Die politische und wirtschaftliche Situation im Kreis Ahrweiler vor 1933

Die Anfänge der NSDAP 

Leonhard Janta

Aufgrund der katastrophalen Wirtschaftslage und einer hinzukommenden Mißernte erklärte die Regierung den Kreis Ahrweiler 1924 zum Notstandsgebiet.

Während des passiven Widerstandes gegen die französische und belgische Besetzung des Ruhrgebietes im Jahre 1923 war die Zahl der Arbeitslosen im Kreise sprunghaft angestiegen. An fast 6 000 Erwerbslose wurden im Januar 1924 Unterstützungsgelder gezahlt. Saisonbedingt ging die Zahl der Unterstützungsempfänger zurück, jedoch gab es auch Dauerarbeitslose, die keinerlei Fürsorgeleistungen mehr erhielten und in den Statistiken nicht mehr auftauchten. Eine nennenswerte Vermittlung von Arbeitskräften fand in den folgenden Jahren nicht mehr statt. Die Verwaltungsberichte von 1924 – 1930 registrieren die ständige Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage.

1929 wurden alle im Kreise vorhandenen Industriezweige und Handwerksbetriebe von der Weltwirtschaftskrise erfaßt. Auch vor der Landwirtschaft und dem Weinbau machte die Krise nicht halt. Die Konkurrenz der ausländischen Rotweine ließ die Weinpreise sinken, so daß der Weinmarkt fast völlig daniederlag, wovon die handwerklichen Zulieferer betroffen waren. Auch konnte sich nach dem 1. Weltkrieg der Fremdenverkehr nicht wirklich erholen, worunter besonders die Mineralwasserindustrie zu leiden hatte. Im Einzelhandel wurden fast ausschließlich billigste Lebensmittel nachgefragt. Das kulturelle Leben kam während der Krise weitgehend zum Erliegen. Selbst auf Karnevalsveranstaltungen und sonstige Vergnügungen wurde wegen der allgemeinen Not verzichtet. Die Aufwendungen für die Erwerbslosen, deren Zahl bis 1933 nicht mehr unter 3 000, bei einer Bevölkerung von etwa 50 000 Einwohnern, sank, verschlangen mit den Kosten für Wohlfahrtsunterstützungen große Teile der Haushalte, so daß für andere Projekte kaum noch Spielraum blieb. Alle Städte und Gemeinden waren verschuldet. Der Verwaltungsbericht von 1930 spricht von der schwersten Krise, die der Kreis je erlebt hatte.

»Am Ende des Wirtschaftsjahres war daher die Lage von Handel, Gewerbe und Handwerk geradezu trostlos. Die Krise, die sich 1929 schon abzeichnete, hat im Jahre 1930 praktische Gestalt angenommen. Zusammenbrüche von Unternehmungen größerer und kleinerer Art, Zwangsversteigerungen früher wertvoller Hotelunternehmungen, Vergleiche und Konkurse in erheblicher Anzahl waren die Merkmale dieser Entwicklung. Ein erhebliches Ansteigen der Zivilprozesse und des gerichtlichen Mahnverfahrens zeigt die erschreckend große Zahlungsunfähigkeit. Starke Steuerausfälle brachten die Wirtschaft der Gemeinden in Schwierigkeiten. Nirgendwo ein Hoffnungsstrahl für die Wirtschaft. Nur der Glaube, daß es nicht mehr schlechter werden kann, hält die Masse der Betriebe aufrecht, die nach ihrem Status längst für einen Vergleich reif wären«. Im Sommer 1932 wurden die Sätze der Arbeitslosenunterstützung bis zu 53 % gekürzt, wobei gleichzeitig die Unterstützungsdauer von 20 auf 6 Wochen begrenzt wurde. Ein erwerbsloser Familienvater mit 4 Kindern erhielt danach statt 34,45 RM pro Woche noch 17,40 RM. Durch Notgemeinschaften, Schulspeisungen und andere karitative Maßnahmen versuchte man, die Not zu lindern. Die Kirche und der Landrat riefen zur Winterhilfe für die Notleidenden auf. An die Landwirte wurden Appelle gerichtet, Erwerbslose in der Kartoffelernte zu beschäftigen.

Im November 1931 wurde in der Rheinprovinz der freiwillige Arbeitsdienst eingerichtet, in dem Unterstützungsempfänger eingesetzt werden sollten. Das tägliche Entgelt bei dem Freiwilligen Arbeitsdienst und sonstigen kommunalen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen lag je nach Alter zwischen 1 bis 2 RM pro Tag. Im Kreis Ahrweiler nahm man Projekte zur Verkehrsverbesserung, Straßenbau, Ahrregulierungen und Rodungsmaßnahmen in Angriff. Bei dieser Krisenlage konnte es nicht ausbleiben, daß auch im Kreis Ahrweiler die links- und rechtsradikalen Parteien Zulauf hatten. Allerdings blieb die Kreisbevölkerung, die zu über 90 % der katholischen Kirche angehörte, in ihrer Mehrheit der Deutschen Zentrumspartei treu. Die Durchsicht der Wahlergebnisse im Kreis Ahrweiler bestätigt die auch in anderen rheinischen Kreisen gemachten Untersuchungen, nach denen die NSDAP in katholischen-ländlichen Gebieten, die traditionell Hochburgen des politischen Katholizismus waren, die wenigsten Stimmen erhielt. Selbst bei der letzten noch »freien« Wahl am 5. 3. 1933 stimmten 61,8 % für das Zentrum. KPD und SPD lagen im Kreis unter 10 %. Seit der Reichstagswahl am 14. 9.1930 lag die KPD sogar vor der SPD. Die NSDAP trat erstmals bei der Reichstagswahl am 20. 5.1928 in Erscheinung. Sie erhielt jedoch nur 0,7 % der abgegebenen Stimmen. Durch die intensive Arbeit der katholischen Vereine, die Aktivitäten des katholischen Volksbüros, der christlichen Gewerkschaften und der Jugendverbände, die ab 1930 systematisch auf- und ausgebaut wurden, konnte die Zentrumspartei ihre starke Position gegenüber den radikalen Parteien halten und sogar noch verbessern. Die Zentrumspartei, deren organisatorische Gliederung auf Ortsebene weitgehend mit den Pfarrbezirken identisch war, warnte immer wieder vor dem aufkommenden Radikalismus von links und rechts. Nationalsozialisten und Kommunisten waren zu Zentrumsveranstaltungen nicht zugelassen. In der Ablehnung des Nationalsozialismus wurde eine deutliche Sprache gesprochen. So warnte ein Redner des katholischen Volksvereins auf der Dekanatskonferenz im Okt. 1930 in Remagen: »Der Gott der Nationalsozialisten ist nicht mehr der christliche Gott. Unser Gott wird beim Nationalsozialismus zum heidnischen Götzen herabdegradiert. Die scharfe Ablehnung des Nationalsozialismus seitens unserer kirchlichen Behörden liegt deshalb unbedingt im Interesse unserer katholischen Sache.«

Im Februar 1931 gründeten Mitglieder des Windhorstbundes (Jugendorganisation der Zentrumspartei) eine Kreuzschar, deren Aufgabe darin bestehen sollte, bei Zentrumsveranstaltungen Ordnungsdienste zu leisten und den Saalschutz zu übernehmen, da NSDAP- und KPD-Mitgliedern der Zutritt zu Zentrumsveranstaltungen verwehrt werden sollte. Propagandaarbeit für die Zentrumspartei fiel ebenfalls in den Aufgabenbereich der Kreuzschar. Die katholische Jugend demonstrierte immer wieder gegen Radikalismus und bekannte sich mutig zur katholischen Sache, weshalb sie sogar in Naziflugblättern angegriffen wurde. Aufgrund ihrer guten Wahlergebnisse kam die Kreiszentrumspartei jedoch im Juni 1931 zu dem Fehlschluß, daß die Nationalsozialisten nicht mehr als ernstzunehmende Gegner zu betrachten seien.

Noch im Februar 1932 schätzten allerdings die christlichen Gewerkschaften die Lage anders ein. Bei einer Kundgebung in Remagen riefen sie die christliche Arbeiterschaft zum Kampf gegen den kommunistischen und nationalsozialistischen Diktaturwillen auf. Auf dem Kreisparteitag des Zentrums am 16. Oktober 1932 in Remagen wurde das Verhältnis zwischen Zentrum und Nationalsozialisten erörtert, wobei sich die Fehleinschätzung der Politik Hitlers deutlich zeigte. Der Reichstagsabgeordnete Verhülsdonk aus Neuwied propagierte dort die offizielle Linie der Zentrumspartei. Die Führung der Partei hatte die Illusion, daß die Staatskrise durch Kooperation mit Hitler überwunden werden könnte. Auf Lokalebene herrschte vielfach eine realistischere Einschätzung der Lage. Der Untergang der Zentrumspartei, die sich nach der Machtübernahme am 5. Juli selbst auflöste, war zu diesem Zeitpunkt schon eingeleitet und entbehrte nicht der inneren Logik.

Innerhalb von fünf Jahren ( 1928 – 1933) stieg die NSDAP von einer unbedeutenden Splitterpartei zur stärksten Partei des Reiches auf. Durch das Gesetz gegen die Neubildung der Parteien vom 14. Juli 1933 wurde die NSDAP schließlich zur einzigen anerkannten Staatspartei.

Die Anfänge der NSDAP im Kreis Ahrweiler 

Die Anfänge des Nationalsozialismus im Rheinland liegen weitgehend im Dunkeln, denn erst nach der Neugründung der NSDAP im Februar 1925 breitete sich die Partei von München systematisch über das ganze Reich aus. Gregor Strasser legte im Februar 1925 im Auftrage Hitlers für die Rheinprovinz den organisatorischen Rahmen der NSDAP fest. Auch im Räume Koblenz begann der gezielte Aufbau der rechtsextremen Partei nach diesem Organisationsplan der Partei unter ihrem Koblenzer Bezirksleiter Gustav Simon. Nach der Teilung des Gaues Rheinland, entsprechend der Wahlkreiseinteilung in die Gaue Köln-Aachen und Koblenz-Trier, wurde der Gewerbeoberlehrer Gustav Simon 1931 Gauleiter für den Gau Koblenz-Trier.

Im Kreis Ahrweiler wurden zwar schon 1926, 1927 und 1929 Versammlungen der NSDAP in Brohl abgehalten, jedoch kann erst ab 1930 von Anfängen der Partei auf Kreisebene gesprochen werden.

Der Kreisgeschäftsführer der NSDAP Ahrweiler schrieb 1936 im Heimatkalender über die Anfänge der Bewegung: »Der ganze übrige Kreis blieb von der Idee des Führers bis zum August 1930 fast unberührt. Am 24. Juni 1930 meldete der Landrat Dr. Meyers dem Regierungspräsidenten in Koblenz über die »Entwicklung der nationalsozialistischen Bewegung«, daß es bis dahin noch keine Ortsgruppe der NSDAP im Kreise Ahrweiler gab.

In Sinzig wurde am 23. 5. 1930 auf einer Versammlung, die von 200 bis 250 Zuhörern besucht wurde, ein vergeblicher Versuch gemacht, eine Ortsgruppe zu gründen. Ebenfalls scheiterte die Gründung einer Ortsgruppe bei einer Werbeveranstaltung in Oberwinter am 18. 6. 1930. Erst vor der Reichstagswahl am 14. 9. 1930, bei der die NSDAP im Kreis einen Stimmenanteil von 12,7 % hatte (1928 nur 0,7 %), kam es zur ersten Gründung von Ortsgruppen in Sinzig und Ahrweiler-Bad Neuenahr. Besonders die Ahrweiler Ortsgruppe, deren Mitgliederzahl auf 75 geschätzt wurde, entfaltete eine rege Versammlungstätigkeit. Von hier aus baute die NSDAP ihre Position im Ahrtal systematisch aus. Wiederholt sprach der gefragte Gaupropagandaredner Karl Zenner aus Brohl auf Kundgebungen. Die Handzettel, auf denen die Propagandaveranstaltungen der NSDAP angekündigt wurden, trugen in der Regel den Vermerk: »Juden haben keinen Zutritt«.

Daß die »Bewegung« Fuß zu fassen begann, wird daran deutlich, daß die Ortsgruppe Ahrweiler in der Oberhutstraße ein Geschäftslokal anmietete, wo das Kreisleitungsbüro eingerichtet wurde. Der Kreis- und Ortsgruppenleiter verkaufte dort Bücher und Zeitungen der NSDAP und hielt auch Besprechungen ab. Von Anfang an trat die NSDAP durch geschlossene Märsche durch die Stadt und nähere Umgebung und rege Werbetätigkeit in Erscheinung. Das Uniformverbot, das seit einem Erlaß vom 11.5. 1930 für ganz Preußen bestand, und das mit allen polizeilichen Mitteln, mit Festsetzungen und Zwangsstrafen durchgesetzt werden sollte, versuchten die NSDAP-Mitglieder durch das Tragen von einheitlichen Wolljacken, die den Braunhemden glichen, zu umgehen.

Größere Kundgebungen wurden stets von einer SA-Kapelle begleitet. Durch das disziplinierte paramilitärische Auftreten demonstrierte die Partei Stärke und Geschlossenheit, was nicht ohne Wirkung auf die Bevölkerung blieb. Für den 9. November 1930 kündigte die NSDAP Trauerfeiern im ganzen Reich mit Kranzniederlegungen an den Kriegerdenkmälern an, da die Partei diesen Tag zum Reichstrauertag der NSDAP im Gedenken an den mißglückten Putschversuch von Ludendorff und Hitler vom 8./9. November 1923 in München erklärt hatte.

In Brohl benutzte Karl Zenner die Totengedenkfeier mit Musikkapelle zu einer Propagandarede für die Partei.

Nach der Kranzniederlegung am Grab eines Gefallenen und am Grab der Separatistenopfer marschierten die 200 Teilnehmer geschlossen zum Bahnhof.

Neben solchen Demonstrationen versuchte die NSDAP auch verstärkt Propaganda in den höheren Schulen zu betreiben. Diesem Vordringen der Nationalsozialisten begegnete man im gesamten Regierungsbezirk ».. .durch Erteilen und Ausbau des staatsbürgerlichen Unterrichts. . .«

Im Vordergrund standen allerdings die öffentlichen Massenauftritte. Für den 29. und 30. November 1930 planten die Ortsgruppen von Neuenahr und Ahrweiler eine Großveranstaltung in beiden Orten. Als Redner wurde sogar Goebbels angekündigt, jedoch wurde er durch Gauleiter Ley ersetzt. Die kurzfristige Umbesetzung der Hauptredner gehörte zu einer wiederholt praktizierten Taktik der Nationalsozialisten. An erster Stelle wurde immer ein prominenter Vertreter der Partei genannt, wobei allerdings auf den Ankündigungen oft schon ein Ersatzredner ausgedruckt war, der in der Regel dann zum Hauptredner wurde. Im vorliegenden Falle gehörten beide Redner zur 1. Garnitur der Propagandaredner. Die Kundgebung in Ahrweiler sah neben einem gemeinsamen Kirchgang eine Kranzniederlegung auf dem Ehren-friedhof, ein Konzert, Feldküche, Bannerweihe und einen Fackelzug durch Ahrweiler vor. Gleichzeitig sollte in Ahrweiler eine Veranstaltung des Stahlhelm, einer rechtsextremen Gruppe ehemaliger Frontkämpfer, die mit 2 000 Mann einen Marsch durch Ahrweiler planten, stattfinden.

Die NSDAP benutzte die Demonstration des Stahlhelmes, von dem zahlreiche Mitglieder der NSDAP nahestanden, um ihre eigene Veranstaltung zur Massendemonstration zu erhöhen. Wenn auch der Propagandamarsch insgesamt ruhig verlief, so wurde doch zu Beginn erst einmal ein Anhänger der Kommunisten niedergeschlagen. Auf 100 Lastwagen waren immerhin 1 300 der angekündigten 2 000 Stahlhelmer angekommen. Bei ihrem Marsch durch die Stadt hatten sich Mitglieder und Anhänger der NSDAP vor dem Parteibüro in der Oberhutstraße aufgestellt. Sie begrüßten die vorbeimarschierenden Ortsgruppen des Stahlhelm mit den Rufen: »Juda verrecke« -»Deutschland Erwache« – »Hitler Heil«. »Diese Ovationen wurden von den Stahlhelmern beantwortet«. Der Zutritt zur Kirche wurde der NSDAP nach der Abfahrt der Stahlhelmer in geschlossener Formation verweigert, so daß die Nationalsozialisten sich erst einmal auflösen mußten, um dann einzeln in die Kirche einzutreten. Den Fahnendeputationen untersagte das Pfarramt den Zutritt zur Kirche. Nach dem Kirchgang marschierte die Ortsgruppe geschlossen zum Ehrenfriedhof. Eine »Weiherede von Karl Zenner« begleitete die anschließende Fahnenweihe in Hemmessen. Gauleiter Ley hielt zusätzlich noch eine Propagandarede über »Rasse, Volk und Staat im Dritten Reich«. Nur durch vereinzelte »Pfui«-Rufe der Kommunisten wurde der abendliche Fackelzug der Ortsgruppe gestört.

Die Gesamtveranstaltung bezeichnete die Ortsgruppe Ahrweiler-Bad Neuenahr als »Deutschen Tag«. Der hier nur kurz skizzierte Verlauf war typisch für eine Propagandaveranstaltung der NSDAP in ländlichen Regionen, wo die Festlichkeiten der Partei oft »zwischen pseudomilitärischer Demonstration und kirchlicher Prozession« angesiedelt waren (Lademacher, S. 27).

Das starke Anwachsen der NSDAP führte zu einer verschärften Überwachung durch den Polizeipräsidenten, der über Organisationspläne der Partei, der SA und SS verfügte, die den Landräten zur Kenntnisnahme zugesandt wurden. Bei der Gliederung des Gaues Rheinland sind dort beim Unterbezirk Koblenz auch die Ortsgruppen des Kreises Ahrweiler aufgeführt. Am 1. Oktober 1930 sollen danach im Kreise insgesamt 579 eingeschriebene NSDAP-Mitglieder gewohnt haben: (Ahrweiler: 185; Bad Neuenahr: 146; Brohl: 102; Remagen: 77; Sinzig: 69) Im damals noch selbständigen Kreis Adenau wurden bei der Ortsgruppe Adenau nur 54 Mitglieder gezählt, jedoch erfolgte von diesem Stützpunkt aus der Vorstoß der NSDAP in die Hocheifel.

In seinem Bericht vom 2. Jan. 1931 an den Landrat spricht der Bürgermeister von Ahrwei-ler auch von »stillen Anhängern«, die aus irgendwelchen Gründen nicht öffentlich auftreten. Zu dieser Zeit hielten sich noch Mitglieder und Sympathisanten zurück, da sie in einem Kreis, der eine Hochburg des Zentrums war, geschäftliche Nachteile vom öffentlichen Bekenntnis zur NSDAP befürchteten. Der Beamtenschaft war zudem die Zugehörigkeit zur NSDAP verboten. Dr. Pomp führte weiter aus: ».. . Auch in den Kreisen des Stahlhelms sind sehr viele Anhänger der Nazis zu suchen. Es besteht auch Vermutung, daß in Beamtenkreisen große Zuneigung zu den Nazis besteht. Eine aktive Beteiligung ist jedoch bisher nicht beobachtet worden, was ich nur auf das Verbot der Zugehörigkeit von Beamten zu dieser Organisation zurück führe.« Was die Mitglieder der NSDAP im Amt Nieder-breisig anbelangte, so rechnete der Bürgermeister sie größtenteils dem Arbeitsstande zu, jedoch vermutete er auch einzelne Geschäftsleute darunter, zuzüglich noch sogenannter »verkrachter Existenzen«.

Für den Gesamtkreis errechnet der Landrat aus den Berichten der Bürgermeister und Landjäger, daß die Mitglieder der NSDAP zu 60 % Kleingewerbetreibende waren; 20 % kaufmännische Angestellte; 5 % Industriearbeiter und 15 % freie Berufe. Von 70 % der Anhänger nahm er an, daß sie zwischen 15 bis 25 Jahren alt waren.

Obwohl die Versammlungen der NSDAP gut besucht waren, häufig hatten die Redner über 100 Zuhörer, unterschätzten die Bürgermeister in ihren Berichten die Bewegung und gingen davon aus, daß diese im Rückgang begriffen sei, da die Versammlungsbesuche nicht als Maßstab genommen wurden. Dr. Pomp äußerte in seinem aufschlußreichen Bericht: ». . .Zusammenfassend betrachte ich die hiesige Bewegung der Nazis als bedeutungslos. . .«, womit er nur im Hinblick auf das Wahlverhalten der Kreisbevölkerung, die weiterhin in ihrer Mehrheit die Zentrumspartei wählte, Recht behalten sollte. Als Anzeichen für den Rückgang der NSDAP wertete der Bürgermeister den schlechten Besuch der Kreisgeschäftsstelle, wo auch der Verkauf der nationalsozialistischen Bücher und Zeitungen nicht florierte. Hinzu kam, daß im Dezember der Geschäftsführer der Kreisgeschäftsstelle verschwand, was in der Bevölkerung Ahrweilers Anlaß zu mancherlei Vermutungen gab und wenig werbewirksam für die Partei war. Vor der Kreisleitung der NSDAP kam es oft zu Pöbeleien mit der in Ahrweiler starken Gruppe der Kommunisten. ».. .Die Kommunisten grüßten die Nazis mit »Heil-Moskau«-Rufen und umgekehrt die Nazis mit »Heil Hitler«! Sogar Schulkinder sammeln sich vor der Filiale (der NSDAP) und rufen hier »Heil Hitler«.

Der Leiter belohnt die Kinder dann mit kleinen Hakenkreuzfähnchen und Bonbons. Wenn dieselben dann beschenkt worden sind, rufen sie, indem sie fortlaufen »Heil Moskau«, was natürlich den Ärger des Parteigenossen erregt und die dann in der Nähe stehenden Kommunisten zu Hohnreden gegen den Nationalsozialismus veranlaßt«.

Bei den NSDAP-Versammlungen besorgten bis zum Januar 1931 SA-Mannschaften von auswärts den Saalschutz, obwohl es bereits SA in Brohl, Neuenahr und Sinzig gab. In Brohl traten jedoch auch SA-Mitglieder wieder aus, da sie arbeitslos waren und die Beiträge von 2,20 RM pro Monat nicht bezahlen konnten. Hatten sich im Jahre 1930 in Brohl, Sinzig, Niederbreisig, Remagen und an der Ahr die Versammlungen der NSDAP gehäuft – allein in Sinzig wurden vom 1. Mai 1930 bis zum 9. 1. 31, 7 große Kundgebungen registriert, die teilweise von 300 bis 400 Zuhörern besucht waren, so wurde aus dem Brohltal und den Eifel-gegenden für diesen Zeitraum gemeldet, daß die NSDAP dort noch nicht besonders in Erscheinung getreten war. Da die einheimische Presse dem Zentrum nahestand und die NSDAP weitgehend ignorierte, bemühte sich das im Juni 1930 gegründete Koblenzer Nationalblatt der NSDAP im Kreis Ahrweiler an Boden zu gewinnen. Die Abonnentenzahl war allerdings gering und beschränkte sich auf Parteimitglieder. Die Auseinandersetzung der NSDAP mit politischen Gegnern verlief oft brutal. Am 24. Februar 1931 kam es in Heimersheim zu einer Saalschlacht zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten.

150 bis 200 Besucher waren dort in eine Massenchlägerei verwickelt. Alle öffentlichen Versammlungen der beteiligten Parteien und anderer extremer Gruppen (z. B. Stahlhelm) wurden daraufhin in Ahrweiler und Umgebung im Freien verboten. Kundgebungen in Sälen waren aber weiterhin erlaubt. Ungeachtet aller Querelen innerhalb der Partei, der Ortsgruppenführer von Ahrweiler legte sein Amt aus unbekannten Gründen nieder, entfaltete gerade diese Ortsgruppe in den Gemeinden der Umgebung eine rege Propagandatätigkeit. In kleinen Orten wurden die Nationalsozialisten bei Versammlungen wiederholt beschimpft. Auf einer Kundgebung in Rech am 14. 3. 1931 bezeichnete ein SPD-Mitglied den Parteiredner aus Ahrweiler als »Lump«. Da der Störer fortgesetzt: »Mordbuben, dreckige Gesellschaft u. a. mehr« rief, wurde er von den Nazis kurzerhand vor die Tür gesetzt. Bis zum März 1932 stieg der Mitgliederstand der NSDAP im Gau Rheinland erheblich an. Im Bezirk Koblenz, zu dem auch der Kreis Ahrweiler gehörte, hatte die NSDAP unter Gustav Simon 7 658 Mitglieder. Für den Kreis Ahrweiler wurden für Ahrweiler 210; Neuenahr 169; Brohl 126; Ringen 100; Sinzig 91 angegeben. In Adenau gab es danach 72 Parteigenossen. Trotz dieser beachtlichen Mitgliederzahlen mußte am 24. April 1931 die Kreisgeschäftsstelle aufgehoben werden, weil die Partei die Miete von 75 RM pro Monat nicht mehr bezahlen konnte. Ihre Kreisleitung verlegte die NSDAP nach Bad Neuenahr. Zu den Aktivitäten der Nazis gehörten auch paramilitärische Übungen. Gegen die uniformierten Teilnehmer einer Nachtübung wurde aus diesem Grunde Strafanzeige gestellt, jedoch kamen die Mitglieder der Ortsgruppen Sinzig und Ahrweiler glimpflich davon. Mit Flugblättern der NSDAP wurde die Kreisbevölkerung regelrecht überschwemmt- lediglich die Kommunisten konnten es, was die Anzahl dieser Werbeträger betraf, darin mit der NSDAP aufnehmen. Eines der Pamphlete richtete sich gegen das Zentrum und stellte die Frage: »Christenkreuz oder Hakenkreuz?«.

Auf die überwiegend katholische Bevölkerung abgestimmt, wurde die Frage propagandistisch geschickt hin- und hergewendet und schließlich durch einen Appell »beantwortet«. »Deutsches Volk! Deine Schicksalsfrage lautet: »Hakenkreuz oder Sowjetstern. Wende Dich vom roten Terror und Zentrum ab und trete in unsere Reihen ein. Antworte da und entscheide Dich

Für Christenkreuz und Hakenkreuz« Eng mit dem Aufstieg der NSDAP ist die Entwicklung der halbmilitärischen Straßenkampforganisation SA (Sturmabteilung) verbunden. Durch SA-Heime im ganzen Reich wollte die NSDAP die Wirksamkeit dieser Truppe verstärken. Der Regierungspräsident von Koblenz warnte am 9. September 1931 hiervor und verlangte entschlossene Maßnahmen gegen diese Heime. In den SA-Unterkünften erhielten vornehmlich erwerbslose SA-Mitglieder Wohnung und Verpflegung.

Bürgermeister Schubach meldete dem Landrat am 14. September 1931, daß bereits im Mai von der Ortsgruppe Ahrweiler-Bad Neuenahr in der Karl Straße in Neuenahr ein SA-Heim errichtet worden war, in dem 5 SA-Männer einschließlich Führer wohnten. In dieser Unterkunft wurden regelmäßig Versammlungen abgehalten. Ebenfalls waren Exerzierübungen beobachtet worden, bei denen die Gruppe von der Polizei jedoch nicht überrascht werden konnte.

Der Bürgermeister sah die öffentliche Sicherheit durch diese Heime gefährdet. Deshalb schlug er dem Landrat eine Aufhebung der SA-Unterkunft vor. Nach mehreren Anläufen konnte erst am 15. März 1932 die Schließung durchgesetzt werden.

Der SA-Gruppe wurden Straftaten, z. B. unerlaubter Waffenbesitz, Schlägereien, Verteilung einer verbotenen Sondernummer des Nationalblattes (11. März 1932), ständige Versammlungen, die nicht überwacht werden konnten, Zusammenziehung der Stoßtruppen an Wahltagen, Beherbergung Mittelloser und die Belästigung Andersdenkender vorgeworfen. Obwohl der SA-Führer dagegen protestierte und Einspruch erhob, mußte die Gruppe Bad Neu-enahr verlassen.

Der Bestand der SA in Bad Neuenahr ging durch die Auflösung des Heimes um 7 Leute zurück. Zwischenzeitlich wurde jedoch der SS-Sturm 6 der SS-Standarte 5 mit Sitz in Bad Neuenahr gegründet.

14 SS-Männer gehörten dem Sturm an. Der SS-Gausturm Rhein mit Standort Brohl unter der Leitung von SS-Oberführer Zenner war inzwischen auf eine Stärke von 1 520 Mann angestiegen, wie aus einem Geheimbericht des Polizeipräsidenten von Köln vom 16. Januar 1932 an den Landrat hervorgeht. Für die Ortsgruppen der Kreis-NSDAP ging der Regierungspräsident in einem Schreiben vom 12. Februar 1932 von 707 Mitgliedern aus, während der Landrat zu diesem Zeitpunkt nach den Berichten der Bürgermeister erst 414 Parteimitglieder der NSDAP im Kreis errechnete. Da die Propaganda der NSDAP auf dem Lande immer massiver wurde und Anlaß zu ernster Sorge gab, schrieb der Regierungspräsident am 13. Februar 1932 an die Landräte: »Ich ersuche der Propaganda der NSDAP unter der bäuerlichen und Winzerbevölkerung weiterhin die größte Bedeutung zu schenken und mich über alle bemerkenswerten Beobachtungen laufend zu unterrichten. Dies gilt insbesondere bei einem etwaigen Hervortreten sogenannter >Dorfwehren< oder ähnlicher rechtsradikaler Zusammenschlüsse.« Im Umfeld der Reichspräsidentenwahl (13. März 1932) kündigten die Nationalsozialisten im Koblenzer Nationalblatt vom 27. 2. 1932 unter der Überschrift: »Unser Aufmarsch zum Sieg« 600 Wahlveranstaltungen im Gau Koblenz-Trier-Birkenfeld an. Gerade die ländlichen Gebiete sollten erobert werden. Welche Bedeutung den Landkreisen beigemessen wurde, zeigt, daß der Gauleiter wiederholt im Kreis Ahrweiler sprach. Der gute Besuch der Werbeveranstaltungen verdeutlichte das zunehmende Interesse, wenn nicht sogar die Sympathien des Mittelstandes für die NSDAP. Neben den genehmigten Wahlveranstaltungen nutzten Parteiführer der NSDAP jede Gelegenheit zur Propaganda. Im Hotel »Stern« in Ahrweiler hielt Karl Zenner zwischen zwei Musikdarbietungen eine Rede.

Der zufällig anwesende Landrat und mehrere Beamte fühlten sich brüskiert und stellten Strafanzeige gegen Zenner, da keine politische Veranstaltung angekündigt und genehmigt worden war. Eine Bestrafung erfolgte allerdings nicht. Im Kreis Ahrweiler stimmten bei der Wahl zum Reichspräsidenten am 13. 3. 1932 im 1. Wahlgang 74,9 % für Hindenburg (78,8 % im 2. Wahlgang). Auf Hitler entfielen im 1. Wahlgang 13,1 %, im 2. 15,0 % der abgegebenen Stimmen. Nach der Wiederwahl Hindenburgs wurden durch eine Notverordnung die paramilitärischen Organisationen der NSDAP verboten (SA, SS, NSKK). Am 13. 4. 1932 fand im Kreis Ahrweiler die ordnungsgemäße Auflösung dieser Organisationen statt, die der Landrat am 15. 4. 1932 dem Regierungspräsidenten in Koblenz meldete. Da die SS- und SA-Mitglieder scheinbar gewarnt worden waren, wurde bei den Durchsuchungen nur wenig belastendes Material gefunden.

Lediglich einige SA-Mützen und Stirnmützen mit Totenkopf konnten beschlagnahmt werden. Schon am 16.6.1932 wurde das Verbot wieder aufgehoben. Von dem weiterhin bestehenden Versammlungsverbot waren in erster Linie die Kommunisten betroffen, denn nur in Ausnahmefällen wurden ihnen Säle für Kundgebungen zur Verfügung gestellt.

In Altenahr verweigerte der Bürgermeister auch der NSDAP einen öffentlichen Platz für eine Veranstaltung, und zwar mit der Begründung: »Es leide der Fremdenverkehr darunter«. Der Kreisleiter versuchte dies zu entkräften:

»Dieser Einwand ist auf keinen Fall stichhaltig, zumal jeder Unparteiische feststellen kann und muß, daß es gerade wie z. B. in Bad Neuenahr die Kurgäste sind, die unsere Versammlungen besuchen mit Ausnahme der wenigen Juden. Die Herren von Altenahr würden gut tun sich einmal von der Einstellung aller deutschen Kurgäste im Ahrtal zu überzeugen«. Während des Wahlkampfes zur Reichstagswahl im Herbst 1932 häufte sich im Kreis Ahr-weiler der nicht organisierte Terror der NSDAP. Es kam wiederholt zu brutalen Zusammenstößen zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten.

In der Nacht zum 9. Oktober 1932 wurde bei einer Massenschlägerei in Lohrsdorf ein Arbeiter getötet und 3 weitere schwer verletzt. 16 Nationalsozialisten waren an der Auseinandersetzung beteiligt, jedoch ging der Totschlag nicht auf ihr Konto, obwohl durch ihr nächtliches Auftreten im Ort – sie kamen von einer Kundgebung in Remagen und fuhren durch Lohrsdorf mit den Rufen »Heil Hitler« und »Deutschland erwache« – die Straßenschlacht ausgelöst worden war. Da ihnen angeblich mit »Rot-Front-Rufen« geantwortet wurde und jemand rief: »Wir sind hier in Moskau«, kehrten die Nazis am Dorfausgang um und verursachten so die Schlägerei, bei der sich Lohrsdorfer Einwohner mit Ackergeräten bewaffnet hatten. Am gleichen Tag griffen KPD-Mitglieder aus Denn einen Trupp uniformierter Nationalsozialisten aus Hohenleimbach an der Denner Mühle mit Mistgabeln und Stöcken an. Ein Nationalsozialist wurde mit einer Mistgabel niedergeschlagen, so daß er ins Krankenhaus nach Adenau überführt werden mußte. Die Vernehmung des Festgenommenen erbrachte, daß die Nazis den Vater eines Kommunisten im Dorf mit Steinen bewerten hatten, worauf die Dorfbewohner zur Gegenaktion ausholten. Zwölf Nationalsozialisten umringten in Altenahr in der Nacht vom 8. zum 9. Oktober 1932 zwei Polizeibeamte, die sich auf ihrem nächtlichen Rundgang befanden. Die Polizisten konnten sich erst befreien, als sie einen Nazi aus Altenahr erkannten und mit Namen anriefen. Einem der Polizisten wurde in der gleichen Nacht noch übel mitgespielt, als er die Einhaltung der Polizeistunde überprüft. Im Hotel »Zur Post« in Altenahr, wo 200 Nationalsozialisten feierten, wurde er überfallen und geschlagen. Die Wahlschlacht zur Reichstagswahl am 6. 11. 1932 wurde im Kreis erbittert geführt. Bei einer der vielen Kundgebungen der NSDAP sprach am 28. Oktober 1932 in Adenau vor 180 Zuhörern der Reichtstagsabgeordnete Pies aus Kreuznach, der als »Trommler vom Mittelrhein« angekündigt wurde. Thema seiner Rede war: »Judentum und Geldsack-Diktatur«. Zur Versammlung wurde ein Flugblatt verteilt, das die Stoßrichtung der Kundgebung verdeutlichte. Darin forderten die Verfasser in einem Gedicht, das die Juden in der Weimarer Republik verunglimpfte: »Wir wollen keine Republik zufriedener Juden, sondern eine Heimat zufriedener Deutschen! (. .) Volksgenossen! Männer und Frauen! Angehörige aller Stände! Erscheint alle! Wer keine 10 Pfg. hat, erhält freien Eintritt. Der Gegner wird zur Aussprache eingeladen. Deutschnationale besonders willkommen.«

Dem Trend im Reich entsprechend sank auch im Kreis Ahrweiler bei der Wahl am 6.11.1932 der Stimmenanteil der NSDAP gegenüber der Juliwahl (von 15,9 % auf 10,7 %). Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler vom Reichspräsidenten von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Für die Neuwahl zum Reichstag am 5. März 1933, von der sich Hitler die absolute Mehrheit erhoffte, forderte der Abschnittsleiter der Ortsgruppe der NSDAP Ahrweiler vom Landrat am 2. Februar 1933, daß alle Wahlvorsitze in den einzelnen Gemeinden mit ortsansässigen Nationalsozialisten besetzt werden sollten.

Der handschriftliche Entwurf für das Antwortschreiben, das mehrfach abgeändert ist, macht schon die Unterwerfung unter die neuen Verhältnisse deutlich und zeigt auch die massive Wahlbeeinflussung bei den letzten sog. »freien Wahlen« im März 1933. Durch ein generelles Versammlungsverbot für ganz Preußen »sicherte sich die NSDAP (…) gerade in der Phase des Wahlkampfes für die auf den 5. März 1933 anberaumten Neuwahlen die Öffentlichkeit, da auch Flugblätter unter die Verbotsbestimmungen fielen.« (Lademacher, S. 38)

Am Tag vor der Wahl waren in allen Orten des Regierungsbezirks Kundgebungen unter dem Motto »Tag der erwachenden Nation« geplant, wozu Umzüge, Platzkonzerte, Freiheitsfeuer und gegen 20 Uhr die Übertragung einer Rede des Reichskanzlers Adolf Hitler gehörten. Der Regierungspräsident ersuchte alle staatlichen Stellen: »den Veranstaltungen der NSDAP sowie der übrigen Parteien und Organisationen der nationalen Front jede Förderung zukommen zu lassen und an diesem Tage sämtliche Veranstaltungen von Parteien und Organisationen, die nicht zur nationalen Front gehören, (…) zu verbieten.« Am 28. Februar 1933 -einen Tag nach dem Reichstagsbrand – begann auch im Kreis Ahrweiler der staatlich gedeckte Terror gegen die Parteien mit den Verhaftungen von KPD-Funktionären. Bis Mitte März wurden insgesamt 35 KPD-Funktionäre in den Gefängnissen in Ahrweiler, Sinzig und Adenau in »Schutzhaft« genommen. Zwei von ihnen überführte man sogar in Berliner Strafanstalten.

Bei den ersten Verhaftungen und Hausdurchsuchungen kamen bereits Hilfspolizisten zum Einsatz, von denen allein in Sinzig und Neuen-ahr bis zum 8. März 1933 105 vereidigt wurden (40 SA-Mitglieder, 25 SS, 40 Stahlhelm). Aus den Kreistagswahlen vom 12. März 1933 ging das Zentrum im Kreis Ahrweiler zwar als stärkste Partei mit 14 Sitzen hervor (NSDAP 7, SPD 1), jedoch beherrschten die 7 NSDAP Kreistagsmitglieder das Feld. Unter der Überschrift »Kreistag Ahrweiler-Adenau unter dem siegreichen Hakenkreuz!« berichtete das Koblenzer Nationalblatt über die 1. Kreistagssitzung nach der Machtergreifung. Geschlossen marschierten die 7 NSDAP-Kreistagsmitglieder unter Marschklängen, gefolgt von SA und SS zum Kreistagsgebäude, wo der Landrat ein Treuebekenntnis zur nationalen Regierung ablegte und der Reichstagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende der NSDAP Zenner eine programmatische Rede hielt. Er führte aus, daß diese Stunde sich »zu einem denkwürdigen Tage des deutschen Ahrgaus gestaltet habe«. Der einzige SPD-Abgeordnete Persie verließ unter Hohngelächter und Beschimpfungen den Saal, nachdem Zenner von ihm ein Abschwören von der Internationale gefordert hatte.

Aufgrund von politischen Bedenken gegen die NSDAP war der Zentrumsabgeordnete Rollmann nicht zur Sitzung erschienen.

Drei weiteren Zentrumsmitgliedern, die entschuldigt fehlten, können die gleichen Motive unterstellt werden. Das Ende der Parteien war damit auch im Kreis Ahrweiler vorprogrammiert, denn der Ausbau des NS-Machtapparates und der Prozeß der Gleichschaltung hatten begonnen.

Quellen:
Die Ausführungen zur Entwicklung der NSDAP basieren auf den Akten des Landeshauptarchivs Koblenz: Bestand 453, Nr. 415/416 (Landratsamt Ahrweiler – Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei) An Zeitungen wurden benutzt: Ahrweiler Zeitung 1923 – 1933; Sinziger Zeitung 1930 -1933; General-Anzeiger 1930 -1933; Koblenzer Nationalblatt Nr. 89,19. April 1933. Daneben wurden auch die Verwaltungsberichte des Kreises Ahrweiler von 1924 -1930 herangezogen. 

Literatur:

  • Gerhard R. Sender: Gegen zentrümliche Verhetzung – Für den Führer. Aspekte der nationalsozialistischen Machtergreifung im Kreis Altenkirchen. S. 78 – 88. In: Betrifft: Heimat 1. Beiträge zur Wirtschafts- Sozial- und Zeitgeschichte des Kreises Altenkirchen (1985).
  • D. Junkers: Die deutsche Zentrumspartei und Hitler 1932/33. Stuttgart 1969.
  • Adolf Klein: Köln im Dritten Reich. Köln 1983.
  • Horst Lademacher: Machtergreifung in der Rheinprovinz. In: K. D. Bracher (u. a.): Die Nationalsozialistische Machtergreifung. Düsseldorf 1983.
  • Günter Plum: Gesellschaftsstruktur und politisches Bewußtsein in einer katholischen Region 1928 -1933. Untersuchungen am Beispiel des Regierungsbezirks Aachen. Stuttgart 1972.
  • Gabriele Rungen Wer wählte die NSDAP? Eine Fallstudie im Kreis Euskirchen an Hand der Ergebnisse der politischen Wahlen 1920 -1933. Bonn 1984. (Dissertation)
  • Bernhard Simon (Bearbeiter des Katalogs zur Ausstellung im LHAK). Der Machtantritt der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933. Koblenz 1983.