Ein Ahrweiler Schützenkönig verhaftet Sitting Bull – Guido Ilges präsentiert sich 1871 mit Königskette und amerikanischer Uniform auf dem Ahrweiler Marktplatz
Was haben Indianer in Amerika und die Schützen aus Ahrweiler gemein? Federn. Die Einen am Kopf, die Anderen am Hut. Was verbindet sie über den Ozean hinweg? Ein Mann. Sein Name: Ilges, Guido llges. Er stammt aus Ahrweiler, war einer der größten Haudegen der amerikanischen Armee in den Indianer-Kriegen und nahm den legendären Häuptling Sitting Bull fest.
Doch schön der Reihe nach. Alles begann damit, dass der Ahrweiler Günther Jakobs dem General-Anzeiger eine Fotografie zur Verfügung stellte. Das Bild stammt aus dem Jahr 1871 und ist das nachweislich älteste Foto des Ahrweiler Schützenfestes. Es zeigt die Aufstellung der Sankt Sebastianus-Bürgerschützen auf dem Marktplatz mit Königen, Fahnen und Offizieren. Alles in der auch noch heute üblichen Form. Fast alles. Der Bürgerschützenkönig anno 1871 trug weder Anzug noch Zylinder. Er trägt das Königssilber auf einer Uniform eines amerikanischen Infanterie-Offiziers und auf dem Kopf ein Schiffchen.
Wer ist dieser Mann, der 1835 in Ahrweiler geboren wurde? Die Mitgliederliste der Bürgerschützen, die Königsliste und auch das Seelenbuch geben keine Auskunft. Ist der Träger der Königskette ein Phantom? Nein.
Die „Ahrweiler Zeitung“ schreibt am 5. Juni 1871: „Bei dem gestrigen Königsvogelschießen der Sankt Sebastinus-Schützen-Gesellschaft wurde der amerikanische Colonel Guido Ilges, welcher augenblicklich zum Besuch bei seinen hier wohnenden Angehörigen weilt, Schützenkönig. Bei dem Festzuge durch die freudig erregte Stadt herrschte zwar etwas ungünstiges Wetter, aber eine überaus gehobene Stimmung.“
Drei Tage später, am 8. Juni 1871, dem Fronleichnamstag, treten die Schützen auf dem Marktplatz an. In ihrer Mitte Guido Ilges. Und im ersten Stock des Hotels „Zum Stern“ der Fotograf am Fenster. Der Blickwinkel stimmt.
Schützenkönig Guido Ilges anno 1871
auf dem Ahrweiler Marktplatz
Warum aber fehlt llges Name in der Königs- liste? Sie nennt für das Jahr 1869 Eduard Kreuzberg und für das Jahr 1873 Albert Radermacher als Majestäten. Was war in der Zwischenzeit?
Hier hilft ein Blick in die alten Statuten der Gesellschaft: „Nur in den Jahren, wo der Verwal-
tungs-Rath es den Umständen angemessen hält und die Gesellschaft aus ihren eigenen Gütern genug Wein besitzt, soll ein Königsschießen stattfinden.“
Dass zwischen 1869 und 1873 doch ein Königsvogelschießen stattgefunden hat, dafür gibt es nur eine plausible Erklärung: In den Jahren 1870/1871 hatte der Deutsch-Französische Krieg stattgefunden, der am 10. Mai 1871, also wenige Tage zuvor – mit dem Friedensschluss zu Frankfurt sein Ende fand. Deutschland befand sich in einem Siegesrausch.
Das lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass der Verwaltungsrat der Bürgerschützen sich in dieser Siegeslaune für ein Königsschießen entschlossen hatte.
Zudem hatte man in Colonel (Oberst) Guido Ilges einen ranghohen Offizier, der im Sezessionskrieg gleichfalls siegreichen amerikanischen Armee der Union und auch noch Ahrweiler Jong, also einen rechten Königskandidaten. Für diesen war dies alles eine große Ehre, der er sich wohl nicht verschloss. Erleichternd für den Verwaltungsrat war es wohl auch, dass ein Daniel Ilges 1842 schon einmal die Würde eines Königs der Bürgerschützen-Gesellschaft errungen hatte.
Guido Ilges wurde König, wohl aber nur für die Tage des Schützenfestes 1871.
Das erklärt dann auch das Fehlen eines silbernen Schildes mit seinem Namen an der Königskette. Vollständig ist hingegen llges militärische Vita. „Er war einer der berühmtesten Offiziere des Amerikanischen Bundesheeres“, schrieb Wilhelm Kaufmann 1911 in seinem Werk „Deutsche Auswanderer im amerikanischen Bundesheer“.
In der Geschichte des 14. Infanterie-Regiments der amerikanischen Armee aus dem Bundesstaat Indiana für die Zeit der amerikanischen Sezessionskriege wird Guido Ilges genannt als ein „Offizier, der für seinen tapferen und verdienstvollen Einsatz in der Armee der Union mehrfach befördert wurde“.
Und neun Jahre nach seinem Königsschuss in Ahrweiler machte er Schlagzeilen, die um die ganze Welt gingen. Denn er war es, der kurz nach Weihnachten 1880 die Häuptlinge Gall und The Crow nebst 10200 Sioux-Kriegern mit dem von ihm befehligten 5. Infanterie-Regiment gefangen nahm. Sitting Bull ergab sich ihm wenige Monate später in Fort Buford zusammen mit Resten seines zunächst nach Kanada geflüchteten Volkes.
Ilges war am 14. Mai 1861 als Captain in das 14. Indiana Infanterie-Regiment eingetreten.
Dieses Regiment wurde auf Anweisung von Präsident Abraham Lincoln vom 4. Mai 1861 zusammen mit etwa 20 weiteren Infanterie-Regimentern von den Staaten der Union aufgestellt. Dies waren die nördlichen Staaten, die die Abschaffung der Sklaverei anerkannten. Die Südstaaten, die so genannte Konföderation, Befürworter der Sklaverei, hatten am 12. April 1861 die Feindseligkeiten gegen die Nordstaaten mit der Beschießung von Ford Sumter begonnen. Das 14. Infanterie-Regiment gehörte dem 5. Armeecorps der Potomac-Armee an.
Ilges nahm an allen Schlachten und großen Kämpfen dieser Armee teil. In den Schlachten von Wilderness und Spotsylvania im Mai 1864 zeichnete er sich durch Tapferkeit besonders aus und wurde vom Congress namentlich belobigt und befördert.
Nach Ende des Krieges, im April 1865, trat er in die reguläre amerikanische Armee ein und zeichnete sich in den Indianer-Kriegen (1840-1890) aus. Am 31. Oktober 1883 wurde er als Colonel und zuletzt Kommandeur des 18. Infanterie-Regiments in Ehren entlassen.
Ilges war nach amerikanischen Quellen einer der berühmtesten Offiziere des Bundesheeres.
Übrigens: Zum Ende des Zweiten Weltkrieges war das 14. US-lnfanterie-Regiment Teil der 7. amerikanischen Armee unter dem Kommando von General George Patton und in Deutschland stationiert.