Der ist in tiefster Seele treu . . .

VON K. H. BODENSIEK

Heimat ist ein oft malträtiertes Wort. In unserer Gegenwart scheint manchmal wenig Wirklichkeit in diesem Wort zu stecken- und scheint in der Wirklichkeit wenig heimatgebundene Kraft gegenwärtig zu sein. Aber – eins ist gut: Der Begriff „Heimat“ ist dem Bereich des Sentimentalen entzogen. Unser Trost: Heimat ist unverlierbar. Man kann sie eine Zeit lang vergessen. Man kann ihre Sprache unterdrücken. Immer lebt der Mensch aber im Gewordenen. Unser Verlust an Heimat ist groß. Nicht nur dadurch, daß viele Menschen nach dem Kriege ihre angestammte Heimaterde verlassen mußten, Diese Flucht war erzwungen. Auch durch den Zustrom zu den Industriebetrieben der Städte ist mancher Mensch aus seinem Wurzelreich gerissen worden. Manch andere Faktoren haben zudem mitgewirkt, das Heimatgefühl zu schwächen, ertauben zu lassen. Das Dorf, die ländliche Stadt ruhen nicht mehr so geschlossen in sich, wie in früheren Zeiten. Mancher glaubt auch modern zu sein, wenn er den gewachsenen Grund, auf dem seine Familie, ihr Wesen und ihre Artung sich entfalten, für weniger wert hält, als frühere Generationen.

Die gefühlsmäßige Verankerung in der Heimat, die Fähigkeit, Heimat zu empfinden und auch neu zu begreifen und zu erleben, schenkt wesentliche Kräfte und Maßstäbe, vor allem den Willen zum Beständigen, zur Einordnung in die Gemeinschaft, die sich immer aus den Zellen Familie und Gemeinde zu größeren Einheiten aufbaut.

Wir sind uns in den letzten Jahrzehnten durch die schnellen Verkehrsverbindungen überall näher gekommen. Europa ist im Blick des modernen Menschen zu Nachbarschaften zusammengeschmolzen. Das bedeutet aber keineswegs, daß der einzelne – Mensch, Stamm, Volk oder Nation – sein eigenes Gesicht verlieren, seine Ausprägung abflachen soll. Im Gegenteil. Auch hier gilt es: Charakter zu bewahren. Das Farblose ist für Freund und Feind nicht anziehend. Lebendiges Heimatgefühl wirkt der Entpersönlichung entgegen, die in der modernen Massengesellschaft des Industriezeitalters und der technischen Perfektion das Individuum bedroht.

Vor allem mit der Seele hängt der Mensch an der Heimat. Und die Seele ist ein Organ, das nicht verkümmern darf. Eine seelenlose Welt kennt nicht mehr das echte Gefühl für Freiheit und Bindung. In einer rein materiellen Betrachtung aller Dinge geht die Freiheit schnell vor einem überschätzten augenblicklichen materiellen Nutzen verloren. Heimatgefühl ist etwas Bleibendes. Die Natur ist Vorbild für Wuchs und Gesetz, freie Entfaltung des einzelnen in der jeweiligen Lebensgemeinschaft, für Kraft und Anpassung zugleich. Die Lebensgemeinschaft „Wald“ ist hierfür ein viel gebrauchtes Beispiel. Wenn man vom hohen Wert lebensvollen Heimatgefühls spricht, dann ist das keine Zeitwidrigkeit, keine Schwärmerei von vorgestern, sondern eine durchaus moderne und notwendige Feststellung, die entsprechendes. Verhalten verlangt.

Selbstverständlich soll das Wort „Heimat“ nicht als Phrase leicht von den Lippen gesprochen werden, nicht als vages Gefühl herumgeistern; vielmehr muß es seinen ganz konkreten Gehalt haben.

Elternhaus, Schule und Erwachsenenbildung, Vereine und Behörden haben Anteil an der Arbeit, dem Menschen von jung auf die wichtigsten Tatsachen aus der Geschichte und Natur des Heimatraumes in begreifbaren Erscheinungsformen nahezubringen – den Sinn dafür zu wecken, die Überlieferung in ihren wertvollen Formen und Inhalten zu bewahren und in die Gegenwart, lebendig weiterwachsend – nicht museal konservierend – einzuordnen.

Ehrfurcht vor den Sitten und Gebräuchen, die bodenständig sind, vor der Natur und den landschaftsgebundenen Bauweisen und Bauformen, vor Sprache – ja dem Dialekt ! – vor Sang und Säge, Lied und Spruchgut – vor allem, was am Ort gewachsen ist wie ein Baum, wie eine Blume, ist notwendig.

Ehrfurcht muß schon dem Kinde die Augen öffnen für die Schönheit der heimatlichen Flur und Berge, für die Ausdruckskraft des eigenen Wesens. Der fundierte Stolz auf die Heimat bildet auch das Fundament für Seßhaftigkeit und für die Entwicklung jenes Bürgersinns und bürgerschaftlichen Denkens, auf das eine Demokratie nicht verzichten kann, wenn sie lebensnahe bleiben und nicht in reinen Funktionalismus entarten will. Reichtum und Fülle an Bildern ist der Eifelheimat eigen. Wenn auch keine Landschaft, in welcher Menschen leben, monoton ist, die Eifel ist es am allerwenigsten.