Die Wildkatze in den Wäldern der Zentral- und Osteifel
Egon Haarmann
In der gesamten Eifel, außer ihren Randgebieten, insbesondere aber im östlichen und zentralen Hochland der Eifel, kommt die Wildkatze vor. Nach dem Erlaß des Reichsjagdgesetzes und dem daraus resultierenden Verbot des Tellereisens haben sich die einst geringen Bestände zur Freude der Natur- und Tierfreunde und insbesondere der Jäger kräftig vermehrt, so daß heute der Bestand als gesichert angesehen werden kann.
Dies ist um so erfreulicher, da es sich bei dem Gebiet, besonders in der Osteifel, noch um ein riesiges durchgehendes bergiges Waldgelände handelt, das bis etwa 700 m ansteigt, und auch die kleinen und größeren dicht bewachsenen Taleinschnitte in ihrer Stille und Urwüchsigkeit die Gewähr bieten, daß dieses in ganz Westeuropa so selten gewordene Haarraubwild erhalten bleibt. Außer dem oben genannten Eifelge-biet kommt die Wildkatze in einer etwas anderen Farbvariation noch vereinzelt im Westerwald, dem Hunsrück und im Harz vor.
Selbstverständlich hat die Waidmannssprache auch für diese seltene Wildart Ausdrücke, die die Jahrhunderte überdauert haben, geprägt. Die Zähne heißen: Fänge, die Beine: Läufe, die Krallen: Waffen, das Fell: Balg, die Füße: Bran-ten, der Schwanz: Rute oder Lunte, die Augen:
Seher, die Ohren: Gehöre, die Jungen bilden ein Geheck, wenn sie läuft, schnürt sie, wenn sie klettert, bäumt sie auf, sie reißt das Wild und sitzt am Riß.
Als Grundfärbung trägt der Kuder ein fahles Grau oder ein dunkles Braungrau, das bei der Katze mehr gelbgrau getönt ist. Vier schwarze Längsstreifen ziehren den Kopf, von denen sich zwei auf dem Nacken fortsetzen, um weiter hinten einen stärkeren Strich (Aalstrich) auf der Mitte des Rückens zu bilden. Von den Sehern ziehen sich ein längerer und ein kürzerer Strich über die Wange. Im übrigen ist der Körper mit schwärzlichen Querstreifen besetzt.
Die immer kräftige, buschige Lunte trägt schwärzliche Querstreifen. In jedem Fall zeigt die Lunte mehrere Querringe. Anzuführen ist auch ein gelblicher oder hellbrauner Kehlfleck. An der Unterseite zeigt die Wildkatze ebenfalls gelbliche Färbung und ist mit einigen mehr oder weniger dunklen Flecken besetzt. Als untrügliches Kennzeichen aber zeichnet sich die Wildkatze durch den schwarzen, nackten Sohlenfleck der Hinterläufe aus (Nehringscher-Sohlenfleck).
Hier in der Eifel werden sehr oft sogenannte Blendlinge, also halbwilde Hauskatzen, die aus der Verbindung Wildkatze und Hauskatze entstanden sind, erlegt, die aber nie diesen Sohlenfleck aufwiesen, wenn sie auch äußerlich manchmal der Wildkatze gleichen. Ich habe vor 15 Jahren einen derartigen Blendling erlegt, bei dem auch nach eingehender Untersuchung festgestellt wurde, daß es sich tatsächlich bei diesem Exemplar um eine Kreuzung zwischen Wild- und Hauskatze handelte.
Die echte Wildkatze im Zentral- und Osteifelge-biet weist etwa eine Körperlänge von 75-85 cm, einschließlich Lunte, sowie eine Schulterhöhe bis zu 40 cm auf. Die Luntenlänge allein überschreitet fast nie 35 cm. Früher sind Wildkatzen bis zum Gewicht von 14 kg geschossen worden, jedoch das Durchschnittsgewicht beträgt ca. 6-8 kg.
Nadelholz zieht die Wildkatze dem lichten Laubwald vor. Hier verbirgt sie sich tagsüber gerne in hohlen Baumstämmen oder in Felsspalten, die insbesondere das hiesige Ahrge-birge mannigfaltig aufweist. Die neueren Forschungen haben aber auch ergeben, daß die Wildkatze verlassene Dachs- oder Fuchsbaue nicht verschmäht. Sie ist ein ausgezeichneter Kletterer, und es bedeutet ihr nichts, von Baum zu Baum zu springen und so ganze Waldstükke zu überqueren. Sie ist ein hervorragender Jäger, insbesondere zeigt sich ihr Können im Anpirschen und in der nächtlichen Jagd. Sie springt ihre Beute an und zerbeißt oder zerreißt bei größeren Säugetieren die Schlagader.
Wie schon erwähnt, ist in der Kunst des Anpir-schens und des geduldigen Wartens die Wildkatze geradezu ein vortrefflicher Meister. Von ihren Sinnen sind insbesondere Gesicht und Gehör ungemein scharf ausgebildet. Sie ernährt sich ausschließlich von Warmblütern, angefangen von Rehkitzen bis zu Vögeln aller Art. Obwohl dieses scheue Wild den Menschen meidet, wehrt es sich aber mit dem Mut der Verzweiflung im bedrängten Zustand so hartnäckig und entschlossen, daß sie ohne weiteres einem unbewaffneten Mann schwere Verletzungen antragen kann. Im übrigen ist das Wesen der Wildkatze äußerst scheu, vorsichtig und argwöhnisch und sie ist auch hier in dem so dicht bewaldeten Gebiet bereits zu einem Nachttier geworden, wenngleich der Verfasser aber auch schon abends bei gutem Licht und morgens nach Sonnenaufgang Wildkatzen beobachten konnte. Dies allerdings in weit abgelegenen Gebieten.
In die Monate Februar und März fällt die Ranzzeit der Wildkatze. Nach etwa 9 Wochen Tragzeit, also im April oder Mai, werden an versteckten und heimlichen Orten 3-5 Junge geworfen, die etwa nach 12 Tagen die Augen öffnen. Die Katze ist eine sehr liebevolle und schützende Mutter, die meist sofort angreift, wenn Menschen ihre Jungen anzufassen versuchen. Meist aber benützt sie eine intelligente List, bei Gefahr oder Beunruhigung werden die Jungen im Fang einem sicheren Ort zugeführt. Die kreisrunde Spur der Wildkatze hat große Ähnlichkeit mit dem unserer Hauskatze, im Schritt schnürt der Kuder ähnlich wie der Fuchs.
Früher wurde die Jagd auf den Kuder meist durch Pirsch oder Ansitz betrieben, oder die Wildkatze wurde noch häufiger auf Treib- oder Drückjagden erlegt. Es gibt heute nur noch eine große Gefahr, die diese seltene Wildart dezimieren kann: das ist die Tollwut, die gerade hier im Eifelraum in den letzten Jahren immer wieder ausgebrochen ist. Dann sind die Jäger leider auch verpflichtet, Wildkatzen zu erlegen, obwohl dies nach meinen Erkundungen nur selten geschehen ist. Im übrigen genießt die Wildkatze ganzjährige Schonzeit.
Wenn die biologische Struktur der Landschaft und insbesondere des Waldes erhalten bleibt, wird sie auch den nach uns kommenden Generationen erhalten bleiben.