Die Landmühle in Hemmessen; ein Spiegel  rheinischer Mühlengeschichte

VON JAKOB RAUSCH

Die Landmühle bei Hemmessen hat die interessanteste Geschichte unter den etwa 50 Mühlen unserer Heimat aufzuweisen. „Landmühle“ heißt sie, weil sie ursprünglich eine „Bannmühle“ für das ganze Land, für die Grafschaft Neuenahr, war. Alle Bewohner der Grafschaft waren „gebannt“, in dieser Mühle mahlen zu lassen. So war unsere Landmühle eine „Zwangsmühle“, während die 7 herrschaftlichen und die 5 bürgerlichen Mühlen des benachbarten Ahrweiler „Freimühlen“ waren. Jedoch erhielt der nördliche Teil der Grafschaft schon im Mittelalter eigene Mühlen, u. a. die Mühle bei Altendorf und die Windmühle auf dem „Scheid“ bei Fritzdorf. So reichte nun der Mahlbezirk der Landmühle von Bengen im Norden bis Ramersbach im Süden. Vor 1560 baute Bengen eine eigene Mühle (Grasmühle). Für die Befreiung vom Mahlzwang auf der Landmühle in Hemmessen zahlte es jährlich 2 Mühlengulden an den Landesherrn.

Auch Ramersbach schied aus dem Mahlbezirk aus. Es ließ seine Frucht in der benachbarten Staffeler Mühle mahlen, da diese viel näher lag; außerdem mußten sie auf der Landmühle nicht nur stundenlang, sondern tagelang warten. Zunächst aber wurden die Ramersbacher gehalten, den „Möller“ auf der Landmühle weiter abzuliefern, so daß die armen Eifelbauern doppelten Molter entrichten mußten; dem Staffeler- und dem Landmüller. Auf ein Bittgesuch an die Herren von Orsbeck, die durch eine Doppelheirat mit Enkelinnen des Grafen Johann von Neuenahr-Saffenburg Ramersbach erbten, wurde die Lieferung des Molters an den Landmüller erlassen, zumal Ramersbach seit 1560 nicht mehr zur „Grafschaft“ gehörte.

Am 2. 2. 1603 wird der Mahlzwang auch für die Orte Hemmessen, Wadenheim, Beul, 1/2von Heppingen, Ringen, Karweiler, Holzweiler, Leimersdorf und Eckendorf aufgehoben. Sie können nun in ihren „freien“ Mühlen mahlen lassen. Auch sind sie von den lästigen Frondiensten von Mühle und Mühlteich, die sie mit „Leib, Pferd und Zeug“ leisten mußten, befreit.

Landmühle in Hemmessen
Foto: J. u. H. Steinborn

Jedoch mußten die „befreiten“ Dörfer auf der jülichschen Rentmeisterei in Gelsdorf auch weiterhin jährlich 60 Malter guten Roggen liefern. Für die „Freiheit“ bezahlten sie zudem einmal 250 Taler und versprachen, auch fernerhin freiwillig auf der „Landmühle“ mahlen zu lassen, falls dieselbe im guten Zustande und mit einem ehrlichen Müller besetzt ist. Sie brauchen nun nicht mehr 1/12 (= 81/3%), sondern nur 1/24 (= 4 1/6%) als Molter zu entrichten. Wer war nun Besitzer dieser Landmühle?

Besitzer waren die jeweiligen Landesherren, also:

von 1225 bis 1358 die Grafen von Neuenahr,

von 1358 bis 1425 die Grafen von Neuenahr-Saffenburg,

von 1425 bis 1546 die Grafen von Neuenahr-Virnebttrg.

Von 1382 bis 1546 war auch Kurköln durch die Zerstörung der Burg Neuenahr Mitbesitzer der Grafschaft und der Landmühle;

von 1546 bis 1609 die Herzöge von Jülich, von 1609 bis 1742 die Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg,

von 1742 bis 1774 die Kurfürsten von der Pfalz. Im Jahre 1329 verpfändeten Graf Wilhelm II. von Neuenahr und seine Gemahlin Bonizetta die Landmühle als sichere Geldquelle an den Ritter Rollmann von Sinzig.

Im Jahre 1382 ging die Hälfte der Landmühle in kurkölnischen Besitz über.

Die andere Hälfte spielte bei den Erbteilungen und Verpfändungen eine große Rolle. So wird die Landmühle 1425 dem Junggrafen Philipp von Virneburg zugesprochen, jedoch kann Kraft von Saftenburg, Herr zu Tomberg und Landskron, diese Mühle für 350 Gulden einlösen.

Die Müller der Landmühle

waren jeweilige Pächter, die ihrem Landesherren als Pachtgebühr jährlich 60 Malter Frucht= 120 Sack — 180 Zentner entrichten mußten. Die Mühle wurde jeweils auf 12 Jahre verpachtet. Im Jahre 1710 beschloß der Landesherr, die bisher in Jahrespacht vergebenen Güter in Erbpacht auszugeben.

Daher wurde am 8. Mai 1711 in der Rentmeisterei Beul „die Landmühle Hemmessen bei ,brennender Kerze‘ dem Hubert Landzrath für den Erbschilling von 20 Maltern Roggen und 100 Talern in Erbpacht gegeben“. Jedoch bestand diese „Erbpacht“ nur 50 Jahre. So wurde durch Pachtbrief vom 21. April 1761 die Landmühle dem Peter Hochgürtel für eine Zeitpacht von 24 Jahren zu 48 1/2 Malter Roggen jährlich verpachtet. Als Landmüller werden genannt:

1526 Iwiin
1559 Kickel Thonis
1566 Joessen Thonis
1600 Krewelt Gottfried
1628 sein Sohn Gottfried
1610 Joessen Peter (für 7 Jahre)
1629 Fritz Johann
1640 Fritz Edmund
1653 u. 1670 Blasius von Antweiler
1660—1640 Bleser
1680 Hersel Johann
1680 Hauser Johann
1711—1733 Landzrath Hubert als Erbpächter
1733—1741 sein Sohn Adr. Wilhelm
1761—1766 Hochgürtel Peter
1768—1780 Engels Abel (gibt 1780 die Konzession zurück)

Von den Mühlteichen der Landmühle

Seit 1780 wurde die Landmühle durch den Ahrweiler Mühlteich betrieben, der im Banne von Ahrweiler 7 herrschaftliche Freimühlen trieb. Als 8. herrschaftliche Mühle trieb dieser Teich nun auch noch die Landmühle. Im Mittelalter aber hatte die Landmühle ihre besondere Mühlklause und einen Mühlteich. Dieser lag Bachem gegenüber. Die Ahr wurde gestaut, und der Mühlteich lief zunächst durch Ahrweiler Gebiet.

Beim Ahrhochwasser am 8. November 1582 ging der Hauptstrom durch den Mühlteich und beschädigte die Mühle, so daß während des Winters nicht gemahlen werden konnte. Auf herzoglichem Befehl wurden 300 Karren Steine gebrochen; die Ahr wurde eingedämmt und vom Mühlteich abgelenkt. Ein neuer Mühlteich, 12 Ruten lang und 20 Schuh tief, wurde unter Verwendung von 15 Wagen Bauholz und 1000 Schanzen gegraben.

Durch das große Unwetter im Mai 1590 wurde dieser Mühlteich schwer beschädigt und mußte gründlich ausgebessert werden. Am 1. August 1600 ertappte der Ahrweiler Stadtrat den Landmüller Gottfried Krewelt, wie er einen neuen Mühlteich durch Ahrweiler Gebiet anlegen wollte.

Er wurde angewiesen, um die Erlaubnis beim städtischen Rat zu bitten. Da Krewelt dies tat, wurde ihm die Erlaubnis gegeben. Im Jahre 1660 loderte wieder ein Streit wegen des Mühlgrabens auf. Vor 1660 wurde die alte Landmühle durch Hochwasser zerstört und wurde weiter oberhalb (an der heutigen Stelle) errichtet. Deshalb mußte wieder ein neuer Mühlteich weiter oberhalb angelegt werden. Zu diesem Zwecke kaufte man von der Blankart’schen Wiese einen 12 Fuß breiten Platz, durch den der neue Mühlteich führte. Der Kurfürst von der Pfalz beschwerte sich beim Kölner Kurfürsten, daß die Ahrweiler rechtswidrig die neue Mühlklause verstopft und so den Landmüller geschädigt hätten. Im Jahre 1680 und 1686 erhält der Landmüller von Ahrweiler das Recht, den Mühlteich auf Ahrweiler Gebiet auszubessern und zu erweitern. Trotzdem entsteht 1709 wegen der Mühlteiche abermals Streit, da die Ahrweiler drohen, die Mühlklause abzureißen. Im Jahre 1768 legt der Landmüller Adam Abels einen neuen Teich an, der aber 1780 wieder eingeebnet wurde.

Nun wird der Ahrweiler Mühlteich unterhalb der „Weißen Mühle“ und des „Weißen Steines“ auf Neuenahrer Gebiet weitergeführt. Der Landmüller wird nun 8. „Teichherr“ des Ahrweiler Mühlteiches.

Die Landmühle hat drei große Katastrophen erlebt: Hochwasser, Hungersnot und Krieg. Hochwasser beschädigte die Mühle 1547, November 1582, Mai 1590 und 1659. Im Winter 1582 konnte nicht gemahlen werden. Am 2. Februar 1677 wurde die Landmühle vollständig weggeschwemmt. Darauf wurde die benachbarte Büchelsche Ölmühle gekauft, die mit 2 Läufen zur Mahlmühle umgebaut wurde. Auch die Hochwasser von 1680 und 1686 beschädigten die Mühle erheblich. Seitdem aber die Mühle 1780 dem Ahrweiler Mühlteich angeschlossen war, traten keine Wasserkatastrophen mehr auf, da die Ahrweiler Müller und Bürger den Teich unter Kontrolle hielten. Nur das Hochwasser von 1804 fügte der Mühle Schaden zu.

Das Jahr 1565 brachte eine vollständige Mißernte. Kein Landmann, konnte Getreide zur Mühle bringen. Mensch und Tier hungerten. Da öffneten, sich die Speicher und Zehntscheunen der Rentmeistereien, die noch Vorräte vom guten Erntejahr 1564 hatten. Auch ließ der Herzog von Jülich mit Schiffen Getreide herbeifahren. So erhielt die Gemeinde Wadenheim 100 Malter Korn, die sie allerdings mit 700 Gulden bezahlen mußte.

Hochwasser und Mißernten sind Naturkatastrophen, die nicht von Menschen kommen; jedoch kann der Mensch ihre Auswirkungen mildern. Die Kriegskatastrophen dagegen verschulden direkt die Menschen, die nicht guten Willens sind. Kriegerische Ereignisse fügten auch unserer Landmühle und dem jeweiligen Landmüller großen Schaden zu.

So wurde im Jahre 1568 und 1570 beim berüchtigten „Prinzenritt“ des Prinzen von Oranien, der die Holländer bis ins Ahrtal führte, die Mühle beraubt und beschädigt, so daß der Herzog von Jülich an der Jahrespacht 8 Malter Roggen nachließ.

In den letzten Jahren des 30jährigen Krieges (1646) wurde die Landmühle vollständig zerstört. Im Jahre 1650 klagt der Rentmeister, daß die Mühle wegen der unruhigen Zeiten noch nicht aufgebaut sei.

Bei dem großen Raub- und Brandzuge der Franzosen durch die Grafschaft anfangs Januar 1690 entgingen Hemmessen und die Landmühle der Zerstörung, weil am 4. Dezember 1689 die Gemeinde Wadenheim den Franzosen einen Brandschatz von 300 Talern gezahlt hatte.

Bürgermeister Apoll. Roesgen von Ahrweiler lieh den Wadenheimern 200 Taler, die erst 70 Jahre später zurückgezahlt wurden.

Die jetzige Landmühle wurde mit 2 Mahlwerken im Jahre 1744 von der Düsseldorfer Hofkammer gebaut. Über der Tür befindet sich deshalb das Monogramm des Kurfürsten Karl Philipp, der den Neubau kurz vor seinem Tode 1742 bewilligt hatte. Besitzer der Landmühle waren also bis zur Franzosenzeit die Kurfürsten von der Pfalz. Der letzte Pachtvertrag mit dem Landmüller stammt vom Januar 1794.

Aber im Herbste gleichen Jahres kamen die Franzosen, die die Landmühle als französisches Staatseigentum erklärten. Im Jahre 1804 verkaufte der französische Staat die Landmühle an den letzten Pächter der Mühle. Seit dieser Zeit ist die Mühle im Privatbesitz.

Im 19. Jahrhundert war die Müllersfamilie Harri Besitzerin der Mühle. Sie betrieb die Mühle bis zum Jahre 1920, weshalb sie im Volksmunde heute noch die „Harfsche Mühle“ genannt wird. Vom Jahre 1920 bis 1921 unterhielt der Weinhändler Eduard Brogsitter als Besitzer in der Landmühle eine Weinwirtschaft.

In den letzten 45 Jahren wechselte die Landmühle 8mal ihren Besitzer:

1. 1920 bis 1921: Eduard Brogsitter aus Ahrweiler,

2. 1922 bis 1923: Arnold Sinzen und Ehefrau Agnes, geb. Cohnen, aus Hemmessen,

3. 1924: Matthias Jos. Heckmanns, Kaufmann aus Merkstein bei Aachen,

4. 1924 bis 1928: Adam Hirsch aus Ahrweiler,

5. 1928 bis 1938: Südwestdeutsche Beamtenversicherung, Wiesbaden,

6. 1938 bis 1942: Spar- und Darlehnskasse Frankfurt am Main,

7. 1942 bis 1958: Kölnische Glas- und Versicherungs-A.G.,

8. seit 1958: Josef Floßdorf.

Die einst so berühmte und bedeutungsvolle herrschaftliche Landmühle war zum Handels- und Pfandobjekt geworden, und das Mühlrad stand still und wurde verschrottet.