Die Grafen von Are-Nürburg als Vögte des Klosters Maria-Laach
VON JAKOB RAUSCH
Als Heinrich II., Pfalzgraf von Lothringen, 1093 das Kloster Maria Laach gründete, übernahm er als Vogt die Schutzherrschaft über das Kloster und seino Bewohner. Auch wurde in der Gründungsurkunde bestimmt, daß nur Nachfolger und Verwandte des Stifters Vögle von Laach werden sollten.
Daher erhielt Heinrichs II. Stiefsohn Siegfried, den man bisher für den Pfalzgrafen der Genoveva-Sage hielt, als Nachfolger auch die Vogtei des Klosters Laach. Er ließ in großmütiger Weise die pfalzgräfliche Burg am Ostufer des Sees abbrechen, damit den Mönchen in späteren Zeiten durch die Burg kein „Stachel im Fleische“ erstehen möge. Auch vermehrte er durch großmütige Schenkungen den Klosterbesitz. Zudem ließ er das Kloster weiter ausbauen, so daß man ihn mit Recht den zweiten Gründer von Laach nannte.
Jedoch ging sein sehnlichster Wunsch, im Kloster Laach wie sein Stiefvater begraben zu werden, nicht in Erfüllung, da er fern der rheinischen Heimat in den letzten Kämpfen des Investiturstreites in Thüringen starb und auch dort begraben wurde. Sein Sohn Wilhelm wurde als Erbe auch Vogt von Laach. Als er aber schon 1140 starb, wurde der zweite Gemahl seiner Mutter, sein Stiefvater Otto von Rheineck, Klostervogt, zumal auch die Rheinecker mit dem Pfalzgrafen verwandt waren. Aber wider Erwarten erhielt Otto nicht das Pfalzgrafenamt.
Nach dem Tode Ottos I. von Rheineck 1150 wurde Ulrich, Graf von Are-Nürburg, Schutzherr des Klosters. Ein Graf von Are erhielt dies ehrenvolle Amt, weil dieses Grafengeschlecht wie die Rheinecker und die Pfalzgrafen in dem Grafen Friedrich von Luxemburg (+ 1019) einen gemeinsamen Stammvater hatten.
Ulrich Graf von Are-Nürburg erhielt als dritter Sohn des ersten Grafen von Are Theoderich l. (+ 1126) die Klostervogtei, weil sein ältester Bruder Lothar I. Graf von Are schon 1140 gestorben war. Der zweite Bruder Gerhard war Propst vom Cassiusstift in Bonn und erweiterte das Münster, so daß Bonn noch heute den Sohn der Ahr ehrt, indem eine Straße, die zum Münster führt, „Gerhard von Are-Straße“ heißt. Auch der jüngere Bruder Otto, der die Grafschaft Hochstaden durch Heirat erhielt, war schon gestorben, und die zwei jüngsten Brüder waren geistlichen Standes, Hugo Domdechant in Köln, Friedrich Bischof zu Münster.
Somit erhielt als Nestor der Grafen von Are Ulrich die Vogteirechte über Laach. In ihm hatte Maria Laach einen gütigen Schutzherrn; wie dieser edle Graf Ulrich von Are-Nürburg stets treu zu Kaiser und Reich hielt, wie er mit seinen Nachbarn in Eintracht und Frieden lebte, wie er seinen Untertanen ständig ein gütiger Landesvater und milder Richter war, wie dies die Sage vom „Schild zu Nürburg“ so fein darstellt, so war er auch dem Kloster Laach fast fünfzig Jahre ein edler und treuer Beschützer und ein milder Rechtsprecher. Nach seinem Tode 1197 erhielt sein Sohn Gerhard von Are-Nürburg die Laacher Klostervogtei.
NÜRBURG
Graf Gerhard von Are-Nürburg hatte von seinem Vater nicht die friedfertige Natur geerbt. So leistete er sich auch harte Übergriffe als Vogt gegenüber dem Kloster Laach, so daß ihm sogar mit dem päpstlichen Bann gedroht werden mußte. Darum sei ein Rückblick über die juristische Stellung des Vogtes gegeben.
Aus der verlorengegangenen Stiftungsurkunde des Pfalzgrafen Heinrich ist nur eine Bestimmung erhalten, die besagt, daß der Vogt seine Schutzgewalt über das Kloster aus der Hand des Abtes erhalten soll.
Siegfried, der zweite Gründer von Laach, bestimmte sich selbst zum Klostervogt. Er traf die Bestimmung, daß nach seinem Tode die Klosterbrüder denjenigen als seinen Nachfolger nehmen sollten, der die anliegenden Güter erbte. Auch traf Siegfried noch folgende Bestimmungen:
- Der Vogt darf die um das Kloster liegenden eigenen Güter nicht als Morgengabe seiner Gemahlin schenken. Auch dürfen diese Güter nicht als Lehen anderweitig vergeben werden. Der Vogt soll keinen Stellvertreter einsetzen. Er darf des Klosters Untertanen nicht durch Einkehr belästigen; er ist auch nicht berechtigt, Dienste oder Abgaben von den Klosterleuten zu verlangen.
- Von den Gerichtsgefällen soll der Abt zwei Drittel, der Vogt ein Drittel erhalten.
- Der Vogt darf nur auf Einladung der Brüder Gericht halten.
- Die Mönche können den Vogt wegen Pflichtvergessenheit absetzen, jedoch müssen die Mönche einen Verwandten als Nachfolger wählen.
- Die Vögte und ihre nächsten Angehörigen sollen wie die Stifter in der Klosterkirche begraben werden.
Obwohl die Mönche von Laach nach dem Tode Ulrichs 1197 dessen Sohn Gerhard von Are-Nürburg gewählt hatten, hatte der damalige Abt Albert gegenüber dem herrschsüchtigen Gerhard einen schweren Stand. Als der Abt, sich auf Siegfrieds Urkunde berufend, mit Absetzung drohte, pochte Gerhard auf sein Erbrecht und leistete sich auch fernerhin dreiste Übergriffe. Erst als der päpstliche Bannstrahl drohte, kam es zu einer Verständigung.
Außerdem legte man eine neue Urkunde vor, welche die Rechte des Vogtes schmälerte und seine Pflichten erweiterte. U. a. wurde das Anrecht der Familie des Stifters auf die Vogtei und das Begräbnisrecht in der Klosterkirche ausgelassen. Der Konvent hatte nach Absetzung eines unwürdigen und schroffen Vogtes freie Wahl. Die Entschädigung für die Tätigkeit als Vogt wurde beschränkt und ins Ermessen der Mönche gestellt; für treue Pflichterfüllung wurde auf himmlischen Lohn verwiesen.
Maria Laach Basilika u. Abtei
Foto: Ars Liturgica, Maria Laach
Im Dezember 1209 mußte Gerhard im Kloster Laach vor den Erzbischöfen Theoderich von Köln und Johann von Trier und dem ganzen Konvent reumütig bekennen, daß er mit der Vogteigewalt Mißbrauch getrieben habe und deshalb auf die Klostervogtei Verzicht leiste.
Als Ersatz aber erhielt Gerhard von Are-Nürburg die bisherigen Laacher Klostergüter m Wadenheim, Lohrsdorf, Köhlerhof, Hemmessen, Ahrweiler und Walporzheim als Lehen von Kurköln. Diese im Kloster Laach getroffenen Beschlüsse wurden noch in derselben Woche in der Marienkirche zu Andernach in einer feierlichen Versammlung von geistlichen und weltlichen Würdenträgern von den Erzbischöfen von Köln und Trier und dem Grafen Gerhard beurkundet.
Aber zwei Söhne Gerhards waren mit diesem „Canossagange“ ihres Vaters nicht einverstanden. Der älteste Sohn Otto, der als Erbe die Grafschaft Neuenahr erhielt, die Burg Neuenahr baute und Stammvater des Neuenahrer Grafengeschlechtes wurde, mischte sich nicht in den Streit. Aber sein Bruder Theoderich, der durch Heirat Erbe und Herr von Malberg an der Kyll wurde, erhob mit seinem jüngeren Bruder Johann, dem Erben von Nürburg, am 6. Januar 1213 scharfen Protest gegen die Beschlüsse von Laach und Andernach aus dem Jahre 1209, die vom Vater nur erzwungen worden seien. So heftig verfocht Theoderich von Malberg sein vermeintliches Recht, daß er selbst der Exkommunikation und die Herrschaft Malberg dem Interdikt verfiel. Endlich, als in seinem Ländchen an der Kyll keine Glocken mehr läuteten, kein hl. Meßopfer mehr gefeiert und keine Sakramente mehr gespendet werden durften, verstand sich Theoderich zur Verständigung. In einer Zusammenkunft in Koblenz verzichtete er mit seinem Bruder Johann von Nürburg vor dem Erzbischof Johann von Trier und anderen Prälaten gegen eine Abfindung von 130 Mark auf die vogteilichen Rechte der Abtei Laach. Der Erzbischof Johann von Trier verbot nun für die Zukunft dem Abt und dem Konvent von Laach, einen Klostervogt zu wählen. In Zeiten der Bedrängnis sollten sie ihre Zuflucht zu den Erzbischöfen von Köln und Trier nehmen. So bestand das weltliche Vogteiamt für Laach nur 120 Jahre. An der Schroffheit Gerhards von Are-Nürberg bewahrheitet sich der Satz: „Strenge Herren regieren nicht lange!“ Noch eine andere geschichtliche Tatsache tritt in Erscheinung: Die Erzstifte Köln und Trier erhalten nicht nur die Vogteirechte, sie teilen sich auch in die ehemaligen pfalzgräflichen Güter, die einst Reichsgüter waren. So besaß Köln die Tomburg, Burg Rheineck, Andernach und Rhens, während der größte Teil des Kreises Mayen mit dem Pfalzgrafengut um den Laacher See zu Trier kam. Wieder wird der Vinxtbach mit dem sich nach Westen anschließenden Höhenzuge, der auch die Eifelbarriere genannt wird, zur Landesgrenze, wie er bislang Niederlothringen von Oberlothringen, vorher die ripuarischen von den Moselfranken, und noch früher die römischen Provinzen Niedergermanien von Obergermanien trennte, da er nun Kurköln von Kurtrier schied. Der Segensstrom aber, der von dem Kloster Maria Laach ausging und noch ausgeht, machte an diesen Landesgrenzen nicht Halt, sondern reicher Segen erstreckte sich über die ganzen rheinischen Lande.