Der untergegangene Hof Kaltenhausen bei Kempenich
Bernhard Koll
Im Gegensatz zu den im vergangenen Jahr an dieser Stelle beschriebenen Lehnsgütern in der Herrschaft Kempenich war der Hof Kaltenhausen oft auch Kalenhausen genannt, ein Allod, Privatbesitz eines Adeligen. Neben den 1350 erstmals genannten Nettehö-fen (seinerzeit »Zur Nette« genannt) und von den jeweiligen Pfandherren der Herrschaft Kempenich aus Bauernhand gekauften Ländereien (besonders von Anton von Eltz zwischen 1580 und 1600) ist der Hof Kaltenhausen eines der wenigen Güter, die allodialen Ursprungs sind. Als Besonderheit sei anzumerken, daß man ihn bisweilen mit einer Umsiedlungsaktion Karls des Großen in Verbindung gebracht hat. Der Hof taucht aber erstmals 1573 in den Quellen auf, als ihn Ruprecht von Heyer an Anton von Eltz, der um diese Zeit als Pfandherr in der Herrschaft Kempenich Fuß faßt, verkauft. Die von Heyer sind kurz vor 1477 als trierische Burgmannen (u. a. Lehnsträger des Hofes Goldbach) erstmals aktenkundig geworden. Zusammen mit den Grafen von Virneburg, die seinerzeit Pfandherren in Kempenich waren, haben sie sich in zwei Schlußsteinen in der wohl um diese Zeit fertiggestellten Kempenicher Kirche verewigt. Die von Heyer führen ein Wappen mit fünf (2:1:2) Ringen auf blauem Feld, ein Wappen, das auch die Ritter von Breitscheid bei Adenau, die von Winneburg bei Cochem und noch einige andere Geschlechter in der Eifel besaßen. Die eben erwähnten Schlußsteine in der Kempenicher Kirche lassen vermuten, daß die von Heyer durch die Grafen von Virneburg, möglicherweise als Amtsverwalter oder Kellner in die Herrschaft Kempenich gekommen sind. Ob sie um diese Zeit auch schon den Hof Kaltenhausen besaßen, ist i nicht mehr feststellbar. Schriftstücke betreffend den Hof sind aus dieser Zeit nicht überliefert. Auch über die von Heyer ist wenig bekannt. Auf jeden Fall müssen wir aber von einer Siedlungslegung durch von Karl dem Großen umgesiedelten Sachsen Abstand nehmen. Folgende Überlegungen deuten auf eine jüngere Entstehungszeit hin.
1462 taucht in kurtrierischen Akten ein Godhard Kalthuyß von Kempenich auf, der seinerzeit von Erzbischof Johann von Trier während einer kriegerischen Auseinandersetzung gefangen genommen worden war. Über seine Herkunft ist nichts bekannt; er steht aber in enger Verbindung mit Johann von Helfenstein, Herrn zu Spurkenburg, den er selbst »mynen lieben Junckern« nennt und der 1462 auch für Godhard siegelt. Sechs Jahre später wird Godhard Kalthuiß für 2 rheinische Gulden Diener (d. h. Lehnsmann) des Erzbischofs. Jetzt siegelt Godhard für sich selbst. Und wenn er 1486 auch ein eigenes Wappen führt, wird für uns der, wenn auch bescheidene, Aufstieg eines Mannes deutlich.
Wir können davon ausgehen, daß dieser Mann auch in Kempenich gelebt hat, denn 1486 -mittlerweile ist Kurtrier wieder im Besitz der Herrschaft Kempenich – werden ihm für die genannten 2 rheinischen Gulden 3 Malter Roggen aus der Kellerei Kempenich angewiesen. Diese Entscheidung ist nur dann sinnvoll, wenn der Empfänger dieser Getreidelieferung nicht allzu weit weg wohnt, möglicherweise auf dem Kaltenhäuser Hof. Dafür bürgt nicht nur die Namensgleichheit, sondern auch die agrar-landschaftliche Entwicklung des späten 15. Jahrhunderts, die hier in enger Verbindung mit der wohl auch um diese Zeit entstandenen Kreuzvikarie steht. Grundlage der Vikarie sind einmal die Kreuzgüter, die um 1425 noch in Besitz Engelbert von Orsbecks (»gute by der aldenbg«) waren, zum anderen die Zehnteinkünfte, die 1693 umschrieben wurden. Der Zehntbezirk, und das ist auch aus den kurtrierischen Grund- und Extractenbüchern von 1721 ersichtlich, lag im Bereich der früheren Siedlung Kurtenbach, deren Entsiedlungsprozeß im frühen 14. Jahrhundert zu beobachten ist. Man kann annehmen, daß um 1470 die Wüstungsflur Kurtenbach wieder inwertgesetzt wird. Dazu gehört, wegen der unmittelbaren Nachbarschaft sicher auch der Hof Kaltenhausen. Dies wird auch durch die Tatsache gestützt, daß die zum Hof Kaltenhausen gehördende Schäferei in dem Bereich Spessart-Hannebach-Engeln, also in der alten Kurtenbacher Flur, allein weideberechtigt ist.
Der Übergang in die Hände der von Heyer ist, wie bereits erwähnt, nicht feststellbar. Godhard Kalthuiß wird 1486 letztmals genannt; die von Heyer finden wir erstmals 1565 in Verbindung mit Kaltenhausen. Und zu dieser Zeit sind sie in arger Geldverlegenheit. Ruprecht von Heyer verpfändet Einkünfte aus der Hälfte seines Hofes im genannten Jahr an Peter Heinrich von Blankenheim; sein Bruder Philipp Dietrich tut desgleichen 1573 an Georg von Neuerburg, Zollschreiber zu Engers, für jeweils 200 Gulden. Das Brüderpaar kann 1573 auch die Zinsen nicht mehr aufbringen, so daß Conrad von Hillesheim – er besaß seit einigen Jahren auch einen Teil der Herrschaft Kaltenborn (vgl. die Aufsätze von Jakob Rausch und vom Verfasser in den Heimatjahrbüchern 1963 bzw. 1979) – der mittlerweile die Pfandschaft Kaltenhausen übernommen hatte, sich von einem Gericht den Hof hatte übertragen lassen wollen. Dem kamen die von Heyer zuvor, indem sie, auch noch im gleichen Jahr, den Hof für 443 Gulden an Anton von Eltz verkauften.
Es ist anzunehmen, daß der Hof um diese Zeit noch existiert hat, denn die Kaufurkunde erwähnt Hofgebäude. Im späten 17. Jahrhundert sind die Ländereien des Hofes aber in die eltzische Eigenwirtschaft einbezogen. Der Hof ist also nicht mehr verpachtet, dürfte also mittlerweile aufgelassen worden sein. Die Zeit der Aufgabe läßt sich mangels Quellen nicht eingrenzen; aus der agrarlandschaftlichen Entwicklung ist das späte 16. und das frühe 17. Jahrhundert eher anzunehmen als die Zeit danach.
Lage und Größe des Hofes. Die Lage ergibt sich ungefähr aus den Flurnamen. »Vor Kalhausen«, »In Kaihausen« und »Ober Kalhau-sen« in den preußischen Urkatastern beschreiben den Flächenkomplex des Hofes, auf dem auch die Gebäude standen. Ein altes Gemäuer in der Kaltenhäuser Wiese, an das man sich um 1780 noch erinnern konnte, war nach den Erzählungen damaliger alter Leute ein Schafstall gewesen. Die Kaltenhäuser Schäferei ist im Rahmen der eltzischen Eigenwirtschaft um 1690 noch belegt. Es ist nicht zwingend, daß der Schafstall unmittelbar am Hof gestanden hat. Nach dem seinerzeitigen dürftigen Wegenetz zu urteilen, müßte der Hof dort gestanden haben, wo die Wege von Kempenich und Spessart nach Engeln sich treffen. Dies ist auch etwa in der Mitte zwischen den Flurnamen »Vor Kaihausen« und »Ober Kaihausen«. Die Hofländereien stellten wohl ursprünglich einen geschlossenen Komplex im Bereich der oben genannten Flurnamen dar. Durch den Ankauf von Bauernland wurde er durch Parzellen in Streulage ergänzt. 1783 gehörten zum Hof über 38 Morgen Ackerland und die über 9 Morgen große Kaltenhäuser Wiese. 1813 an den Handelsmann Etscheid aus Ehrenbreitstein verkauft, gingen die Ländereien noch im gleichen Jahr (7. Mai), aufgeteilt in über hundert kleine Parzellen, an Bauern aus Kempenich, Spessart und Engeln über.
Quellen und Literatur
Gräfl. Eltzisches Archiv, Eltville: Lagerbuch 1674 und Kellereirechnungen ab 1688
Pfarrarchiv Kempenich: Akte betr. Kreuzaltarstiftung
Landeshauptarchiv Koblenz: Bestand 1 C Nr. 18, 4414, 9483,13263-13265, Bestand 587,50 Nr. 5
Stadtbibliothek Trier: Sammlung Straßer
Hermann Bauer: Erinnerungen an Heyer. Heimatjahrbuch 1962 für den Landkreis Ahrweiler S. 71-75
Bernhard Koll: Agrarlandschaftsveränderungen in der östlichen Hocheifel vom Ende der frühneuzeitlichen Ausbauperiode (ca. 1580) bis zum Jahre 1830. Masch. Diss. Bonn 1985 (mit weiteren Hinweisen).
Beim Verfasser erhältlich.
Rudolf Wies: Sachsensiedlungen im Kempenicher Land. Die Eifel, 1956, S. 22