Eier und Speck für Kulissen Eine Truppe mit Theaterblut
Vierzig Jahre Spielschar Schuld Harry Lerch
Eine Glücksstunde war es, als die Amateurschauspieler von Schuld vor vierzig Jahren eine Waldlichtung fanden, tief hinabgeführt und in völliger Stille – das Amphitheater der Antike war vollkommen! Begonnen hatte das Theaterfieber mit »Saaltheater“. Pferdedecken und Armeeplanen machten sich, knapp zwei Jahre nach Kriegsende, leidlich als Vorhang, der schöne Theaterprospekt wollte partout nicht an der Wand kleben bleiben. Diese Anfänge wären eine Pantomime wert, eine Komödie für sich über die Tücke des Objekts.
Auf der Freilichtbühne zu Beginn die Legende der Genoveva, im Saal die Stücke herb und schicksalschwer – »Das Drama in der Schmiede«, »Der Geiger unserer lieben Frau« und »Über Land und Meer«, – so begann das Theaterspiel in Schuld. Ein Rätsel bleibt es, welche Talente hier aufblühten und wie bald sie bühnenreif waren. Doch sie hatten als Regisseur und Spiritus rector den Konrektor Walter Pfahl, der wie mit dem Zauberstab aus einer Dorfgemeinschaft ein Theatervolk machte. Das war vor vierzig Jahren, war die erste Bühnengeneration -; und die Buben, die damals ihr Lieblingslamm und die Gans unterm Arm zur Marktszene brachten, sind heute erwachsene Schauspieler, auch die Blumenfeen des Kinderballens haben heute ihre Rollen. Leider treten die Pferde nicht mehr auf, die in »Wilhelm Teil« aus der Tiefe des Waldes geritten kamen, um den künftigen Eidgenossen die Macht des Landvogts Gessler zu zeigen.
Die Wege zum Theater auf dieser Freilichtbühne sind bunt wie das Theater selbst. Dreißig Inszenierungen haben sie zuwegegebracht mit 150 Aufführungen und 100 000 Besuchern. Am Beginn »Das Drama in der Schmiede«, Stücke wie »Hauptmann Jaguar«, »SOS Eisberg« und die Schicksalsstücke »Fünf Mann – ein Brot« und »Das Lied der Wölfe«. Kalt war es im Saal, der Eintritt betrug zwei, drei Eier oder ein Streifen Speck. Daraus machten sie nicht etwa ein Gelage zur Premierenfeier. Sie fuhren damit nach Rheydt, tauschten Stoffe für Kostüme ein, Dekoration und Kulissen – und schmuggelten alles durch den Zitterbahnhof Remagen. Da mußte ein Poilu mit Theaterblut die Augen zugedrückt haben.
Tiere und Kinder spielen mit. Einmal ein Schaf, andermal hat ein Junge
eine Gans unter dem Arm. Immer ist Szene und Verwandlung wie
in „König Drosselbart“.
40 Bühnenjahre … Walter Pfahl, Mitgründer und Regisseur vieler Inszenierungen,
berichtet über Wachsen und Werden des Amateurtheaters.
Das und viel Interessanteres wird berichtet von Walter Pfahl in einer Festschrift, doch der Berichterstatter kennt die Aufführungen der Waldbühne aus eigenem Erleben: »Der Geiger unserer lieben Frau«, »Genoveva«, »Heilige Elisabeth« – und dann der Griff zu den Sternen, zu Hofmannsthals »Jedermann« und Schillers »Wilhelm Teil«! »Genoveva« war 1948 ein nie wieder erlebter Rekord: 12 000 Zuschauer.
Bunt und rund geht es zu um den Räuber Hotzenplotz.
Immer ist Aufregung, auch der Schandarm macht mit, bis der Räuber Hotzenplotz sich in dessen Uniform tarnt.
Aufregender geht es nirgendwo zu als in diesem Spiel
Kindern Freude brachten die Märchen, nicht nur den kleinen Theaterbesuchern, sondern den Kindern von Schuld selbst, als Küchenjungenballett im »Weißen Rößl«, als Elfen im Märchenspiel oder als Mäuseballerinen. Überhaupt: die Märchen … Schneewittchens Zwerge waren allerliebst. Jedes Märchen hatte Farbe, Bewegung und Ballett, besonders »König Drosselbart« und »Der gestiefelte Kater«. Mit dem »Tapferen Schneiderlein« ging Schuld zur Bundesgartenschau nach Bonn, wie auswärtige Gastspiele durchaus nicht selten waren. Mit den Kulissen auf dem Pferdewagen ging es in die Eifel und ins Ahrtal. Das war wörtlich der Thespiskarren der griechischen Theatertruppe! Freundlichste Aufnahme bei mittlerweile gewonnenen Stammgästen auch für die Lustspiele »Schneider Wibbel«, am Seeufer zum »Weißen Rößl« legte sogar ein weißer Wolfgangseedampfer an … Um Effekte sind sie auf der Waldbühne nicht verlegen.
Das Ernsthafteste wurde »Die Passion«. Zu Beginn 1954 schon aufgeführt mit schönfarbigen Gewändern und gefühlvollem Text, wurde daraus 1979 eine Aufführung der Erschütterung und Würde. Pfarrer Gerold Rosenthal – ein Förderer wie einst Pfarrer Jakob Scherer -schrieb den Text neu, komprimiert gerichtet auf den Christustod und die stets verteufelte Rolle des Judas. Nur in Abständen wird sie in der Kirche aufgeführt, dreiunddreißigmal bisher, mit 11 500 Zuschauern. Nichts von Oberammergau, kein Schaueffekt; der Zuhörer ist Zeuge eines Weltendramas.
Bleibt zu sagen, daß die Waldbühne oft auch Konzerthalle ist mit amerikanischen Armee-Bands. Da werden Klangwolken ausgeschüttet mit Beat und Pop, da ist diese Waldbühne Blues-Arena, eine ganze Wagenladung von Gospels und Jazz. Kein Wunder ist diese Freundschaft: der hier für Licht und Bühnenmusik sorgt, ist Towerchef auf dem USA-Flugplatz. Mit dem müssen sich die Starfighter-Piloten gut halten.
Eine Ausstellung ruft Theatererlebnisse zurück und belebt
noch einmal die eigenen Erinnerungen. Figuren und Kostüme sind ausgestellt,
hier das reich geschmückte Gewand eines Hohenpriesters.
Vierzig Theaterjahre … Als dieses Jubiläums gedacht war, wurden die Akteure von Glückwünschen überschüttet. Gratulationen kamen von allen Seiten, auch vom Landkreis. Bereits 1986 fand die Arbeit der Theater-Amateure von Schuld Anerkennung, als Dr. Egon Plümer der Spielschar die Ehrenplakette des Landkreises Ahrweiler überreichte.
Nicht zuletzt: der jüngste Auftritt der USA-Luftwaffen-Band brachte eine Spende ein für »Nachbar in Not«. Der Vorsitzende und der Regisseur Hans-Wilhelm Bläser und Walter Pfahl übergaben an Landrat Dr. Egon Plümer die Einnahmen von 1 250 Mark. 100 000 beglückte Besucher. . . dafür will die Amateurschar weiterspielen. Das Theater ist auch für sie – nach Hofmannsthal – »von den weltlichen Institutionen das einzig übriggebliebene, gewaltige und gemeingültige Ereignis, das unsere Festfreude, Schaulust, Lachlust, Lust an der Rührung, Spannung, Durchschütterung, geradehin in den Festtrieb des alten, ewigen Menschengeschlechtes bindet.« In diesem Sinne zunächst einmal für die nächsten zehn Jahre:
Toi, toi, toi!