Die »Landskroner Burgsänger«
Rückblick auf 20 Jahre Folklore und Brauchtumspflege
Josef Adams
Bei meinem Versuch, im Rückblick auf 20 Jahre Landskroner Burgsänger auch nur annähernd der vielen und vielfältigen Aktivitäten dieses noch relativ jungen Vereins gerecht zu werden, stieß ich in dem von Hans Becker vorbildlich geführten Chronikarchiv auf Hunderte von Auftritten, Verpflichtungen und geselligem Beisammensein interner Art:
Verpflichtungen innerhalb der Vereinsgemeinschaft Heimersheim, in und für die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, für den Kur- und Verkehrsverein, für den Kreis Ahrweiler und die Weinwerbung Ahr, im Künstlerbahnhof Rolandseck für die Landesregierung Rheinland-Pfalz, für Parteien und andere politische Gruppierungen, für den Südwestfunk und Rias Berlin, vor heimischem und deutschem Publikum in fast allen deutschen Landen, vor ausländischem Publikum in Deutschland und im Ausland, vor Kindern und alten Menschen, vor ernsten Zuhörern und vor Narren, vor einfachen Arbeitern und Ministern, bei Bier und bei Wein — oder auch als Rahmenprogramm für die »Schlacht am kalten Büffet«.
Es ist schon eine beachtliche Zahl von Aktivitäten, auf die die Landskroner Burgsänger zurückblicken können. Der Rückblick auf die 20jährige Vereinsgeschichte soll sich jedoch nicht in einer Auflistung der unzähligen Aurtritte erschöpfen. Im folgenden soll vielmehr, von der Vereinssatzung ausgehend, dargestellt werden, inwieweit die Sänger in diesem Zeitraum die gesteckten Ziele angingen und erreichten. In Ziffer 3 der Satzung heißt es: »Der Verein verfolgt unmittelbar und ausschließlich den Zweck:
a) Pflege und Förderung heimatlichen Brauchtums
b) Förderung und Durchführung von folkloristischen und volkstümlichen Darbietungen
c) Förderung und Unterstützung der Heimatpflege im Heimatgebiet“.
Vor allem die Weinlieder im folkloristischen Rahmen, wie das „Viertele zum Frühstück“,
haben zur Beliebtheit der „Landskroner Burgsänger“ beigetragen.
Da ist zunächst die Pflege und Förderung heimatlichen Brauchtums: Ursprung allen Brauchtums ist sicherlich das Suchen nach Abwechslung, die Freude an Geselligkeit, am Feiern, die Hinwendung zu Mitmenschen und zu Gruppen von Mitmenschen. Ausgeri^gies Brauchtum findet man daher sicherlich verstärkt in abgelegenen, mehr oder weniger einsamen Gebieten. wie beispielsweise die Eifel. Die Bewohner dieser Landstriche waren über Jahrhunderte weit mehr auf hausgemachte Abwechslung an langen Winterabenden und langweiligen Jahreszeiten angewiesen als die Städter. Es kommt nicht von ungefähr, daß sich auch heute noch in kleinsten Dörfern und Flecken das Vereinsleben am ehesten aktivieren läßt. Die Vereine sind die Träger vieler Bräuche und Garanten alter und junger Traditionen, wenn man von Familienbräuchen bei Geburt und Taufe, bei Hillich und Hochzeit, bei Tod und Begräbnis absieht. Je kleiner der Ort und je geringer die Anzahl der örtlichen Vereine, um so mehr mußten auch die kleinen Dorfschulen mit ihrem Dorfschulmeister die Sicherung und Fortführung der Dorftraditionen übernehmen.
So liest es sich sehr verständlich in einer Brauchtumssammlung für die Verbandsge-meinde Kelberg, daß in unserer schnellebigen Zeit, die bereits als Wegwertgesellschaft abklassifiziert wird, es höchtes Gebot sei, an geistigem Gut und vom unbewußten Vermächtnis unserer Vorfahren zu retten, aufzubewahren, was noch erreichbar und möglich ist. Wie wenig Brauchtum wird heute noch gepflegt, ist überhaupt noch bekannt? Das Aufkommen der Motorisierung, die mit ihrer Mobilisierung die engen dörflichen Grenzen sprengt, die Auflösung von Dortschulen mit einem möglicherweise schon eingetretenen Verlust eines dörflichen Heimatbegriffes, kommunale Gebietsreformen, das Eindringen der vielfältigsten Medien in Dörfer und Häuser, die Technisierung der Haushalte, alle diese Dinge verändern Brauchtumsformen oder lassen sie, weil zu wenig technisch, untergehen. Wie dankbar sollten die Bürger von Heimersheim sein, wenn in einer von Fortschritt und Modernisierung geprägten Zeit Heimersheimer Familien und Vereine alte Traditionen pflegen oder vergessene wieder aufleben lassen.
Die Fortführung bester rheinischer Bräuche und ihre Gestaltung in vollendeter Form stand am Anfang der Aktivitäten, als die beiden Stammtische »Knobelverein« und die »Wölfe« der freiwilligen Feuerwehr zu gemeinsamem Tun für die Karnevalssitzung 1968 zusammenrückten und auf der 2. Sitzung der »Närrischen Landskroner« unter Leitung des Damenkomitees die Präsidentin Agnes Schäfer den Namen »Landskroner Burgsänger« kreierte.
20 Jahre »Landskroner Burgsänger« bei den »Närrischen Landskronern« bedeutet: Höhepunkt jeder Sitzung ist die Gesangsshow der LBS! 20 Jahre Brauchtumspflege in bestem Sinne rhein-ahrischen Karnevals!
Wenden wir uns jetzt den beiden anderen Schwerpunktzielen der Satzung zu, nämlich den folkloristischen und volkstümlichen Darbietungen. Wir können leicht feststellen, wie artverwandt die beiden Begriffe sind, selbst wenn wir das Volkslied mit hinzu nehmen. Das Meyer-Lexikon von 1894 übersetzt das Wort „Folklore« aus dem Englischen mit »Wissen des Volkes«, aus dem Schwedischen mit »Volkvisa«, gleich »Volkslied«. In England ist es also die Summe der im Volke fortführenden Überlieferung, Sagen, Märchen, Sprichwörter, Legenden. In Deutschland entstand unter den Gebrüdern Grimm der wissenschaftliche Bereich um diese Dinge als die sogenannte Volkskunde. Nach dem 2. Weltkrieg spricht man in Deutschland von »Folkloristik« mit den Inhalten: Sagen, Volksbräuche und Volkslieder.
Allgemein verständlich ist Folklore heute Volksmusik mit volkstümlichen Veranschaulichungen dessen, was durch Text und Musik dem Zuhörer und Zuschauer noch verständlicher werden soll.
Im Bereich Volkslied wurden über Jahrhunderte die Teilbereiche Scherz- und Tanzlieder, Liebeslieder, Soldatenlieder, Wander- und Zunftlieder, Jagdlieder und Abschiedslieder angesprochen. Echte Blütezeiten erlebte das Volkslied in der Wandervogelzeit und durch die Bündische Jugend. Einen Vergleich mit dem heute populären Schlager halte ich für verfehlt, weil der Schlager meist kurzlebig ist. Er ist einfach keine Konkurrenz für das Volkslied.
Nach diesen allgemeinen Ausführungen zu Brauchtumspflege, zu Folklore, zu volkstümlichen Darbietungen und zu Volksmusik muß die Frage nach dem Repertoire der Landskroner Burgsänger gestellt werden.
Da sind sicher in der Überzahl die Heimatlieder, aus fast fremden deutschen Landen, wie vom Thüringer Wald und vom Riesengebirge, den Hohen Tannen und vom Rübezahl. Da sind aber vor allem die Lieder von Heimersheim. von der Ahr und von der Eifel, und wen wundert es, daß die Sänger gerade die Lieder vom »Eifeler Land“ und den »Eifeler Höhen« gerne recht laut zum Vortrag bringen, so wie die Eifeler Landschaft rauh und hart, aber auch einmalig ist. Bemerkt doch der bekannte .Qep-loge Leopold von Buch 1820 in einer R&lsebe-schreibung treffend: „Die Eifel hat ihresgjei-chen in der Welt nicht!«
Die ebenso gern gehörten Lieder von der Ahr und von Heimersheim klingen von Text, Rhythmus und Melodie her eher romantisch, ganz in Übereinstimmung mit Gottfried Kinkel, der über die romantischen Windungen und Schlingungen, über die plötzlich hervorragenden Felsköpfchen im Ahrtal 1849 schreibt: »Am Reichsten ist mit alledem die Ahr bedacht!«
Zahlenmäßig an zweiter Stelle, in der Beliebtheitsskala aber an erster Stelle stehen bei Sängern und Publikum die Weinlieder. Bestätigt wird die Beliebtheit dadurch, daß die Fachleute von Funk, Phono und Fernsehen diesen Bereich verstärkt auswählten: zweimal im »Glaskasten«, je einmal bei Maria Hellwig, bei Hans Rosenthal und bei Otto und zweimal bei Rias in Berlin. Hier spielt sicher auch eine Rolle, daß der folkloristische Rahmen für Fernsehen und das Fernsehpublikum am meisten hergibt. Wer kennt nicht den »Küferschlag«, das »Viertele zum Frühstück«, »Winzers Leid und Zechers Freud«, »Winzermädchen« und »Weinfest an der Ahr«, den »Ahrmarsch« und »Ich komme morgen an die Ahr zurück«. Unter den drei anderen Bereichen des Repertoires finden wir bekannte Wanderlieder, Volkslieder und einen Bereich, den ich mit »Romantisches Liedgut« überschreiben möchte. So wird es bei den Zuhörern meist ganz ruhig, wenn »Die kleine Mühle im Ahrtal« angesagt wird, aber auch, wenn die »Alten Lokomotiven« wieder gehen müssen und das einfühlsame Lied von der »Monika« zu Gehör kommt.
Nach diesem kurzen Exkurs durch das Repertoire stellt sich die Frage nach dem Beliebtheitsgrad. Woran liegt es, daß die Sänger am Fuße der Landskrone mit durchschnittlich 70 Aurtritten im Jahr noch eine ganze Menge absagen müssen?
Ist es das Einfache, das musikalisch relativ Profane, das ihre Lieder so viel einfacher unters Volk bringt? – Die Lieder mit ihren verständlichen und volkstümlichen Texten werden einstimmig vorgetragen und die Burgsänger haben in absehbarer Zeit gar nicht vor, mehrstimmige Chorwerke anzugehen. Ich finde, der Wertmesser ihrer Beliebtheit ist ganz einfach ihre spürbare Liebe zur volkstümlichen Musik, ihre Liebe zum Volkslied, ihre Liebe zum Singen im kleinen Kreis. Es ist zweifellos auch der folkloristische Rahmen und bewußt oder unbewußt die Liebe zu ihrer Heimat, die ihre Lieder nur so sprudeln lassen. Hinzu kommt die für weite Landstücke Europas für Folklore typische Bandoniumbegleitung. Ein Verein und seine Aktivitäten, vor allem aber auch die Inhalte seiner Aktivitäten stehen und fallen mit dem Vorstand. Das Schlimmste, was einem Verein passieren kann, ist der zu häufige Wechsel an der Vorstandsspitze, und wenn der Vorstand zum Spielball der Mitgliederversammlung wird. Kontinuierliches Arbeiten bei aller notwendigen Flexibilität ist angesagt, wenn Planungen sinnvoll durchdacht, überschaubar und wie gewollt, vollendet werden sollen. Der Vorstand der LBS ist mit einer Ausnahme seit der Gründung im Amt. Die Ausnahme resultiert aus einer Satzungsänderung.
Übersicht und zielstrebiges Handeln, ausgerichtet auf einer Vertrauensbasis von unten nach oben, und Verlaß auf jedes einzelne Mitglied, zeigte sich auch beispielhaft beim Bau und bei der Ausgestaltung des »LBS-Heimes« im Jahre 1984. Diese wohlorganisierte Gemeinschaftsleistung wirkte nicht nur beispielhaft nach außen. Sie klärte und kristallisierte auch das innere Gefüge des Vereins. Jedes Mitglied kennt und erkennt seine eigene und des anderen Leistung, und jeder weiß. was zur weiteren Ausgestaltung und zur Erhaltung des schönen »Zuhause« zu tun bleibt, Verdienste wie diese sind selten Erfolge Einzelner. Sie sind in der Gemeinschaft leichter zu erreichen und entwickeln gegenseitige Erfolgserlebnisse, die zu neuen Taten reizen.Content-Disposition: form-data; name=“hjb1989.45.htm“; filename=“Z:\Kiepe\Heimatjahrbuch_1989\HJB1989.45.htm“ Content-Type: text/html
Maibrauchtum und Maikirmes in Kempenich
Manfred Becker
Schön sind die Jugenderinnerungen, besonders an den Wonnemonat Mai und an das Brauchtum in dieser Zeit.
Am Vortag des 1. Mai streiften wir durch Wald, Feld und Wiesen und pflückten Blumen und Zweige. In der guten Stube wurde anschließend im Herrgottswinkel ein Maialtärchen aufgebaut. Mitten in einem Meer von Grün und Blumen stand dann die Muttergottes und blickte freudig auf uns herab.
Nach dem Angelusläuten am Vorabend des 1. Mai, wurde es dann rege am Jugendheim. Junge Männer gruben ein Loch auf dem Dortplatz und bald erschien ein Pferdegespann, welches den stattlichen Maibaum auf einem Langholzwagen heranbrachte. Mit bunten Bändern wurde der Fichtenbaum geschmückt und zusätzlich mit einem Tannenzweigkranz geziert. Unter lauten »Hau-ruck-Rufen« wurde der Baum aufgestellt, und die örtliche Blaskapelle spielte das Lied „Der Mai ist gekommen“.
Wenn dann die Dämmerung über unser Dorf kam, wurden wir Jungen munter. Jetzt wurde »geschleift«, das heißt, es wurde alles, was in den Höfen herumstand, zum Markt, also »Op de Pomp«, geschleppt. Ackerwagen, Eggen, Handwägelchen, Leitern, Ruhebänke und Gartentörchen. Bald war es auch eine Ackerwalze, die unter lautem Gejohle über das holprige Pflaster gezogen wurde.
Die Alten schimpften hinter uns her, sich nicht mehr bewußt, daß auch sie in ihrer Jugend die gleichen Streiche verübt hatten. Bald lag alles Zeug und Gerät hoch aufgetürmt auf dem Platz, und die ersten Leute erschienen am Tatort, um ihre Sachen zurückzuholen.
Gut erinnern kann ich mich noch an „Flonte Hannes«, einen alten eigenwilligen Junggesellen, dessen Holzbock jedes Jahr den Weg zur Pomp machen mußte. Hannes wäre beleidigt gewesen, wenn er mal in einem Jahr vergessen worden wäre, seine Enttäuschung hätte keine Grenzen gekannt. Die ganze Nacht lag er auf der Lauer, und er scheute sich nicht, unter lautem Fluchen mit der Axt hinter uns herzulaufen. Doch seine Beine waren nicht mehr schnell genug, daß er uns hätte einfangen können.
Einmal kam der Dorfgendarm, Franz Leich, ein gutmütiger Herr, und ermahnte uns, den Unfug in Grenzen zu halten. Er müsse nur noch schnell in Weibern nach dem Rechten sehen. In einer Stunde sei er wieder zurück. Schnell nutzten wir die Zeit, um sein Hoftor zu holen. Am anderen Morgen bat er uns, sein Törchen zurückzubringen und gab uns als Belohnung DM 5,- und eine Packung Zigaretten.
Aber das war nicht der einzige Unfug in der berüchtigten Hexennacht. Gab es im Dorf ein Liebespaar, so wurde der Weg von Haus zu Haus mit Kalk bestreut, um Jedermann auf das Geheimnis der Liebe aufmerksam zu machen. Beim Erwachen des Maimorgens sah man dann die Betroffenen mit Eimer und Schrubber, die Kalkspuren zu verwischen, meist jedoch ohne Erfolg. Auch wurden die Geräte und Landmaschinen von den Eigentümern wieder an ihren angestammten Platz gebracht. Der Ärger saß tief in den Herzen der Betroffenen, und manche Tracht Prügel wurde uns noch nach Tagen verdientermaßen verabreicht.
Am ersten Maiwochenende war dann unsere Maikirmes. Solange man denken kann, spielte sich das Kirmestreiben immer »op de Bach« ab, auf dem Platz am Goldbach, vor dem Jugendheim. Hier standen die Schiffschaukel und das Kinderkarussel, Schießbude und sonstige Buden mit Spielzeug und Süßigkeiten. Immer noch klingt der Klang der Kirmesorgel in meinen Ohren: Eigentümliche, geheimnisvolle, romantische Kirmesmusik.
Der kleine Platz konnte die Menschen kaum fassen, die von nah und fern zur Kempenicher Kirmes kamen, um sich hier ihres Lebens zu freuen. Verwandte weilten zum Kirmesbesuch im Dorf und an der festlich gedeckten Kirmestafel wurden Erinnerungen ausgetauscht und nette Anektoden erzählt. Am Abend ging es zum Tanz. In allen drei Sälen des Dorfes, die bis auf den letzten Platz besetzt waren, spielte die Musik.
Weinhändler Ernst Lohmeier hatte in seinem Keller einen Weinkeller eingerichtet. Nur über eine Leiter gelangte man in den Keller, wo an einer Theke der köstliche Rebensaft kredenzt wurde. Mancher wußte nachher nicht mehr, auf welchem Wege er den Keller wieder verlassen hatte.
Am Kirmesmontag war Frühschoppen des Männergesangvereins. Dort ging es hoch her und stimmungsvolle Lieder erfreuten die Gäste und erfüllten die Gassen des alten Dorfes mit frohem Klang.
Traurig begann der Kirmesdienstag, denn nun hieß es »Abschiednehmen« von der Kirmes. Zunächst war Kram- und Viehmarkt am Bahnhof und in der Bahnhofstraße. Alles, was für den täglichen Gebrauch bestimmt ist, war hier zu erwerben, dazu noch manch köstliche Naschereien. Derweil wurde im Dorf ein »Zeckel«, also ein junges Geißlein, geschlachtet und fachmännisch ausgestopft. Symbolisch stellte es das »Kemmeje Zeckel« dar, der Spottname der Kempenicher.
In nachgemachten Richtergewändern zogen bald nach Mittag die Karnevalisten zur Wirtschaft. Nun ging es ans Kirmesbegräbnis. Unter schaurigen Gesängen setzte sich dann der »Trauerzug« in Bewegung. Das Zicklein wurde durchs Dorf getragen und in jeder Gastwirtschaft mit Schnaps übergossen. Noch heute höre ich die Litanei, wie einen fernen, vielstimmigen Chor: »Word ihr at ön Weiwe? Üwweall als do noch net. – Word ihr at ön Spärset? Üwweall als do noch net. – Word ihr at bei Jelekerchs Grit? Üwweall als do noch net. – Und es reizten die gereizten Weiber und die gereizten Weiber reizten sie bis zu zum Januar, Februar, März . . .«
So ging der monotone Gesang fort, und das Volk stand jubelnd am Straßenrand. Im Garten der Gastwirtschaft wurde die Kirmes begraben und im Goldbach, der damals noch durchs Dorf floß, der Geldbeutel gewaschen. Das Fleisch des »Kemmeje Zeckeis« wurde schließlich im Garten der Gastwirtschart verzehrt.
Die geschilderten Zeiten sind inzwischen vorbei und das Maibrauchtum weitgehend verschwunden. Kaum merkbar wird der Maibaum aufgestellt, ohne Musik und ohne Resonanz der Bevölkerung. Das »Schleifen« in der Mainacht ist anders geworden. Vieles wird beschädigt und fortgeschleppt: Blumenkästen, Mülltonnen und Verkehrsschilder. Dies kann jedoch nicht der Sinn des Brauchtums sein. Schon lange ist es her, daß der letzte »Kirmesbock« begraben wurde. Auch den Geldbeutel braucht man nicht mehr zu waschen. Zum ersten ist der Bach verrohrt, und zum anderen Geld genug vorhanden, so daß man nicht mehr bis auf den letzten Pfennig Kirmes feiert.