Die Eisenhütte zu Wehr im 16. und 17. Jahrhundert – Der erste Industriebetrieb im Brohltal
Hieße jener Bergzug, der da im Norden den Wehrer Kessel begrenzt, nicht „der Hüttenberg“, so würde eigentlich gar nichts mehr daran erinnern, dass vor gut 400 Jahren in Wehr eine große Eisenverhüttungsanlage errichtet wurde. Dabei dürfte die Anlage mit Gieß- und Hammerwerk, vor allem aber ihr feuerspeiender, rauchender, immerhin 12 – 15 m hoher Hochofen, die Sensation der ganzen Umgebung gewesen sein.
Längst, längst ist diese Anlage vergangen – und mit ihr die Erinnerung an das Geschehen. Das Wissen um den Standort der Hütte ging verloren, um das Produktionsprogramm, um die Hüttenmeister. Keine Dorferzählung berichtete über die Verhüttungsanlage oder über die Menschen, welche sie betrieben. Alles versank im Nebel der Geschichte!
Ausschnitt aus der Landkarte von 1600: Im unteren Bildteil u. a. von links: die „Eisenberkule“, die Hütte und der „Hamer“= das Eisenhammerwerk. Mann erkennt, dass alle Bäche vor der Hütte vereinigt werden.
Doch dann erschlossen sich in den letzten Jahrzehnten einige Quellen, vor allem archivalischer Art, aus denen sich das ganze Geschehen um die Hütte unerwartet gut erschließen ließ:
a) Das Wehrer Weisthum, 1955 von Alois Frevel wiederentdeckt, berichtet in mehreren Prozessen von den Hüttenmeistern, und Lehrer Philipp Lamby veröffentlichte Einiges aus diesen Akten.
b) 1973 fand ich den Standort der Eisenhütte wieder.
c) 1983 entdeckte ich im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Akten von 1624 über einen Rechtsstreit zwischen dem Kurfürsten von Köln, dem Hüttenmeister Servas Collet und der Abtei Steinfeld bezüglich des „Bergzehnten“. Die Streitsache soll hier nicht interessieren – wichtiger ist, dass in dem umfangreichen Aktenmaterial auch viele Fakten genannt werden, welche die technischen, kaufmännischen und menschlichen Vorgänge jener Tage erhellen.
d) 1983 fand ich im Landeshauptarchiv Koblenz jene wundervolle farbige Karte der „Herrlichheit Wehr“, welche um 1600 entstanden ist. Ganz im Vordergrund dieser von Norden, vom Hüttenberg her gemalten Karte befinden sich der Hochofen, die Eisenerzgrube und das Hammerwerk der Hütte.1)
Blicken wir zurück: Über 4000 Jahre – von den Anfängen der Eisengewinnung in China und Ägypten – wurde das Erz erschmolzen in höchstens 2 m hohen „Rennöfen“. Das Produkt dieser Öfen war ein 10-15 cm großer, stark mit Schlacken durchsetzter Eisenklumpen, der sogenannte „Luppen“. Diese Luppen wurden auf offenen Herdfeuern mit dem Hammer bearbeitet, so dass unter Luftzufuhr die Schlacke teils verbrannte und ausfiel, teils ausgehämmert wurde. Es dauerte einige tausend Jahre, ehe die technische Entwicklung weiterging: Erst um 1200 n.Chr. entwickelte man die immerhin 7-10 m hohen Stücköfen, die natürlich größere Mengen erbrachten, aber immer noch Luppeneisen lieferten. Um diese größeren Eisenmengen hämmern zu können, bediente man sich nun der Wasserkraft: Über Wasserräder wurden die Hämmer angetrieben.
Da nun die Eisenhütten an größere Bäche gebaut wurden, hat man schon bald die Wasserkraft auch benutzt, um Blasebälge anzutreiben, mit denen man bei dem Schmelzvorgang zusätzliche Luft in das Feuer presste. Durch diese Zwangs-Sauerstoffzufuhr gelang es, die Temperatur im Schmelzofen um etwa 200° zu erhöhen – auf jetzt rund 1600° C. Da aber der Schmelzpunkt des Eisens bei 1528° C liegt, konnte man so erstmals das Eisen völlig verflüssigen. Die Hochofentechnik war geboren!
Um 1450 wurde dann (im Rheinland!) die Technik des Eisengusses erfunden. Gusseisen wurde ein sehr wichtiges Produkt – und ist es bis heute geblieben. Um jedoch Schmiedeeisen herzustellen, war es nötig, den zu hohen Kohlenstoffanteil des Eisens in einem „Hammerwerk“ zu beseitigen.
Die Wehrer Hütte
Wehr gehörte 900 Jahre lang zur Abtei Steinfeld in der Nordeifel. Diese Prämonstratenser-Abtei war führend an der im 16. Jahrhundert einsetzenden Blüte der Nordeifeler Montan- industrie beteiligt und betrieb selbst einige Eisenhütten in diesem Raum. Es ist den Mönchen aus diesem oftmals so genannten „Bergmannskloster“ dann auch nicht entgangen, dass in ihrem in der Osteifel gelegenen Dorfe Wehr ebenfalls Eisenerze zu finden waren. Nachdem man viel …Arbeidt und mühe aufgewandt hatte … mit adaptierung des eysensteins, …eh man die Eigenschafft des Steins erfahren mögte… schritt man 1585 unter Abt Balthasar Panhausen zu der gewaltigen Investition und erbaute in Wehr den Hochofen mit einer Halle für das angeschlossene Gießwerk, und nur ein wenig entfernt bachabwärts das Hammerwerk!
Die Investition war auch für die reiche Abtei Steinfeld nicht so einfach: Abt Balthasar musste einen Kredit über …Zweytausendt Goltgulden Capithals… aufnehmen – eine gewaltige Summe.
Die Wehrer Eisenhütte (stilisiert): Ausschnitt aus der Landkarte von 1600
Zum Standort sei vermerkt:
a) Die Eisenerzgrube lag ganz in der Nähe.
b) Die Bäche des so quellenreichen Wehrer Tales wurden …auff des Gotteshauß verord-nungh auff die Hütt geleitet….
c) Einige der Zuschlagstoffe zur Eisenverhüttung wie Lehm, lagerten ganz in der Nähe.
d) Holzkohle – der damalige Energieträger – konnte, da die eigenen Ressourcen bei weitem nicht ausreichten, einigermaßen gut zugekauft werden, da es keine weiteren Eisen- oder Glashütten im Umkreis gab.
e) Marktnähe: Im Vergleich zu den Eisenhütten der Nord- und der Südeifel lagen die Absatzmärkte für die Wehrer Hütte noch günstig, da die dicht bevölkerten Regionen am Rhein ja verhältnismäßig schnell zu erreichen waren. In den Akten blitzt einmal auf. dass …wir taeglich zu Bonn verkaufft und am Zohl (Zoll) angefahren sein… Auch die gute Erreichbarkeit der Städte Mayen, Andernach und Koblenz sei hier erwähnt. Wir werden sehen, dass doch sehr ansehnliche Produktmengen unter die Leute zu bringen waren!
Ein Hochofen
funktioniert so, dass abwechselnd Schichten von Eisenerz und Brennmaterial über die Gicht, das ist der obere Ofenrand, in den Brennraum geschüttet werden. Die Temperatur steigt, je näher man dem Ofenboden kommt und erreicht schließlich ihren Höhepunkt, an dem das Eisen flüssig zerfällt. Das flüssige Eisen sammelt sich am Boden des Ofens und wird „abgestochen‘“. Der Hochofen musste früher wie heute Tag und Nacht, Wochen und Monate, kontinuierlich betrieben werden. Wäre er erkaltet, so wäre die von allen Hüttenleuten gefürchtete „Ofensau“ eingetreten – das Eisen wäre am Boden erkaltet und hätte einen Verschluss gebildet, der nur durch den völligen Abriss des Hochofens zu beheben gewesen wäre! 1624 wird die Hüttenkampagne mit neun Monaten angegeben; neun Monate, an denen der Hochofen Tag und Nacht brannte – selbst an den höchsten Feiertagen. 1622 wird deshalb der Hüttenmeister angeklagt, dass …er und sein Knechte vile Feiertagh nit feiern, sondern foren und arbeiten. Meister Sirvas …repliciert, dass bei dem Hüttenwerk der heilige Osterdagh nit kann gefeiert werden. Bidt derohalben, dass Leuth die des Werks Wissenschaft haben, darüber urteln.
Das Urteil des Paris (v. r): Athene, die Göttin der Weisheit (mit dem Spiegel); Hera, die Göttin der Tugend (mit dem Zepter); Aphrodite, die Göttin der Schönheit und der Liebe, der Paris gerade den Apfel überreicht
Das Hammerwerk der Wehrer Hütte
lag etwas unterhalb vom Hochofen an demselben zusammengefassten starken Bachlauf, der über ein Wasserrad hier den Hammer antrieb. Wie oben angedeutet, wurde das Eisen in einem „Frischfeuer“ wieder erhitzt und mit dem Hammer bearbeitet, um … flexibile ferrum oder …Hammereisen daraus zu machen. Das Hammerwerk war offenbar sofort mit errichtet worden, aber man hatte Schwierigkeiten mit dieser Produktion, weil das Eienerz sich laut einiger Vermerke zur Herstellung von Schmiedeeisen nicht so richtig eignete. Der Eisenhammer scheint um die Mitte der 1620er Jahre stillgelegt worden sein.
Das Gießwerk
erlebte dafür aber einen um so größeren Aufschwung. In dem erwähnten Streit von 1624 um den Bergzehnten fertigt der Kölner Bergamtman Caspar Engelhardt ein „Memoriall“, eine Art technisches Gutachten an, in dem er erwähnt, dass der Wehrer …Eisenstein so schön Goßwerk gibt…. Und er schreibt seinem Kurfürsten: Wenn eine Hütte …wohl gehet, dass wöchentlich Ihro Churfürstliche Durchlaucht davon gebühret … ein Reichstaler, auch zwei Reichstaler. So ist es aber mir dieser Hütte ein anderes, weill so gewaltig Goßwerk da gemacht wird, dass sie Ihro Churfürstlichen Durchlaucht 21/2 Reichtstaler geben können und ist nicht zuviell. Halten wir fest: Der Bergamtmann des Kölner Kurfürsten, der viele Hütten überprüfte, bestätigt der Wehrer Hütte ein mengenmäßig weit über dem Durchschnitt liegendes „gewaltiges Goßwerk“.
Das Produktionsprogramm
Die Erfindung des Eisengusses wurde zunächst fast nur für die Herstellung militärischer Utensilien verwendet. Die Archiv-Akten belegen, dass dem auch in Wehr so war. So mahnt der Landesherr, der Kölner Kurfürst Ferdinand, 1629 den Hüttenmeister Melchior Collet recht verstimmt an, … daß du die 500 eiserner Kugeln in der dir damals zugeschickten Größe als-palt gießen undt herundterschicken sollst. Weil nun selbige Kugeln zu unserem ungnedigsten Missfallen bis daher von dir noch nit abgeschickt worden, als ist unser nochmalig und erneuter Befehl, dass du nunmehr ungesaumbt gemelte Kugeln … herunderschickest. Diese Kanonenkugeln bestanden aus massivem Eisen, und waren noch keine Explosivgeschosse. Sie wurden zu der Zeit in Pfund-Kaliber angegeben: 8-Pfünder, 12-Pfünder u.s.w.
Die Wehrer Hütte wurde also von Kurfürst Ferdinand als „Rüstungsbetrieb“ benutzt. Aus einem anderen Schreiben geht hervor, dass in der Wehrer Hütte … Geschütz und sonstige gegossene Wehr… herstellt wurden. In jener Zeit war „Geschütz“ die Bezeichnung für eine Kanone. Und die konnte man in Wehr genau so gut gießen wie auch in kleineren Hütten. Welche „andere Wehr“ (Waffe) noch aus Gusseisen zu fertigen war, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.
Militärische Produkte, die auf Bestellung des Kurfürsten hergestellt wurden, sind möglicherweise auch von diesem Auftraggeber abgeholt worden.
Gusseiserne Erzeugnisse im privaten Bereich aber wurden bald auch sehr gebräuchlich. Hier entstand vor allem ein Bedarf im Bereich des Herdes und der Feuerstelle. Die uns allen bekannten gusseisernen Takenplatten waren meist rechteckig geformt. Sie wurden hinter das Herdfeuer gestellt – und als gute Wärmeleiter gaben sie diese Wärme weiter an die meist etwas höher gelegene Wohnstube. Bald wurden dieselben reich verziert mit Ranken und Blumen, aber auch mit szenischen Darstellungen, zumeist mit Motiven aus der Bibel.
Da aber immer noch die Herdstelle eine offenen Feuerstelle war, ging die Entwicklung weiter zu den allseits geschlossenen Stubenöfen, welche die gleiche künstlerische Gestaltung erfuhren.
Auch Brandrichter gehörten einst zur Feuerstelle des Hauses. Sie besaßen die Form einer aufrecht stehenden Säge, in deren Zähne die Töpfe je nach gewünschter Temperatur hoch oder niedrig über das Feuer gehangen werden konnten.
Die Produktion dieser genannten Utensilien der Feuerstelle bezeugt unter anderem ein Brief von Abt Johann Luckenrath von 1661 als er von … den in Wehr … gegossenen und verfertigten Stubbenöffen, Taaken und Brantrichtern … spricht.
Oben v. l.: St. Barbara (Patronin der Bergleute) mit dem Turm; St. Potentinus, der Wehrer Pfarrpatron; und noch einmal St. Barbara.
Unten: Das Wehrer (und z. T. auch Steinfelder) Wappen
In einer Akte von 1665 wird einmal die Produktion von Dupffen (= Töpfen) erwähnt, obschon zu vermuten ist, dass die „Dupffen-Herstellung“ bei weitem den größten Teil des Produktionsprogramms ausmachte. Weitere Gusserzeugnisse dürfen wir im privaten Bereich vermuten – nicht nur im Bereich der Feuerstelle, sondern auch in der Produktion von Hacken, Handwerkszeug oder Pflugteilen.
Die Hüttenmeister
Zum Betrieb einer Eisenhütte brauchte man nicht nur Erz und Kohle, Wasser und Kapital – man brauchte vor allem auch Fachleute! Das Ausschmelzen des Eisens, das Beigeben von Zuschlagstoffen zur Verbesserung der Qualität konnte zu der Zeit – noch ohne vorhandene Labore – doch nur nach Gefühl und Erfahrung geschehen. So war die Eisenhüttentechnik ein wohlgehüteter Schatz der Hüttenmeister oder Reidemeister, wie sie auch genannt wurden. Von den ersten Meistern der Wehrer Hütte besagen dürftige Notizen nur, dass es ihnen nicht gut ergangen sei, ob gesundheitlich oder wirtschaftlich lässt sich nicht ergründen. Und nur zwei Meister sind uns mit Vornamen bekannt.
Erst ab 1604 wissen wir mehr: Die neuen Pächter der Hütte waren Wallonen, sie kamen aus Sart-lez-Spa im heutigen Belgien, wo in der Nähe (in Verviers und Lüttich) große Eisenhütten waren. Hier sei nur kurz aufgelistet, dass Servas Collet (1604-1623), dann sein Sohn Melchior Collet-Hahsenell (1624-1631), zwischenzeitlich auch Wilhelm Collet-Hahsenell und dann Michael Boßard (-1673) als Pächter der Hütte oft in Erscheinung treten. Aber auch die Familien Raque und Pirosson dürften einst als Eisenfachleute aus Wallonien nach Wehr gekommen sein.
1604 betrug der Pachtpreis für die Hütte 105 Königsthaler, 6 Zinder (Zentner) goßernes Isens (Gusseisen) und 7 Zinder Recklsens (= Schmiedeeisen). Er erhöhte sich aber später auf 200, bzw. auf 300 Thaler.
Mengenberechnungen zur Wehrer Hütte
Die erwähnten Akten aus dem Düsseldorfer Hauptstaatsarchiv, vor allem das erwähnte, „Memoriall“, vermerken doch so viele Details auch mengenmäßiger Art, dass ich – zumal im Vergleich mit anderen Hütten jener Zeit – vielseitige Mengenberechnungen anstellen konnte. Dabei ging ich vorsichtig zu Werke und wollte keineswegs bombastische Zahlen herbeifabulieren. Stark gekürzt2) seien hier aufgeführt:
In der Blütezeit der Hütte, als sie 9 Monate im Jahr produzierte, errechnet sich die Tagesproduktion an Eisen mit etwa 1000 kg (= 1 to).
Um eine Tonne Eisen zu erschmelzen bedurfte es 3,5 to Holzkohle, für deren Herstellung wiederum 25 Festmeter Eichen- oder Buchenholz benötigt wurden. Das ergibt einen Jahresbedarf von 6750 Festmeter! Diese Mengen konnten die Wehrer Wälder bei weitem nicht liefern. Wie üblich bei Eisenhütten musste also in großem Stil zugekauft werden. Ein erhaltener Vertrag von 1625 lieferte inzwischen den Beweis für meine frühere Annahme:3) Hüttenmeister Melchior Collet vereinbart mit dem Grafen von Virneburg die Lieferung von 5.000 „Doppelwagen“ Holz aus den Virneburger Wäldern für die Wehrer Hütte innerhalb von drei Jahren! (Doppelwagen = vermutlich zweiachsige Wagen im Gegensatz zu den meist gebräuchlichen Einachs-Karren.)
Das Gemisch von Eisenerz, Holzkohle und Beischlägen, welches täglich über die Treppe hochgeschafft und von oben in den Hochofen gekippt werden musste, errechnet sich täglich mit etwa 7 to. Auf die Ausbringung der großen Schlackenmengen sei ebenfalls verwiesen.
Zum Personalbedarf der Hütte: Wieviele Männer zuerst im Hammerwerk benötigt wurden, ist nicht zu erkennen, da der Anteil dieser Produktion nirgendwo genauer definiert wird.
Bei der Produktion von Gusseisen brauchte man für die Herstellung der Formen und das Gießen des Eisens natürlich eine Zahl von Fachleuten. Wenn z.B. eine ganze Tagesproduktion der Hütte zu Kochtöpfen verarbeitet worden wäre, so wären etwa 200 – 300 Töpfe zu formen und zu gießen gewesen.
Unter der Voraussetzung, dass die Kohlenbrennerei gänzlich in eigener Regie betrieben wurde, errechnet sich der Personalbestand der Wehrer Eisenhütte nach Vergleich mit anderen Eisenhütten wie folgt: 3 Hochofenarbeiter; 6 Sandformer (davon 2 Meister); 3 Putzjungen (für Gusseisen und Formen); 1 Plattenformer; 6 Lehmformer (davon 2 Meister); 12 Erzgräber; 24 Kohlenbrenner; 3 Tagelöhner (zum Erz- und Kohleauftragen). Das ergibt zusammen einen Personalbestand von 58 Personen für den Gesamtbetrieb. Etwas Vergleichbares gab es nicht in der ganzen Umgebung.
Sicher haben viele Wehrer, neben der kleinen, kargen Landwirtschaft, an der Hütte zusätzliches Geld verdient. Und auch von …frembden Knechten ist öfters die Rede. Diese dürften überwiegend unverheiratete Personen gewesen sein, die in den erhaltenen Kirchenakten kaum einmal auftauchen.
Das Ende der Hütte
aber liegt ziemlich im Dunkeln. Doch der Steinfelder Kellner Leonard Winandt schreibt in einem Brief vom 13.8.1673 an Abt Johann Luckenrath …Zusammen mit den Boßhardts möchte ich mir Euer ehrw. Herrlichkeit über den Aufbau der Hütte ausführlich sprechen, bevor dieses Werk in praxi in Angriff genommen wird … Die Hütte war also zerstört! Vermutlich durch Kriegseinwirkung. Und da schon mal lange vorher Klagen über … eine merck- liche Abnahme des eysensteins geäußert wurden – scheint die Hütte nicht mehr aufgebaut worden zu sein. Tatsächlich erscheint nach diesem Datum nie mehr ein Hinweis auf eine existierende Eisenhütte!
Lassen wir das Ganze noch einmal an unserem geistigen Auge vorbei ziehen: Da wurde vor über 400 Jahren von der Abtei Steinfeld in Wehr eine Eisenhütte errichtet, mit einem Hochofen, einem Gießwerk und einem Hammerwerk. Riesige Wasserräder trieben Blasebälge und Hämmer an.
Es kamen Fremdlinge ins Dorf, die eine fremde Sprache sprachen und die eine Kunst beherrschten, die im ganzen Umkreis keiner verstand: nämlich aus Steinen das begehrte Eisen heraus zu schmelzen.
Und diese Fremden, diese Hüttenmeister, leiteten das ganze Unternehmen: Sie leiteten die Arbeit in den Erzgruben; sie kauften das Holz in Wehr und der ganzen Umgebung – und das waren gewaltige Mengen. Das musste alles verkohlt und transportiert werden.
Jeden Tag wurden 140 Zentner „Möller“ über die Gicht des Hochofens gekippt: Holzkohlen, Eisenerz und Zuschläge im richtigen Verhältnis zu mischen und den Feuerungsverlauf im Ofen richtig zu steuern – das war die große Kunst der Eisenverhüttung.
Es mussten viele Formen für das Gusseisen geschaffen werden. Eisenguss! Flüssiges Eisen, das etwa 1600 Grad heiß war. Und das musste gekonnt sein! Und das alles musste geplant, koordiniert und gemanagt werden. Das war noch nicht alles: Es musste auch noch verkauft werden – und das waren doch große Warenmengen. Und dies ging alles auf Rechnung und Risiko der Hüttenmeisterfamilie!
Ja, es war schon ein großer Betrieb, der erste Industriebetrieb in der ganzen Umgebung, der da unten am Wehrer Bruch etwa 85 Jahre lang existierte.
Dies alles verging. Und die Erinnerung verging – auch daran, dass fast jeder Wehrer etwas wallonisches Blut in seinen Adern trägt ….!
Anmerkungen:
- Ausführlich siehe: Bruno Andre: Das Dorf Wehr, Band II., Wehr 1986, S. 10-80
- ebd. S. 53 ff
- Nach persönlicher Mitteilung von Dr. Peter Neu, Bitburg