt, seine zeitgebundenen Aufgaben mit allen Machtmitteln zu erreichen suchte, dessen Sarkophag im Kölner Dom ein Herrscherantlitz und eine große stattliche fürstliche Persönlichkeit darstellt, von ihm soll hier nicht die Rede sein, denn der Erzbischof, von dem hier geschrieben wird, war keine Herrschernatur, im Dienen war er groß und froh, war klein von Gestalt, stammt auch nicht, wie das im Mittelalter leider üblich war, aus einem angesehenen Adelsgeschlechte, sondern aus einem Ahrweiler Bürgerhause, lebte auch nicht im Mittelalter, sondern war ein Geschenk des Himmels an die Menschheit unserer Tage. Und diese ehrwürdige Persönlichkeit ist Cyrillus Rudolfus Jarre, Erzbischof von Tsinan, geb. 1878 in Ahrweiler, gestorben als Bekenner und Märtyrer am 8. März 1952.
Der Großvater unseres Cyrillus Rudolfus war einst als Schreinermeister, von Hamburg kommend, wo ein Vorfahre Bürgermeister war, an den noch heute die Jarrestraße erinnert, ins Ahrtal gekommen, war als Bau- und Möbelschreimer, u. a. am Kurhause zu Neuenahr, zu Ansehen und Wohlstand gelangt. Sein Sohn Heinrich bezog das Patrizierhaus auf dem Markte. Sieben Söhne und eine Tochter brachten Leben ins Haus. Der vierte Sohn ist Rudolf, unser späterer Bischof. Sein jüngerer Bruder Toni Jarre ist heute noch Inhaber des väterlichen Geschäftes und langjähriger Hauptmann der St. Sebastianus-Schützengesellschaft.
Rudolf, ein echter, froher Ahrweiler Junge, war bei seinen Schulkameraden kein Spielverderber. Seine größte Knabenfreude war es, ein frommer Meßdiener zu sein. Wie schlug sein Knabenherz morgens früh so froh, wenn es hieß: es geht zum Dienste des Herrn.
Und bei den Aloysiusjungen war er nicht nur bei der äußerlichen Feier mit Leib und Seele begeistert und begeisternd dabei, wurde er doch im Jahre 1888 sogar Schützenkönig der Aloysiusjungen. Aber nicht nur den Namen Aloysiusschützenkönig führte er mit Fug und Recht, er war auch ein echter Aloysiusjunge, indem er das Beispiel des hl. Aloysius nachahmte und so zur innigen Muttergottesverehrung und durch sie zur Gottesliebe geführt wurde.
Pater Jarre (später Erzbischof)
Noch eine weitere Gnade erhielt der Knabe Rudolf schon im seiner Jugend. Er durfte den Sammelbruder der Franziskaner des Apollinarisberges bei Remagen bei seinen Bittgängen durch Ahrweiler und Umgebung begleiten. Dieser Bettelmönch Candidus Burgrichter sammelte nicht nur Almosen, er schaute auch helläugig und ‚hellhörig nach braven Knaben aus, die einst als Franziskaner im Weinberge des Herrn arbeiten könnten. Bruder Candidus weckte in der Seele seines jugendlichen Begleiters Rudolf den sehnlichsten Wunsch, auch einst als Franziskaner im Gottesreiche hier auf Erden zu
wirken. Rudolf trug sein Herzensanliegen seinen Eltern vor. Der Vater Heinrich Jarre erhob Einwendungen, aber desto zäher und inniger flehte der Knabe; da erkannte der Vater die Echtheit des göttlichen Rufes und fuhr mit ihm in das entfernt liegende Franziskanerkloster Harreveld, westlich von Geldern in Holland. Hier sollte sich der Knabe das Klosterleben einmal ansehen, um dann mit dem Vater noch einmal nach Hause zu fahren, weshalb der Vater auch schon in Ahrweiler ein „Retourbillet“ gekauft hatte. Aber genau wie es der „Rückfahrkarte“ des Kardinals Josef Sarto von Venedig erging, als er 1903 als Kardinal zur Papstwahl nach Rom fuhr und selber als Papst Pius X. gewählt wurde, so erging es der Rückfahrkarte unseres Rudolf. Er war so begeistert von dem Klosterleben, daß der Vater sich dem unerschütterlichen Willen seines Sohnes beugte und allein wieder nach Ahrweiler zurückfuhr.
Vater und Mutter aber beteten in Ahrweiler: „Lieber Gott, acht muntere, gesunde Kinder hast Du uns geschenkt. Siehe, in Demut schenken wir Dir Rudolf wieder zurück! Bilde Du ihn nach Deinem Willen!“
Gottes Wege sind wunderbar!
Und die Stationen des Gottesweges für Rudolf heißen:
1894 Franziskaner.
1903 Priester.
1904 China-Missionar.
1929 Bischof von Tsinan.
1946 Erzbischof von Tsinan.
1952 8. März: Bekenner- und Märtyrertod.
In China wurde er Lehrer am „Kleinen Seminar“, in dem die jungen Chinesen die gymnasialen Studien erledigten. Hernach lehrte er am „Großen Seminar“, das unserem Priesterseminar entspricht, wo also die philosophischen und theologischen Studien erledigt werden. So half er den eingeborenen chinesischen Klerus heranbilden; denn ein solches Riesenreich mit 500 Millionen Einwohnern mit dieser alten und einst so hohen Kultur muß neben den europäischen Missionaren als Hauptstütze einen chinesischen Klerus haben.
In seinem Lehrerberuf ging er ganz auf; er lehrte nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen und formte so auch den Willen seiner Zöglinge. Ja, es gilt von ihm das Wort, das St. Lukas von unserem göttlichen Lehrmeister sagt: „Er lehrte wie einer, der Kraft hat.“
Deshalb war es für ihn eine große Freude, wenn er später als Bischof gelegentlich wieder unterrichten konnte. So bestieg er mit Freuden als Bischof den Lehrstuhl, um erkrankte Professoren zu vertreten.
Vorher wurde er nach Rom als Dozent an die Ordenshochschule St. Antonio berufen, um dort Missionsrecht zu dozieren. In Rom erhielt er die Ernennung als Apostolischer Vikar von Tsinan.
Sein Spezialstudium war das kanonische Recht, das er als „Mark und Saft der gesamten Theologie“ hielt. Viele einzelne eigene Arbeiten über Spezialfragen des kanonischen Rechts wurden veröffentlicht.
Seine Hauptwerke sind zwei große Übersetzungsarbeiten, die von grundlegender Bedeutung sind.
Zunächst übersetzte er das ganze zivile Gesetzbuch der chinesischen Republik in die lateinische Sprache und verfertigte dazu ein eingehendes Register, damit der Missionar sich leicht orientieren kann. Dann übersetzte er das kirchliche Gesetzbuch aus dem Lateinischen ins Chinesische. Beide Übersetzungsarbeiten verlangten nicht nur eine genaue Kenntnis der chinesischen Sprache, sondern auch der chinesischen Schrift.
Während die Schrift der anderen Kulturvölker eine Buchstabenschrift ist, wobei 25 einfache Zeichen genügen, um jeden Gedanken schriftlich darzustellen, sind die Chinesen bei der Bilderschrift stehen geblieben. Ein schriftkundiger Chinese muß 10 000 verschiedene Bilderzeichen beherrschen. Welche Riesenarbeit für einen Europäer!
Erzbischof Jarre
Aber Pater Cyrillus löste die Aufgabe vollends, weil er nach dem Grunsatze handelte, den er einst den Klerikern von Dorsten i. W. ins Stammbuch schrieb:
„Ubi amatur, non laboratur. Si laboratur, labor amatur“, was das deutsche Sprichwort ausdrückt: „Lust und Lieb‘ zu einem Ding macht Müh‘ und Arbeit gering.“
Noch ein anderer Grundsatz sicherte Pater Cyrillus den Erfolg: „Arbeit mit Gebet verbinden, heißt uns Gottes Segen finden.“ — „Bete, als hülfe kein Arbeiten; arbeite, als hülfe kein Beten.“
Unser Bischof betete „ohne Unterlaß“, „alle Zeit“, er „hörte nicht auf zu beten“, und er bittet: „Steht mir mit Eurer Fürbitte im Kampfe bei“, „Betet stets in allen unseren Anliegen.“ — »Tag und Nacht beten wir inständigst.“ Hier spüren wir den Geist des Weltapostels Paulus. Sein Mitarbeiter Missionar Siegfried Klein schreibt vom Gebet unseres Bischofs :
„Er hat seinen Stand im Beten und Bitten. Dieses Stehen kann aber nur geschehen in Regelmäßigkeit und Beharrlichkeit. Dieses Beten ruft nach Stille, Sammlung, Einsamkeit. So erfüllt er den frühen Tag, wie die ganze Schöpfung es tat, mit dem Lobpreis Gottes. Tag für Tag, Jahr für Jahr, solange die ältesten Missionare ihn kennen, steht er um 4 Uhr auf, vereinigt sich mit dem betenden Chor der himmlischen und irdischen Kirche im Tagesoffizium, folgt dem Herrn auf dem Kreuzwege, begibt sich in die Meditation, feiert und vollbringt das hl. Meßopfer, assistiert als Beter oder Diener dem opfernden Mitbruder.“ Dieses beharrliche Gebet verband ihn mit seinem göttlichen Herrn und Meister so innig, daß er mit Franziskanergeist erfüllt, mit dem Heiland litt, für ihn litt und für ihn starb. Und sein innigstes Gebet ging in Erfüllung: „Möge der Gute Hirt Jesus Christus mir den Mut und die Gnade geben, als guter Hirte mit meinen Missionaren und Christen zu leben und zu sterben.“
Es sei noch etwas von der Einfachheit Demut unseres Bischofs berichtet. Das erzählt uns der Chinamissionar Dagobert Voß, der, von Münster kommend, den „Löwen von Münster“, Bischof Graf von Galen, als ideales Bischofsbild im Herzen trug. Nun landet Dagobert Voß auf dem Bahnhof von Tsinan.
Winkende Hände und frohe Gesichter begrüßten uns. Im Augenblick waren wir umringt. Auch ein altes Männchen mit grauem Bart kam freundlich heran. Er war der kleinste von allen. Plumpe chinesische Kleider, die ‚mal schwarz gewesen, hingen an seinem Leib. Ein dicker Schal war um seinen Hals gelegt. Ein grauer Hut unterstrich noch die Grauheit. Nur ein schwarzlackierter, feiner Spazierstock
stach seltsam von der Kleidung ab. Ich begrüßte ihn wie alle. Da flüsterte es hinter mir: „Das ist der Bischof!“ Ich hatte ihn für einen Laienbruder gehalten. — Wie anders hatte ich mir den Bischof Cyrillus Rudolfus Jarre, dessen Name so majestätisch klang, vorgestellt. Je mehr ich ihn kennenlernte, um so mehr erkannte ich, daß in diesem kleinen Manne eine große Persönlichkeit steckte.“
Mädchen der Missionsschule nähten unter Anleitung der Missionsschwester dem Bischof einen neuen schwarzen Rock. Wie freuten sich die Mädchen, als der Bischof beim nächsten Feste wirklich den neuen Rock auch trug. Aber wie staunten sie, als er beim übernächsten Feste wieder in dem alten abgeschabten Rocke erschien.
Das vorwitzige Völklein drängte sich an den Bischof heran und fragte in kindlicher Einfalt: „Herr Bischof, wo ist denn Ihr neuer Rock?“ Da lächelte der Bischof und sagte: „Ihr Spenderinnen, werdet mir nicht böse: da war doch neulich ein auswärtiger Missionar bei mir, der trug so einen alten, abgetragenen Rock, da habe ich ihm Euren, meinen neuen Rock geschenkt.“
Wie er sich in kindlicher Einfältigkeit und Frömmigkeit freute, als Knabe in der Laurentiuskirche m Ahrweiler dem Priester bei der hl. Messe zu dienen, so diente er wiederholt noch als Bischof und Erzbischof einem Priester beim hl. Meßopfer. Und als einmal ein junger Missionar sich deshalb beim Bischof bedanken wollte, beruhigte ihn der Bischof: „Wir beide, Du und ich, dienten doch dem höchsten Herrn, und dessen Dienst muß uns immer ein Ehrendienst sein.“
Dem Wunder der „Marianischen Legion“ verhalf Bischof Cyrillus Rudolfus Jarre auch zu Tsinan zum Siege. Eines Tages rief der Bischof seinen gesamten Klerus zu sich und gab kurz und bündig den Befehl, die Legion in allen Pfarreien sofort zu gründen. Um sogleich mit der praktischen Arbeit zu beginnen, hatte der Bischof eine junge Christin, eine Studentin aus Tientsin, kommen lassen; sie belehrte nun die Priester, darunter einzelne Missionshaudegen mit jahrzehntelanger Erfahrung, was zu tun sei. Anschließend besuchte Frl. Josephine Hsiao, so hieß die junge Legionärin, die einzelnen Pfarreien.
Und dann geschah das erste Wunder der Legio Mariae in Tsinan. In wenigen Tagen entstanden in Tsman 14 rührige Gruppen der Legio Mariae.
Dann mußte auch noch eine 15. Gruppe für die kath. Schüler und Schülerinnen eingerichtet werden. Und hier trat Josephine, vom Hl. Geist getrieben und erleuchtet, vor achtzig Schülerinnen und sprach einfach und schlicht über ihre Heilsaufgabe in Tsinan, und alle Zuhörerinnen wurden eifrige Legionärinnen Mariens. Noch am gleichen Nachmittag traf sie sich mit der Gruppe „Von den Sieben Schmerzen Marias“; es wurden Gebete gesprochen, und dann verteilt Josephine zum ersten Male die Arbeit: „Maria und Anna, Ihr besucht die Kranken im Hospital! Seht gut zu, wo Ihr ihnen helfen könnt! Theresia, Du betest im Schülerinnenheim das Abendgebet vor und sorgst, daß alle zur hl. Messe gehen! Agnes und Martha, Ihr sorgt für Sauberkeit in der Pfarrkirche und schmückt die Altäre! Cäcilia und Barbara, Ihr reinigt der blinden Frau Wang das Haus und führt sie sonntags in die Kirche! Johanna und Josepha, Ihr geht in die abtrünnige Familie Wu und ermahnt sie, wieder zu den hl. Sakramenten zu kommen. Ursula, Du bereitest die Kinder der Familie Lin auf die erste hl. Kommunion vor! Paula und Lucia, Ihr geht zu der Frau Mao und paßt sonntags auf die vier kleinen Kinder auf, damit die Frau zur Kirche gehen kann! Und als Wunsch Eures Bischofs trage ich der ganzen Gruppe auf, eine Pfarrbücherei einzurichten und zu betreuen!“
Die zwölf Mädchen schauten sich groß an, denn so etwas hatten sie noch nie getan. Aber sie gingen mit Eifer an die Arbeit. In dem nächsten Gruppenabend erzählten sie von ihrer Arbeit; sie wuchsen an ihren Erfolgen und stolperten nicht über Mißerfolge.
So prägte die Legio das Gesicht der Kirche Chinas in schwerer Zeit. „Und unser Bischof war die Seele dieser neuen Pfingstbewegung in Tsinan. Er ging von Pfarrei zu Pfarrei, von Gruppe zu Gruppe, erkundigte sich hier, gab Anregungen dort. Stets hatte er ein Wort des Lobes, der Anerkennung, der frohen Zuversicht für die Zukunft. Noch sehe ich das Leuchten in seinen Augen, als er den von seiner Gruppe eingerichteten Lesesaal und die Leihbücherei betrat. Wie vollständig lag da alles, was an katholischer Literatur erschienen war, und m welch moderner und geschmackvoller Aufmachung! — Und als nach Schulschluß die Jugend, Katholiken wie Heiden, hereinströmten, da war es ihm klar, daß die Legio uns gerade zur rechten Zeit von der göttlichen Vorsehung geschenkt war.“
So berichtete begeistert der Mitarbeiter Missionar Januarius Grewe. Und der Internuntius von China, Erzbischof Riberi, erklärte: „Was in China geschieht, ist ein Wunder Unserer Lieben Frau. Die Kirche in China muß eine schwere Prüfung durchmachen, aber durch die Legio Mariae haben wir die Schlacht gewonnen. Sie wird den Glauben in China retten, auch wenn alle Priester flüchten müssen. Sie wird die Chinesen glaubenstreu und standhaft erhalten. Die Legio Mariae ist das Wunder der modernen Welt.“
Der Kommunismus hatte auch in China seinen Siegeszug gehalten. Er griff auch auf die Provinz Shantung über. Die größte Zeitung der Provinz schrieb im November 1950, daß Yang en lai (Erzbischof Jarre) der größte Feind des Staates sei. Der Bischof hatte nämlich ein Buch über die Religionsfeindlichkeit des Kommunismus geschrieben. Dieselbe Verleumdung stieß der abgesetzte und abgefallene Generalvikar aus, dessen Judasnatur den Kommunisten gefügig war.
Unser Erzbischof wurde zum Verbrecher gestempelt:
- weil er treu zu Rom hielt. Die Kommunisten halten den Papst für ihren stärksten Feind;
- weil er treu zu seiner Herde stand und durch Wort und Tat zum treuen Durchhalten aufforderte;
- weil er die Einheit der Kirche schätzte und jede kommunistische Nationalkirche ablehnte;
- weil er vorsichtshalber seinen Stellvertreter ernannte, der den Exgeneral-vikar exkommunizierte,
- weil er die Legion Mariens anführte.
Der Erzbischof wurde verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Hier saß er in einer schlecht erleuchteten Zelle in Einzelhaft. Wegen Überfüllung mußte er aber öfter die Zelle mit anderen Gefangenen teilen. Alle Gefangenen trugen schwere Handfesseln. Unser Erzbischof hatte kein Brevier, keinen Rosenkranz, kein Buch. Eine teuflisch boshafte Tagesordnung quälte die beschäftigungslosen Gefangenen. Fünf Uhr morgens aus dem Bett, dann ruhig sitzen bis acht Uhr, wo die erste Mahlzeit eingenommen wurde, dann wieder stillsitzen bis sechzehn Uhr, wo die zweite karge Mahlzeit gereicht wurde, dann wieder stillsitzen bis einundzwanzig Uhr. Dann erfolgte das schroffe Kommando zur Bettruhe.
Durchs Spähloch kontrollierten die Posten, ob auch der Strafdienst genau befolgt wurde. Die kärgliche und einseitige Nahrung — Reis und Melonen — brachte wegen Vitaminmangel allerlei Krankheiten. Dazu hustete der Erzbischof sehr, und als er seinen Kopf und Hals mit einem Handtuch bedeckte, wurde ihm dies roh entrissen. Die harten eisernen Ringe der Handfesseln hatten seine Hände wundgerieben. Nachts seufzte der 74-jährige Greis oft und stöhnte vor Schmerzen. Da die Kleider nicht gewechselt und nicht ausgezogen werden durften, wimmelten die Zellen und Kleider von Ungeziefer. Schlimmer als Hunderte von Wanzen waren die Kleiderläuse, die den Kranken Tag und Nacht quälten. Dieses martervolle eintönige Leben wurde durch fortgesetzte Verhöre unterbrochen, die oft bis 10 Stunden den Bischof quälten.
Nach einer vierteljährlichen strengen Kerkerhaft wurde der todkranke und völlig erschöpfte Erzbischof ins Horpital gebracht, wo er am 8. März 1952 starb.
Und am Ende seines Lebens übersah er sein Missionswerk und bekennt:
„Ein solches Werk, an dessen Aufbau ich über vierzig Jahre lang mit meinen edelsten Kräften mitgeholfen habe, sieht man nur mit blutendem Herzen vor seines fast sicheren Vernichtung stehen. Wie also das Lebenswerk unseres gottmenschlichen Vorbildes zwar äußerlich mit einem fast vollständigen Fiasko endete, aber gerade dadurch das unerschütterliche Fundament für die Gründung seiner unzerstörbaren Kirche gelegt wurde, so hoffe und bete ich, daß unsere Teilkirche von Tsinan nach einer, vorübergehenden Unterdrückung wieder aufsprossen möge, weil ihre Wurzel getränkt worden ist mit dem Lebensopfer ihres Bischofs, ihrer Priester und zahlloser Christen.“
Und sein Grab sollte glorreich sein.
Schon in die Krankenhauskapelle, in der der Erzbischof aufgebahrt war, kamen die mutigen Christen herbeigeeilt, um das rote Märtyrergewand ihres Bischofs zu küssen und mit Bildern und Medaillen den teuren Leib zu berühren. Der Einzug des Toten in die noch beschlagnahmte Kathedrale war ein Triumphzug, und die Menge sang begeistert das Te deum: „Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit!“
Und ein frommer Christ, eine Tobiasnatur, gibt seinen besten Acker, schaufelt seinem geliebten Bischof ein neues Grab und sie senken das kostbare Samenkorn im roten Märtyrerkleid heimlich in die Erde.
Da gibt der rote Polizeichef dem abtrünnigen Judas zwei Befehle: er soll dem Bischof das rote Ehrenkleid des Märtyrers mit dem schwarzen Kleid des Sträflings vertauschen und ihn weit außerhalb der Stadt, aber nicht auf dem Missionsfriedhof, beerdigen. Die mutigen Christen aber gruben den Toten aus und bahrten ihn wieder in der Kathedrale auf. Der Abtrünnige, mit dem Sträflingskleid unter dem Arm, wagte nicht, die Kathedrale zu betreten, noch viel weniger seinem Bischof das Ehrenkleid mit dem Schandkleid zu vertauschen. Da zischte der Polizeichef einen Franziskanerbruder an: „Ich mache Dich unter Todesstrafe dafür verantwortlich, daß kein roter Faden mehr im Sarge zu finden ist.“
Da legte man dem toten Erzbischof das weiße Ehrenkleid des Bekennerbischofs an. Wie sinnvoll: In der Ahrweiler Laurentiuskirche zeigt das Wandgemälde rechts vom Kreuzaltar den hl. Bekennerbischof St. Martin, wie er im weißen Gewände zum Himmel fährt. So erhielt auch unser Bischof, St. Martin gleich, ein weißes Gewand.
Und dann ging der lange Triumphzug mit drei Musikkapellen zur Grabstätte, aber nicht an dem kleinen Notgrab des freigebigen „Tobias“ hielt der lange Zug. Es ging weiter zu einem frisch ausgehauenen Felsengrab, das die frommen Christen ihrem Erzbischof schnell, aber würdevoll, ausgemeißelt hatten.
Dann verschloß ein schwerer Stein das Ehrengrab. Und das Volk weinte nun, weinte, wie Kinder am Grabe ihrer Mutter weinen.
„Die mit Tränen säten, werden mit Freuden ernten.“ Frohe Zeugen der Ernte mögen die jetzt weinenden Chinesen bald werden, wenn die Saat ihres Bischofs reiche Früchte bringt.
Zwei Erzbischöfe aus dem Ahrtal!
Konrad von Are-Hochstaden und Cyrillus Rudolfus Jarre!
Der Name Konrad von Are-Hochstaden steht leuchtend in dem Buch der rheinischen und deutschen Geschichte, steht auch in den Büchern der Konzilien des 13. Jahrh., steht heute noch auf Straßen- und Wirtshausschildern des Ahrgaues.
Der Name Cyrillus Rudolfus Jarre aber steht im Heldenbuch der Kirche, ist von Engeln mit goldenen Lettern in das Buch des Eebens eingetragen und gehört zum Chor der Seligen!