Die Flurnamen der Gemarkung Oberwinter

Die Flurnamen der Gemarkung Oberwinter

Ihre Deutung; Ein Beitrag zur Heimatgeschichte

VON HERMANN BAUER

Diese Arbeit verdankt ihre Entstehung einem Gespräch, das ich mit einem bekannten Historiker unserer Heimat führte. Die Notwendigkeit der Flurnamensammlung war einleuchtend; die Deutung der Nalnen wurde zu einer Fundgrube der Heimatgeschichte, je tiefer man in dieses Gebiet eindrang. Angefangen habe ich damit, die Flurnamen aus den Flurkarten des Katasteramtes einzig und einer solchen von 1828 aus dem Archiv in Koblenz zu entnehmen. Bei diesen Vorarbeiten fand ich Entgegenkommen und Hilfe. Was man hier in Oberwinter davon wußte, sagte mir der ehemalige Bürgermeister Jakob Liemersdorf, doch den ersten Anstoß zu einer Erklärung der Namen fand ich rein zufällig in einem Werk von Hansjonas über die Flurnamen des Moselgebietes, wobei ich zum Glück entdeckte, daß er in seine Forschungen auch unser Gebiet mit einbezogen hat. Da mir auch gleichzeitig das Rheinische Wörterbuch (Rh.W.B.) griffbereit stand, konnte die Arbeit beginnen. Die Rhein-Ahr-Rundschau veröffentlichte von November 1970 bis Februar 1971 in zwangloser Folge die Flurwanderung vom Unkelstein bis Rolandseck, und das Gespräch, das diese Veröffentlichungen nicht nur bei den älteren und eingesessenen Leuten, sondern auch bei den Neubürgem auslöste, gab mir Zuversicht und Gewißheit, daß ich ein Gebiet wieder entdeckt hatte, das ein vielseitiges Echo sogar außerhalb des engsten Heimatgebietes fand.

Besonders dankbar bin ich dem Institut für geschichtliche Landeskunde in Bonn, wo mir die einschlägigen Werke zur Verfügung standen. Daher fanden die Veröffentlichungen einen immer größeren Widerhall, schon, weil sie zunehmend lebendige Vergangenheit wurden. Manches Vorurteil begann zu schwinden. Die lateinischen Bestandteile z. B. in den Orts- und , Flurnamen stammen nicht von den Römern, sie kommen als mittelalterliches Latein aus der Feder der Mönche, die meist Besitzer der Fluren waren. Wie kamen diese Namen zustande, und was verbirgt sich in ihnen? Auf diese Fragen bin ich eingegangen. In den einzelnen Abschnitten sprechen die angeführten Fluren das aus, was sie vom Namen her verbindet.

Alte und neue Siedlungen

Im Waldgebiet von Rolandseck liegt „Die Kasselbach*‘, ein Kastell am Bach. Der römische Legionär, der Ende des 3. Jahrhunderts noch In Rigomagus in Garnison lag, war von Remagen bis zur Rheinmündung nur durch den Fluß von dem freien Germanien getrennt. Zwar lagen sich die Römer und Germanen nicht feindselig gegenüber, man tauschte Lebensmittel und Waren, aber die Römer hatten die Erfahrung des Teutoburger Waldes, und man konnte nie wissen… So war es nur zu selbstverständlich, daß zwischen den größeren Garnisonen kleinere Beobachtungsposten gut gesichert lagen, und so wird dieses „castra am Bach“ bei Rolandseck «in solches Lager gewesen sein. „An der Burg“, auf halber Höhe zwischen Birgel und Oberwinter, fand man beim Bau des jetzigen Hauses eine Anzahl römischer Münzen, was auf ein römisches Landhaus schließen läßt. Nach dem Rh. W. B. wurde damals auch alles mit „Burg“ bezeichnet, wo sich steiniger Boden als Rest eines alten Fundamentes befand. Die Stelle war sicher genug, hier Laub und Unrat zu verbrennen.

„Am Weiler“ mittelhochdeutsch „wiler“ haben wir den lat. Stamm „villa“ und heute ein Grundstück, das vielleicht ehemals einem römischen Kolonisten gehörte. Ebenso stoßen wir „Im Hausloch“ auf ein Einzelgehöft, wenn es sich auch hier um eine spätere Siedlung handelt. „Hofendil“ mundartlich „up Hoefen“ bezeichnet einen eingefriedeten Hof. Die Kenntnis der Einfriedung liegt im mittelhochdeutschen „dill“ oder „tüll“ verborgen, das sich im Neuhochdeutschen als „Diele“ wiederfindet. „Im Orth“ müssen wir auf allerlei Umwegen wieder auf die lateinische Wurzel vordringen. Dittmeier sieht das mittelhochdeutsche „orthus“ in der Bedeutung von „Eckhaus mit kleinem Grundstück“ als eine Abwandlung des lat. hortus = Garten, so daß wir hier einen Hof .hatten, der inmitten eines Gartens lag und umgeben war von frisch gerodetem Ackerland. An solcherart Neulandgewinnung erinnern auch „Die Rott“ und „Der Roterberg“. Die hier gerodeten Waldstücke sind entweder Ursprung einer Neusiedlung oder dienten der Erweiterung einer bereits bestehenden Wohngemeinschaft. Träger solcher Rodungen waren meist die Klöster, die auch zu ihren Aufgaben die Pflege und Verbesserung der Landwirtschaft zählten, und die dem abendländischen Kulturkreis entscheidend das Gesicht geprägt haben. Die Schulung unseres Geistes, die Freiheit unseres Lebens und die Kultur unserer Landschaft haben ihre Wurzeln in den Bindungen der alten Orden. „Aufm Scheid“ liegt auch durchforstetes Land. Das Wort kommt aus dem Keltischen „kaitom“ und heißt zunächst Wald schlechthin. Da sich aber nach den Gesetzen der Lautverschiebung k oder ch zu h verwandelte, spüren wir die Verwandschaft mit der „Heide“.

„Auf der Helte“, „In der Bachhelte“ und „In den Helden“ haben wir Fluren, die mit Gebüsch bewachsen sind, genau wie „Im Stock“, einem ehemaligen Waldgebiet, das abgeholzt wurde und später die Weinbergstöcke lieferte.

Von Äckern» Wiesen und Weiden

Im Tal von Oberwinter liegt die fruchtbare Aue. Der Name bezeichnet allgemein ein Gebiet, das ganz von Wasser umgeben ist oder ein Grasstück, das am Bache liegt. Da die Auel geradezu herausfordert, sich hier anzusiedeln, erklären sich auch die vielen Familiennamen nach dieser Flur. Im Althochdeutschen heißt sie „ouwe“ oder „owe“, in ihrer jetzigen Form kennen wjr sie bereits seit 893 in Dernau als „Degeranaule“. Ebenso haben wir „Im Hahnaberg“ Wiesenflächen. Für den Namen gibt es zwei Deutungsmöglichkeiten. Beide berufen sich auf mittelhochdeutsche Sprachwurzeln. Die eine sieht den .Ursprung in „hohen“ in der Bedeutung von Wiese, die andere in „hagen“, was eine eingefriedete Fläche aussagt und sich im Neuhochdeutschen in Hain und Gehege wiederfindet. Während also hier das saftige Heu für das Winterfutter bereitet wurde, finden wir „In der Persch“ das Vieh bei fettem Gras und frischem Wasser in freiem Lauf. Die Flur befindet sich in der Gemarkung Oberwinter in einer Mulde, durch die ein Bächlein fließt. Auch „Im Beuen“ war eine Weidestelle für das Vieh. Im Mittelhochdeutschen gibt es drei Aus drücke, von denen der Name abgeleitet wenden kann: „binnta, biwende und binnde“, alle meinen „einen umzäunten Platz“. Die ärmeren Bauern jedoch trieben ihr Vieh zusammengekoppelt „In die Kuppelbahn“, wo magerer Graswuchs war, jedoch nicht so spärlich wie „Im verbrannten Berg“, wo die Rinder zwischen den Baumstümpfen grasten.

Die Flur „Aufm Thiergesetzt“ ließ zwar ihren Sinn vermuten jedoch nicht eindeutig klären, bis ein ehemaliger Besitzer mich darauf aufmerksam machte, daß Knochenfunde hier den Tiergarten ausweisen. Im Hochdeutschen hat „gesetzt“ einen Bedeutungswandel durchgemacht, denn „beigesetzt“ ist ein gewählterer Ausdruck für das Begräbnis. Einige Fluren leiten ihre Namen von dem Aussehen der Fläche her oder weisen auf Besonderheiten im Pflanzenwuchs und Tierleben hin. Vor Birgel breitet sich das „Bleefeld“ aus. Hätte man das zweite „e“ durch ein „k“ oder „ck“ ersetzt, dann wüßte jeder Rheinländer, was eine „blecke“ Fläche ist. Sie hat das gleiche Aussehen wie der „Plan“ jedoch ist diese Flur stolz auf ihre klassische Vergangenheit. Denn planum kommt aus dem Lateinischen und heißt „waagerechtes Land.“

Espen oder Zitterpalmen gaben dem klostereigenen Grundstück „In der Espel“ den Namen, wie der Sperber- oder Vogelbeerbaum bei der Namensgebung „Im Sperbaum“ Pate stand. In der Mundart wird diese Fläche Spirlingsbaum genannt, im Mittelhochdeutschen lesen wir sperboum. „In der Fuchskaul“ hausten die Füchse, aber „Im Wolf“, „Im Wolfer“ und „Im Wolfsfeld“ suchen wir vergeblich die Spuren des gefährlichen Raubtiers. Wenn auch der Boden dieser Flur „hungrig wie ein Wolf“ ist, so wehrt er sich doch gegen diese Vereinfachung seiner Deutung. Unser Wolf als Flurname bildet sich etwas auf seine germanistische Vergangenheit ein; denn die Gesetze der Grimmschen Lautverschiebung wechseln den Auslaut f zu b,

so daß der Wolf ganz friedlich „Wolb“ heißen müßte. Zur neuhochdeutschen Wortbildung „Wölbung“ ist nur ein kleiner Gedankensprung und dieser wird durch die rundliche Form der Ackerfläche bestätigt. Die gleiche Lautverschiebung haben wir auch in den verschiedenen Fluren der „Afels“. Zunächst dachte man laut „Rh. W. B.“ an das mittelhochdeutsche „affolter“ = Apfelbaum; aber hier hat man sich die Erklärung wesentlich zu schwer gemacht. Als die Flurbegradigungen durch die Zusammenlegung des. Besitzes noch nicht durchgeführt waren, lagen die einzelnen Parzellen so eng beieinander, daß sie nur dann beackert werden konnten, wenn die Ackergeräte auf fremdem Grundstück gewendet werden durften. „Onewold“ oder „Anwund“ nannte man diese Wege oder Äcker in der Eifel, Afels in unserer Gegend und wenn wir aus „Affeis“ ein „Abfeld“ machen, dann wissen wir, daß es sich um Feld von geringer Bodengüte handelt, auf dem die Ackergeräte gewendet werden durften. Auf einer welligen Flur stehen wir auch „Im Pinge“, wobei uns die mittelhochdeutsche Bezeichnung „binge“ auch an die eigene Unebenheit erinnert, nicht so „pingelich“ zu sein. „Aufm Plitting“ sind wir auf einer kleinen Hochfläche, „Im Plittingsloch“ verschwinden wir in der Vertiefung. Die Namenswurzeln liegen im lat.: „platea und platta“ und zeigen uns das (franz.) plateau.

Von Quellen» Sümpfen und Brunnen

Wo Wasser fließt, ist Leben, wo es müde ruht, lauern Krankheit, Verderben und Tod, so am „Sumpborn“ oder dem „Weier Ländchen“ mit dem ungesunden Standwasser. Auch „Im Bruch“ wie früher unsere Straße hieß, die einem zwar schöner klingenden aber unangebrachten Namen Platz machen mußte, war sumpfige Moorlandschaft. „Im Putzloch“ oder „em potz“ entdeckten wir durch das lateinische punteus den Schöpf- und Ziehbrunnen im Gegensatz zu den Laufbrunnen, von denen die folgenden Flurnamen berichten. „Bonnefeld“ und „Bonewies“ wurden in Anlehnung an das mundartliche Bunne mit dem beliebten Gemüse in Verbindung gebracht, aber das rheinische Wort verbirgt seinen Reiz und versteckt ihn, da das „r“ zu stark rollt und ungemütliche Erinnerungen weckt. Aus dem früher gebräuchlichen burae hat sich born entwickelt und jetzt liegt die Bedeutung offen zutage. Das „Marienbömchen“ mag eine christliche Ablösung des ehemaligen Matronenkultes sein; war doch dieser Kult, wie zahlreiche Funde beweisen, in unserer Gegend weit verbreitet. Da viele Mädchen im gleichen Anliegen kamen, geschah auch das, was „In der Botschau“ sich tat. Mundartlich wird das Wort noch heute gebraucht, wenn wir „batscheii“ statt zu sprechen oder zu reden. Diese Deutung wird um so lebendiger, je mehr wir uns der allgemeinen Bleiche „In der Bleichkaul“ nähern.

Foto: Gerd Bauer, Bonn-Bad Godesberg
1 Karst, 2 Flachbeil, 3 Hepe, 4+7 Setzhämmer, 5 Schälmesser, 6 Setzeisen

Von Saat und Ernte

Wenn die Zeit der Aussaat kommt, holt der Bauer die Metze, ein Hohlmaß, das drei bis vier Pfund Körner faßt und schreitet säend durch das Feld. Nach der Anzahl der gefüllten Metzen erkannte er die Große des Ackers. „Im Metzlers Berg“, der Klosterbesitz war, konnte auch der Pachtzins in Metzen gezahlt werden. Nach der Ernte droschen die Männer im melodischen Rhythmus die Ähren. Das Stroh wurde zu großen Häufen gestapelt, als Viehstreu verwertet, zum Dachdecken gebraucht, als Unterlage für die Lagerstätte und als Häcksel für das Vieh. Das Gespann aber brachte die gedroschene Frucht auf ein heute kircheneigenes Grundstück: „Im Fockes“ oder „Am Fockesufer“, um dort „die Spreu vom Weizen zu scheiden“. Mit einem aus Stroh und Weiden geflochtenen Korb schleuderten ein oder zwei Männer die Frucht in die Höhe. Da hier der Wind meist heftig wehte, flog die Spreu davon, während die Körner in den Korb zurückfielen. Wenn man Hafer drusch, stopfte man die Spreu sorgfältig in Leinen; so hatte man eine gesunde Schlaf statte für das Kleinkind, Kopfkissen und Bettdecke für alle. Schon früh machten sich die Menschen durch eine Maschine von der Laune des Windes unabhängig, indem sie durch die Drehung eines Schwengels einen Luftzug hervorriefen, der wie eine Katze „fauchte“ so wie der Wind manches Feuer „entfachte“. „Auf der Löhnkau“ war der Gerber bei seiner Arbeit. „Lohn“ in der Flurbezeichnung führt auf die Wortstämme „loh, lohen und luhe“ zurück und bezeichnet eine sumpfige Stelle, deren Wasser eine beizende Eigenschaft hat und die Lohe zur Hautgerbung liefert. Kau! oder Kule weisen auf die Bodensenke hin. „Aufm Floods“ steht heute unsere Schule und diese Flur hieß im Mittelhochdeutschen „Vloz“, was ein fließendes Bächlein bezeichnet, dessen Wasser sich auch zur Lohgerbung eignete. Die Nähe des Rheines läßt auch eine andere Deutung zu, die zwar nicht in der einschlägigen Literatur erwähnt ist, die sich aber deswegen aufdrängt, weil hier die Flößer an Land gingen, „Im Anker“, dem heutigen Hause San.-Rat. Wirtz, Kost und Schlafstelle fanden und dabei „Unkelsteiner“ oder „Friedrichsberger“ tranken.

Vom alten Winzerdorf und steilen Weinbergen

Die Mönche haben Oberwinter den Namen gegeben, als sie erstmalig 886 in vineis Winitori — in den Weinbergen von Winter — auf ihren Besitz hinwiesen. Da im 10. Jahrhundert zur Abgrenzung von Königswinter die deutsche Bezeichnung von Lucelen Winteren und im 12. Jahrhundert die gleiche Bezeichnung lateinisch als Wintere minori vorkam, scheint der Anfang des Weinbaues mit Königswinter gleich zu sein. Zwar spricht die Weinkarte von einem späteren Beginn, aber wie kann bereits 1177 die Prämon-stratenserabtei in Romersdorf bei Neuwied in ihren Büchern in minore Wintere, quid venearum habemus — von Klein Winter (schreiben), wo wir ausschließlich Weinberge haben, — wenn nach der Karte erst im 13. Jahrhundert hier Wein angebaut wurde? Seit 1500 taucht nun der Name Oberwinter auf und mit der Jahrtausendwende begeht der ehemalige Weinort das 500jährige Bestehen seines Namens. „Man soll profkülen in die Wingerte proffen“, lautete die Anweisung, wenn man einen neuen Weinberg anlegen wollte. „In der Proffe“ wurde er angelegt. Auch die „Ringproffe“ könnte man so deuten, wenn man sich nicht für die zweite Erklärung entschließt, daß die Proffen Weinberge sind, wo man Setzlinge für die übrigen Weinberge zog. Das mittelhochdeutsche „pröv“ bezeichnet ein Hanggelände, „pfrofo“ ein Setzreis. Beide Wortstämme scheinen in den Flurnamen zu stecken. Auch hier wird wieder deutlich, wie schwer es ist, immer eine richtige Erklärung zu finden, und wie unmöglich sich bei der Vielzahl der Möglichkeiten auf eine ganz bestimmte Deutung festzulegen.

Namen für Weinberge wie „Im Mannberg“ finden sich in fast allen Weinbaugebieten. Sie zeigen die Größe des Weingartens an, der von einem Mann an einem Tag bearbeitet werden kann, natürlich nur für die jahreszeitlich bedingte Arbeit. Im Güterverzeichnis von Nonnenwerth, ist auch der „plentzere“ aufgeführt, eine plantarea — ein Pflanzgarten .— wo einst Wein wuchs (plantare) und heute „Plänzerberg“ heißt.

Manche Flurnamen weisen auf geistliche Würdenträger oder einfache Kuttenträger hin. „Im Esel“ erkennen wir jedoch Stand und Würde nicht sogleich. Das Rh. W. B. sieht in diesem Namen allgemein ein bergiges Gelände ohne seine Annahme besonders zu begründen. Die verbreiterte Ansicht ist die, daß es sich um einen Weinbergweg handelt, in dem ein Esel als Tragtier benutzt wird. Überzeugender als obige Auffassungen weist Hansjonas auf das Zinkblechgefäß hin, das au der Ahr wegen seiner grauen Farbe „Esel“ genannt wird. Der Esel ist nicht nur ein Traggefäß, er ist auch ein Hohlmaß für Klosterwingerte, wo der Ertrag der Ernte in der Zahl der Esel ausgedrückt oder der Pachtzins in Esel errechnet wird. „Im Zehntwingert“ richtete sich die Abgabe nach der Ertragsmenge. Der zehnte Teil gehörte dem Kloster. „Im kommender Berg“ oder Commenterberg, wie das Güterverzeichnis von Nonnenwerth diese Flur bezeichnet, ist mit dem Ertrag ein bestimmter Zweck verbunden. Die Flur leitet ihren Namen von „commen-dare“ „anvertrauen“ ab, da der Erlös der Ernte für einen aushelfenden Meßner als Stipendium bestimmt ist.

Daher waren die Winzer und die Klöster darauf bedacht, eine große Ertragsmenge zu erreichen, auf die Güte legten sie weniger Wert. Wein wurde zum Zahlungsmittel. Aus anderen Lagen wurde er bei festlicher Gelegenheit getrunken. „Am Stein“ und auf dem „Eberstein“ mundartlich „Überstein“ ließen die Namen auf günstige Sonneneinstrahlungen schließen, da im südöstlichen Hanggelände mit felsigem Boden des Rheinischen Schiefergebirges und dem Rhein zugewandt alle Voraussetzungen eines guten Weines gegeben waren. Auch „Im Friedrichsberg“ haben wir die südöstliche Hanglage, die durch eine Mulde vor Nordwinden geschützt ist. Der Flurname hat mit dem Vornamen nur die gleiche mittelhochdeutsche Sprachwurzel „vried“ gemein. Das Wort erinnert an einen Zaun, der aus Pfählen und einer mit Reisig durchflochtenen Hecke den Weinberg „einfriedet“. Grenzsteine, die man dort fand, weisen auf ehemaligen Klosterbesitz hin.

Von Spuk und Spaß, von graden und krummen Wegen

„Auf der Judesheck“ liegt noch die germanische Frühzeit verborgen. Hier war einst der Tummelplatz unholder Geister. Als das Christentum den Geisterglauben bekämpfte, mußte es notwendigerweise nach Namen suchen, die die heidnischen Vorstellungen verdrängten. Uns befremdet der Namenswechsel, die Menschen damals dachten als Kinder ihrer Zeit. Was „Aufm Handbeil“ geschah, wird der Nachwelt verborgen bleiben, die Flur gab ihr Geheimnis nicht preis.

Doch „Auf der Klickerbahn“ sind wir wieder mitten im Leben. Denn „klecken“ heißt, mit der Peitsche knallen. Zu diesem Platz der Wettkämpfe und Pferdespiele führte „Der Rennpfad“, der besonders als Nebenbahn dieser Volksfeste ausgewiesen ist.

Die Deutungsversuche haben alle Bereiche des mittelalterlichen bäuerlichen Lebens offengelegt und uns auch einen Blick in die Volkssprache der damaligen Zeit erlaubt. Beurteilen können wir diese Zeit nur aus ihrer Sicht, sich himmel-

hoch über sie zu stellen, vierrät engspuriges Denken. Denn eins haben wir trotz aller neuen Erkenntnisse mit ihr gemeinsam: Wir sind immer auf dem, Wege, auf krummen und geraden, auf sicheren Wegen und auf Umwegen und so wollen wir mit den Wegen unsere Reise von der Gegenwart in die Vergangenheit beschließen. „Der grüne Weg“ und „Der hohle Weg“ oder die „hool Jaas“ verbinden hier Berg und Tal. „Auf dem Reckelesfeld“ zogen einst die Viehherden zur Weide. Daß das Vieh von seinem Weg nicht abweichen konnte, bewirkten die Hecken — hier in der Wortbildung von „Recken“ — die den Weg beiderseitig einfaßten. „Im Laufen“ bewegte sich der Mensch zum Steinbruch oder zum Rhein. Er war von der Höhe zu diesem Ziel der übliche Weg, doch früher hatte er andere Bedeutung, denn „löp = laufen“ bezeichnete den Mühlgang zur Fruchtmühle. Der bekannteste und weitverbreitetste aller Wegenamen ist „Die Ellig“. Bereits im 13. Jahrhundert trug sie viele Namen wie Eidich, Am Eldnige, uff me Eldiche, immer in der gleichen Bedeutung: ein schmaler Weg, der vom Tal zur Höhe führt. Mancherorts versteht man auch darunter einen einfachen, schmalen Fußweg oder ein“ keilförmiges Feld in schluchtenartiger Lage.

Zu meiner großen Verwunderung fand ich in der von mir benutzten Literatur zwar immer die gleiche Bedeutung, aber bei der Häufigkeit dieses Namens außer einigen ähnlich klingenden Familiennamen kein neuhochdeutsches sinnverwandtes Wort. Damit ist aber nicht gesagt, daß es ein solches Wort wirklich nicht gibt. Ich habe wenigstens keine Vor- und Nachfahren gefunden, wohl einen entfernten Verwandten im Angelsächsischen „ealdoth“ in der Bedeutung von „Trog und Bottich“. Hier in Ober-winter führt die Ellich auf die Rheinhöhe und verbindet beide Ortsteile im regen Verkehr. Daß sich die Neubürger, die unsere schöne Landschaft genießen, hier heimisch fühlen und Wurzeln schlagen, ist mein Wunsch, daß für die alten Oberwinterer Geschichte lebendige Gegenwart wird, mein Anliegen, daß alle unsere Wege zum glücklichen Ende führen, meine Hoffnung.