Die Kempenicher Bernharduskapelle und ihre Geschichte
Die Kempenicher Bernharduskapelle und ihre Geschichte
Manfred Becker
Geht man über den Berg von Kempenich nach Weibern, erblickt man auf der Höhe, gegenüber der Burgruine und der Burgwiese, ein kleines Kirchlein, dem heiligen Bernhard von Clairvaux gewidmet. Die schlichte, wohl barocke Kapelle aus verputztem Bruchstein, ist innen 4,55 m lang und 2,85 m breit. Die Eingangsseite gegen Weibern hin besteht aus Fachwerk und verleiht dem Bauwerk einen romantischen Reiz.
Die Bernhardus-Nachbarschaft – also die Bewohner des Burgberges, der Bernhardusstraße, der Straßen „Im Gürtel“ und „Im Wiesengrund“ – halten die Gebetsstätte seit vielen Jahren in Ordnung und haben auch Renovierungsarbeiten und Erneuerungen durchgeführt.
Der Tuffsteinaltar, eine solide Steinmetzarbeit eines heimischen Handwerkers, ist neueren Datums und hat den ursprünglichen Altar ersetzt.
Rechts, im Kapelleninneren, sehen wir in einer Nische ein stark verstümmeltes Tuffrelief. Das Bildnis ist ca. 50 x 65 cm groß und trägt die Jahreszahl 1606. Dargestellt ist ein knieender Mönch, wobei es sich um den heiligen Bernhard handeln dürfte. Die Leidenssymbole Christi sind eingemeißelt, im Hintergrund erkennen wir eine hügelige Landschaft und die Gebäude eines mittelalterlichen Dorfes; es dürfte sich um Kempenich handeln.
Vor der Kapelle stand früher eine Tuffsteinfigur des Heiligen Bernhard in Lebensgröße. Diese Figur wurde vor Jahren zerstört und nicht wieder ersetzt.
Früher befanden sich in einem äußeren Steinbild an der rechten Eingangsseite die Wappen von EItz und von Metzenhausen. Diese deuteten auf die Stifter der Kapelle hin und zwar auf HansJacob von EItz,derin der Zeit von 1598 bis 1645 zeitweise auf Burg Kempenich gelebt hat. Er war der Sohn des Anton von EItz, der Kempenich als kurtrierisches Lehen in seinen Besitz brachte. Das Wappen von Metzenhausen deutet auf die erste Gemahlin des Hans Jacob von EItz, Elisabeth von Metzenhausen, hin.
Bei der heutigen Kapelle dürfte es sich nicht um die erste Kapelle an dieser Stelle handeln. Zu Anfang des 14. Jahrhunderts wird bereits eine Kapelle hier vermutet. Aufzeichnungen hierüber gibt es jedoch nicht. Dies wird darauf zurückgeführt, daß bei dem Großbrand in Kempenich, im Jahre 1661, das Pfarrhaus abbrannte und die meisten Aufzeichnungen aus der Vorzeit vernichtet wurden.
Die alte Linde, in deren Schatten die Kapelle einst stand, ist jedoch urkundlich belegt. „Ein Vergleich zwischen Simon von Kempenich und seinem Bruder Johann von 1389 umschreibt den engeren Burgfrieden. Darin wird die Burg als Grenzpunkt genannt, von da an geht die Grenze in das Dorf hinunter bis an den untersten Weiher (Im alten Weiher). Auch Sankt-Bernhardsbaum kommt schon vor, also die Stelle der alten Kapelle, wo nach der Legende der Heilige Bernhard von Clairvaux vor den Rittern der Eifel den Kreuzzug predigte. In der Burg sollten derTurm, die Pforten, Kapelle, Brunnen,
Armbrust, Geschütz und Mühle, Wege und Stege gemeinsames Eigentum sein.“ Mit dem genannten Johann von Kempenich, der nur eine Tochter namens Hedwig hatte, starb die männliche Linie der Herren von Kempenich im Jahre 1424 aus. Erzbischof Otto von Trier (Otto von Ziegenhain) zog Kempenich als erledigtes Lehen ein.
Der historische Platz unter der Linde hat im Mittelalter als Richtplatz gedient. Darum wurde der alte Baum auch Gerichtslinde im Volksmund genannt. Das Kempenicher Weistum wurde hier vorgetragen und beschlossen. In Burgnähe war dies in vergangener Zeit üblich. An die Kapelle knüpft sich die Legende, daß hier der hl. Bernhard zur Teilnahme am Kreuzzug gepredigt habe.
Bernhard von Clairvaux, ein Kirchenlehrer aus frommem, burgundischem Geschlecht stammend, lebte in der Zeit von 1091 bis 1153.
Bernharduskapelle (Zchg. M. Becker)
1112 trat Bernhard in das Zisterzienserkloster Citeaux ein. Drei Jahre später wurde er Gründer und Abt des Tochterklosters Clairvaux, das unter seinem Einfluß Zentrum des Zisterzienserordens wurde. Bernhard übte großen politischen und kirchlichen Einfluß aus und regte durch seine Kreuzzugspredigten den 2. Kreuzzug an, welcher in der Zeit von 1147 bis 1149 durchgeführt wurde.
An Weihnachten 1146 nahm der deutsche König Konrad III. – zusammen mit seinem Neffen, dem Herzog Friedrich Barbarossa von Schwaben – im Dom zu Speyer, nach einer eindringlichen Predigt Bernhards, das Kreuz. Er wurde nach anfänglichen Schwierigkeiten für den Kreuzzug gewonnen, genau wie sein königlicher Nachbar, Ludwig VII. von Frankreich. Beide hatten sich entschlossen, zusammen mit vielen Adeligen und Bischöfen, nach Ostern 1147 zur „militärischen Wallfahrt“ ins Heilige Land aufzubrechen, um dieses Land von den Ungläubigen zu befreien. Das Kreuzfahrerheer war ungefähr 30.000 Mann stark und startete im Mai 1147 von Regensburg aus zum 2. Kreuzzug.
Über Bernhards Aufenthalt und Predigt bei Kempenich erzählt der Volksmund seit Generationen die „Kempenicher Sankt-Bernhardus-Legende“.
Am Morgen des 8. Januar 1147 reist Abt Bernhard von Clairvaux, mit seinen Begleitern, von Koblenz aus über die Mosel in Richtung Remagen. Er fuhr nicht mit dem Schiff, sondern ritt zu Pferde gegen Remagen, wo er des abends spät ankam. Unterwegs predigte er zu den Rittern und Bürgern und forderte sie zur Teilnahme am 2. Kreuzzug auf.
Seine Reise ging vermutlich über das Maifeld, da hier bedeutende Adelsgeschlechter ansässig waren. Auch dürfte er der neugegründeten Benediktiner-Abtei Laach einen Besuch abgestattet haben; denn Laach war eine bedeutende Abtei, 45 Jahre nach der Stiftung.
In Kempenich herrschte zu dieser Zeit Reynold von Isenburg, ein Erbe der Herren von Wied, die vermutlich die Burg Kempenich erbauten. Ritter Reynold hatte einen Sohn namens Salentin. Dieser Salentin zog mit im Kreuzzug und viele Ritter der Eifel mit ihm. Salentin verlor auf diesem Kreuzzug sein Leben.
Bernhard kam nach Mittag von Laach aus vor der Burg Kempenich an. Die kleine Anhöhe am Weg nach Laach bot sich für die große Predigt an. Von hier aus konnte man das flache Gelände zur Burg hin gut überblicken und die gewaltige Stimme Bernhards wurde bis in die Dörfer Kempenich und Weibern gehört.
Von Kempenich aus war es kein schwieriger Weg durch das Vinxtbachtal zur Ahr und von dort zum Rhein. An dieser Strecke lagen noch weitere bedeutende Herrensitze, wie Olbrück, Königsfeld, Landskron und Rheineck, die Bernhard ebenfalls besucht haben könnte. Von Remagen aus reiste Bernhard weiter nach Maastricht, wo er die niederländischen und belgischen Ritter ebenfalls zum Kreuzzug aufrief. Ob sich alles so zugetragen hat, weiß man nicht:
möglich wäre es schon. Der Volksmund, also die mündliche Überlieferung, hat die Legende so erzählt, über fast 850 Jahre hin. Der historische Ort an der kleinen Kapelle behütet sein Geheimnis.
Die uralte Linde wurde im Sommer des Jahres 1900 von einem Blitzstrahl getroffen. Damals befürchtete man, daß der Baum diesen Schicksalsschlag nicht verkraften würde, doch der mächtige Riese hat noch fast 50 Jahre dort gestanden. Am 8. März 1945 schössen die Amerikaner in Richtung Burgberg, wo die letzten Soldaten auf dem Rückzug waren. Mehrere Geschosse trafen die Kapelle, die arg beschädigt wurde. Auch „Sankt-Bernhards-Baum“ wurde getroffen und erlitt eine solch schwere Beschädigung, daß er einige Zeit später gefällt werden mußte.
Eine jüngere Linde hat jedoch den Platz der alten Linde eingenommen, so daß das Bild von der Stätte der bewegten Kempenicher Geschichte genau so aussieht, wie vor hunderten von Jahren. Wer in mondhellen Nächten den Weg zwischen Kempenich und Weibern passiert und an der Kapelle vorbeikommt, hört in der Dunkelheit die Stimmen der Ritter und Burgfräulein, die auf Ritter Salentins Rückkehr warten und Sankt-Bernhards-Rückkehr ersehnen.