Der „Krieg“ gegen die Reblaus im Ahrtal
Der „Krieg“ gegen die Reblaus im Ahrtal
Dr. Wolfgang Bender
Heutzutage gilt der Traubenwickler – auch Heuoder Sauerwurm genannt – als schlimmster tierischer Feind des heimischen Weinbaus. Um die Jahrhundertwende traf dieses negative Attribut für einige Jahrzehnte auf die Reblaus zu.
Entdeckung und erste Maßnahmen
Mitte August 1881 fiel dem Neuenahrer Bürgermeister, Rittmeister a.D. Hepke, bei einem Sparziergang durch die Weinberge am Südhang der Landskrone eine kränklich aussehende Stelle in einem Wingert auf. Hepkes Vermutung, daß die Reblaus die Verursacherin der verkümmerten Triebe und der gelbbraun gefärbten Blätter sei, wurde durch eine Untersuchung der Rebwurzeln im Labor des Neuenahrer Apothekers Dr. Bödikeram 16. August bestätigt.1) Der sofort hinzugezogene Verwalter der königlichen Garteninspektion Engers, Inspektor Ritter, stellte diesen Befund vor Ort ebenfalls fest und telegraphierte am 18. August an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz nach Koblenz: „Reblaus constatirt bleibe bis weitere Befehle suche Umfang der Infection.“2)
Auch der Bürgermeister handelte sofort. In der Ahrweiler Zeitung vom 18. August war folgende Bekanntmachung Hepkes vom Vortage zu lesen:
„Das Betreten des Distriktes ,im Hohn‘, an der Südseite der Landskrone, im Banne der Gemeinde Heimersheim, wird hiermit bis auf weiteres polizeilich untersagt. Zuwiderhandlungen werden unnachsichtlich zur Bestrafung angezeigt werden“.
Der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Vereins – Abteilung Ahrweiler, Badedirektor August Lenne, ließ unter dem gleichen Datum in der Ahrweiler Zeitung verlautbaren: „Die Reblaus-Gefahr hat sich leider bei uns jetzt eingefunden, daher alle Weinbergsbesitzer hiermit auf das Dringendste gebeten werden, sofort ihre Weinberge zu untersuchen, namentlich die Rebstöcke, deren Blätter sich krankhaft zeigen.“
Bereits am 19. August suchten der Oberpräsident, Dr. von Bardeleben, und der Regierungspräsident, von Berlepsch, aus Koblenz kommend den Infektionsherd an der Landskrone auf.3) Sie sollten in jenem Jahr noch mehrfach das untere Ahrtal wegen der Reblauskampagne besuchen.
Aufgrund des Krankheitsausbruchs an der Ahr wurden auch in den anderen Weinbaugebieten der preußischen Rheinprovinz Untersuchungen an verdächtigen Krankheitserscheinungen der Reben durchgeführt, die für 1881 – im Gegensatz zu späteren Jahren (ab 1884 ff.) – noch keinen Reblausbefall ergaben.4)
Der Feind
Was machte nun die besondere Gefährlichkeit dieses winzigen Insekts für den Weinbau aus, so daß bereits einige Tage nach seiner Auffindung im Ahrtal die höchsten politischen Repräsentanten der Rheinprovinz dorthin eilten?
Dazu zunächst einige knappe Vorbemerkungen zur Biologie und zur Herkunft des Schädlings. In unseren Breiten trittaufgrund der klimatischen Verhältnisse zumeist die 1 -2 mm große, überwinterungsfähige Wurzellaus und nicht die Blattgallenlaus auf. Erstere pflanzt sich nur parthenogenetisch, daß heißt ohne Befruchtung, fort. Die unterirdisch lebende Wurzellaus legt dabei bis zu 40 Eier. Aus diesen schlüpfen nach einer Woche Jungtiere, die sich nach drei Wochen wiederum fortpflanzen, so daß in einem Jahr 6 bis 8 Reblausgenerationen entstehen können. Aus den Larven der Wurzelläuse können sich im Sommer bei sehr warmen Temperaturen auch in unseren Breiten sogenannte Nymphen (Weibchen) entwickeln. Diese kriechen am Stamm empor, häuten sich mehrmals und bekommen Flügel. Sie legen oberirdisch einige wenige geschlechtsdifferenzierte Eier ab, aus denen im Spätsommer ungeflügelte Geschlechtstiere (Sexuales) schlüpfen. Diese leben nur kurze Zeit und dienen allein der geschlechtlichen Fortpflanzung der Art. Die befruchteten Weibchen legen dabei jeweils nur ein einziges großes „Winterei“, das in der Rinde des Weinstockstammes abgelegt wird. Aus den Wintereiern schlüpfen im Frühjahr weibliche Rebläuse (Gründerinnen). Diese leben oberirdisch, rufen Blattgallen an den Reben hervor und produzieren parthenogenetisch zahlreiche Nachkommen, die im Herbst ins Erdreich zurückkriechen, wo sie wieder als Wurzelläuse leben. Die dort lebenden Rebläuse stechen mit ihren Saugborsten in die Rebwurzeln und saugen diese aus. An den frischen Trieben entstehen dadurch gallenartige Verdickungen. Später schwellen auch die stärkeren und dicksten Wurzeln an. Die befallenen Wurzeln gehen allmählich durch Fäulnis zugrunde. Oberirdisch wird dieser Prozeß durch ein Kränkeln und Verkümmern der Blätter und Triebe sichtbar. Nach einigen Jahren ist das Zerstörungswerk der Reblaus vollendet. Die Pflanze stirbt ab und wird von den Schädlingen verlassen.5) Die aus den USA nach Europa eingeschleppte Krankheittraf Frankreich zuerst und am härtesten. Sie breitete sich dort ab 1865 zwischen Pyrenäen und Mosel aus. Vor dem Beginn der Reblauskrankheit betrug die französische Weinbaufläche rund 2 1/2 Millionen Hektar. 1881 waren davon bereits über 660.000 Hektar zerstört und über 582.000 Hektar von der Reblaus befallen.6)
In Deutschland wurde die Krankheit erstmals 1874 in der Königlichen Domäne Annaberg bei Bonn festgestellt. In einem amtlichen Bericht vom November 1874 heißt es dazu: „Im Jahre 1866 erhielt das preußische Ministerium für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten aus Washington ein Sortiment amerikanischer Weinreben, das in Wahrheit, wiesich erst jetzt herausgestellt hat, als ein Danaergeschenk zu bezeichnen ist. Diese Reben wurden der Baumschule zu Annaberg überwiesen und entwickelten sich ganz ertreulich; bis zum letzten Monat war äußerlich nicht das Geringste von krankhaften Erscheinungen daran zu bemerken.“7)
Mit dem Herd an der Landskrone, der sehr wahrscheinlich in infiziertem Rebmaterial aus der Domäne Annaberg seinen Ursprung hatte, wurde die Seuche erstmals in einem geschlossenen Weinbaugebiet im Herzen der Rheinprovinz 1881 entdeckt.8) Es stand zu befürchten, daß auch die deutsche Weinbaufläche von rund 120.000 Hektar dem Schädling zum Opfer fiel. Gesetzlich-administrativ versuchte man der Gefahr auf Reichsebene schon 1875 mit dem Gesetz Nr. 1067 „Maßregeln gegen die Reblauskrankheit betreffend“ zu begegnen, indem u.a. auch Einfuhrverbote für ausländische Reben angeordnet wurden. Weitere Reichsgesetze dieser Art folgten 1883 (Nr. 1501) und 1904 (Nr. 3058).9)
Anschaulich zeigt die 1884 entstandene Zeichnung die Weinlandschaft unterhalb Heppingen mit den von der Reblaus befallenen Weinbergen.
Übersichtskarte mit den Herdnummern, ergänzt um Entdeckungssommer und Distrikt:
1 (1881); 2 (1883) an der Landskrone: 3 (1883) an der Fahrbrück: 4 (1883) auf dem Lohpfad; 5 (1883) am Stein und am Koppen; 6 (1883) im Stein; 7 (1883) auf dem Kähleberg, 8 (1883) ebda.:9 (1884) aufstocken: 10(1884) in derLay; 11 (1894) aufstocken: 12 (1884) in Geisen und auf dem Lohpfade: 13 (1884) in der Graszange; 14 (1884) in der Graszange und in der Fahrbrück; 15 (1884) im Sonnenberg; 16 (1884) zwischen den Pfaden; 17 (1884) auf den Stümpfen; 18 (1884) in der Ramershecke; 19 (1884) ober der Ramershecke; 20 (1884) auf dem Ehiinger Berg: 21 (1884) auf dem Sande; außerhalb der Karte in der Gemarkung Westum: Herd 22 (1884) vor Ohlenbusch.
Die Haltung der Bevölkerung
Über die abweisende Haltung größerer Teile der Bevölkerung – vornehmlich der Winzer -gegenüber den behördlichen Reblausbekämpfungsmaßnahmen im Spätsommer 1881, gibt uns der Bericht des kaiserlichen Regierungsrates Dr. von Poschinger an den Oberpräsidenten Auskunft, der auf Neuenahr, den 18.9.1881 datiert.10) Poschinger berichtet: „Anfänglich wollte von den eigentlichen Winzern niemand an das Vorhandensein der Reblaus, sowie an die Schädlichkeit überhaupt glauben.“ Gutbesuchte Vorträge in Ahrweiler11) und Heimersheim, denen sich lebhafte Diskussionen angeschlossen hätten, sowie die Einflußnahme des Landrats von Groote, des Gutsbesitzer Bresgen/ Lantershofen, des Direktors Lenne und anderer hätten einen „Umschwung zum Besseren in der Auffassung der Bevölkerung“ bewirkt. Dennoch gäbe es immer noch Widerstände in Teilen der Bevölkerung gegen die getroffenen und noch zu treffenden Maßnahmen. So sei der Apotheker Bödiker, der die Sache zur Anzeige gebracht hätte, von Heimersheimer Bürgern mit Vorwürfen überhäuft worden, weil er nicht im vermeintlichen Interesse der Winzer bis nach der Lese damit gewartet hätte. Der Winzer, der Bödiker die verseuchten Reben gebracht hätte, sei von verschiedenen Seiten bedroht worden. „Mehrere Winzer weigerten sich, ihre Söhne als Tagelöhner für die Untersuchungsarbeiten herzugeben, damit dieselben nicht einer Sache dienten, die in ihren Augen ihren Ruin herbeiführe.“ Von insgesamt 292 betroffenen Weinbergbesitzern hätten nur 94 schriftlich auf ihr Beschwerderecht bezüglich der behördlichen Vernichtungsmaßnahmen verzichtet. Ein gewisser Stimmungsumschwung scheint im Herbst erfolgt zu sein. Zu Hunderten unterstützte die Bevölkerung – gegen Lohn – die Obrigkeit in ihrem Kampf gegen den fast unsichtbaren Feind am Südhang der Landskrone. Andererseits mußten die Sachverständigen noch am 6. Dezember dem Oberpräsidenten berichten, mit „welchem Widerwillen und welchem Mißtrauen der kleinere Winzer all diesen Maßregeln gegenübersteht.“ Ferner führten sie aus: „Dazu gesellt sich noch der absolute Mangel an Verständnis für die durch die Phyllocera (=Reblaus) drohende Gefahr, die Leute glauben einfach nicht, was man ihnen sagt.“12) Erst 1885 sollte sich die Haltung der Bevölkerung grundlegend geändert haben. So schrieben die Sachverständigen am 9./10. Dezember 1885: „… von Steiten der Bevölkerung wurden uns in keiner Weise Schwierigkeiten in den Weg gestellt, es darf im Gegentheil von manchen Gemeinden, so unter anderen namentlich von Ahrweiler und Mayschoß, gesagt werden, daß die Winzer, namentlich die der gebildeten Klassen, unserer Wirksamkeit nach Möglichkeit Vorschub zu leisten suchten; auch in den verseuchten Distrikten bei Heimers-heim, wo wir vordem Veranlassung hatten, über die Indolenz der Einwohnerschaft zu klagen, war ein bemerkbarer Umschwung in dem Verhalten der Winzer eingetreten ,…“13)
Übersichtskarte von 1884: Das Ahrtal unterhalb Heimersheim
Übersichskarte von 1884: Der Bereich zwischen Green und Ehlingen
Übersichtskarte von 1884: Ehlingen und der Ehiinger Berg.
Die Vernichtungsfeldzüge 1881/82
Die umfangreichen Reblausbekämfungsmaß-nahmen im Jahre 1881 nahmen mit den Bekanntmachungen vom 17. August und der Ankunft des obengenannten Sachverständigen Ritter tags darauf ihren Anfang.1111 In der ersten Woche stellte Ritter die Grenzen des infizierten Terrains an der Landskrone mit Hilfe des Ahr-weiler Bürgers Carl Brogsitter, der in der Rebschule im österreichischen Klosterneuburg reichhaltige Erfahrungen mit der Reblausplage gemacht hatte, fest und markierte dieselben. Das stark parzellierte Gelände war hauptsächlich mit Spätburgunder bepflanzt. Ferner waren dort u.a. auch blauer Portugieser, Ruiänder, weißer Gutedel, Kleinberger sowie Riesling anzutreffen. Drei weitere Infektionsherde, die bis auf einen keine sichtbaren Schädigungen hatten, fand Ritter in den beiden folgenden Wochen in unmittelbarer Nähe des Hauptinfektionsherdes. Ebenso entdeckte er fünf (ungeflügelte) Reblausnymphen. Eine sorgfältige Begehung der Wingertlagen um die Infektionsherde durch den Aufsichtskommissar Weinkauff, die Sachverständigen Ritter und Dr. Moritz/Geisenheim sowie deren Helfer Brogsitter, Gartendirektor a.D. Grube/Godesberg, Oberförster a. D. Koch/ Trier und Weinbaulehrer Seucker/Geisenheim im September führte zu keinen weiteren Reblausentdeckungen an der Landskrone. Ein umfangreicher Wachtdienst, bestehend aus acht Gendarmen und mehreren Zivilwächtern, der Unbefugten das Betreten des Geländes verwehrte, wurde mittlerweile eingerichtet, da „bei Bekanntwerden der Infektion ein sich immer steigender Zudrang von Unberufenen stattfand.“151 Die vier befallenen Stellen wurden mit einem breiten „Sicherheitsgürtel“ gesunder Weinbergparzellen umgeben. Am 15. September konnte der zuletzt entdeckte der vier verseuchten Wingerte vorläufig „behandelt“ werden. Er lag im Distrikt „in der Holl“, gehörte dem Heimersheimer Bürger Johann Linden, Sohn des Anton Linden, und umfaßte insgesamt 11 infizierte und 19 gesunde Weinstöcke. Mit Feuer und Chemie wurde der Schädling bekriegt. Die Stöcke wurden abgehackt und mit Hilfe von Petroleum verbrannt. In Meterabständen wurden 1 1/4m tiefe Löcher mit einem Pfahleisen in den Boden gestoßen und in diese je 200 Gramm Schwefelkohlenstoff geschüttet. Anschließend wurden die Löcher sofort mit Erde aufgefüllt, um eine zu schnelle Verdunstung der Substanz zu verhindern, und die behandelte Fläche mit Petroleum übergossen. Mit der Taxierung des Wertes der Weinbergslagen an der Landskrone begannen die Experten ab dem 18. September. Den betroffenen Besitzern und Eigentümern stand nämlich auf Grund des preußischen Gesetzes vom 27. Februar 1878, die „Maßregeln gegen die Verbreitung der Reblaus betreffend“. eine staatliche Entschädigung zu.16‚ Ebenfalls in der zweiten Septemberhälfte 1881 wurden Verträge über Aufstellung von Schutzhütten in den Weinbergen für Desinfektionsmaterial und Arbeiter abgeschlossen und die notwendigen Materialien herbeigeschafft.17)Die „Logistik“ stand, der „Feind“ war lokalisiert, nun brauchte man „Söldner“, dann konnte der eigentliche „Reblauskrieg“ beginnen. Am 16. Oktober 1881 wurde in den umliegenden Ortschaften der Beginn der Arbeiten bekanntgemacht und um Arbeitskräfte für die Bekämpfungsmaßnahmen geworben. Da zu dieser Zeit gerade die Weinlese und die Kartoffelerntestattfanden, konnte die Arbeit zunächst nur mit 40-60 Kräften aufgenommen werden. Im November beteiligten sich jedoch zeitweise über 400 Mann, die in verschiedene Kolonnen aufgeteilt wurden, am Reblausvernichtungsfeldzug!
Alle im „Sicherheitsgürtel“ und im verseuchten Terrain gelegenen Weinstöcke und Reben wurden zunächst abgeschlagen und mit Petroleum verbrannt. Allein diese Arbeiten dauerten vom 17. bis zum 21. Oktober. Anschließend begannen im „Sicherheitsgürtel“ die sogenannten Rigolarbeiten. Dabei wurden die Wingerte einen Meter tief umgegraben und die Rebwurzeln nach Untersuchung durch die Sachverständigen verbrannt. Dort wurden keine Rebläuse entdeckt. Parallel zu diesen Arbeiten lief unter der Leitung von Dr. Moritz die chemische Behandlung der unrigolten Infektionsherde und der bereits rigolten Teile des „Sicherheitsgürtels“ nach dem bewährten oben skizzierten Muster vom 15. September. „Der Schwefelkohlenstoff bezweckte die Vernichtung sämtlicher in der Erde befindlicher Rebläuse und deren Eier, sowie auch aller im Boden stecken gebliebenen Rebwurzeln, während das Petroleum die Tödtung aller auf der Oberfläche des Bodens oder in den obersten Schichten desselben befindlichen Insekten bewirkte, wo die Wirkung des Schwefelkohlenstoffes durch Hinzutreten der Atmosphäre nicht mehr gesichert erschien.“18)
Auf zwei besondere Gefahrenpunkte der chemischen Vernichtungsarbeiten sei an dieser Stelle kurz verwiesen. Die Arbeiter, die besonders häufig mit dem Petroleum in Berührung gerieten, bekamen starke Schwellungen und schmerzhafte Ekzeme an den Händen. Beim Auffüllen der Löcher mit Schwefelkohlenstoff kam es einige Male zu kleineren Explosionen, wenn ein unmittelbar benachbarter „Bohrtrupp“ mit dem Pfahleisen auf Gestein stieß und sich Funkenflug bildete. Dadurch konnten die unterirdischen Gase der sich verflüchtigenden Substanz mit ohrenbetäubendem Lärm entzündet werden. Die Erdarbeiten wurden am 3. Dezember beendet. Die Desinfektionsmaßnahmen fanden bereits einige Tage früher ihren vorläufigen Abschluß, da der „Nachschub“ an Schwefelkohlenstoff ausblieb. In den ersten Tagen des Januars 1882 wurden auch diese Arbeiten zu Ende geführt.
Beim Bankett zu Ehren der Sachverständigen anläßlich der Beendigung der Herbstarbeiten hielt der stellvertretende Aufsichtskommissar, Hauptmann Dr. von Heyden, am 7. Dezember im Hotel Bertram Bonn in Neuenahr eine martialische Lobrede auf Bürgermeister Hepke, die einerseits typisch für den Zeitgeist des Wilhelminismus ist, und die andererseits treffend den „kriegerischen“ Charakter der Reblausbekämpfungsmaßnahmen unterstreicht. U.a. führte er über Hepke aus: „Mit der ihm innewohnenden eisernen Consequenz in der Ausübung der ihm anvertrauten Obliegenheiten, mit scharfem Blick und der Energie, wie wir sie bei einem alten kriegsgeübten Führergewohnt sind, hatergleich bei Beginn der damaligen recht schwierigen Arbeiten, nachdem das Vorhandensein des kaum sichtbaren aber furchtbaren Feindes der Weinberge an der Ahr constatirt war, gerade durch obengenannte vortrefflichen Eigenschaften besonders Hervorragendes geleistet.“19).
Nach einer Winterpause wurde die Arbeiten vom 15. März bis zum 2. Mai fortgesetzt.20 Nun wurden die vier Infektionsherde nach dem bewährten Verfahren ebenfalls umgegraben und anschließend nochmals wie oben geschildert chemisch bekämpft. Bei den Rigolarbeiten stellte man in mehreren Parzellen lebende Rebläuse an den ausgegrabenen Wurzeln fest, die aufgrund andersartiger Bodenbeschaffenheiten die chemischen Angriffe des Spätherbstes überlebt hatten und nun endgültig vernichtet wurden. Rebläuse wurden in diesen bearbeiteten Lagen niemals wieder entdeckt, obschon es sich bei diesen Lagen um die mit am schwersten von der Reblausplage betroffenen Gebiete der Rheinprovinz im 19. Jahrhundert handelte. Die gesamte Bekämpfungsaktion 1881/82 am Südhang der Landskrone in der Gemarkung Hei-mersheim belastet den preußischen Staatshaushalt mit der gewaltigen Summe von 137.751 Mark!21) Zum Vergleich: Die Tagelöhner, die mit dem gesundheitsgefährdenden Petroleum arbeiteten, erhielten den höchsten Tagessatz von 3 Mark. Insgesamt fielen über 31.000 Mark Lohnkosten an. Die Entschädigungszahlungen für die betroffenen Winzer beliefen sich auf annähernd 41.000 Mark. Fast 53.000 Mark wurden für Petroleum und Schwefelkohlenstoff aufgewandt. Der Rest des Betrages verteilte sich auf kleinere Posten, z.B. Tagegeld für die Sachverständigen.
Dem Vernichtungsfeldzug gegen die Reblaus fielen insgesamt 44.688 Rebstöcke auf einer Fläche von 50.258 qm an der Landskrone zum Opfer!22) Zum Teil waren beste Lagen betroffen. In einem Erlaß vom 21.6.1882 nannte der Oberpräsident folgende Wingertdistrikte, die vernichtet worden waren: „an der Landskrone, oben im Hohn, unten im Hohn, am Steinhaufen, in der Kali, in der Trenk, am Sauerbrunnen, in der Holl, oben in der Ehrkatz und auf dem Stocken“.231 Bis zum 15. Mai des folgenden Jahres durften die vier Infektionsherde nicht betreten werden. Danach konnten sie mit oberirdischen Ernteprodukten wie Getreide oder Bohnen bebaut werden. Sollte eine genauere Untersuchung in einigen Jahren ergeben, daß die Reblaus nicht mehr dort anzutreffen sei, dürften auch wieder Reben angepflanzt werden. Anders sah die Regelung für den „Sicherheitsgürtel“ aus. Dort konnten bereits wieder ab dem 15. Juli 1882 oberirdische Ernteprodukte angepflanzt werden. Zur Rebkultur durften dessen Flächen frühestens ab 15. Mai 1887 vorgesehen werden, ohne das eine erneute Untersuchung durchgeführt werden mußte.24) Anläßlich einer Revision des wiederbebauten Herdes im Jahre 1892 wurde die Meinung geäußert: „Auch die ausgiebigste Anwendung der Desinfektionsmittel, Petroleum und Schwefelkohlenstoff, hatten nicht geschadet. Vielmehr steht Herd 1 in seiner Neubepflanzug als einer der üppigsten Weinberge da.“25)‚
Die Fortsetzung des Kampfes
Die Autoren der „fünfte(n) Denkschrift über die Ausführung des Gesetzes, Maßregeln gegen die Reblauskrankheit betreffend, vom 6. März 1875″. kamen zu dem Ergebnis: „Im Jahre 1882 hat eine erneute, überaus gründliche Untersuchung des gesammten Weinbaugebiets im Ahr-tale stattgefunden und zu der Überzeugung geführt, daß die Heimersheimer Infektion als eine örtlich beschränkte angesehen werden darf.“26) Bereits das folgende Jahr strafte sie Lügen. Man hatte nur eine Schlacht gewonnen, der Krieg gegen die Reblaus ging weiter. Rund um Heimersheim wurden im Sommer 1883 sieben weitere kleinere reblausbefallene Stellen durch die Sachverständigen entdeckt: darunter zwei auf der rechten Ahrseite am Ehiinger Berg.27) Die Vernichtung wurde nach dem aus dem Jahre 1881/82 bewährten Schema vom 24. Juli bis zum 19. September durchgeführt, wobei allerdings der jeweilige Infektionsherd und der dazugehörige „Sicherheitsgürtel“ aufgrund des geringen Alters sowie Ausdehnung der Infektion als eine Einheit behandelt wurden und der Schwefelkohlenstoff intensiver und differenzierter eingesetzt wurde. Insgesamt mußten nur 2776 qm Rebfläche „behandelt“ werden, die anschließend mit Stacheldraht umzäunt wurden.28) Wesentlich größer war hingegen die Fläche der 1884 zu vernichtenden Weinberge. Insgesamt wurden 14 neue Herde – darunter auch ein Wingert in Westum – entdeckt und bekämpft. 13662 qm bzw. 9587 Weinstöcke, von denen wiederum nur 146 erkrankt waren, mußten vernichtet werden.29) Die lange befürchtete Vermutung, daß im warmen Klima des Ahrtals auch geflügelte Rebläuse auftreten könnten, erwies sich in der zweiten Augusthälfte des überaus trockenen und warmen Sommers 1884 als zutreffend. 14 geflügelte Schädlinge wurden auf einer Terrasse in Herd 10 entdeckt.30) Die Weiterverbreitung des Insekts fand also nicht nur durch mechanische Verschleppung (Gerätschaften, Schuhwerk), unterirdische Wanderung der Wurzelläuse oder Verpflanzung von Reben statt, sondern auch oberirdisch und geschlechtlich durch die geflügelte Spezies der Reblaus!
1885 wurden im Ahrkeis 35 neue Herde aufgefunden. Der Schädling wurde auch erstmalig in Sinzig und Niederbreisig aufgespürt und bekämpft.31) Eingehende Untersuchungen der Weinbergslagen an der Ahr zwischen Heppin-ger Berg und Kreuzberg ergaben ein negatives Ergebnis.32) Auch in den folgenden Dezennien sollten der mittlere und obere Teil des Ahrweinanbaus vom Zerstörungswerk der Reblaus – mit Ausnahme der Mayschoßer Gemarkung (s.u.) -verschont bleiben. Der 1883 entdeckte Herd 21 auf dem Heppingerberg war bis 1953 der am weitesten westlich im Ahrkreis gelegene. Das Jahr 1890 bildete den zahlenmäßigen Höhepunkt hinsichtlich aufgefundener Reblausherde. Man fand vornehmlich in den Gemarkungen Lohrsdorf und Heimersheim, aber auch in We-stum und Sinzig, 52 Infektionsherde, die zumeist durch mechanische Verschleppung entstanden waren und in unmittelbarer Nähe älterer Herde lagen. Bei entfernter liegenden verseuchten Stellen schloß man eine Verbreitung der Krankheit durch das geflügelte Insekt nicht aus. Insgesamt 22.736 qm Weinberge fielen in jenem Jahr dem „Eroberungsfeldzug“ der Reblaus zum Opfer.33) 1891 wurde der Schädling erstmals in Bodendorf und in Kripp aufgefunden;34) 1893 in Rolandswerth am Rhein.35) 1896/ 97 wurde das Insekt in zwei Parzellen in der Gemarkung Gimmingen bekämpft;36) ebenso 1897 in Niederlützingen im Brohltal, wo noch bis 1909 Weinbau betrieben wurde.37) Über den meist schlechten Stand des Weinbaus entlang des Rheins und seiner Seitentäler – mit Ausnahme der Ahr – im heutigen Ahrkreis am Ende des vorigen Jahrhunderts gibt uns ein Begehungsprotokoll für das Jahr 1897 ein beredtes Zeugnis. So heißt es beispielsweise zu Unkelbach:
„Fast alles schlecht gebaute Weinberge. Die großen Steinbrüche ziehen alle Arbeitskräfte an sich.“38) Zu Ober- und Niederbreisig lesen wir:
„Die beiden Gemarkungen sind zum größten Teil in einer elenden Verfassung; überall Driesche, Fehlstellen und schlechte Stellen.“39) Weinbau wurde damals noch in Rolandswerth (10 ha), Oberwinter (60 ha), Unkelbach (10 ha), Birgel und Bandorf (wenigerais 1 ha), Remagen (32 ha), am Reisberg (5 ha), Niederbreisig (17 ha), Oberbreisig (25 ha), Rheineck (4 ha), Brohl (1/2 ha), Niederlützingen (29 ha), Oberlützin-gen (4 ha), Burgbrohl (9 ha), Nieder-Oberweiler (4 ha), Niederzissen (3 1/2 ha), sowie Oberzis-sen und Niederdürenbach (4 1/2 ha) betrieben. Die meist unzureichende Pflege der dortigen Wingerte, die wiederum aus der mangelnden Rentabilität des Weinbaus, anderweitigen besseren Verdienstmöglichkeiten sowie Mißernten resultierte, war ein weiterer Grund für die Ausbreitung der Reblaus auch in diese Teile des Ahrkreises. Die meisten dieser außerhalb des Ahrtals gelegenen Weinberge wurden in den folgenden Jahren und Jahrzehnten – auch aufgrund der Reblausgefahr und des -befalls -endgültig aufgegeben.
Auch in den von der Reblaus betroffenen Gemeinden im Ahrtal sank die Weinbaufläche seit der Jahrhundertwende – nicht zuletzt bedingt durch den Schädling – rapide ab. In der Gemarkung Heimersheim (mit Ehiingen) von 80 ha im Jahre 1880 auf 32 ha im Jahre 1923. In Gimmingen von 20 ha (1890) auf 2 ha (1924)! In Bodendorf reduzierte sich die Fläche im gleichen Zeitraum um mehr als zwei Drittel (32 zu 10 ha). Etwas günstiger stellte sich die Situation in Lohrsdorf dar. Hier sank die bebaute Rebfläche „nur“ von 30 ha (1880) auf 19,8 ha (1923).40) Resümiert man die flächenmäßigen Schäden41), die durch die Reblaus innerhalb eines knappen halben Jahrhunderts im heutigen Ahrkreis angerichtet wurden, kommt man zu folgenden Ergebnissen. In der Zeit zwischen 1881 und 1929 wurden über 400 Reblausherde auf einer Gesamtfläche von über 70 ha, das entspricht rund 7% der Weinbaufläche im Ahrkreis um 1900, entdeckt und bekämpft. Sie schlüsseln sich auf die einzelnen Gemarkungen auf, wie in Tabelle Seite 148 ausgewiesen.42)
Aufteilung der Reblausherde auf die einzelnen Gemarkungen | ||||
Gemarkung | Herde | Zeitraum | Fläche | |
Lohrsdorf | 162 | 1882-1927 | ca. 15 | ha |
Heimersheim/Ehlingen | 131 | 1881-1915 | ca. 27 | ha |
Westum | 83 | 1884-1929 | ca. 12 | ha |
Bodendort | 11 | 1891-1909 | ca. 2,5 | ha |
Sinzig | 8 | 1885-1911 | ca. 1,5 | ha |
Niederlützingen | 6 | 1897-1909 | ca. 3 | ha |
Niederbreisig | 5 | 1885-1902 | ca. 1,5 | ha |
Gimmingen | 4 | 1896/97 | ca. 0.2 | ha |
Rolandswerth | 3 | 1893/94 | ca. 1,5 | ha |
Kripp | 1 | 1891 | ca. 2 | ar |
In den 20er Jahren wurde der Rebschädling im Ahrkreis nur noch 13 Mal aufgefunden, während er im ersten Jahrzehnt seiner Entdeckung in 285 Herden festgestellt wurde.43) In den Jahren 1930 und 1953 wurden nochmals Reblausherde in Heimersheim bzw. Mayschoß entdeckt.44) Der obengenannte Herd von 1881 war der mit weitem Abstand flächenmäßig größte. Viele der zerstörten Weinberge wurden nicht wieder aufgebaut. Sie lagen brach, wurden aufgeforstet, mit Obst, Kartoffeln und Getreide bepflanzt oder auch zur Wohnraumbebauung freigegeben. Die Reblausgefahr konnte durch die geschilderten rigorosen direkten Bekämpfungsmaßnahmen im Ahrkreis lokal beschränkt und verringert werden. Ein Ausgreifen des Schädlings auf die wertvollen Weinbergslagen an der Mittelahr wurde ebenfalls (bis auf die 1953er Ausnahme) verhindert.45) Ein wertvoller Bundesgenosse im Kampf gegen die Reblaus war auch das heimische Klima. Das Ahrtal liegt an der Nordgrenze des Weinbaus. Die Frühjahre, die häufig Kälte und Frost bringen, sowie die Sommer, die sich nur selten durch heiße und trockene längere Perioden auszeichnen, wirkten hemmend auf die Vermehrung des Insekts.
Der Sieg
Endgültig gebannt wurde die Gefahr für die heimischen Weinberge durch den ursprünglich aus Amerika stammenden Rebenfeind jedoch mittels präventiver Maßnahmen, deren „Grundlagen“ – im wahrsten Sinne des Wortes – ebenfalls aus der Neuen Welt stammten.46) Zwischen 1905 und 1923 legte man auch in Ahrweiler, Mayschoß und Westum Ertragsweinberge an, die von der 1902 in Ahrweiler eingerichteten Provinzial-Wein- und Obstbauschule, dem Vorgängerinstitut der heutigen Landes- Lehr- und Versuchsanstalt, betreut wurden.47)
In diesen Wingerten wurden (blattgallenlaus-resistente) Edelreiser, namentlich Burgunder, Riesling, Sylvaner und Weißelbling, angepflanzt, die auf wurzellausresistente amerikanische Un-terlagssorten gepfropft waren.
Bei Neuanpflanzungen ging man seit der Zwischenkriegszeit auch im Ahrkreis – wie fast überall in Deutschland und Europa – zunehmend dazu über, statt wurzelechter Europäerreben, die reblausresistenten, mit Europäerreben veredelten Amerikanerunterlagsreben zu verwenden.48) Auf diese Weise wurde der Schädling schrittweise in der Folgezeit auf natürliche Weise ausgerottet. Nach 1930 bzw. 1953 wurde keine Reblaus mehr im Ahrtal entdeckt, so daß das Weinanbaugebiet „Ahr“ als einziges in Deutschland zur Zeit reblausfrei ist.49) Der Krieg gegen die Reblaus war endgültig gewonnen worden.
Anmerkungen:
- Denkschrift 4 (1882). S 24 u 30,
- LHAK Bestand 403 Nr. 7907
- Ahrweiler Zeitung vom 20 8 1881
- Denkschrift 4 (18821. S 3,
- Vgl. vor allem dazu, Sedlag. Insekten. S. 174 f
- Denkschrift 6 (1884) S, 7 f,
- Zit. nach: Wortmann, Reblausverseuchungen, S, 14
- ebda. S. 15 ert passim.
- Zu den mechanischen und chemischen Bekämpfungsmaßnahmen vor Ort s. u
- Im folgenden Denkschrift 4 (1882l S 31 ff Vgl auch die Ahrweiler Zeitung vom 25.8.1881
- Die Ahrweiler Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 10,9.1881. daß über 300 Bürger im Deutschen Hof zu Ahrweiler am 4. September dem Vortrag von Dr Montz aus Gelsenhelm beiwohnten
- Denkschrift 5 (18831, S. 27.
- Denkschrift 8 (1885/86). S. 36 f.
- Infolgender Denkschrift4 (1882), S. 24-35. Zu Brogsittervgl auch Ahrweiler Zeitung vom 23 8 1881 Zu den Grenzen vgl Foto der Karte von 1884 Herd 1 (Kreisarchiv Ahrweiler Bestand 124 Nr. 24).
- Denkschrift 4 (1882). S. 32
- Dazu s.u.
- Im folgenden Denkschrift 5 11883). S. 7-12
- ebda S.9,
- Ahrweiler Zeitung vom 10,12,1881
- Im folgenden Denkschrift 5 11883l. S, 13 ff,
- ebda S.23.
- Denkschrift 6 [1884). S. 5
- Denkschrift 5 (1883). S, 24.
- ebda. S. 24, Bereits Ende Juli 1885. nach einer erneuten gründlichen Untersuchung, wurde der gesamte Herd inklusive „Sicherheitsgürtel“ zur Rebneupflanzung freigegeben (Denkschrift 8(1885/ 86). S 16). Dies führte auch in Heimersheim zur endgültigen positiven Haltung der Einwohnerschaft gegenüber den behördlichen Maßnahmen S.o.
- Denkschrift 15 (1893). S. 37.
- Denkschrift 5 (18831. S. 3.
- Vgl. Foto der Karte.
- Denkschrift 6 (1884), S. 43 ff. Ab 1885 wurde hur noch 1,’3 der üblichen Petroleummenge von rund 2 l je qm eingesetzt, um eine Schädigung benachbarter gesunder Lagen möglichst zu vermeiden. (Seit der Jahrhundertwende wurde diese Substanz durch Kresolselfe ersetzt) Der Schwefelkohlenstoff wurde einheitlich in eine Tiefe von 60 cm verbracht (.,60 Centimelermethode“ bzw ..Honnefer Methode“). Auf das Rigolen des Bodens im Herbst wurde zukünftig ebenso verzichtet, wie auf die früher übliche nochmalige Frühjahrsdesinfektion. Ebenfalls seit der zweiten Hälfte der 1880er Jahre ging man dazu über. um die zu vernichtenden Flächen 1 m tiefe und breite Gräben auszuheben, um die gesunden Nachbarparzellen vor den unterirdisch entweichenden Desinfektionsstoften zu schützen. Seit Mitte der 1890er Jahre wurde der Schwefelkohlenstoff – wenn es die Bodenbeschaftenheit zuließ – nur noch in 45 bzw. 25 cm tiefe Löcher verbracht Auf weitere Variationen der chemischen Reblausbekämpfung seit der Jahrhundertwende näher einzugehen, muß an dieser Stelle verzichtet werde.
- Denkschrift 7 (1885). S. 4.
- ebda. S.24.
- Denkschrift 8 i1885.“86). S. 13.
- ebda,S 19.
- Denkschrift 13 (1890.’91). S, 42 u. 45 f.
- Denkschrift 14 (1892), S. 42.
- Denkschrift 16 (1894). S. 35.
- Denkschrift 19 (1897). S. 59 f.
- Denkschrift 20 (1898). S. 69 f.
- ebda. S.69.
- ebda. S. 70.
- Denkschrift 37 (1925) S. 102.
- Der preußische Staat zahlte für die direkten Reblausbekämpfungsmaßnahmen und Entschädigungen im Zeitraum vom 1874-1928 (ausschließlich der Inflationsjahre) insgesamt rund 18,5 Millionen Reichsmark (Denkschrift 38 (1931). S. 9). Eine Gesamtschadensbilanz für den ehemaligen Ahrkreis ließ sich nicht ermitteln. Die Kosten werden sich aber sicherlich weft über der Millionengrenze bewegt haben ivgl. oben die Kosten zu 1881),
- Denkschrift 37 (1925). S. 102 und Denkschrift 38 (1931), S. 16.
- ebda.
- Freundlicher Hinweis der Landes- Lehr- und Versuchsanstalt vom 7.4.1993.
- So stellte bereits 1890 Dr von Heyden. mittlerweile zum Major und Oberleiler der Rebtausbekämptung im linksrheinischen Teil der Rheinprovinz befördert.fest: .Der Heppinger Berg bildet gegen das obere Ahrtal einen gewissen Abschluß, über welchen die Verseuchungen nicht hinausgehen “ (Denkschrift 13 (1890“91). S. 42).
- Die bei Wortmann, Reblausverseuchungen, S, 23, und Broicher, Bodenkultur. S. 328. getroffene Feststellung, daß die Reblaus bereits im Jahr 1924 im Ahrtal ausgerottet worden sei. erweist sich als unzutreffend.
- Denkschrift 37 (1925). S. 192 f. Zuvor hatte bereits 1896 die Rebenveredelungsstation Engers Versuchsweinberge in Ahrweiler und Dernau gepachtet und dort auf einer Gesamtfläche von knapp 2000qm Amerikanersämlinge mit eher bescheidenem Erfolg angepflanzt (Denkschrift 19 (1897), S. 129 f.). Die 1898 dort durchgeführten Veredelungsmaßnahmen erwiesen sich als Fehlschlag (Denkschrift 21 (1899). S. 148). 1926 wurde eine Rebenveredelungsanlage bei der staatlichen Weinbaudomäne in Marienthai eingerichtet, die auch private Winzer in der Folgezeit mit Wurzelreben belieferte, (LHAK 441 Nr. 44238). Zwei Jahre später legte der Kreis einen Amerikanerrebschnittgarten in der Ahrweiler Adenbach an (ebda.). 1930 hatte auch die Provinzial-Wein- und Obstbaumschule „für die Rebenrekonstruktion im Ahrtal eine Rebenverede-lungsaniage geschaffen“, die ab 1932 Propfreben an Privatleute abgab (LHAK 403 Nr 18191).
- Seit dem 23.12.1935 gesetzlich vorgeschrieben für Wiederanpflanzungen von Reben auf ehemaligen Reblausherden (Reichsgesetzblatt Teil l Nr. 148. S. 1543 ff.l.Nuhn den noch nicht flurbereinigten Gemarkungen von Mayschoß. Walporzheim und Ahrweiler befinden sich heute noch wurzelechte Rebenbestände. Im Rahmen der Rebflurbereinigung an der Ahr werden ausschließlich Propfreben angepflanzt. Der Anteil dieser Reben an der Ahr beträgt z.Z. rund 70 °o (wie Anm. 44).
- Ebda.
Quellen und Literatur;
Kreisarchiv Ahrweiler Bestand 124, Landeshauptarchiv Koblenz (LHAK) Bestände 403 und 441. Denkschrift über die Bekämpfung der Reblauskrankheit, bearb. von der Kaiserlichen Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Jgg. 1 • 38, Berlin 1877-1931 (Seit 1919 Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft)
Reichsgesetzblätter 1875, 1883, 1904, 1935. K. Broicher. Geschichte der Bodenkultur, in: Heimatchronik des Kreises Ahrweiler. Köln 1968, S. 302-346.
U. Sedlag et al (Hg.), Insekten Mitteleuropas. Stuttgart 1986. J, Wortmann, Über das Auftreten und den Gang der Reblausverseuchungen in den Preußischen Weinbaugebieten. Berlin 1924.